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5 | Tick, Trick und Track

So schnell wie der erste Tag vergangen war, konnte ich nur hoffen den zweiten Tag ebenfalls schadlos zu überstehen.

Das stetige Hin- und Herschaukeln des Schiffes hatte am Abend dazu geführt, dass ich schnell eingeschlafen war. Kaum hatte ich die Nachricht, dass ich gut angekommen war und mich schon eingelebt hatte, per SMS an meine Mutter gesendet, hatte ich mich in mein Bett gelegt. Meine Augen waren zugefallen, da hatte mein Kopf das Kissen noch nicht einmal berührt. Ich hatte nicht einmal bemerkt, wie Mia am Abend wiederkam, geschweige denn am nächsten Tag früh morgens wieder aus der Kabine schlich. Ich hatte geschlafen wie ein Stein.

Vielleicht war ich deshalb so früh eingeschlafen, weil der Tag so anstrengend war. Auf jeden Fall wachte ich an diesem Morgen von allein auf. Und ich war sogar ausgeschlafen, dabei hatten wir gerade einmal sechs Uhr. Ich stand auf und wagte einen Blick nach draußen, durch das kleine Bullauge.

Andere Crewmitglieder waren mit ihren Innenkabinen, ohne Fenster, nicht so gut dran wie Mia und ich. Dafür schwankte der Boden im Inneren des Schiffes nicht so stark wie außen. Trotz der frühen Stunde war es hinter der dicken Scheibe relativ hell.

Die Wellen türmten sich nach und nach auf und schlugen krachend gegeneinander, sodass die Gischt ihren Weg bis an mein kleines Fenster fand. Ich zuckte etwas zusammen, als eine besonders große Welle gegen die Scheibe traf und die kleinen Wassertropfen im nächsten Moment gemächlich nach unten liefen.

Eine Weile schaute ich noch nach draußen, aber da es nichts zu sehen gab außer Wasser, da wir mittlerweile auf dem offenen Meer angelangt waren und das Land wahrscheinlich schon vor Stunden hinter uns gelassen hatten, machte ich mich daran die Kabine aufzuräumen. So viel es eben nach einem Tag an Bord schon aufzuräumen gab.

Ich schüttelte mein Plumeau auf, hatte dabei allerdings vergessen, dass die Kabine nicht sonderlich groß war und schlug deshalb meine Hand mit voller Wucht gegen den Bettpfosten.

Ich unterdrückte einen kleinen Schmerzensschrei, der Mia geweckt hätte, wenn sie noch im Zimmer gewesen wäre und biss mir auf die Hand. Warum musste so etwas auch immer mir passieren?

Ich hatte mit der Zeit ein gewisses Talent dafür entwickelt Pech förmlich anzuziehen. So auch Kaffeefleck eins und zwei vom letzten Tag. Ich schüttelte den Kopf. Das war leider typisch ich, doch darüber wollte ich jetzt nicht mehr nachdenken.

Ich sollte mich eigentlich für meine Arbeit fertig machen. Mich anziehen, etwas essen gehen und dann mit Pablo und Francesco zu den Kabinen huschen und diese sauber machen.

Meine Hand lag schon am Saum meiner inzwischen wieder weißen Bluse, als es mir wieder einfiel. Kinderdienst! Ich sollte ja die Kinder von Frau und Herr... äh... Unbekannt hüten.

Die drei entzückenden Kinder, wie Frau Hoffenmeier sie beschrieben hatte. Das hatte sie zwar im Brustton der Überzeugung gesagt, nur glaubte ich ihr immer noch kein Wort.

Wieso kümmerte sie sich nicht selbst um die Kinder, wenn sie sie so hinreißend fand? Warum musste sie mir das Ganze aufbürden? Wenn ich so recht überlegte, hätte ich jetzt sogar viel lieber Betten gemacht und Staub gewischt, anstatt kleine Kinder zu unterhalten. Wie klein waren sie überhaupt? Das hatte mir die Dame natürlich nicht gesagt. Was wenn ich sogar Windeln wechseln musste?

Ich schüttelte mich. Nein, so fies konnte selbst Frau Hoffenmeier nicht sein. Ich konnte nur hoffen, dass ich damit recht behielt. Vor allem, weil ich in solch einer Situation gnadenlos untergehen würde.

Wenn ich das babysitten vom Nachbarskind außen vorließ, hatte ich eigentlich keinerlei Erfahrung, was das Hüten und Bespaßen von Kleinkindern anging.

Das Nachbarskind hatte ich immer erfolgreich vor den Fernseher gesetzt und irgendwelche Kinderserien schauen lassen, während ich selbst mit meinem Smartphone gespielt oder gelesen hatte.

Die Eltern waren zudem nie lange weg gewesen und spätestens, wenn sie einmal abends ausgehen wollten, kam sowieso immer meine Großmutter ‚zu Besuch' um mir zu helfen.

Die kleine Frau mit weißen Haaren und diesem breiten Lächeln war mir einer der liebsten Menschen auf Erden. Sie brachte mich immer zum Lächeln und erzählte Geschichten von Drachen und Prinzessinnen und dem schönen Prinzen, der seine Prinzessin rettete. Natürlich nur als ich noch kleiner war.

Alle Kinder hingen ihr damals an den Lippen und waren so begeistert von ihren Geschichten, dass immer, wenn sie gehen musste und sie sich verabschiedete, die ein oder andere Träne vergossen wurde. Als meine Mutter irgendwann entschied ihren Hochschulabschluss in der Abendschule nachzuholen, kam sie mindestens dreimal die Woche zu uns, um auf mich aufzupassen. Dann hatte ich sie immer für mich und ich freute mich immer so sehr, dass ich den Abend davor nie richtig schlafen konnte.

Meine Großmutter war eine dieser Großmütter, die mit allen Kindern gut auskam und die alle so behandelte, als wären sie ihre eigenen Enkel.

Wenn ich Freunde mit nach Hause brachte, während meine Großmutter da war, wurde ich fast immer etwas eifersüchtig, weil sie meine Freunde genauso liebevoll behandelte wie mich.

Ich gewöhnte es mir schließlich ab, Freunde zu mir nach Hause einzuladen, wenn ich wusste, dass meine Großmutter kam.

Das war eine der wenigen Angelegenheiten, bei der ich auf meine eigenen Ratschläge gehört hatte. Doch spätestens, wenn meine Freunde zu mir kamen und mir sagten, wie großartig sie meine Oma fanden, war ich unglaublich stolz.

Auch wenn die Großeltern meiner Freunde ebenfalls nett waren, würde ich meine Großmutter für nichts in der Welt eintauschen.

Meine Großmutter wäre die Idealbesetzung für diesen Posten gewesen, da hatte ich keinen Zweifel. Ganz im Gegensatz zu mir.

Gab es keinen Crashkurs zu dem Thema wie man Kinder für mehrere Stunden beschäftigen konnte, ohne dass man selbst einen Finger rühren musste?

Ein Pech nur, dass ich meine Großmutter nur so schlecht mit dem Telefon erreichen konnte. Auf dem offenen Meer und ohne richtigen Empfang stellte sich das als nicht besonders gewinnversprechend heraus. Ich musste mir selbst etwas überlegen, wie ich die Stunden in Gesellschaft der Kinder aushalten könnte.

Ich zog mir schließlich einen einfachen Pullover und meine Jeans an, dazu meine Sportschuhe, die ich mir eigentlich nur deswegen gekauft hatte, weil ich dachte ich würde auf diesem Schiff mehrere Kilometer am Tag zurücklegen, weil man mich so viel hin und her scheuchen würde.

Damit, dass ich zunächst nur den ganzen Tag in einem Zimmer hocken würde und Kinder bespaßen durfte, hätte niemand rechnen können. Am wenigsten ich.

Mit einem letzten Blick auf meine Armbanduhr, betrat ich den langen Flur der Mannschaftsunterkünfte.

Es war ungewöhnlich ruhig und dazu auch noch ungewöhnlich dunkel. Das automatische Licht war offensichtlich noch nicht in Betrieb und ich fand in der Dunkelheit ebenso wenig einen Lichtschalter.

Ich seufzte. Bei diesem dämmrigen Licht sah man fast gar nichts. Ich musste mich also im Dunkeln aufmachen, es sei denn ich fand den Lichtschalter noch früh genug. Ich schloss meine Kabinentür leise hinter mir. Das leise Klicken des Türschlosses hallte durch die Gänge. Es war gespenstisch.

Mit gesenktem Blick ging ich über den Linoleumboden, der bei jedem Schritt leise klackte. Die Türen sahen hier unten alle gleich aus, was mir vorher überhaupt nicht aufgefallen war. Der Weg kam mir noch länger vor als am Tag zuvor.

Ich hörte gedämpfte Stimmen, die urplötzlich verstummten. Hinter mir hörte ich Schritte. Ich schluckte schwer und wie von selbst bewegten sich meine Füße zum Treppenhaus.

Das Schiff knarzte und mir lief ein Schauer über den Rücken. War es auf einmal kälter geworden? Die Stille erdrückte mich beinahe. Das Licht war immer noch so schummrig, dass ich fast die Hand vor Augen nicht sehen konnte. Den Lichtschalter hatte ich immer noch nicht gefunden und diese Tatsache, dass sich mir jeden Augenblick jemand in den Weg stellen konnte und mir einen Heidenschrecken einjagte, ließ meine Schritte augenblicklich schneller werden.

Eine Tür sprang nicht weit weg von mir mit einem lauten Knall zu und ich sprang beinahe bis an die Decke. Ich drehte mich abrupt um, meine Augen suchten den Gang zu beiden Seiten ab, aber ich konnte schließlich nicht weiter als einen Meter sehen.

Just in dem Moment fing ich an zu zittern. Ich wollte nur noch hier raus. Das Schiff knarzte noch einmal unheilvoll und ich merkte wie die Wellen das Schiff nun deutlich zum Schwanken brachten. Mein Magen drehte sich.

Ein Blick über die Schulter verriet mir, dass wirklich jemand hinter mir sein musste. Ein schwarzer Schatten bewegte sich langsam auf mich zu, gab sich jedoch nicht zu erkennen.

Meine Atmung wurde schneller, als ich meine Schritte ebenfalls beschleunigte. Wo war der verdammte Lichtschalter? Ich konnte zwar so gut wie nichts sehen, aber dafür schien sich mein Gehör um das Dreifache zu verbessern. Ich nahm jedes kleinste Geräusch war. Der Boden unter mir quietschte leise. Alles bewegte sich in Zeitlupe, denn eigentlich hätte ich schon längst bei der Treppe ankommen müssen.

Mir stockte der Atem. Ich schmeckte Blut in meinem Mund. Ich hatte mir unbewusst auf Wangeninnenseite gebissen. Ein gedämpftes Geräusch hinter mir war auf einmal ziemlich nah hinter mir. Ich drehte mich um, um dem Übeltäter entgegen zu blicken und lief im nächsten Augenblick in eine Person vor mir hinein.

Ein spitzer Schrei entfuhr meinen Lippen und die Person vor mir sprang ebenso erschrocken wie ich zurück. Mit großen Augen starrte ich den Jungen an. Dann schubste ich ihn von mir weg und er hob abwehren die Hände.

„Verdammt Tristan!" Er schaute mich verwundert an und ich fuhr mir aufgebracht durch die Haare. Ich atmete stoßweise und ich schwitzte, als wäre ich einen zehn Kilometer langen Marathon gelaufen. Ich versteckte mein Gesicht in den Händen und seufzte laut auf.

„Du hast mich zu Tode erschreckt!", sagte ich, was natürlich total überflüssig war, denn das war offensichtlich. Ich zitterte.

Tristan schaute mich besorgt an. „Geht es dir gut?", fragte er und meine Atmung beruhigte sich etwas bei seiner weichen Stimme.

Mein Herz war jedoch immer noch kurz davor aus meiner Brust zu springen. Ich spürte, wie es gegen meine Rippen schlug. Die Schläge durchliefen meinen ganzen Körper und ließen ihn erzittern.

„Ich dachte nur da wäre jemand hinter mir gewesen.", sagte ich und schüttelte den Kopf. Ich hätte beinahe über mich selbst gelacht, aber dann ertönte eine Stimme ganz nah neben meinem Ohr.

„Aber ich war doch hinter dir." Ich drehte mich so blitzartig um, dass der Mann vor mir verschreckt nach hinten taumelte und ein paar Mal blinzelte.

Es war Francesco. Ich fasste mir ans Herz. Zwei Herzattacken am frühen Morgen reichten mir vollkommen aus. Mein Brustkorb war weit davon entfernt sich in normalem Tempo auf- und ab zu senken und ich spürte zwei neugierige Blicke auf mir liegen. Tristan und Francesco sahen sich ahnungslos an. Francesco zuckte mit den Schultern. Dann glitten beide Augenpaare wieder zu mir.

„Ist alles okay bei dir?", fragte Tristan und trat einen Schritt näher. Bis auf die Tatsache, dass ich gerade mehrere Tode gestorben war, meinst du? Ja klar, mir ging es bestens. Nur musste ich das meinem immer noch schnell schlagendem Herzen einmal erklären.

„Alles bestens. Da war nur ein komischer Schatten.", presste ich zwischen zusammen gebissenen Zähnen hervor.

Mein Blick glitt zu Francesco, der mich seinerseits besorgt beobachtete und Wut stieg in mir auf.

„Du! Du hast mich verfolgt! Du hast mir solche Angst eingejagt!"

Ich breitete meine Arme aus, um ihm zu verdeutlichen, wie viel Angst ich gehabt hatte und wie nah ich einem Kollaps stand. Er schluckte.

„Ich dachte du hast mich gesehen. Ich bin aus meiner Kabine raus, weil ich gesehen habe, wie du gerannt bist." Er kratzte sich verlegen am Hinterkopf.

„Ich konnte ja nicht wissen, dass du so eine Angst vor mir bekommen würdest. Ich dachte nur ich hätte vielleicht verschlafen, weil du dich so beeilt hast. Tut mir leid.", sagte er und senkte den Kopf. Ihm tat es anscheinend wirklich leid. Ganz im Gegensatz zu Tristan.

Ein breites Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus.

„Hat die kleine Solea etwa Angst vor Geistern?"

Ich schaute ihn mit zornerfüllten Augen an, aber selbst dann wollte sich das Grinsen nicht aus seinem Gesicht streichen lassen.

„Halt die Klappe."

"Oho, wie redest du denn mit mir?" Er lachte.

Ich seufzte. Ließ er gerade wirklich die 'Ich-bin-der-Neffe-des-Chefs'-Nummer raushängen?

„Könntest du bitte leise sein?", fragte ich deswegen in versöhnlicherem Ton, doch es half nichts.

„Hat du etwa Angst, dass sich jemand an dich heranschleichen könnte?"

Es half wirklich nichts.

„Halt die Klappe."

Francesco lachte laut auf. „Che carino.", sagte er und lachte.

Tristan und ich konnten ihn nur fragend ansehen. Wir konnten beide kein italienisch. Ich wahrscheinlich noch weniger als er. Ich war mir sicher, dass wenn er sich anstrengen würde, er eine Konversation irgendwie hinbekommen würde. Meine Sprachkenntnisse in Italienisch liefen gegen Null.

„Wollen wir nicht in die Küche und etwas essen? Wir haben noch genügend Zeit."

Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass wir gerade erst halb sieben Uhr hatten. Meine Arbeit würde erst um acht Uhr beginnen, Francescos Schicht andererseits bereits um halb acht. Er würde sich beeilen müssen. Bei Tristan war ich mir nicht so sicher. Andererseits war er auch schon wach. Ich ging also stark davon aus, dass er auch früh arbeiten musste.

Zusammen machten wir uns auf den Weg. Wir mussten nur noch um eine Ecke gehen, da hatten wir das Treppenhaus erreicht. Am Vortag kam mir der Weg nicht so lange vor. Ich hatte auch nicht die Chance gehabt mir die Küche oder den Weg dorthin genau anzuschauen. Ich war nur hinter Francesco und Pablo hinterhergelaufen, ohne darauf zu achten, wohin ich lief.

Die Gänge und Treppenhäuser sahen auf jedem Deck gleich aus. Die Wände waren mit Holz verkleidet und auf dem Boden breiteten sich rote Teppiche aus. Zumindest im öffentlichen Bereich. Sobald wir die Bereiche betraten, die nur für die Crew zugänglich waren, traten wir auf den weitaus günstigeren Linoleumboden.

In den Bereichen der Crew musste man den Passagieren schließlich keinen Reichtum vorgaukeln. So wie ich das sah, wurde hier in einigen Bereichen deutlich gespart. Und das waren meistens die Bereiche für die Crew. Aber das war ja nicht wirklich überraschend.

Wenn man erst einmal hinter die Kulissen trat, merkte man diesen Unterschied erst richtig. In Mias und meiner Kabine zum Beispiel war nur das nötigste und ich hatte von anderen Crewmitgliedern gehört, die sich ihre Kabine und ihr Bad nicht nur mit einer sondern mit zwei oder drei Leuten teilen mussten. Die Wände hier waren auch nicht mit glänzendem Holz verkleidet, sondern es waren normal verputzte, weiße, sterile und langweilige Wände. Vielleicht einmal abgesehen von den Gemälden, die sowohl bei den Bereichen der Crew als auch bei den Gästebereichen ausgehängt waren. Breite Holzrahmen umrahmten wundervoll gezeichnete Landschaftsbilder von Bergen, Seen und kleinen Dörfern. Sie mussten mindestens schon einhundert Jahre alt sein, waren aber in gutem Zustand. Leider schenkte ihnen niemand so richtig Beachtung. Auch als wir auf unserem Weg an zwei oder drei solcher Gemälde vorbeiliefen, schienen sie meinen zwei Begleitern nicht weiter aufzufallen und auch ich dachte nicht weiter darüber nach.

Die Küche sah im Gegensatz zu den Gängen so modern aus, dass man nie geglaubt hätte, dass sie zu der MYSTERY gehörte. Ich hatte eher an eine kleine altmodische Küche gedacht, wo noch mit Töpfen über dem Lagerfeuer gekocht wurde.

Vielleicht nicht so übertrieben altmodisch, aber ich hätte nicht damit gerechnet, dass mir eine Küche aus Stahl unterkommen würde. Alles blitzte und blinkte nur so und ich musste die Augen einen Augenblick zusammenkneifen, weil es auf einmal so hell war.

In der Küche herrschte bereits reger Betrieb. Kochgehilfen liefen hin und her, bereiteten Frühstücksplatten vor und richteten alles an. Über einen Aufzug gelangte das alles in den Frühstückssaal direkt über uns. Die Aufzüge mussten sehr viel aushalten. Das Essen stapelte sich nur so und ich befürchtete fast, die Hebeanlagen würden unter den Lasten zusammenbrechen. Ein Teil der ansehnlich angerichteten Platten blieb für die Crew zurück.

Zwischen den ganzen Leuten bemerkte ich eine Person besonders. Mia stand an einer Theke und schnitt verschiedenes Obst in kleine mundgerechte Häppchen. Ein breites Lächeln zierte ihr Gesicht, als sie mich bemerkte. Sie winkte mir überglücklich zu.

„Hallo Solea!!"

Sie war mit Abstand die am besten gelaunteste Person in Küche und Essbereich. Mit sehr großem Abstand. Ich versuchte mich zu einem kleinen Lächeln durchzuringen und hoffte, dass sich meine Gesichtszüge nicht allzu komisch verzogen.

Mia schien von meinem Dilemma nichts mitzubekommen. Sie strahlte von einem Ohr zum anderen, kam um den kleinen Tresen, hinter dem sie stand, hervor und umarmte mich flüchtig von der Seite.

„Guten Morgen Zimmerpartnerin!", flötete sie und ich erwiderte ihren Morgengruß etwas gezwungen. Wie konnte man so früh am Morgen schon so gut gelaunt sein? Wenn ich mich in dem kleinen Saal umsah, war sie wohl die Einzige, die richtig und aufrichtig lächelte.

Die meisten warfen ihr bei dem Lärm, den sie veranstaltete, böse Blicke zu. Und ich konnte sie vollkommen verstehen. Manche Menschen waren eben einfach keine Morgenmenschen.

„Ich wollte dich eigentlich heute Morgen wecken, damit du nicht zu spät kommst, aber ich habe es dann gelassen, weil du gestern so müde warst.", sagte Mia und lächelte.

Ein Glück, dass sie mich nicht geweckt hatte, denn das wäre für sie schlecht ausgegangen. Wenn ich nicht von selbst aufstand, dann sprach man mich besser nicht an. Ein wenig beängstigend fand ich allerdings, dass ich ihre Rückkehr und ihren Aufbruch zur Arbeit verschlafen hatte. Ich war nach einem kurzen Abstecher in die Küche am Abend, um noch eine Kleinigkeit zu mir zu nehmen, sofort in der Kabine verschwunden. In der Küche war Mia am Abend definitiv nicht gewesen, deswegen hatte es mich gewundert die Kabine leer vorzufinden, als ich dort ankam, aber sie musste wahrscheinlich nicht nur in der Küche stehen, sondern auch andere Arbeiten verrichten.

Hinter mir räusperte sich jemand und mir wurde erst jetzt, da ich sein Gesicht sah, bewusst, dass Francesco und Tristan abwartend hinter mir standen.

Ich drehte mich schnell wieder zu Mia. Ihre Augen waren groß geworden und ich meinte einen Hauch von Rot auf ihren Wangen zu sehen.

„Also Mia, das sind Freunde von mir. Das ist Francesco." Ich zeigte auf den Italiener. Er hatte ein breites charmantes Lächeln aufgesetzt, das jeden Menschen nur so dahinschmelzen ließ und zwinkerte ihr freundlich zu. Dann schwenkte ich weiter, um auch Tristan vorzustellen.

„Und das hier ist-"

„Ha- Hallo Tristan.", stotterte das Mädchen und ich schaute sie verwundert an.

Anscheinend kannte sie den Jungen. Die Vorstellungsrunde hätte ich mir also sparen können. Obwohl sie Francesco offensichtlich nicht kannte. Nur den ignorierte sie geflissentlich. Das schien ihm nicht sehr zu gefallen. Er hatte seine Unterlippe hervorgeschoben, sein Blick glitt beleidigt zwischen Tristan und Mia hin und her. Ihre Augen lagen jedoch ausschließlich auf dem Jungen, der an Bord sowieso jegliche Aufmerksamkeit für sich beanspruchte, sobald er in ein Zimmer trat. Ihr Gesicht leuchtete.

„Wie geht es dir?" Ihre Stimme zitterte.

Tristan lächelte gequält. „Gut und dir?" Er klang eher weniger erfreut sie hier zu sehen, was ihm auch deutlich anzusehen war, allerdings schien Mia davon nichts mitzubekommen.

Ich hätte mir fast die Ohren zugehalten so schrill war ihre Stimme plötzlich geworden. Ihre Stimme nahm die Ausmaße einer Hundepfeife an. Nur konnte ich sie leider immer noch hören.

„Mir auch, danke." Ihre Stimme überschlug sich beinahe vor Freude. Hätte ich es nicht besser gewusst, hätte ich gedacht, Mia würde ihm im nächsten Augenblick um den Hals fallen. Unangenehm war ihr der Gedanke sicher nicht. Sie lächelte hauptsächlich Tristan, mich und Francesco überhaupt nicht, verträumt zu und hakte sich bei Tristan ein.

„Ich bringe euch zu euren Plätzen.", sagte sie wieder nur an Tristan gewandt und zog ihn mit sich.

Der schaute uns hilfesuchend über die Schulter zu. Ich zuckte mit den Schultern. Wie sollte ich ihm denn bitte helfen? Francesco hätte ihm bestimmt auch nicht geholfen, auch nicht, wenn er die nötige Motivation dafür gefunden hätte. Er war augenscheinlich immer noch etwas beleidigt, dass Mia ihn vollends ignorierte.

Mia schlängelte sich gekonnt durch die Sitzreihen hindurch und wechselte dabei so schnell die Richtungen, dass meine Augen schon gar nicht mehr mitkamen. Sie warf ab und zu einen Blick nach hinten, um sich zu vergewissern, dass wir noch hinter ihr waren. Oder vielleicht hoffte sie auch, dass wir nicht mehr hinter ihr waren und sie etwas Zeit mit Tristan verbringen konnte, wer wusste das schon. Sie schien jedenfalls ganz vernarrt in den Jungen zu sein, was jedenfalls für mich sehr amüsant war.

Ich entschuldigte mich mehrmals bei den Menschen, die ich beim Durchlaufen aus Versehen anstieß und hoffte, dass ich dadurch keine dritte Kaffeekatastrophe verursachte.

Ich verschwand schnell aus dem Blickfeld meiner unfreiwilligen Opfer und hoffte einfach ihren Tag nicht zu vermiest zu haben.

Mia blieb schließlich, innerlich sicherlich enttäuscht, dass sie uns nicht hatte abhängen können, bei einem Tisch stehen und platzierte uns daran.

Tristan drückte sie bestimmt auf einen Stuhl, dann zog sie Francesco, der bei ihrer Berührung sichtlich zusammenzuckte, zu ihm und setzte ihn neben Tristan. Für mich blieb der letzte Stuhl übrig. Gegenüber von den beiden. Mia lächelte.

„Das hier ist der beste Platz in der Küche.", sagte sie übereifrig.

Ob das stimmte, war die nächste Frage. Für mich sah der Platz nicht besser aus als die anderen, an denen wir auf dem Weg entlang gegangen waren. Auf nicht wenigen hatte ich mich schon nach ein paar Sekunden niederlassen wollen, aber Francesco hatte mich von hinten immer weitergeschoben und es tat mir ja auch irgendwie leid, dass Tristan an Mias Schraubstockgriff gebunden war. Mia hüpfte von einem Fuß auf den anderen.

„Ich hole was, wartet hier." Auch bei diesem Satz lagen ihre Augen ausschließlich auf Tristan und ich schmunzelte.

Sie ging grinsend ein paar Schritte rückwärts, nur um sich dann abrupt umzudrehen und mit schnellen Schritten zwischen den Tischen zu verschwinden. Tristan seufzte erleichtert aus.

„Gott sei Dank, sie ist weg.", sagte er und Francesco sagte zeitgleich.

„Sie hat mich nicht einmal beachtet." Beide starrten sich entgeistert an und ich fing aus vollem Halse an zu lachen. Tristan schüttelte wortlos den Kopf.

„Woher kennst du sie?", fragte er mich und Francesco schaute mich neugierig an.

„Sie ist meine Zimmergenossin.", sagte ich achselzuckend. Die beiden Jungs starrten mich mit offenen Mündern an.

„Double-M ist deine Zimmernachbarin?", fragte Tristan ungläubig und Francesco fragte

„Stellst du sie mir einmal vor?" Ich konnte wieder nicht anders als zu lachen und Tristan ratlos anzusehen.

„Double-M?"

Der Junge lächelte verlegen.

„Abkürzung für die Motivierte Mia."

Ich beugte mich etwas nach vorne und senkte meine Stimme kurzzeitig. Das Personal, was hier schuftete bis zum Gehtnichtmehr, sah nicht besonders glücklich darüber aus, dass wir uns so laut und vor allem lachend unterhielten. Dabei konnten wir nichts dafür. Man könnte schon fast sagen, dass es Mias Schuld war. Sie lieferte uns einfach Gesprächsstoff. Tristan nickte grinsend.

„Ist dir schonmal aufgefallen, wie motiviert das Mädchen durch die Gänge läuft? Sie ist 24 Stunden am Tag gut gelaunt. Sie war schon öfter im Team. Ich habe sie noch nie schlecht gelaunt erlebt.", erklärte er und ich nickte langsam verstehend, was zu Mias Spitznamen geführt hatte.

Mias Spiritanimal war wohl das einer hyperaktiven Springmaus, während meines wohl eher einem Faultier glich. Oder einem Koala. Die aßen zwischendurch auch mal etwas.

„Also ich find das nicht so schlimm...", gab Francesco beinahe verlegen zu und ich wollte gerade ansetzen ihm zu antworten, dass es vielleicht nicht schlimm war, wenn er sie nur einmal am Tag sah, aber wenn so jemand deine Mitbewohnerin war, sähe die ganze Geschichte schon wieder anders aus, doch da trat Mia schon wieder an unseren Tisch. Sie war rot im Gesicht, und ihre Augen leuchteten vor Begeisterung, als sie Tristan dieses Mal ein Tablett mit mehreren Leckereien vor die Nase hielt.

„Hier, bitte schön, die habe ich eben selbst gemacht.", sagte sie und ich warf einen Blick auf das Essen. Angeblich sollten es Croissants sein, aber das hinterfragte ich nach dem ersten Blick bereits.

Die grau-braune Masse sah eher aus wie einmal gegessen und... naja, es sah zumindest nicht schön aus. Unglücklich war das netteste Wort.

Erwartungsvoll hielt sie uns das Tablett entgegen und ich nahm mir zögernd etwas von dem komischen Klumpen. Kaum hatte ich etwas auf meinem Teller, zerbröselte es schon in seine Einzelteile. Wie in Zeitlupe führte ich einen Bissen zu meinem Mund und ich hob erstaunt die Augenbrauen.

Es schmeckte wirklich nicht schlecht. Es sah lediglich etwas unappetitlich aus. Ich reckte einen Daumen in die Höhe und Mia kicherte als endlich auch Tristan und Francesco ordentlich zulangten. Auch sie wirkten positiv überrascht. Das Tablett war in kürzester Zeit leer, wir waren alle sehr hungrig, da das letzte was wir gestern gegessen hatten, nur ein paar Sachen vom Obstteller gewesen waren. Mia, oder die Motivierte Mia, wie die Jungs sie nannten, ging in der Zeit, in der wir aßen zu ihrem Arbeitsplatz zurück, was ihr sicherlich missfiel, denn ich konnte einen Hauch von Enttäuschung in ihren Augen sehen, als der Chefkoch sie wieder zur Ordnung rief. Sie entschuldigte sich und versicherte uns, dass sie in ein paar Minuten wiederkommen würde. Dabei warf sie Tristan verschwörerische Blicke zu, aber dieser konnte mit vollem Mund nur ein halbes Lächeln zustande bringen. Kaum war sie verschwunden ließ er die Schultern sinken.

„Bitte rettet mich aus diesem Albtraum.", sagte er.

Ich kicherte während Francesco das Ganze gar nicht lustig zu finden schien.

„Dich beachtet sie wenigstens.", bemerkte er verbissen. Ich schüttelte den Kopf und lachte leise in mich hinein.

Immerhin erkannte ich jetzt, warum uns Mia zu genau diesem Tisch hier geführt hatte. Von ihrem Arbeitsplatz aus hatte man nämlich die perfekte Sicht auf diese Tischgruppe, oder besser gesagt auf Tristan. Mia schien tatsächlich etwas für ihn übrig zu haben, was nicht weiter verwunderlich war, denn wenn er wollte konnte er ja durchaus nett sein. Wenn er wollte.

Eigentlich hatte ich mich schon darauf gefreut, noch ein paar ruhige Minuten in der Küche verbringen zu können, aber Double-M – Pardon - Mia kam so oft zu unserem Tisch und wurde von Chefkoch Herby zurechtgewiesen, dass wir drei keine normale Unterhaltung in Gang bringen konnten, ohne unterbrochen zu werden. Ständig kam uns jemand dazwischen.

Erst war es wieder Mia, die die fünf Minuten Trennung augenscheinlich nicht verkraftete, dann erwachte Pablo aus seinem Dornrösschenschlaf und befürchtete, dass Francesco und er sich langsam auf den Weg machen sollten. Dieser stopfte sich dann tatsächlich ein paar letzte Reste von Mias Backversuchen in den Mund und ließ Tristan und mich allein zurück. Zumindest so lange, bis das Mädchen wieder um die Ecke geschlendert kam. Sie hatte ein breites Grinsen auf dem Gesicht, was ich auf ihre fröhliche Art schob, dann erkannte ich jedoch wer ihr dicht auf den Fersen war. Meine Pechsträhne war anscheinend doch noch nicht aufgebraucht, denn es war niemand anderes als die Hausdame.

Mein Rücken schoss förmlich in die Höhe. Die Frau hatte ein spitzes Lächeln auf den schmalen Lippen, was allem Anschein nach wieder nur Tristan galt und wünschte einen guten Morgen, den Tristan und ich halbherzig erwiderten.

Die meisten Crewmitglieder hofften anscheinend, dass sie, wenn sie nur nett genug zum Neffen des Chefs waren, bestenfalls eine Gehaltserhöhung oder eine Beförderung herausschlagen konnten.

Der Blick Frau Hoffenmeiers verfinsterte sich jedoch, als sie mir in die Augen blickte und ich fühlte mich gleich wie ein kleines Kind, das irgendeinen banalen Fehler gemacht hatte und von seiner Lehrerin heruntergemacht wurde.

„Frau Müller, gehe ich recht in der Annahme, dass sie ihren Job noch eine Weile behalten möchten?" Ich stutzte bei ihren harschen Worten und auch Tristan schaute überrascht.

„J-ja?", stotterte ich etwas verlegen. Als mich ihr ungehaltener Blick traf versuchte ich den Kloß, der sich langsam in meiner Kehle bildete herunterzuschlucken.

„Dann rate ich Ihnen sich zu sputen und vor der Kabine der Gremperichs bereit zu stehen. Man mag es nicht gerne, wenn man warten muss.", wies sie mich zurecht und reckte das Kinn gebieterisch in die Höhe. Unbeholfen stand ich von meinem Stuhl auf und wusste nicht, wo ich hinsehen sollte.

„Ich mache mich auf den Weg.", krächzte ich schnell und Tristan – wieder ganz er selbst - sah mir amüsiert dabei zu, wie ich versuchte mich an Frau Hoffenmeier vorbei zu quetschen, ohne sie dabei zu berühren.

Ich hätte mir für den Versuch immerhin eine vier gegeben. Die Hausdame, wieder in der Rolle der bösen Stiefmutter, nickte und widmete sich dann mit einem Lächeln Tristan zu. Ich schlängelte mich durch die Reihen, die sich nun allmählich wieder lichteten, hatte aber trotzdem damit zu kämpfen, heil aus der Masse herauszukommen. Als ich wieder im Gang stand, atmete ich erst einmal tief durch.

Meine Beine trugen mich wie von selbst die Treppen zu der vermeintlichen Kabine der Familie hinauf. Bei der Kabine handelte es sich offenbar um eine der wenigen Suiten an Bord. Mit zwei Schlafzimmern, einem großen Wohnbereich und sogar einer kleinen Kochnische, die man wohl kaum brauchte, da die Bordküche beinahe rund um die Uhr Essen zur Verfügung stellte.

A216. A216. A216. Das ging ich in meinem Kopf immer wieder durch, während ich die Gänge entlanglief.

Ich suchte, doch offensichtlich wollte die Kabine nicht gefunden werden. Notfalls würde ich einfach dem Lärm folgen, der mit einem Mal in einer der Kabinen aufkeimte. Wo Lärm war, waren Kinder meist nicht fern.

Mein Gedanke stellte sich als richtig heraus, als der Lärm aus keiner anderen Kabine kam als aus der mit der Aufschrift A216. Das waren also die entzückenden Kinder, laut Frau Hoffenmeier. Ja nee, ist klar. Die Kinder waren bestimmt ganz bezaubernd.

Ich blieb, unschlüssig ob ich anklopfen oder einfach vor der Tür warten sollte, stehen und trat nervös von einem Fuß auf den anderen. Immer wieder hob ich meine Hand zögernd, nur um sie gleich darauf wieder seufzend sinken zu lassen. Ich würde einfach abwarten. Das war eine gute Idee. Ich müsste wahrscheinlich nicht mehr lange warten. Meine Uhr zeigte mir an, dass wir kurz vor acht hatten. Um acht sollte ich die Kinder entgegennehmen. Der Zeiger sprang gerade um, als sich die Tür schwingend öffnete und ein Mann den Kopf herausstreckte. Er war groß, aber etwas dicklich und seine kleinen Knopfaugen beäugten mich neugierig.

„Sind Sie das Kindermädchen?", fragte er freundlich und ich nickte nur kurz, bis mir wieder einfiel, dass ich mich schließlich höflich präsentieren musste und das ging nicht, wenn ich einfach nur stumm vor mich hinstarrte.

„Ja, das bin ich.", bestätigte ich seine Aussage und er nickte. Er strich sich über den Kopf. Er hatte eine Glatze, dabei sah er nicht so aus, als wäre er schon so alt.

„Kommen Sie bitte herein. Wir brauchen noch einen Moment."

Er öffnete die Tür ganz und das was ich sah ließ mich den Atem stocken. Die Suite erstrahlte in Weiß und hinter einer großen Glasfront war das Meer in seiner vollen Pracht zu sehen. Die Meterhohen Wellen türmten sich stürmisch übereinander und schlugen auf die Wasseroberfläche ein. Am Himmel zogen ein paar einzelne Wolken daher und sogar eine Möwe ließ sich am Himmel blicken, was darauf schließen ließ, dass das Land noch nicht sehr weit entfernt war.

Die Möblierung der Suite war schlicht gehalten und ich hatte auf Anhieb Mitleid mit dem Housekeeping. Diejenigen, die dieses Zimmer sauber machen mussten, hatten zwar nicht viele Möbel zu entstauben, dafür mussten sie sie aber auch noch auf Hochglanz polieren.

Aus einem Nebenzimmer kam nun eine blonde Frau in den Wohnbereich getreten. Sie lächelte mich genauso wie ihr Mann zuvor freundlich an und reichte mir ihre Hand.

„Sie sind also das nette Mädchen, dass sich um unsere Schätze kümmern wird?" Ich nahm ihre Hand entgegen und schüttelte sie kurz. Auf ihre Frage hin nickte ich verlegen.

Von wem hatte sie denn das 'nette Mädchen' aufgegabelt? Von der Hausdame bestimmt nicht. Vielleicht wollte sie auch nur freundlich sein. Ihre eisblauen Augen strahlten mich an und würde sie nicht so liebenswert lächeln, hätte ich bestimmt Angst vor ihr gehabt. Wie viel ein ernstgemeintes Lächeln doch ausmachen konnte. Hätte Frau Hoffenmeier jemals gelächelt, hätte ich sie sicher auch nett gefunden. Die Frau vor mir überragte mich um zwei Köpfe. Aber weil sie mich so nett behandelte konnte ich nicht anders als sie ebenfalls breit anzulächeln. Sie beugte sich verschwörerisch zu mir.

„Dann wollen wir ihnen jetzt einmal unsere Kinder vorstellen. Sie sind sicher schon gespannt.", sagte sie und ich schluckte.

Jetzt war also der Moment gekommen. Ich konnte nicht leugnen, dass ich nicht neugierig war auf die Kinder, weil sich ihre Eltern schon so freundlich verhielten. Irgendetwas davon musste schließlich abgefärbt haben. Ich dachte, dass die Kinder wohlerzogen sein und mir deshalb keine Probleme machen würden. So dachte ich zumindest, aber als ich die Kinder aus dem nächsten Zimmer auf uns zulaufen sah, wurde mir schlagartig bewusst, dass das reines Wunschdenken gewesen war. Es waren drei Jungs. Zwei waren etwa im gleichen Alter, sie waren also kurz nacheinander geboren oder es waren Zwillinge. Die beiden waren etwa sieben Jahre alt. Ein weiterer Junge, den ich auf etwa fünf schätzte, trottete hinter ihnen her. Im Gegensatz zu ihren Eltern, die in teuren Klamotten vor mir standen, sahen die Kinder eben aus wie normale Kinder.

Der kleinste Junge trug eine Latzhose und ein gestreiftes T-Shirt darunter, was ihn irgendwie ganz süß aussehen ließ, andererseits erinnerte es mich auch an diese Gruselpuppe aus dem Fernsehen. Die Jungs im selben Alter wiederum waren in gleichen Klamotten gekleidet. Sie hatten beide eine Jeans an und T-Shirts mit Disney Aufdrucken. Weil mir in dem Moment ein riesiger Donald Duck entgegensprang, taufte ich die drei auf Tick, Trick und Track.

„Das sind Timothy, Jonathan und Nathaniel." Jup, ganz klar Tick, Trick und Track. Ihre Namen würde ich mir sowieso nicht merken können. Ich hockte mich auf den Boden und lächelte die drei an.

„Und ich bin Solea. Ich freue mich schon auf euch aufzupassen.", flunkerte ich mit guter Miene zu bösem Spiel und hoffte auf irgendeine Reaktion, aber die drei gaben kein Wort von sich. Der kleinste, Track, versteckte sich hinter seiner Mutter und Tick und Trick liefen einfach wieder in das andere Zimmer, ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen. Hatte ich mir die lauten Kinderstimmen aus der Kabine wohlmöglich nur eingebildet? Ich blickte ihnen aus großen Augen hinterher, doch die Mutter lächelte mich sanft an.

„Machen Sie sich nichts draus. Am Anfang sind sie immer etwas schüchtern. Wenn sie erst einmal die erste Viertelstunde überstanden haben, dann ist alles ganz einfach.", sprach sie mir gut zu und ich nickte langsam. Hoffentlich hatte sie auch recht. Sie nahm Track auf den Arm und ich richtete mich wieder vom Boden auf.

„Timothy, Jonathan, kommt her." Rief der Vater und in nicht einmal einer Sekunde standen sie neben ihm und starrten mich aus großen treuherzigen Augen entgegen. Die drei hatten alle die eisblauen Augen ihrer Mutter. War nur zu hoffen, dass sie die Glatze ihres Vaters nicht auch erben würden. Im Moment hatten sie alle noch einen blonden Lockenkopf, was sie so aussehen ließ wie drei kleine Engel.

Die Mutter sprach leise und liebevoll zu ihren Kindern, was mir gleich ein Lächeln auf die Lippen zauberte.

„Das hier ist Solea. Sie wird heute auf euch aufpassen und ihr werdet euch alle schön benehmen, ja?"

So wie ich das sah, konnten die Kinder nicht einmal richtig sprechen, wie sollten sie mir Probleme machen? Sie starrten mich nur an und nach einer Zeit fühlte ich mich deswegen etwas unangenehm und scharrte mit den Füßen über den weißen Boden.

„Wir begleiten Sie noch zu dem Spielraum. Frau Hoffenmeier war so freundlich uns darauf aufmerksam zu machen. Sie ist so ein netter Mensch."

Ich versuchte das Lachen krampfhaft zu unterdrücken, was dazu führte, dass ich mich verschluckte und heftig anfing zu husten. Es gab Beschreibungen, die einfach nicht zusammenpassten. Frau Hoffenmeier und nett war eine davon. Da zeigte sich mal wieder, dass die Passagiere keine Ahnung hatten, wie es hinter den Kulissen aussah. Nachdem ich mich von meinem kurzen Hustanfall erholt hatte, nickte ich und trat, gefolgt von der fünfköpfigen Familie, auf den Flur. Ein Glück, dass Tristan mir zuvor noch erklärt hatte, wo ich genau hinmusste. So gut wie er kannte sich sicher niemand auf dem Schiff aus. Und auch ich konnte der Familie vorgaukeln, dass ich genaustens wusste, wohin ich ging. Mit zielsicheren Schritten liefen wir durch die Gänge, ohne dass ich wie ein vollkommener Idiot, der ich ja eigentlich war, aussah.

Ein Mädchen mit Servierwagen kam uns auf dem schmalen Gang lächelnd entgegen. Ich hatte sie an diesem Morgen nur kurz gesehen, weil sie in der Küche beschäftigt gewesen war, aber bei ein paar hundert Gesichtern der Crew lernte man sich schnell kennen. Auf ihrem Wagen schob sie eine dreistöckige Erdbeersahnetorte wahrscheinlich in den Speisesaal. Die Speiseaufzüge waren für die Größe der Torte zu klein.

„Das sieht super aus!", raunte ich ihr beim Vorbeigehen zu und sie grinste stolz. Sie warf einen schnellen Blick hinter mich und erkannte die Kinder.

„Viel Spaß beim Babysitten.", entgegnete sie verschwörerisch. Daraufhin konnte ich nichts erwidern, weil Frau und Herr Gremperich und ihre Sprösslinge wieder aufgeholt hatten. Ich nickte meiner Kollegin zum Abschied kurz zu und wies der Familie den richtigen Weg.

Das Schild mit der Aufschrift 'Aufenthaltsraum' sprang uns schon aus einiger Entfernung entgegen und ich schloss die Tür mit meiner Schlüsselkarte auf.

Der Raum unterschied sich nicht in vielem von den anderen Zimmern an Bord. Durch eine Tür gelangte man auf einen kleinen Balkon und an der Seite standen zwei Schreibtische und Stühle sowie ein paar Schränke. Nur mit einer Sache hob sich der Raum von den anderen ab und das war das Spielzeug. Spielzeug wohin das Auge reichte lag auf dem Fußboden verteilt. Mir wäre beinahe ein anerkennendes Pfeifen entwischt, konnte mich aber gerade noch so zurückhalten. Wäre ich nur ein paar Jahre jünger, wäre ich in meinem persönlichen Utopia gelandet. Ich wunderte mich, dass die Kinder nicht gleich freudestrahlend auf das Spielzeug zustürzten und ich schob es auf die ungewohnte Situation und Umgebung.

Ich gab den Eltern Zeit, sich von ihren Kindern zu verabschieden. Immerhin sahen sie sie jetzt für ein paar Stunden nicht. Tick und Trick nahmen die zuversichtlichen Worte ganz einfach hin und verkrochen sich in eine Ecke. Track allerdings tat sich etwas schwerer mit dem Abschied. Ihm standen bereits Tränen in den Augen und ich befürchtete einen Ausbruch. Frau Gremperich hockte sich zu ihrem Jüngsten.

„Du brauchst nicht zu weinen. Wir kommen ganz bald wieder.", versicherte sie ihm, aber er schien es nicht zu glauben. Es brauchte noch ein paar Worte mehr, sein Lieblingskuscheltier und die Zusage seines Vaters, dass wenn er sich benahm ein neues Kuscheltier bekommen würde. Erst nach diesen Worten wandte er sich zufrieden zu seinen Brüdern.

Die Mutter ließ einen erleichterten Seufzer vernehmen und verschwand mit schnellen Schritten zu ihrem Mann, der die Tür schon aufhielt.

„Vielen, vielen Dank, dass sie das machen. Wir sind Ihnen dankbar.", sagte sie.

"Das ist keine große Sache.", sagte ich. Zu diesem Zeitpunkt meinte ich das auch noch, aber hätten sie mich ein paar Stunden später gefragt, wäre die Antwort anders ausgefallen.

„Wir werden sie pünktlich in vier Stunden abholen." Ich nickte und lächelte ihnen aufmunternd zu. Die Tür schloss sich hinter ihnen und ich ließ mich auf den nächsten Stuhl fallen. Mein Blick glitt zu den Kindern, die auf dem Boden saßen und spielten. Vier Stunden. Was sollte da schon schief gehen?

Wie sich heraus stellte, ziemlich viel. Die erste Stunde lief ruhig. Tick, Trick und Track saßen die ganze Zeit auf dem Boden und unterhielten sich, wenn auch nur im Flüsterton, aber was sollte es mich schon kümmern, was die Kinder redeten? Ich schob es damals darauf, dass sie nur schüchtern waren, weil sie mich nicht kannten und ich hatte ihnen sogar mehrmals zugelächelt oder gefragt, was sie da gerade spielten, hatte aber immer nur kurze Antworten erhalten.

Wie gesagt, ich dachte damals die drei Jungs seien einfach nur schüchtern. Das stellte sich als fataler Fehler heraus. Es war weitaus schlimmer. Sie waren drei kleine Teufel, die sich in den Körpern von Engeln versteckten und sie waren anscheinend darauf fokussiert mir mein Leben hier zur Hölle zu machen.

Angefangen hatte es damit, dass einer von ihnen auf die Toilette musste. Das war Track, der kleinste von den dreien und er meinte er wollte nicht allein auf den Gang gehen, weil er seiner Meinung nach kalt und dunkel war. Schön und gut. Ich durfte ihn sowieso nicht aus den Augen lassen, geschweige denn allein auf dem Kreuzfahrtschiff durch die Gänge streifen lassen. Ich hatte also beschlossen, die zwei anderen einfach in dem Raum zu lassen, während ich Track bis zur Toilette begleitete.

Immerhin waren die anderen beiden schon älter und konnten sich an so eine einfache Anweisung halten. So dachte ich. Nicht nur hatte Track eine gefühlte Ewigkeit gebraucht, um sich seiner Blase zu entleeren, als wir in den Raum zurücktraten, waren die beiden anderen Kinder zu meinem Schrecken spurlos verschwunden. Mein Herzschlag setzte abrupt aus.

Ich hatte einen Job gehabt und den hatte ich allem Anschein nach gehörig vermasselt. Ich schnappte erschrocken nach Luft, als ich den Raum leer vorfand.

„Hey, wo seid ihr?", rief ich panisch. „Timothy, Jonathan!" Ihre Namen waren mir zum Glück wieder eingefallen. Ich denke nicht, dass sie anderenfalls auf Tick und Trick gehört hätten. Track hinter mir lachte leise. Ich drehte mich abrupt zu ihm um und er sah mich aus unschuldigen Kinderaugen an.

„Wo sind meine Brüder?", fragte er und schob seine Unterlippe hervor. Meine Augen verengten sich. Ich hatte ihn unmissverständlich lachen gehört. Dieser traurige Gesichtsausdruck, den er jetzt aufgesetzt hatte, passte gar nicht dazu. In meinem Kopf klickte es.

„Ach so, ihr wollt verstecken spielen. Das könnt ihr gerne haben. ", sagte ich herausfordernd und Track sah mich immer noch mit diesem gespielten Unschuldslammblick an.

Das ich nicht lache.

„Ich war immer prima im Verstecken. Ich habe noch jeden gefunden." Da wurde ich doch mit drei neunmalklugen Kindern fertig.

Ich ging auf die Schränke zu und behielt den Jüngsten dabei genaustens im Auge. Ihn schien das jedoch nicht sonderlich zu stören. Er grinste mich maliziös an. Kaum zu glauben, dass ein fünfjähriger schon so einen hinterhältigen Blick draufhatte. Die Schranktüren waren alle verschlossen und ich riss sie mit einem Ruck auf, in der Hoffnung die beiden verloren gegangenen Kinder zu finden, aber die Schränke waren leer. Track kicherte wieder leise und dieses Mal war ich mir hundertprozentig sicher. Sie hatten das alles geplant! Von wegen entzückend, schüchtern und was ich sonst noch alles gedacht hatte!

Ich sah mich in dem großen Raum um. Eigentlich gab es hier nicht viele Versteckmöglichkeiten. Mein Herzschlag schnellte wieder in die Höhe. Was wäre, wenn sie den Raum verlassen hatten? Das konnte, nein, durfte einfach nicht sein. Ich konnte die Kinder nicht schon nach einer Stunde verlieren. Vor allem nicht in einem üblicherweise abgeschlossenen Raum! Ich raufte mir die Haare. Es sah alles so aus wie ich es zusammen mit Track verlassen hatte. Das Spielzeug lag immer noch auf dem Boden verteilt, die Schränke waren zu und die Stühle standen alle an ihren vorhergesehenen Plätzen. Mein Blick glitt über die Fenster und auf die Wellen draußen.

Was wäre das Schlimmste was passieren konnte? Auf einem Schiff, ein paar hundert Kilometer vom Festland entfernt? Wenn sie ertrinken würden. Der Gedanke kam eher flüchtig, aber er war die Lösung.

Der Balkon! So schnell wie ich zu der Balkontür sprintete und die Tür aufriss, so schnell hatte ich mich in den letzten fünf Jahren nicht bewegt.

In der Ecke hinter einem Liegestuhl versteckt saßen die beiden Ausreißer und grinsten mich übers ganze Gesicht an.

„Na, sieh mal einer an wer auch da ist.", sagte Tick und Trick sagte: „Wenn das nicht unser Kindermädchen Solea ist." Ich starrte sie nur mit offenem Mund an.

„Also, wenn du immer so lange brauchst, dann könnten wir schon längst ertrunken sein.", mahnte mich Tick und mein Blick glitt zwischen beiden hin und her.

„Ich glaube sie ist verwirrt.", mutmaßte Trick leise und sein Bruder nickte naserümpfend.

„Anscheinend nicht so schlau, wie sie aussieht.", nickte er und ich erwachte schließlich aus meiner Starre.

„Was macht ihr beide denn hier? Los rein mit euch!", sagte ich energisch und die Zwillinge sprangen kichernd auf ihre Beine. Drinnen wurden sie von einem ebenfalls kichernden Track empfangen. Ich knallte die Balkontür hinter mir zu.

„Es ist verdammt kalt hier draußen. Warum macht ihr sowas, zur Hölle!", sagte ich laut.

„Oho, wer hat denn da vor Kindern geflucht?" Trick sah mich triumphierend an.

„Das sag ich meiner Mama.", fügte Track hinzu und schob seine Unterlippe hervor. Mein Mund klappte auf.

Ich fand für diese drei Gestalten einfach keine Worte. Ich hatte sie eindeutig unterschätzt. Sie sahen vielleicht so aus wie Engel, aber jetzt erkannte ich was sie wirklich waren, nämlich drei kleine Teufel, die versuchten mein Leben auf den Kopf zu stellen. Und das leider mit Erfolg. Die drei schauten mich wieder mit diesem Unschuldsblick, den sie sicherlich unzählige Male vor dem Spiegel geprobt hatten, an.

„Ihr seid wirklich-" Ich seufzte.

„Achte auf deine Wortwahl, junge Dame. Fluchen vor Kleinkindern kommt nirgendwo gut an. Wir wollen doch nicht, dass hier jemand seinen Job verliert.", sagte Trick.

Ich hätte niemals gedacht, dass mich diese drei kleinen Kinder jemals hätten einschüchtern können, aber seine Worte brannten sich förmlich in mein Gehirn ein. Ich konnte nichts weiter tun, als diese Schikanen über mich ergehen zu lassen und darauf zu hoffen, dass sie mich nicht vor ihren Eltern anschwärzen würden. Ich würde auch eher meinen eigenen Kindern glauben als einem 18-jährigen Mädchen, das noch nie zuvor Arbeitserfahrung gesammelt hatte. Ich würde meinen Posten schneller los sein, als mir lieb war, wenn sie es doch taten. Ich massierte meine Schläfen und schaute auf die drei Kinder hinunter. Ich seufzte erneut. Egal, was ich tat, man würde mir sowieso nicht glauben, denn letztendlich war ich nur eine nichtige kleinbezahlte Aushilfskraft und kein Kind eines hochkarätigen Businessmanns. Ich würde klar den Kürzeren ziehen, wenn es zu einer Diskussion kommen würde.

„Setzt euch einfach wieder hin und spielt weiter.", sagte ich schließlich und gruseliger Weise wurde das Grinsen auf den Gesichtern der drei breiter. Sie hatten keinerlei Ähnlichkeit mit den Engeln, die ich vor einer knappen halben Stunde noch in ihnen gesehen hatte. Das was sie ausstrahlten war pure Boshaftigkeit. Ich konnte nicht verhindern, dass mir dabei ein eisiger Schauer über den Rücken lief.

„Wir werden noch sehr viel Spaß zusammen haben.", sagte Tick und ich glaubte ihm aufs Wort. Das würden noch ein paar lange Stunden werden.

Tick, Trick und Track setzten sich in einem Kreis auf den Boden und warfen mir ab und zu ein paar verschwörerische Blicke zu. Bestimmt planten sie schon ihre nächste hinterhältige Tat. Ich beschloss sie keine einzige Sekunde aus den Augen zu lassen. Langsam ging ich rückwärts auf die Stühle zu und zog einen davon unter den Tischen hervor. Meine Augen verließen die drei Jungs keine einzige Sekunde und auch ihre Augen lagen observierend auf mir. Meine Augen verengten sich. Was hatten sie nur vor? Worauf warteten sie?

Ich ließ mich langsam auf meinen Stuhl fallen und wusste im nächsten Moment, worauf sie so sehnsüchtig gewartet hatten. Ein triumphierender Schrei verließ die Münder der drei und sie kugelten sich vor Lachen, als mein Hinterteil auf dem Stuhl landete.

Ich hatte mich geradewegs in etwas Matschiges gesetzt und ich hatte keine Zweifel daran, dass das das Werk der drei kinderähnlichen Kreaturen war. Ich sprang auf, nur um einen Haufen sahniger Pampe auf dem Stuhl und auf meiner Hose vorzufinden. Die drei Jungs lachten nur noch mehr, weil ich verzweifelt versuchte die klebrigen Reste, die ich nun als Erdbeersahnetorte erkannte, an der wir auf unserem Hinweg vorbeigekommen waren, von meiner Hose zu entfernen.

Meine Versuche liefen ins Nichts, es schien eher so, als würde ich durch meine Rettungsversuche alles verschlimmern. Die Sahne zerlief in meiner Hand und tropfte auf den Boden. Es nutzte nichts. Ich musste auf die Toilette und mit Wasser versuchen das Schlimmste zu verhindern. Mein Blick blieb an den drei Teufeln hängen. Ich konnte sie unmöglich allein im Aufenthaltsraum lassen. Sie würden wieder etwas aushecken und schlimmstenfalls wirklich verschwinden. Ich starrte auf den Gang.

Und wenn ich einfach...? Nein unmöglich, ich wäre niemals so schnell von hier bis zum Bad gerannt, ohne dass die drei etwas anstellten. Und einschließen konnte ich sie auch nicht. Letzten Endes würden sie es noch zustande bringen mich dabei auszusperren.

Ein Schatten bewegte sich vor der Glastür und ich riss sie, ohne darüber nachzudenken auf.

Ein Mädchen mit braunen Locken starrte mir mit weit aufgerissenen Augen entgegen.

„Ich wollte nicht gucken, ich war bloß neugierig.", verteidigte sie sich sofort und ich schüttelte den Kopf. Sie kam mir bekannt vor. Das war der einzige Grund warum ich sie nun zu mir in das Zimmer zog.

„Du kommst gerade richtig. Kannst du gerade auf die drei aufpassen?" Ich zeigte hinter mich auf die Jungs und das Mädchen betrachtete mich verwirrt und zögernd.

„Ja klar, aber was-"

„Super!" Ich drängte mich an ihr vorbei und lief im Schnellschritt den Gang entlang.

„Ich bin gleich wieder da! Und setz dich nirgendwo hin!", rief ich noch einen kleinen Rat über die Schulter, bevor ich das sicher mehr als verdutzte Mädchen zurückließ. Darüber konnte ich in diesem Moment allerdings wenig nachdenken. Ich musste den Kuchen so schnell wie möglich von meiner Hose entfernen.

Hoffentlich lief mir niemand der Crew oder sogar Frau Hoffenmeier über den Weg und stellte komische Fragen. Ich erreichte die Baderäume in Rekordzeit und schnappte mir ein paar Stücke Papier von der Anrichte, die ich nass machte und womit ich dann die Hose bearbeitete. Es war eine klebrige Angelegenheit. Ich verfluchte die drei Jungs. Wie kamen sie nur auf die Idee mir so etwas anzutun? Nach dem kurzen, aber nervenaufreibendem Versteckspiel hätte ich mit weiteren Scherzen und Streichen rechnen sollen und ich fragte mich, ob sie es taten, weil ich das Kindermädchen war oder weil sie sonst niemandem einen Streich spielen konnten.

Ich hatte ihnen jedenfalls nichts getan, was sie dazu bringen könnte mich nicht zu mögen. Jedenfalls noch nicht.

Nach dieser Aktion würde ich sie bestimmt nicht mehr so freundlich behandeln, wie zuvor. Insgeheim glaubte ich, dass der Startschuss für ihre Boshaftigkeiten einzig und allein von den Zwillingen ausging.

Der fünfjährige Junge war zwar auch nicht so unschuldig wie er sich gab, aber die beiden älteren und gerissenen Brüder waren das eindeutig größere Übel. Ein Glück, dass das Mädchen just in dem Moment den Gang entlang geschlendert war und einen Blick in den Raum warf. Dann kam mir jedoch wieder ein Gedanke, der mir das Blut in den Adern gefrieren ließ.

Was, wenn das Mädchen einfach wieder gehen würde, bevor ich wieder da war? Was wenn die Kinder dann doch die Chance hatten wegzulaufen? Die Panik in mir stieg mit jedem weiteren Gedanken und brachte mich dazu noch schneller zu arbeiten. Die dreckigen Tücher versenkte ich im Müll und ich schnappte mir noch ein paar Tücher mehr, bevor ich die Toilette rennend verließ.

Ich hetzte durch die Gänge und rannte dabei fast ein Putzwagen um. Ich sah niemanden, brachte aber ein schnelles 'Entschuldigung' hervor.

Völlig außer Puste erreichte ich den Aufenthaltsraum und stieß die Tür auf. Ein erleichterter Seufzer entfuhr mir. Da waren sie noch alle, saßen im Kreis zusammen und flüsterten geheimnisvoll miteinander. Und da stand das Mädchen mit den braunen Locken und schaute mich aus großen Augen an. Sie hatte meinen Rat befolgt und sich nirgendwo hingesetzt. Jetzt konnte ich auch in Ruhe einmal einen Blick auf den beschmierten Stuhl werfen. Die Sahne tropfte traurig auf den Boden und sammelte sich dort in einer kleinen Pfütze. Es war wirklich schade um den guten Kuchen, vor allem, weil er heute Morgen noch so lecker ausgesehen hatte. Ich sah das Mädchen erleichtert an.

„Danke, dass du aufgepasst hast. Ich hatte da ein kleines... Problem, das ich beseitigen musste.", umschrieb ich die letzten Minuten elegant und zu meiner Verwunderung grinste sie mich wissend an.

„Das habe ich mir schon gedacht, als ich den Stuhl gesehen habe. Und naja." Sie zuckte mit den Schultern. „Der Fleck war wirklich nicht zu übersehen.", lachte sie und ich seufzte.

Ich war heilfroh, dass der Fleck rausgegangen war, nicht so wie der Kaffeefleck vom Vortag. Da hatte es eindeutig mehr Aushaltevermögen gebraucht. Gleich darauf machte ich mich daran, die Reste der Sahnetorte von Stuhl und Boden zu entfernen. Es war zum Glück einer der weniger vornehmen Holzstühle und keiner der mit Samt bezogenen Stühle, die sich sonst auf dem ganzen Schiff aneinanderreihten. Dieses Problem war also schnell beseitigt und ich konnte mich wieder voll und ganz dem Mädchen zuwenden.

Ich grinste sie dankbar an.

„Ich bin übrigens Solea. Freut mich dich kennen zu lernen."

Ich hielt ihr meine Hand entgegen und sie erwiderte den kurzen Handdruck zögerlich.

Tick, Trick und Track beobachteten das Ganze interessiert, wenn auch nicht so begeistert und vielleicht auch ein wenig argwöhnisch. Anscheinend fürchteten sie, dass durch die Anwesenheit des Mädchens ihre Pläne vereitelt wurden.

Das Mädchen war vielleicht auch ein Kindermädchen, das mir helfen sollte auf die drei aufzupassen. Das wäre schön gewesen, nach meinem Wissensstand jedoch nicht der Fall. Leider.

„Ich bin Emily.", sagte sie schüchtern und mein Lächeln vertiefte sich. Ich ließ ihre Hand los, während Emily sich den Raum genauer ansah.

„Was ist das hier?", fragte sie neugierig und ich ließ meinen Blick ebenfalls durch den Raum schweifen. Er machte, bis auf das Spielzeug auf dem Boden, wirklich nicht viel her. Einzig und allein der Ausblick auf das Meer war unbeschreiblich schön. Die Wellen waren mittlerweile ruhig geworden. Das Meer war zu einer spiegelglatten Fläche geworden. Es sah so aus, als hätte das Meer Millionen staubkorngroßer Saphire verschluckt, die nur im Licht der Sonne zum Vorschein kamen und den Wellen nun einen mystischen Glanz verlieh.

Ich machte eine ausschweifende Geste.

„Das ist der Aufenthaltsraum für diese drei Höll-" Ich unterbrach mich. Beinahe hätte ich Höllenkinder gesagt, aber da genau diese drei Augenpaare mich beobachteten, erstickte ich die Worte im Keim.

„Für diese drei herzlichen Kinder.", schloss ich deswegen und biss die Zähne zusammen. Emily schien das nicht zu entgehen. Sie kicherte.

„Du hast ja keine Ahnung.", murmelte ich.

Ich riss meinen Blick endlich von meinen Schützlingen ab und auch sie wandten sich ihren Spielzeugen oder einem weiteren teuflischen Plan zu.

„Was machst du hier?", fragte ich Emily stattdessen und sie runzelte die Stirn.

„Was ich hier mache?" Sie sah ehrlich verwirrt aus.

„Ich meine als was du hier arbeitest. Ich bin eigentlich beim Housekeeping, aber das hier ist mir dazwischengekommen."

Die drei Brüder verhielten sich verdächtig ruhig.

„Versteh schon. Du wurdest befördert."

„Wohl war."

Ich schmunzelte.

„Und du?"

Emily schüttelte lächelnd den Kopf.

„Oh nein, ich arbeite nicht hier. Ich mache Urlaub mit meiner Familie.", erklärte sie schließlich. Das Lachen verging mir schlagartig. Ein ungutes Gefühl machte sich in meiner Magengegend breit.

Ich war davon ausgegangen, dass es sich bei Emily um ein Mitglied der Crew handelte und nicht um einen Passagier. Meine Augen weiteten sich.

Hatte ich tatsächlich einen Passagier dazu angestiftet drei Kinder eines anderen Passagiers zu hüten? Was für einen Eindruck musste das wohl auf sie gemacht haben? Wahrscheinlich hielt sie mich jetzt für komplett inkompetent und rücksichtslos. Welches Kindermädchen lässt schon ihre Kinder bei einem vollkommenen Fremden? Ich schluckte. Ich war näher an einer Kündigung als mir lieb war.

„Es tut mir so leid! Ich wusste nicht, dass du- äh- Sie hier Passagier sind. Ich dachte Sie arbeiten hier.", erklärte ich ihr die Situation und bei diesen Worten schnellten auch wieder die Köpfe der drei Jungs in die Höhe.

„Also hat Solea uns in die Hände eines fremden Gastes gegeben? Das wird Vater aber gar nicht freuen.", sagte Trick und das Blut schoss mir ins Gesicht. Ich hatte ihnen mittlerweile mehrere Gründe gegeben mich bei ihren Eltern anzuschwärzen und er wusste genau, dass er mich mit diesen Worten leicht um den Finger wickeln konnte.

Dieses kleine verschlagene Monster. Ich mochte den Jungen mit der Engelsmiene immer weniger leiden.

„Nenn mich ruhig weiter Emily, wir sind in etwa im gleichen Alter schätze ich.", beruhigte mich Emily und kicherte.

„Ich habe gerne aufgepasst. Und außerdem, Kleiner," Sie schnipste in Tricks Richtung, der bei ihren Worten empört eine Augenbraue in die Höhe zog und die Arme vor dem schmalen Oberkörper verschränkte. Wer wurde schon gerne als ‚Kleiner' bezeichnet?

„Ich bin kein fremder Gast.", stellte sie klar.

Trick kniff die Lippen zusammen, aber Emily gab nichts darauf.

Sie lächelte mich aufmunternd an und ich erwiderte das Lächeln erleichtert. Fürs erste konnte ich aufatmen. Ich würde erst einmal keine Konsequenzen ziehen. Das kam nun ganz auf die Launen der drei Jungs an.

Emily hatte anscheinend kein Problem mir auch weiterhin etwas Gesellschaft zu leisten und dabei auch ab und zu ein aufmerksames Auge auf die Brüder zu werfen. Wir setzten uns an den einzigen Tisch im Raum, ließen den Stuhl, der dem Erdbeersahnetortenangriff zum Opfer gefallen war, absichtlich außen vor und ich konnte sie das erste Mal richtig anschauen. Sie hatte ein kleines Gesicht, dass von braunen Schillerlocken umrahmt waren. Sie hatte freundliche kleine Augen, die unter meinen Blicken verlegen hin und her huschten.

„Eine Kreuzfahrt also. Mit wem bist du unterwegs?", fragte ich und stützte meinen Kopf auf meinen Händen ab. Da ich selbst noch nie eine Kreuzfahrt gemacht hatte, war ich neugierig zu erfahren, wie sie die Kreuzfahrt verbrachte. Ich hatte noch nicht genug gesehen, um zu wissen, was man den ganzen Tag machen konnte, außer zu essen.

„Ich bin mit meinen Eltern und meiner älteren Schwester hier." Sie seufzte. Ich schaute sie verwundert an. Auf meinen Gesichtsausdruck hin klärte sie mich auf.

„Meine Eltern machen die ganze Zeit etwas unter sich und haben keine Zeit für uns. Sie sind meistens nur in der Bar oder im Casino und erlauben uns hier an Bord zu tun, was wir wollen.", sagte sie.

Im ersten Moment klang das nicht einmal so schlecht, aber dann sprach sie weiter.

„Meine Schwester, Maria, allerdings hat nur die Sauna und irgendwelche Beautyprodukte im Sinn. Sie redet über nichts anderes und das geht mir auf die Nerven. Ich wette sie sitzt gerade bei der Pediküre oder lässt sich die Haare schneiden oder so etwas."

Ich nickte verstehend. So was würde mir auch auf die Nerven gehen. Schon in der Schule hatte ich um diese Mode- und Make-up-Püppchen einen großen Bogen gemacht und ich hatte es nie bereut.

„Eigentlich müsste ich diejenige sein, die in der Pubertät festhängt, aber sie benimmt sich beinahe so, als wäre sie die kleine Schwester und nicht ich."

Emily sah ehrlich bedrückt aus. Es sah fast so aus, als sehnte sie sich nach ihrer großen Schwester.

Teenager in dem Alter konnten wirklich grausam sein. Das hatte ich auch selbst erfahren müssen. Aus eigener Erfahrung konnte ich berichten, dass es nicht gerade prickelnd war, wenn man von dem einen auf dem anderen Tag nicht nur eine Zahnspange, sondern auch eine neue Brille bekam. Beides trug nicht gerade dazu bei, dass ich in der Hackordnung aufstieg, geschweige denn mich besonders wohl in meiner Haut fühlte. Das hatten leider auch meine Mitschüler mitbekommen. Ich hatte mir mit dieser Kombination aus Hornbrille und komischer Zahnspange viel zu viel anhören müssen. Andererseits hatte es mir auch beigebracht nicht so viel auf anderer Leute Meinung zu geben.

Diese Zeiten waren für mich zum Glück vorbei. Emily machte nicht den Eindruck, dass sie es schwer in der Schule hatte, aber das musste nichts heißen. Manche Menschen litten heimlich. Von außen betrachtet ging es ihnen gut, aber in ihrem Inneren brodelte es.

Mit ihren braunen Locken und der zierlichen Gestalt sah das Mädchen jedenfalls ziemlich niedlich aus, auch wenn sie das bestimmt nicht gerne hörte. Ich hatte das Gefühl, als würde sie nicht gern in diesem Licht stehen. Oder überhaupt im Mittelpunkt des Geschehens.

„Sie ist immerhin immer noch deine Schwester. Früher habe ich mir immer Geschwister gewünscht. Es gab nur meine Mutter und mich. Und mit meinen Cousinen und Cousins verstehe ich mich nicht wirklich. Irgendwann wird sie sich alles wieder beruhigen." Ich sah ihr an, dass sie meinen Worten gerne glauben wollte. Jeder wünschte sich eine heile Familie.

„Vielleicht- nein, bestimmt sogar ganz sicher, hast du recht. Irgendwann muss sie sich ja zusammenreißen."

Ich nickte ermunternd bei dieser Einstellung. Es nutzte ihr nun einmal nichts, wenn sie in der Ecke saß und darüber nachdachte, was sie tun konnte. Manchmal, und hier ganz besonders, musste man einfach abwarten und zusehen was geschah.

Ich erfuhr von Emily, dass sie und ihre Familie mindestens einmal im Jahr eine Kreuzfahrt machten. Da ihr Vater als Firmenleiter sehr gut verdiente, konnten sie sich das gut leisten. Auf mich hatte sie am Anfang nicht den Eindruck gemacht, dass ihre Familie in irgendeiner Weise wohlverdienend war, aber jetzt, da ich sie mir näher ansah vielen mir die Markenklamotten auf, die sie trug. Es war trotzdem schlichte Kleidung, als würde sie damit nicht sehr gerne auffallen, was genau ihrem Charakter entsprach.

Jetzt lächelte sie mich wieder glücklich an.

„Es ist toll hier zu sein. Ich habe endlich mal meine Ruhe und kann mich in irgendeine Ecke setzen und lesen.", sagte sie und strahlte dabei von einem Ohr zum anderen. Ich musste grinsen.

„Was liest du denn?", fragte ich sie und sie schien bei der Beantwortung der Frage nicht einmal überlegen zu müssen.

„Ich lese ganz viel. Von Romantik bis zu Thrillern. Ich lese eigentlich alles. Und immer, wenn ich ein neues Buch habe, kann ich es nicht aus der Hand legen, bevor ich es nicht zu Ende habe."

Es war beneidenswert, wie euphorisch Emily von ihren Büchern erzählte. Ich hatte noch nie ein Buch gelesen, was mich voll und ganz überzeugt hatte. Vielleicht war ich auch einfach nicht der Typ für Bücher. Ich schaute auch viel lieber Serien oder Filme. Das diese meistens auf Büchern beruhten, erfuhr ich dabei meistens erst zum Schluss. Und dann lohnte es sich ja auch nicht mehr das Buch zu lesen, weil man die Geschichte schon kannte. Ich hatte meine Zeit schon damals, als ich in der Schule war schon viel lieber dazu genutzt Musik aus aller Welt zu hören.

Es beruhigte mich, wenn die Klänge einen umhüllten und man vollkommen in der Musik versank. Vor allem die Musik aus den südlicheren Ländern schienen mich in letzter Zeit immer wieder in ihren Bann zu ziehen. Andererseits hörte ich mir auch gerne Soundtracks von meinen Lieblingsfilmen an. Dabei konnte ich wirklich grandios entspannen. Früher hatte ich mir angewöhnt, dass wenn ich schlecht gelaunt war oder einfach nur meine Ruhe haben wollte, in mein Zimmer ging und meine Musikanlage auf volle Lautstärke stellte. Hier fehlte mir das wirklich. Auf der Zugfahrt nach Hamburg hatte ich meine Musik nur mit Kopfhörern gehört. In der Jugendherberge ebenfalls, weil ich nicht allein auf dem Zimmer war und auf dem Schiff hatte ich bis jetzt noch keine einzige Chance gehabt überhaupt Musik zu hören. Der gestrige Tag war so stressig, dass ich es in all dem Trubel sogar vollkommen vergessen hatte.

Emily schien bei dem Thema Bücher aufzuleben. Sie erzählte mir von ihren Lieblingsbüchern, die sie alle mit dabeihatte und wovon sie eines schon komplett gelesen hatte.

Sie schlug mir sogar vor, mir ein paar ihrer Bücher auszuleihen, aber ich befürchtete, dass ich dafür nicht einmal die Zeit aufbringen konnte. Ich hatte ja nicht einmal Zeit, um mich hinzusetzen und in Ruhe zu frühstücken ohne dass eine gewisse Hausdame es für nötig hielt mich an meine Pflichten zu erinnern.

Der Gedanke an die Hausdame ließ mich - wie so oft - erzittern. Ich konnte diese durchdringenden bernsteinfarbenen Augen, die gänzlich durch mich durch zu sehen schienen, einfach nicht vergessen. Jedes Mal, wenn Frau Hoffenmeier vor mir stand oder auch nur wenn ich an sie dachte, kamen mir diese stechenden Augen in den Sinn. Sie schienen mich zu durchbohren und zu analysieren und immer wenn ihr Blick auch nur für eine Sekunde auf mir lag, fürchtete ich, dass ich irgendetwas total falsch gemacht hatte und sie deswegen unzufrieden mit mir war. Ich hoffte einfach, dass das alles nur Hirngespinste waren, die ich mir einbildete und dass sie mich im Inneren vielleicht ein wenig mochte. Auch wenn sie das nicht zeigen konnte.

Das wäre ganz sicher nicht der Fall gewesen, wenn Tick, Trick und Track mir entwischt wären. Dann könnte ich mich noch so gut auf dem Schiff auskennen. Kinder in ihrem Alter schienen immer die besten Verstecke zu finden, und ich glaubte nicht, dass diese drei bei dieser Regel eine Ausnahme spielten. Ganz sicher waren sie sogar noch begabter als andere Kinder Chaos zu verursachen. Ich seufzte und meine Augen lagen auf den Jungs. Merkwürdigerweise waren sie die ganze Zeit still gewesen.

Sie hatten keinen einzigen Ton von sich gegeben, sondern saßen einfach auf dem Boden und spielten mit Lego-Steinen. Das und diese ungewöhnliche Stille waren wirklich mehr als verdächtig. Ich ahnte nichts Gutes. Mein Blick glitt zu meiner Armbanduhr. Es war kurz vor halb zwölf. Um zwölf sollten die Kinder abgeholt werden und ich konnte nicht verhindern, dass mich dieser Gedanke erleichterte. Diese halbe Stunde würde ich schon noch überleben. Und mit Emily an meiner Seite schien die Zeit sowieso viel schneller zu vergehen als zuvor.

Ich lächelte sie an. Sie saß immer noch auf ihrem Stuhl und schaute nach draußen auf das Meer. Die ruhigen Wellen und das leise Rauschen schienen sie genauso in ihren Bann zu ziehen wie mich auch. Das Gefühl hatte ich zumindest.

Mein Gedanke bestätigte sich, als sie kurz ihre Augen schloss und lächelte. Am liebsten hätte ich das gleiche getan, nur wagte ich nicht in Anwesenheit der drei Kinder die Augen auch nur für einen kurzen Augenblick zu schließen. Zu groß war die Angst, dass sie mir in der letzten halben Stunde noch ausreißen könnten. Wenn ich konnte würde ich das auf jeden Fall verhindern. Ich würde mich auf jeden Fall nicht von ihnen einschüchtern lassen, auch wenn Trick mich gerade schon wieder so hinterhältig grienend anschaute.

Selbstsicher schaute ich ihm entgegen und seine Augenbrauen hoben sich herausfordernd in die Höhe. Wenn er so gerne Katz und Maus spielte, konnte er das gerne haben.

„Ich glaube ich muss gehen, meine Eltern fragen sich schon die ganze Zeit, wo ich denn stecke." Emily grinste ergeben und ich lächelte. Es war wahrscheinlich besser, wenn sie auf die Anrufe ihrer Eltern reagierte, nicht dass diese sich noch Sorgen machen würden. Sie stand von ihrem Stuhl auf und bei der plötzlichen Bewegung zuckten die drei Kinder unvermittelt zusammen.

Aus den Augenwinkeln sah ich, wie ihre Blicke von einem zum anderen glitten und ich versuchte sie so gut es ging in den Hintergrund zu verbannen. Rochen sie etwa die Chance für ihren nächsten Coup? Mit den dreien würde ich sicher noch meinen Spaß haben. Ich fürchtete, dass Familie Gremperich es nicht bei einem Mal bei dem ‚netten' Kindermädchen belassen würden. Zu meinem Unglück natürlich. Wenn die wüssten, was ihre Kinder in den vier Stunden, die sie bei mir verbracht hatten, alles angestellt hatten, würden ihnen die Haare zu Berge stehen.

Ich stand ebenfalls auf, um Emily zur Tür zu bringen und um zu vergewissern, dass außer ihr den Raum niemand verließ. Ich warf einen Blick zu den Geschwistern und ihre Köpfe senkten sich abrupt auf den Boden. Ich schüttelte den Kopf. Nur noch eine Viertelstunde, dann hatte ich es geschafft. Hoffentlich waren ihre Eltern pünktlich. Jede Minute, die ich länger mit den drei Jungs verbringen musste, grenzte an eine Körperverletzung. Zu meinem Glück blieben die drei, nachdem Emily verschwunden war, ruhig, was mich einerseits glücklich und andererseits beunruhigt stimmte. Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. Die Geschwister verwirrten mich einfach zu sehr.

Frau und Herr Gremperich waren zu meinem Vorteil ein Ehepaar, was zu ihren Versprechen stand und überpünktlich vor der Tür wartete. Sie standen bereits um zehn vor zwölf vor der Tür. Ich war noch nie so glücklich gewesen Erwachsene zu sehen. Eigentlich hatte ich Kinder Erwachsenen immer vorgezogen, aber das konnte ich jetzt wohl nicht mehr mit gutem Gewissen behaupten.

Tick, Trick und Track hatten mich in meiner Meinung Kinder betreffend nur noch bestärkt. Auch wenn sie noch so niedlich schauten, konnten sie mich nicht mehr täuschen. Als ihre Eltern die Tür hereinkamen sprangen sie sofort auf, um Mama und Papa zu begrüßen. Herr Gremperich lachte fröhlich, als einer der drei ihm um den Hals fiel und dabei fröhlich lachte. Es war die Art von Kinderlachen, die einen selbst zum Lächeln brachte und ich konnte das kleine Lächeln, dass meine Lippen umspielte einfach nicht abschalten.

Vielleicht war es aber auch purer Freude darüber, dass ich die Kinder endlich los war. Plötzlich warf sich mir Tick ebenfalls an den Hals. Ich war so überrascht, dass ich mich zu ihm herunterbeugte und das Kind in meinen Armen wie in Trance ebenfalls zurück umarmte.

„Wie ich sehe ist alles gut verlaufen." Frau Gremperich war an mich herangetreten und lächelte mich aus freundlichen Augen an. Tick war inzwischen zu seinem Vater gegangen und ich starrte ihm verwirrt hinterher. Tricks Gesichtsausdruck ließ mich schaudern. In seinen Augen las ich den Wunsch nach Chaos.

„Ich denke ja.", sagte ich verlegen und kratzte mich am Hinterkopf. Das war die größte Lüge, die mir an diesem Tag aus dem Mund rutschte, gleich gefolgt von der Versicherung, dass die Kinder wirklich entzückend waren. Herr Gremperich ließ noch einmal sein helles Lachen vernehmen, bevor auch er sich überschwänglich bei mir bedankte, dass ich ‚auf ihre Schätze aufgepasst hatte'.

Ich glaubte nicht, dass er es gerne hören würde, was seine sogenannten Schätze in den letzten Stunden getrieben hatten.

Ich geleitete die Familie wie zuvor schon Emily zu der Tür und plötzlich verengten sich die Augen der Mutter. Sie beugte sich etwas zu mir vor und strich mir mütterlich über die Wange.

„Es muss sicher stressig sein auf so einem Kreuzfahrtschiff, nicht wahr? Sie Arme", sagte sie und ich schaute sie im ersten Moment etwas verständnislos an. Wie kam sie jetzt darauf? Um nicht unhöflich zu wirken, lächelte ich sie freundlich an.

„Es ist alles nicht der Rede wert. So stressig ist es nicht", sagte ich überzeugt und sie lächelte sanftmütig.

„Oh, ich denke schon, dass sie sehr viel Stress haben müssen.", sagte sie überzeugt. Sie beugte sich noch etwas näher zu mir und seufzte

„Sie haben da noch ein paar Reste vom Trockenshampoo im Haar.", sagte sie mit leiser Stimme. Dann kicherte sie.

„Das muss Ihnen aber nicht peinlich sein. Das passiert selbst mir ganz oft."

Trockenshampoo? Ich konnte mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal Trockenshampoo benutzt hatte. Meine Hand schnellte zu meinen Haaren und im nächsten Moment wusste ich auch, was ich da in den Haaren hatte. Das war definitiv kein Trockenshampoo.

Das entfernte Lachen der drei Jungs bestätigte meine Vermutung leider. Deswegen also hatte Tick mich noch einmal umarmt.

Diese verlogenen kleinen Biester. Ich versuchte mein Lächeln aufrecht zu halten, was in dem Augenblick eine wahre Meisterleistung war.

„Dankeschön."

Ich entlockte den Kindern ein weiteres Lachen, als ich auf das Spiel einging und mir die Reste des ‚Trockenshampoos' in die Haare massierte. Ich lächelte gequält. Frau Gremperich schien das nicht aufzufallen.

„Ach kein Problem. Wir Frauen müssen doch zusammenhalten.", sagte sie verschwörerisch.

„Sie müssen mir demnächst unbedingt sagen, was das für eine Marke war. Es riecht ganz wunderbar nach Erdbeeren.", schwärmte sie schon fast und dieses Mal war mein Lachen echt.

Es roch bestimmt sehr hervorragend. Am besten ich besorgte ihr direkt das Rezept. Für diesen wundervollen Geruch in meinem Haar war nämlich eine schöne Erdbeersahnetorte drauf gegangen. Und zwar eine sehr klebrige.

Ich spürte jetzt schon wie meine Hände zusammen pappten und ich schüttelte mich innerlich. Das konnte doch echt nicht wahr sein. Tapfer lächelte ich weiter und ich konnte spüren wie die drei Kinder förmlich darauf warteten, dass ich zusammenbrach. Diesen Triumph würde ich ihnen ganz sicher nicht geben. Ich hatte auch meinen Stolz und ich war nicht gewillt ihn in den letzten Minuten zu verlieren.

„Wir bedanken uns noch einmal sehr herzlich bei Ihnen für Ihre Arbeit.", sagte Herr Gremperich und hielt mir seine Hand entgegen.

„Das habe ich wirklich gerne gemacht." Ha. Haha. Und der Preis für die schlechteste Lügnerin des Jahres geht somit an Solea Müller! Ich schüttelte seine Hand und er steckte mir unauffällig einen Geldschein zu. Fünfzig Euro. Himmel! Einen Augenblick war ich mit der Situation heillos überfordert, bis ich mich wieder gefasst hatte. Meine Augen wurden groß und ich bedankte mich stotternd. Der Mann schüttelte nur den Kopf.

„Das haben Sie sich verdient.", sagte er augenzwinkernd und in dem Moment fragte ich mich, ob er insgeheim nicht sogar wusste, was seine Söhne hinter seinem Rücken immer anstellten. In dem Fall waren die fünfzig Euro Trinkgeld meiner Meinung nach angemessen. Aber in diesem unwahrscheinlichen Fall hätte er mir die Kinder in erster Linie gar nicht erst gegeben.

Die Familie verabschiedete sich lautstark und nachdem sie endlich gegangen waren zeigte meine Uhr bereits viertel nach zwölf. Ich seufzte erleichtert auf, als sich die Türen hinter den fünf endgültig schlossen. Dabei waren mir die Blicke der drei Jungs jedoch nicht entgangen. Sie planten wieder etwas, das stand fest. Nur was war die alles entscheidende Frage.

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