3 | Aller Anfang ist schwer
Der braune Fleck auf meiner Bluse ging tatsächlich heraus und trotz Mias aufmunternden Worten schämte ich mich immer noch in Grund und Boden.
Meinen ersten Eindruck hatte ich dadurch ziemlich vermasselt. Nicht einmal an meinem ersten Arbeitstag schaffte ich es vorteilhaft aufzutreten. Es war ein regelrechter Fluch.
Nachdem der Kaffeefleck erfolgreich entfernt war, machte ich mich daran, meine Sachen auszupacken und in meinen Schrank einzuräumen. Mia verhielt sich währenddessen ruhig. Sie lag lediglich auf ihrem Bett und tippte ab und zu etwas in ihr Smartphone. Vielleicht hatte sie gemerkt, dass ich nicht die gesprächigste Person war und ließ mich deshalb erst einmal in Ruhe. Ich sortierte ein paar Sachen in den Schrank ein und platzierte auch noch ein paar Bilder, die meine Mutter mir aufgeschwatzt hatte, auf einen kleinen Nachttisch neben meinem Bett. Dann stellte ich den Koffer versteckt neben das Bett in eine kleine Lücke zwischen Wand und Etagenbett.
Die Zimmereinrichtung hatte keine Viertelstunde gedauert und so entschied ich mich schließlich dazu, mich die restliche freie Zeit einfach zu entspannen.
Die Kabine sah nun etwas bewohnbarer aus und die Bilder hatten daran nicht gerade einen kleinen Anteil, was ich vor meiner Mutter natürlich nicht zugeben konnte. Ich hatte mich bis zuletzt gewehrt, das Bild, was meine Familie auf unserer letzten Familienfeier zeigte, mitzunehmen. Ich fand es nicht notwendig es mitzunehmen, weil erstens hatte ich ein Smartphone, das geradezu vollgepackt war mit Familienfotos und zweitens war ich nicht einmal ein Jahr weg. In spätestens fünf Monaten, pünktlich zu Weihnachten, sah sie mich bereits wieder.
Seufzend ließ ich mich auf die Matratze meines Bettes fallen. Ich starrte direkt auf die Unterseite des Etagenbetts, welche mir näher war als es mir lieb war. Auf einem Schiff musste man eben mit wenig Platz auskommen. Da wurde gespart, wo es nur ging.
Eine Weile lag ich ruhig da und versuchte den ganzen Vormittag noch einmal Revue passieren zu lassen. Ich hatte verschlafen, hatte mich schnell angezogen und keine Zeit mehr gehabt zu frühstücken. Trotzdem hatte ich gut gelaunt - ich machte zu diesem Anlass drei Kreuze in meinen Kalender - mein Zimmer in der Jugendherberge für diese Nacht verlassen.
Ab dann ging es bekanntlich kontinuierlich bergab. Angefangen mit dem Beinahe-Unfall und der unverhofften Rettung durch den Neffen meines Chefs, den ich zu allem Überfluss in das Kaffee-Desaster hineingezogen hatte. Alles in allem hätte es nicht besser laufen können.
Die Begegnung mit Mia hatte mich erstaunlicherweise ziemlich aufgemuntert, aber langsam kroch die Nervosität wieder an die Oberfläche. In weniger als zwei Stunden musste ich mich für meine erste Schicht melden. Und ich wusste schließlich immer noch nicht, was ich überhaupt tun müsste. Vielleicht würde ich auch in der Küche eingeteilt werden. Das wäre gut, weil ich dort wenigstens schon jemanden kannte. Außerdem kochte und buk ich gerne. Mia würde mir bestimmt alles andere beibringen, was ich wissen musste. Ich legte mir meine Uniform, bestehend aus einer weißen Bluse und einer weißen Hose, zurecht und sah mich genauer in der Kabine um.
Auf den zweiten Blick sah die Kabine noch kleiner aus als zunächst befürchtet. Mia und ich hatten beide jeweils einen kleinen Teil des Schranks für uns und der Schreibtisch war kaum groß genug, dass sich eine Person dransetzen konnte.
„Wir müssen gleich zur Besprechung.", erinnerte mich Mia und riss mich aus meinen Gedanken. Ich richtete mich seufzend aus meiner entspannten Lage auf und hätte mir beinahe den Kopf am Bettpfosten angeschlagen. Auch Mia sprang von ihrem Bett hinunter und klatschte in die Hände.
„Auf, auf."
Wir packten unsere Sache und traten auf den Gang. Mia hatte ihre Uniform, die genauso aussah wie meine, nun ebenfalls angelegt. Je weiter wir gingen, desto näher schienen die Wände zusammenzurücken. Augenblicklich machte ich mich kleiner und hielt die Luft an. Mia dagegen war die Lebensfreude in Persona.
„Ich bin so gespannt, wie unsere Kollegen sein werden. Das verändert sich mit jeder Reise. Manchmal kennt man ein paar Leute, aber manchmal ist die ganze Crew neu und ich kenne kein Gesicht. So wie mit dir.", fing Mia gleich wieder an vor sich hin zu plappern. Ich schluckte schwer, was Mia keineswegs entging. Sie lächelte sanft.
„Mach dir deswegen keine Sorgen. Man lernt schnell Leute kennen. Und du kennst mich. Schonmal eine Person mehr." Sie grinste.
Auf unserem Weg – laut Mia hatten wir bereits die Hälfte geschafft - schlug sie sich unvermittelt gegen die Stirn.
„Mist. Ich hab meinen Crewausweis auf der Kabine vergessen."
Sie schaute mich verlegen an.
„Schaffst du es von hier aus allein?", fragte sie leise. Ich schluckte schwer, nickte dann aber zustimmend.
„Sicher." So schwer konnte es schließlich nicht sein die Besprechungsräume zu finden, oder?
Mia klatschte begeistert in die Hände. Ihre Freude darüber war ein Stück weit übertrieben. Als würde sie sich darüber freuen, dass ein Kleinkind endlich verstanden hatte, wie man eine Toilette benutzt.
„Prima! Wir sehen uns.", sagte sie noch, da war sie bereits um die nächste Ecke verschwunden und lief zurück zu unserer Kabine. Ich hoffte, dass sie es noch rechtzeitig schaffen würde. Immerhin lagen die Mannschaftsunterkünfte an genau dem anderen Ende des Schiffes, dem hinteren Teil, also dem Heck. Ich verscheuchte diesen Gedanken schnell mit der Hand. Sie kannte sich weit besser auf diesem Schiff aus als ich es tat. Sie würde zurechtkommen.
Kaum war ich auf das erste öffentliche Deck gelangt, merkte ich wie sich plötzlich immer mehr Menschen auf den Gängen befanden und sich lautstark unterhielten. Das waren also die ersten Gäste. Ich seufzte leise. Ich trug die Mannschaftuniform und wollte jetzt so wenig wie möglich auffallen, damit die Passagiere nicht auf die Idee kamen, dass ich irgendeine Ahnung hatte, wie sie irgendwo hinkamen. Ich musste mich erst selbst in den Gängen und Fluren zurechtfinden, um anderen eine Auskunft geben zu können. Dieses Wissen würde ich mir wohl nie aneignen können. Erst recht nicht, wenn man bedachte, dass ich selbst in meiner Heimat Touristen immer vorspielte, dass ich nicht aus der Gegend kam und mich genauso wenig auskannte wie sie. In irgendeiner Weise stimmte das sogar.
Mein Orientierungssinn war nicht besonders ausgeprägt, trotz Karte, denn schon nach den ersten Minuten, die ich die Gänge entlanglief, wusste ich nicht mehr, wo ich mich überhaupt befand.
Natürlich hatte ich Glück, dass mir genau in diesem Augenblick, in dem ich mich fragend und vollkommen hilflos auf dem Deck umschaute, ein mir bekanntes Gesicht über den Weg lief. Das Wiedersehen kam mir für meinen Geschmack etwas zu schnell um die Ecke gelaufen. Fast wäre er in mich hineingerannt, hätte er sich nicht knapp vorher noch der Wand abfangen können.
Tristan schaute mich etwas überrumpelt, im wahrsten Sinne des Wortes, und ein wenig überrascht an. Dann lächelte er herzlich. Ohne dass ich etwas dagegen tun konnte zogen sich meine Mundwinkel ebenfalls in die Höhe.
„Hey.", sagte er. Ich blieb etwa einen Meter vor ihm stehen.
„Hi.", entgegnete ich perplex und sein Lächeln vertiefte sich.
„Ich bin eben nicht dazu gekommen, mich richtig vorzustellen. Ich bin Tristan.", sagte er und hielt mir seine Hand entgegen.
Ich konnte diese Geste wohl schwer unerwidert lassen. Seine Zähne blitzen auf und es war, als würde mit seinem Lächeln gleichzeitig die Sonne draußen heller werden und auf ihn scheinen, sodass um seinen Kopf ein Nimbus entstand, wie bei den Heiligen auf mittelalterlichen Gemälden. Er hatte Grübchen, die sich in seine Wangen eingruben.
„Ich bin Solea.", sagte ich und meine Stimme klang ungewöhnlich leise. Vielleicht kam es auch daher, dass mich seine große Gestalt, die mir vorher schon aufgefallen war, etwas einschüchterte. Vielleicht lag es auch daran, dass es mir immer noch peinlich war, was passiert war. Die Rettungsaktion und Kaffeekatastrophe.
Und der Junge war wirklich einschüchternd.
Er trug dieselbe Uniform wie ich, mit dem kleinen Unterschied, dass sich auf seinen Schultern Schulterklappen mit zwei Streifen befanden. Er bemerkte meine neugierigen Blicke und grinste. Er zeigte auf die Streifen.
„Hier an Bord gibt es ein Rangsystem. Der Kapitän hat vier Streifen und einen Stern. Den Stern haben alle Offiziere auf der Brücke. Ich hab keinen, weil ich im nautischen Bereich nichts zu tun habe. Aber ich habe zwei Streifen, weil ich der Vertreter des Entertainment Managers bin. Ich studiere Eventmanagement, deswegen."
Ich nickte erstaunt, konnte aber immer noch nichts sagen.
Tristan seinerseits nahm es als Zeichen, dass ich einfach nur zurückhaltend war und lachte leise in sich hinein. Er deutete auf meine Bluse.
„Wie ich sehe, hast du den Fleck herausbekommen. Kaffeeflecken gehen je ziemlich schlecht raus, habe ich gehört. Aber natürlich kenne ich mich damit nicht so gut aus."
Er kratzte sich am Hinterkopf. Eine peinliche Stille entstand. Tristan war anscheinend sehr darum bemüht Konversation zu betreiben, aber seine Freundlichkeit verwirrte mich nur noch mehr.
„Wie geht es deinem Hemd?", fragte ich leise. Meine Schuldgefühle drangen wieder an die Oberfläche meines Bewusstseins und ich konnte nicht verhindern, dass meine Wangen erneut gefährlich rot anliefen.
Und als ich in seine Augen sah, wurde mir wieder bewusst, wer hier eigentlich vor mir stand. Das war der Junge, der mir das Leben gerettet hatte! Plötzlich standen mir Tränen in den Augen, als ich daran zurückdachte, und dass ich jetzt auch ganz woanders hätte sein können.
„Wegen heute Morgen. Ich bin dir sehr dankbar und-"
Tristan winkte ab. „Keine Ursache. Mach dir darüber keine Gedanken. Wärst du von dem Wagen überrollt worden, wäre ich ganz sicher zu spät gekommen.", sagte er und ich starrte ihn befremdlich an.
Sein ganzes Wesen hatte sich innerhalb weniger Stunden so stark verändert. Hatte ich ihn an diesem Morgen einfach auf dem falschen Fuß erwischt? Oder hatte er so etwas wie zwei Persönlichkeiten? Ich hatte einmal eine Dokumentation darüber gesehen, in der ein Mann multiple Persönlichkeiten hatte. Die eine wollte unentwegt Menschen retten, während die andere immer nur für sich selbst sorgte und alles andere außen vorließ. Bei großem Stress tauschten die Persönlichkeiten plötzlich, als hätte man nur kurz mit dem Finger geschnippt. Gemeinsamkeiten hatten diese zwei Menschen nicht, wenn man von ihrem Aussehen absah.
„Bist du auf dem Weg zur Vollversammlung?"
Ich nickte und drängte mich dann mit gesenktem Kopf an ihm vorbei in die Richtung, in der ich die Besprechungsräume vermutete. Ich hielt in der Bewegung inne, als ich ein kurzes Ziehen an meiner Uniform bemerkte. Tristan hatte meinen Arm umfasst und schaute mich fragend an.
Er musterte mich neugierig.
„Du gehst in die falsche Richtung.", erklärte er. „Die Besprechungsräume sind da lang." Er zeigte in die Richtung, aus der ich gekommen war und ich biss mir auf die Lippe.
Ich zuckte entschuldigend mit den Schultern.
„Ich bin heute das erste Mal hier. Ich habe keine Ahnung, wo ich hinmuss. Eigentlich wollte mich meine Mitbewohnerin mitnehmen, aber sie hat etwas auf der Kabine vergessen.", sagte ich schließlich und Tristan nickte verstehend. Dabei wippten seine Haare merkwürdig vor und zurück. Irgendwie sah das liebenswert aus.
„Du wirktest schon so, als kanntest du dich hier nicht aus.", sagte er dann grinsend und ich verdrehte stumm die Augen.
„Sagst du mir, wo ich hinmuss?" Ich entschied mich dazu, über meinen Schatten zu springen und ihm um Hilfe zu bitten und zu meiner Verblüffung nickte er freundlich.
„Besser sogar. Ich begleite dich. Ich muss schließlich auch da antreten."
Einfach so, ohne einen weiteren Kommentar machte er eine Geste in den Gang und ließ mir den Vortritt.
Vielleicht hatte ich ihn auch einfach falsch eingeschätzt und im falschen Augenblick kennengelernt. Am ersten Arbeitstag war jeder gestresst, das schloss ihn nicht aus, egal wie oft er das ganze Spiel schon durchgemacht hatte. Vielleicht, nur vielleicht, überlegte ich, war er ja sogar ganz nett.
Tristan bewegte sich zielsicher durch den Gang und ich sagte mir, wann ich wo abbiegen musste. So bekam ich sogar meine lang ersehnte Schiffstour. Tristan stellte sicher, dass ich bestens über das Schiff Bescheid wusste.
„Hier geht es zum Speisesaal. Weiter runter ist die Cocktailbar, natürlich nur für die Gäste, aber die Crew hat auch eine Bar bei den Mannschaftsunterkünften. Hier drüber sind die Shops, für Souvenirs und so weiter. Insgesamt gibt es vier verschiedene Bars und drei Restaurants an Bord. So sammeln sich nicht immer alle Passagiere an einem Fleck.", erklärte er mir und ich saugte die Informationen förmlich in mich hinein. Meine Finger glitten beiläufig über die Wände mit ihren gemaserten Verkleidungen und über die Bilderrahmen in denen prachtvolle Gemälde hingen. Leider waren die Bilderrahmen schon etwas verblichen. Unter meinen Fingern fühlten sie sich zerbrechlich an. Wie jahrhundertealtes Papyrus.
Nach einiger Zeit und nachdem er mir anscheinend alle wichtigen Anhaltspunkte des Schiffes gezeigt hatte, breitete sich eine unangenehme Stille zwischen uns aus. Musste ich jetzt etwas sagen? Hielt er mich für unhöflich, wenn ich jetzt einfach wortlos neben ihm herlief? Er schien jedenfalls nicht den Anschein zu machen, dass er diese Stille unangenehm fand und so hielt ich einfach meinen Mund. Es war Tristan, der schließlich das Wort an mich richtete.
„Und was machst du hier auf diesem großen und luxuriösen Kreuzfahrtschiff?", witzelte er und ein Grinsen schlich sich auf sein Gesicht, als er mich von der Seite her beobachtete. Ich lächelte ebenfalls. Groß und luxuriös? Ich glaubte nicht, dass das so gut auf das Schiff zutraf. Immerhin sah man ihm sein Alter deutlich an. Andererseits machte das genau seinen Charme aus.
Die roten Teppiche, die hier überall ausgelegt waren und die sicher fantastische Staubfänger abgaben und die Holzverkleidung der Wände strahlten eine solche Wärme aus, dass man sich gleich zuhause fühlen musste. Nur bei der Frage, ob man das Ganze als luxuriös beschreiben konnte, schieden sich die Geister.
„Auf jeden Fall nicht zum Urlaub machen, leider.", antwortete ich und seufzte.
„Wo bist du eingeteilt worden?", fragte er weiter und ich wunderte mich etwas über seine Neugierde.
„Ich bin nur als Aushilfe hier. Ich hoffe, dass ich in der Küche arbeiten darf. Ich liebe es zu kochen und zu backen und meine Mitbewohnerin ist auch in der Küche.", erklärte ich und Tristan nickte zwar, legte dann aber den Kopf schief.
„Dann solltest du lieber hoffen, dass du nicht dort eingeteilt bist. Dann hockt ihr nicht jeden Tag aufeinander. So etwas kann anstrengend sein."
„Ist dir das auch passiert? Wie ist dein Mitbewohner?" Ich konnte nicht verhindern, dass ich ebenfalls neugierig wurde. Die Frage hatte meinen Mund schneller verlassen, als mein Gehirn nur darüber nachdenken konnte. Tristan kratzte sich verlegen am Kopf.
„Ich hab eine Einzelkabine.", erklärte er verlegen und ich nickte.
„Stimmt, du bist der Neffe des Chefs.", sagte ich, aber daraufhin schüttelte er heftig den Kopf.
„Damit hat das nichts zu tun. Früher hab ich auch ein Zimmer geteilt mit... jemandem. Aber jetzt bin ich für die Freizeitaktivitäten zuständig. Als Vertreter des Event Managers steht mir auch eine Einzelkabine zu."
Er musste gemerkt haben, dass seine Worte sich etwas arrogant anhörten, denn er ruderte schnell zurück.
"Das heißt, ich bin meistens für die Freizeitaktivitäten zuständig, aber manchmal muss ich auch einspringen. Wir haben immer wieder Personalmangel, deswegen ist es wichtig in allen Bereichen auf dem Laufenden zu bleiben.", sagte er und ich staunte nicht schlecht. Für sein Alter war das eine ziemlich große Verantwortung. Allerdings hatte er bereits Erfahrung, was das Arbeiten auf einem Kreuzfahrtschiff anging. Wenn er jeden Sommer dabei war, musste er sehr viel wissen.
Tristan biss sich verlegen auf die Lippe und ich wechselte das Thema.
„Worauf sollte ich dann hoffen? Wenn nicht auf den Küchendienst?", fragte ich deswegen und der Junge schien wirklich tiefgründig darüber nachzudenken.
„Ich denke Housekeeping wird dir Spaß machen.", sagte er nach einer Weile und ich ließ mir das Ganze durch den Kopf gehen.
Hieß es überhaupt Housekeeping? Sollte man es nicht besser Shipkeeping nennen? Immerhin waren wir hier ja auf dem Wasser und nicht auf festem Boden. Außerdem musste ich bei Housekeeping immer an das Praktikum im Hotel denken, dass ich zwangsläufig in der neunten Klasse absolvieren musste.
Ich hatte geschlagene zwei Wochen in dem Hotel gesessen und entweder beim Housekeeping geholfen oder einfach nur untätig herumgesessen und den Leuten bei ihrer Arbeit zugeschaut, weil man mir sonst nichts zugetraut hatte. Oder wir hatten uns alle miteinander gelangweilt. Hinzu kam noch, dass das Hotel sowieso vor der Pleite stand und bestimmt nur jeden zweiten Tag Leute an der Rezeption eincheckten.
Mehr als die Hälfte der Zimmer war immer frei gewesen. Das Personal war sogar froh, wenn sie endlich wieder etwas zu tun hatten. Die meiste Zeit lag eine gewisse Anspannung in der Luft, weil alle befürchteten, dass ihnen wegen zu weniger Gäste bald gekündigt werden würde.
Das tat mir vor allem deshalb leid, weil die Leute dort alle sehr freundlich zu mir waren, auch wenn ich nur die Praktikantin war. Das dumme am Ende dieser zwei Wochen war, dass ich in meinem Bericht, weil ich ja die meiste Zeit eigentlich nur zugeschaut hatte, nichts über die Berufe im Hotelwesen schreiben konnte und deshalb prompt eine sechs kassierte.
Immerhin hatten die Leute im Hotel an meinem letzten Tag mir zu Ehren und weil sie sonst ja nichts zu tun hatten, eine kleine Feier gehalten. Es gab Kuchen und sogar einen Sektempfang, wobei ich den Sekt natürlich noch nicht trinken durfte. Anstatt dessen bekam ich aber einen frisch gepressten Orangensaft, der mindestens genauso, wenn nicht sogar besser schmeckte als der Sekt selbst. Ich befürchtete, dass der Sekt entweder abgelaufen war oder kurz davor war, denn nicht wenige meiner Kollegen verzogen bei dessen Geschmack das Gesicht.
Tristan lächelte ermutigend.
„Da war ich auch schon. Und es ist nicht so schlimm, wie du es dir jetzt vielleicht vorstellst. Es ist sogar recht witzig. Als Anfänger ist das Housekeeping perfekt."
Ich hob verwundert die Augenbrauen. Ich bekam immer mehr das Gefühl, dass ich Tristan falsch eingeschätzt hatte, dabei konnte man sich auf meine Menschenkenntnis sonst immer verlassen.
So hatte ich zum Beispiel meiner besten Freundin immer von den aufdringlichen Typen, die sich an sie heranmachten, abgeraten und hatte ihr mit Rat und Tat zur Seite gestanden, wenn sie Liebeskummer gehabt hatte.
Meine Beziehungsratschläge stellten sich immer als richtig heraus und dass obwohl ich in meinem ganzen Leben noch keinen einzigen Freund gehabt hatte.
Und trotzdem. Auch wenn Tristan sich jetzt nett benahm, blieb ich skeptisch, allein schon, weil unsere erste Begegnung keine der guten Art gewesen war und möglicherweise auch, weil ich mich selbst schützen wollte. Auf Drama an Bord konnte ich sehr gut verzichten.
„Du warst mal beim Housekeeping?", stellte ich eine Gegenfrage und ich fragte mich instinktiv, wie alt Tristan wohl war, auch wenn ich mich innerlich für dieses Interesse am liebsten geschlagen hätte.
„Ich war bis jetzt jeden Sommer hier und helfe aus, wo ich kann. Ich war schon im Housekeeping, hinter der Rezeption und in der Küche. Eigentlich in fast allen Abteilungen. Unter Herbys genauer Aufsicht durfte ich sogar selbst einmal den Kochlöffel schwingen. Mittlerweile kann ich ein ganz passables Sandwich." Er lachte.
„Jetzt bleibe ich sogar noch länger an Bord als nur über die Sommerferien. Nächstes Jahr darf ich das erste Mal die Aktivitäten als Manager übernehmen, weil unser derzeitiger Eventmanager bald in Rente geht. Er arbeitet mich so gesehen also in meine Arbeit ein."
Er zwinkerte verschmitzt. Mit den ordentlich gebürsteten Haaren hätte er trotz der Uniform locker als Passagier durchgehen können, aber wenn ich ihn mir jetzt mit einer Schürze vorstellte, zerplatzte diese Vorstellung im Nichts.
Ich kicherte.
Er musste bestimmt schon über 20 sein, wenn er schon fast alle Abteilungen durchhatte. Und somit sähe er jünger aus, als er in Wirklichkeit war.
„Wie alt bist du?", stellte ich die entscheidende Frage und Tristan schien etwas verwundert.
„Wieso fragst du?" Ich zuckte kurz mit den Schultern.
„Wenn du jeden Sommer hier aushilfst und trotzdem schon fast alle Abteilungen durchhast, wie viele Jahre hast du dann schon hier gearbeitet? Ist das überhaupt legal?"
Er grinste bei meiner Aufzählung. Dann sprach er mit gespielt britischem Akzent: „Scharf beobachtet Doktor Watson. Ihre Beobachtungen führen Sie mit größter Wahrscheinlichkeit zu der Annahme, ich sei entgegen meines wohl fabelhaften Aussehens, älter als Sie es zunächst anzunehmen vermögen."
Unweigerlich brachte er mich zum Lachen.
Er fiel in mein Lachen mit ein. Sherlock Holmes gehörte zu meinen Lieblingsbüchern.
„Ich bin 19. Früher hat mein Vater mir diesen Job besorgt für meine Berufserfahrungen. Er hat mir meinem Onkel gequatscht und die beiden haben es irgendwie gedeichselt. Ich sollte ihm wohl dankbar sein oder so. Heute rechtfertigt er es wegen meines Studiums. Naja, ich glaube er will mich einfach aus dem Haus haben." Tristan verdrehte die Augen und ich lächelte leicht. Also noch jemand, der nicht ganz freiwillig hier war.
Im Gegenzug für seine freundlichen Worte, versuchte ich ihn jetzt ebenfalls aufzumuntern.
„Meine Mutter hat mich auch dazu gebracht hier zu arbeiten. Während meine Freundinnen irgendwo in Spanien am Strand liegen und ihre Freizeit genießen, darf ich hier arbeiten und mich abrackern."
Tristans Lächeln wurde zunehmend breiter.
„Scheint so als hätten wir beide das gleiche Schicksal. Unsere Eltern glauben beide das Richtige für uns zu tun, haben in Wirklichkeit aber keine Ahnung." Ich blieb abrupt stehen. Nicht weil mich seine Worte überraschten, sondern weil er wirklich Recht hatte.
In der ganzen Zeit, in der meine Mutter nun schon auf mich eingeredet hatte, wegen dieses Jobs, hatte sie mich kein einziges Mal gefragt, was ich von dieser Idee hielt. Ich hatte letztendlich nur daneben gesessen und genickt. Tristan schaute mich fragend an, als fände er die Worte, die vor Sekunden seinen Mund verlassen hatten, gar nicht so besonders.
Als wären es alltägliche Gedanken die Absichten seiner Eltern zu hinterfragen. Obwohl, für ihn traf das vielleicht sogar zu, nur ich hatte es bisher noch nie in diesem Licht betrachtet. Ich hatte nie daran gezweifelt, dass meine Mutter nur das Beste für mich wollte, deswegen trafen mich diese Gedanken jetzt wie ein Schlag in die Magengrube.
Im Nachhinein kam es mir gar nicht mehr so vor, als hätte sich meine Mutter nur das Beste für mich gewünscht. Wenn ich so darüber nachdachte, kam das Jobangebot, welches sie mir irgendwann einfach so vor die Nase gehalten hatte, einer Aufforderung gleich, dass ich endlich arbeiten gehen sollte.
„Alles okay?" Tristan trat einen Schritt auf mich zu und irgendwie sah er besorgt aus. Ich schüttelte den Kopf, um diese fiesen Gedanken aus meinem Kopf zu vertreiben und lächelte Tristan zaghaft an.
„Alles in Ordnung. Können wir weiter?" Meine Stimme klang etwas schrill und Tristan beäugte mich immer noch misstrauisch, ließ es aber letztendlich auf sich beruhen. Wir setzten unseren Weg fort. Mittlerweile waren wir durch das große Treppenhaus gelaufen. Die Aufzüge waren ziemlich altmodisch, man brauchte sogar noch einen Aufzugführer dafür, sie waren also richtig niedlich, aber wir nahmen trotzdem die Treppe.
In der nächsten Sekunde befanden wir uns schon auf einem der oberen Decks. Das waren die Decks, auf denen es sich die Passagiere auf Liegen gemütlich machen und in der Sonne baden konnten. Tristan meinte, wir wären gleich bei den Besprechungsräumen angekommen und ich blickte auf meine Uhr. Es waren fünf Minuten vor zehn.
Die Besprechungsräume waren lieber um die nächste Ecke, sonst würden wir schon am ersten Arbeitstag zu spät kommen. Doch selbst als ich meine Befürchtungen mit ihm teilte, ließ er sich nicht aus der Ruhe bringen. Er zuckte nur mit den Schultern.
„Selbst wenn wir zu spät kommen. Das ist nicht so schlimm. Es ist immerhin nur eine kurze Besprechung vor Dienstbeginn.", sagte er leichthin.
"Für dich ist es bestimmt nicht schlimm. Dein Onkel ist Geschäftsführer. Ich habe die Stelle doch so schnell wieder verloren, wie ich sie gehabt habe." Das waren wiederum keine schönen Aussichten. Vor allem nicht, weil ich dann meiner Mutter erklären durfte, warum ich so schnell wieder zuhause war.
Tristan grinste.
„Du bist mit mir unterwegs.", sagte er nur und ich starrte ihn nur fassungslos an. Das Selbstbewusstsein, welches er an den Tag legte, war ja sogar noch größer als ich gedacht hatte. Das grenzte schon fast an Selbstverliebtheit.
Tristan blieb schließlich vor einer großen Holztür stehen. Sie war verschlossen.
„Da sind wir.", sagte er und zeigte auf besagte Tür. Ich befürchtete, dass die Besprechung schon begonnen hatte und schluckte schwer. Ich würde mich einfach hinter Tristan verstecken, sobald er die Tür aufmachte. Ich würde hinter seinem Rücken gar nicht weiter auffallen.
Ich gab ihm ein Zeichen, dass er die Türklinke herunterdrücken sollte er zog noch eine Augenbraue in die Höhe, bevor er tat was ich gesagt hatte. Die Besprechung hatte zu unserem Glück noch nicht angefangen.
Die Blicke der Crew lagen trotzdem auf uns, beziehungsweise auf Tristan, denn ich versteckte mich ja erfolgreich hinter seinem Rücken. Es wurde augenblicklich still in dem Saal, als hätte jemand den Lautstärkeregler mit einem Mal auf lautlos gestellt.
Die Gespräche verloren sich nach und nach in einer unbehaglichen Stille und alle starrten auf Tristan. Der warf einfach ein 'Hallo' in die Runde und als wäre dies das Startzeichen gewesen, erwiderte der Großteil der Besatzung seine Begrüßungsworte und fingen an zwanglos mit ihm zu plaudern.
Der Lautstärkeregler ging von null auf hundert in weniger als einer Sekunde. Anscheinend kannte Tristan hier die meisten bereits. Das war nur logisch, weil er praktisch schon zum Inventar gehörte. Jedenfalls während der Sommermonate. Teilweise sprangen sie sogar von ihren Stühlen auf und schüttelten ihm die Hand.
Sie behandelten ihn, als wäre er ein lange verschollener Prinz - mindestens. Hätte ich es nicht besser gewusst, hätte ich gesagt, einige der Crewmitglieder hätten sich beinahe vor ihm verbeugt, so ehrfürchtig starrten sie zu ihm herauf.
Ich meinerseits warf ein schnelles 'Dankeschön' in seine Richtung und verschwand dann an das Ende des Raumes. Dort hatte ich nämlich noch einen leeren Platz gefunden, auf den ich mich jetzt erleichtert niederließ. Es war einer von wenigen.
Tristan hatte mein Verschwinden nicht bemerkt. Er wurde immer noch von der ganzen Mannschaft okkupiert und ich konnte nicht anders als über sein Gesicht zu lachen. Er sah beinahe etwas hilflos aus, ließ es sich vor den anderen aber nicht anmerken, sondern lächelte sie alle einen nach dem anderen an. Ruhig und beherrscht.
Wenn ich ihn jetzt so sah, war er mir gar nicht mal so unsympathisch.
Die Stille setzte augenblicklich wieder ein als sich die schwerere Holztür erneut öffnete und eine Frau mittleren Alters, gefolgt von mehreren Männern den Raum betrat. Die Streifen auf ihren Schultern variierten zwischen zwei und dreieinhalb goldenen beziehungsweise silbernen Streifen.
Die Frau hatte zweieinhalb Streifen. Sie war groß und hatte ihre zum Teil schon grauen Haare in einem strengen Dutt auf ihrem Kopf befestigt. Vergleiche mit der bösen Stiefmutter aus Cinderella waren auf jeden Fall angebracht. Ich setzte mich augenblicklich gerade hin.
Diese Frau schrie geradezu nach Disziplin und ich befürchtete bereits das Schlimmste. Ich schluckte schwer. Bitte, lass mich unrecht haben, nur dieses eine Mal.
Als die Frau vor die Sitzreihen angelangt war, war der Raum schon zu vollkommener Stille verstummt. Wir alle warteten gespannt auf die ersten Worte.
Als sie ihre Stimme erhob, schien es mir als würde der ganze Raum zeitgleich nach Luft schnappen. Drei Männer fingen mit ihrer Vorstellung an. Küchenchef, Hotelmanager, Eventmanager, sie alle standen in einer ordentlichen Reihe und verlasen, ihre neuen Schützlinge, das hieß die Aushilfskräfte, die noch nicht wussten, wo sie eingeteilt wurden. Mein Name wurde noch nicht aufgerufen und das bereitete mir zunehmend Sorgen.
Die Männer lockerten die Stimmung teilweise durch witzige Sprüche etwas auf, aber die durchdringenden Augen der Frau sorgten schnell dafür, dass Zucht und Ordnung herrschten. Nach wenigen Minuten war sie an der Reihe mit ihrer Begrüßung. Es war mucksmäuschenstill.
„Guten Tag. Ich bin Agathe Hoffenmeier und bin für das Housekeeping zuständig. Des Weiteren heiße ich Sie herzlich Willkommen an Bord."
Es hieß also doch Housekeeping! Das war mein erster Gedanke. Mein zweiter Gedanke viel eher weniger positiv aus. Hoffentlich war sie nicht meine neue Chefin.
Sie nahm ihre Liste zur Hand und ratterte die Namen einen nach dem anderen hinunter.
„... Francesco De Luca, Solea Müller und Pablo Valentini.", endete sie gerade in dem Moment, in dem ich ein wenig Hoffnung geschöpft hatte. Nun hätte ich am liebsten laut geflucht.
Selbst wenn die Frau irgendwann nur ein wenig lächelte, ich hätte Angst vor ihr gehabt und wäre augenblicklich schreiend weggerannt. Auch wenn ich nicht glauben konnte, dass sich ihr Mund auch nur einen Zentimeter zu einem Lächeln verschieben konnte. Ihre Mundwinkel schienen schon fast fest getackert zu sein.
Sogar ein Blinder mit Krückstock sah, dass mit ihr nicht zu spaßen war. Freundlich konnte man sich bei ihr abschminken.
Die nächste halbe Stunde bestand eigentlich nur aus den Hausregeln, die unbedingt befolgt werden mussten, den Arbeitszeiten, die unbedingt eingehalten werden mussten und der Zufriedenheit der Passagiere, die unbedingt sichergestellt sein musste.
Ich schluckte jedes Mal, wenn die Hausdame auch nur annähernd in meine Richtung sah und starrte augenblicklich auf meine Füße, die sofort anfingen nervös auf dem Boden zu tippen.
„Ich freue mich auf die Zusammenarbeit.", sagte sie zum Schluss und ich hätte beinahe laut aufgelacht. Sicher freute sie sich, dass sie endlich mal wieder jemanden zum Herumkommandieren haben würde.
Ich sah mich schon selbst als Aschenputtel durch die Gänge hetzen, die böse Stiefmutter Besen schwingend hinter mir herlaufend und andauernd „Tu dies, tue das!" rufen, während ich verzweifelt versuchte in irgendeiner Kabine Zuflucht zu suchen, die natürlich reihenweise verschlossen waren.
Ich schauderte. Nach dieser Rede wollte ich eigentlich nur noch raus aus diesem Raum, der mittlerweile ziemlich stickig geworden war, aber dann erhob Frau Hoffenmeier noch einmal ihre Stimme.
„Wie jedes Jahr, darf ich auch einen ganz besonderen Gast begrüßen, der uns hier aushelfen wird. Wie Sie alle wissen, ist die Familie schon drei Generationen lang im Besitz dieses Kreuzfahrtschiffes, einem von insgesamt drei, die als die drei Kristalle der See in die Geschichte eingingen."
Das kam mir vage bekannt vor. Ich meinte ich hatte darüber in einem Prospekt, welches mir meine Mutter damals gegeben hatte, gelesen. Vielleicht hatte sie mir es auch ganz begeistert erzählt. MYSTERY, PARADISE und HOPE. So hießen die drei Schiffe, aber an weitere Details erinnerte ich mich nicht. Anscheinend waren die drei Schiffe und seine Besatzung irgendwann in den 70ern dafür verantwortlich gewesen, dass ein großer Gemäldefälscher, der auf den Schiffen immer mal wieder gefälschte Gemälde in alle Welt schmuggelte, aufgeflogen und festgenommen wurde. Der Besitzer selbst soll an dieser Festnahme nicht ganz unbeteiligt gewesen sein. Der Name des Fälschers war mir nur irgendwie entfallen. Das war aber auch unwichtig, denn ich wollte unbedingt wissen, was die böse Stiefmutter dazu zu sagen hatte.
„Ich freue mich den Erben dieser unglaublichen Geschichte hier an Bord begrüßen zu dürfen." Mein Mund klappte überrascht auf. Ich hatte so eine Ahnung, wen sie uns gerade vorstellen wollte. Eigentlich hätte ich es mir denken sollen. Es klang so logisch und doch hatte ich nicht eine Sekunde darüber nachgedacht. Ich ahnte, dass er über diese Vorstellung nicht besonders glücklich sein würde. Vielleicht blieb er aus genau diesem Grund nun stumm. Ich entdeckte ihn nicht einmal mehr in der Menschenansammlung.
Frau Hoffenmeiers Augen analysierten die Menge vor ihr.
Die nächsten Worte, die den Mund der bösen Stiefmutter verließen, ließen mich erstarren, obwohl ich die Wahrheit ja bereits kannte.
„Tristan, wo bist du?"
Er hatte selbstbewusst gewirkt, als wir uns unterhalten hatten, aber aus irgendeinem Grund schien ihm die Vorstellung als ‚Erbe dieser unglaublichen Geschichte' nun etwas peinlich zu sein.
Meine Augen suchten nach Tristan, was spätestens bei der Erwähnung seines Namens sowieso nicht schwierig war, da alle Augen auf ihn gerichtet waren.
Er schien förmlich in seinem Sitzplatz zu versinken. Dahin war das große Selbstbewusstsein. Ich konnte es ihm nicht einmal verdenken. Ich hasste es auch, wenn alle Aufmerksamkeit auf mir lag.
Mein Blick glitt wieder zu Tristan, der in seinem Sitzplatz schon gar nicht mehr richtig zu sehen war, so tief war er nach unten gerutscht.
Das Mädchen neben mir, das ich beim Hinsetzen nur kurz begrüßt hatte, reckte neugierig den Kopf. Ich verschränkte die Arme. Es war kaum zu fassen, wie sie ihn behandelten. Er war schließlich auch nur ein Mensch.
Frau Hoffenmeier richtete noch ein paar letzte Worte an die Crew und entließ uns dann in die Arbeit. Ich schaute auf die Uhr. In etwas weniger als einer Stunde musste ich mich zum Dienst melden. Ich seufzte und stand auf.
Erst einmal musste ich hier raus. Die Luft wurde von Minute zu Minute stickiger und diese neue Information schien mir die Luft nur noch mehr abzuschnüren. Beim Hinausgehen oder besser beim Hinausstolpern, denn jetzt wollten natürlich alle gleichzeitig an die frische Luft zurück, grinste mir bereits Tristan entgegen, als ich aus dem Raum trat, als hätte er auf mich gewartet. Und das Selbstbewusstsein war wieder zurück.
Er schien allen Crewmitgliedern freundlich zuzunicken, einigen Frauen zwinkerte er auch schelmisch zu, nur blieb sein Blick schließlich an mir hängen.
„Hey.", sagte er und die Tatsache, dass er mich direkt ansprach zog die Aufmerksamkeit einmal mehr auf sich. Die Menge starrte uns an. Ich lächelte Tristan kurz zu.
„Erbe dieser unglaublichen Geschichte? Die Information hättest du nicht früher bringen können, oder?" Ich meinte zu sehen, dass sich seine Wangen leicht rosa färbten, aber er grinste.
„Ich hielt es nicht für wichtig."
"Aha."
Ich war nicht sehr überzeugt.
„Ich glaube nicht, dass das hier jeder so sieht.", sagte ich belustigt mit einem Seitenblick auf die Mannschaftsmitglieder, die ihn ehrfürchtig ansahen.
Tristan lachte und zuckte mit den Schultern.
„Man kann schließlich nicht alles haben."
Die Aufmerksamkeit der Crewmitglieder richtete sich wieder von uns weg.
„Keine Sorge, ich pack dich schon nicht mit Samthandschuhen an.", sagte ich und brachte den Jungen so tatsächlich zum Lachen.
„Das wird bestimmt sehr interessant werden diesen Sommer.", sagte er und ein breites Grinsen schlich sich auf sein Gesicht. Da konnte ich mich ihm nur anschließen.
Das würden bestimmt ein paar abenteuerliche Wochen werden.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro