Kapitel 35 - Brittany
"Was ist denn eigentlich schon wieder dein Problem?!"
Man hörte Mike durch den ganzen Bus keifern. Wir waren gerade auf der Rückfahrt von der Skipiste zum Skiresort, da der Schneefall immer stärker wurde.
"Du und Brittany! Ihr seid die ganze Zeit zusammen, was soll ich denn da denken?! Bin ich deine feste Freundin oder sie?", schrie Molly genauso aggressiv zurück.
Ich tauschte einen kurzen Blick mit Maddy aus, welche neben mir saß. Eine unangenehme Spannung lag in der Luft, und das schon seit dem Vorfall mit Raphaels Fans gestern; da hatten mir die beiden gerade noch gefehlt.
"Wir sind nur Freunde, muss ich das für dich buchstabieren oder verstehst du den Sinn des Wortes nicht?", erwiderte Mike, "außerdem könnte ich das Gleiche bei dir und Julian sagen! Ihr schlaft sogar manchmal in demselben Bett!"
Daraufhin ging ein Schwall von Geflüster durch den Bus.
"Wer ist dieser Julian?", fragte Maddy mich mit großen Augen und ich betrachtete meine rot lackierten Fingernägel, bevor ich ihr antwortete: "Mollys Kindheitsfreund, ihre Familien sind eng miteinander befreundet. Man munkelt, dass Julian seit Ewigkeiten in sie verliebt ist und sie auch in ihn."
"Ach, und Mike ist dann nur ihr Boy Toy oder wie?"
Die Halbkoreanerin zog ihre Augenbrauen zusammen und ich meinte: "Nein, sie liebt Mike wirklich, aber ihre Eifersucht geht einfach zu weit."
Ich schielte zu Mike, welcher aufgebracht aufstand und sich neben einen Freund setzte.
Der Arme. Molly hatte in der Situation deutlich übertrieben, denn es war klar, dass ich nur an einem Jungen Interesse hatte - und das war nicht Mike. Seufzend starrte ich aus dem Fenster, das immer mehr von Schneeflocken bedeckt wurde. Ob Isaac wohl auch im Bus saß und hinausschaute?
~
Leise Gitarrengeräusche drangen aus Mikes Zimmer.
Energisch klopfte ich an die Tür, denn Mike und ich waren für den Putzdienst nach dem Abendessen eingetragen. Eigentlich wollte ich ihn schon während des Essens daran erinnern, doch bevor ich ihn ansprechen konnte, war er schon aus dem Raum verschwunden.
"Ich will nicht reden, Molly!", ertönte seine Stimme aus dem Raum und er schien aggressiver zu spielen, denn die Melodie wurde lauter.
Ich bemerkte, dass die Tür nicht geschlossen, sondern nur etwas eingerostet war, und kickte mit meinen Michael-Kors-Pantoletten gegen die Holztür.
"Dann ist ja gut, dass ich nicht Molly bin", erwiderte ich und ließ mich neben ihm aufs Bett fallen.
Er lachte kurz und machte weiter.
Ich starrte aus dem Fenster, welches mir einen Ausblick auf - nun ja - auf gar nichts gab. Das einzige, das ich sehen konnte, waren die unzähligen Schneeflocken, die am Fenster hängen blieben und langsam eine dünne Eisschicht bildeten.
Dann warf ich Mike einen Seitenblick zu. Er hatte sich vollkommen seiner Gitarre gewidmet und seine langen Finger strichen so natürlich über die Saiten, als hätte er schon immer Gitarre gespielt. Wahrscheinlich hatte er das auch. Ich musste kichern.
"Was ist denn so lustig?", fragte der Blonde daraufhin und sah mich belustigt an.
Ich winkte nur mit einer Handbewegung ab und wuschelte ihm durch die Haare.
"Du musst dich nicht schuldig fühlen, schließlich sind wir nur Freunde. Und jeder weiß von Mollys und Julians enger Beziehung, also hat sie gar nicht das Recht, dir soetwas vorzuwerfen."
Mike legte das Instrument beiseite und wandte sich mir zu: "Das ist mir klar, aber es wirkt immer so, als wäre es meine Schuld. Vorhin habe ich ein paar Leute darüber reden hören, wie asozial ich doch sei und wie ich mir eigentlich erlaube, mit meiner Freundin zu reden."
"Jetzt hör mal zu", ich nahm sein Gesicht in meine Hände und zwang ihn somit, mir in die Augen zu schauen, "du hast nur gesagt, was du fühlst! Wenn Molly das nicht ertragen kann, dann ist das eine ganz andere Sache. Nur weil du auf ihren Vorwurf reagierst, heißt das nicht, dass sie somit zum Opfer wird."
Er seufzte und drückte mich kurz an sich.
"Danke."
Ich nickte und stieß ihm dann sanft mit dem Ellenbogen in die Seite: "Komm, lass uns putzen gehen. Ich habe keine Lust auf Miss Lithgows enttäuschten Blick, wenn wir nicht auftauchen."
Wir begaben uns also nach unten in die Küche, wo unsere Lehrerin bereits wartete.
"Zum Glück seid ihr da! Ist es in Ordnung, wenn ich euch heute alleine lasse? Die anderen Lehrer veranstalten nämlich einen Spieleabend in Mister Cumberlands Zimmer und ich möchte das nicht verpassen!", begrüßte sie uns hastig und wir nickten kurz, bevor sie zur Treppe eilte: "Danke, ich verlasse mich auf euch!"
Mike warf mir den Lappen zum Putzen der Tische zu, während er sich ans Spülbecken stellte, um die Töpfe und Pfannen zu reinigen.
Kurz schaute ich mich in der Küche um. Sie war sehr geräumig und es gab sogar eine kleine Kücheninsel, an der sich etwa fünf Personen niederlassen konnten. Sie war mithilfe von zwei Türen an den Speiseraum und den Flur angebunden und eine doppelt verschichtete Glastür führte nach draußen in den Hinterhof und somit zu den Müllcontainern.
Seufzend begab ich mich in den Speiseraum und beschwerte mich augenblicklich, als ich den Esstisch erblickte: "Eww, da hat jemand eine Nudel liegen lassen!"
"Ups, das war meine", ertönte plötzlich eine Stimme hinter mir, die ganz sicher nicht zu Mike gehörte.
Ich drehte mich um und auf dem dunkelroten Stoffsofa im Gemeinschaftsraum hatte Idris es sich gemütlich gemacht. Da das Esszimmer und der Gemeinschaftsraum lediglich durch einen Vorhang getrennt war, der momentan zur Seite geschoben war, hatte ich volle Aussicht auf ihren mit Chipspackungen bedeckten Körper.
"Kannst du sie mir zuwerfen?", fragte sie bittend.
Ekel. Das war das einzige, das ich in diesem Moment empfand. Doch bevor ich nach Mike rufen konnte, sprang Idris auf und murmelte irgendetwas von Madeleines Parfüm. Dann rannte sie in den Flur und ich widmete mich sprachlos dem Putzen.
Einige Zeit später, Mike wischte noch den Boden und ich nippte an einer Cola, wurde die Tür zum Flur aufgerissen und Maddy stürmte herein.
"H- h- hilfe!", keuchte sie und sank auf den Boden. Ich nahm sie an den Armen und hakte besorgt nach, was denn los sei.
Daraufhin deutete sie mit ihrer Hand in Richtung Tür, durch die nun auch Raphael sauste und mit einem Gesicht voller Horror das Schloss umdrehte.
"Schnell! Schließt die andere Tür ab!", verlangte er und Mike reagierte in Sekundenschnelle.
Im selben Moment wurde auch schon an die Tür gehämmert.
"Maddy, du brauchst dich doch nicht zu verstecken!", säuselte Idris von draußen; die Halbkoreanerin ignorierte das Klopfen gekonnt.
"Kann mich jemand aufklären?", meldete sich Mike und setzte sich neben mich an die Kücheninsel.
Raphael hob Maddy mit Leichtigkeit hoch und platzierte sie auf einem Hocker, während er sich aus dem Kühlschrank drei Flaschen Limonade nahm und sie den anderen hinstellte.
"Nun ja", Maddy steckte einen Strohhalm in die Glasflasche, "Raphael und ich waren zusammen in seinem Zimmer, als Idris-"
"Raphael und du alleine im Zimmer? Was habt ihr denn da gemacht?", unterbrach ich sie grinsend und Maddy wurde augenblicklich rot.
"Wir haben nur mit Isaac telefoniert!", beteuerte sie und nun war ich diejenige, die enttäuscht war.
"Warum habt ihr mir nicht bescheid gesagt?!" Innerlich lief mir eine dramatische Träne über die Wange.
Raphael räusperte sich kurz: "Jedenfalls gingen wir gerade aus dem Zimmer, als wir am Ende des Ganges Idris sahen, welche nach Maddy rief. Zum Glück haben die Lehrer davon nichts mitbekommen und wir haben es irgendwie geschafft, die letzten zwanzig Minuten ungesehen zu bleiben. Irgendwann hat sie uns jedoch entdeckt, als wir die Treppe hinunterschlichen und unsere einzige Möglichkeit war die Küche, da man sie von allen Seiten verschließen kann."
Ich schauderte und blickte nach draußen.
"Krass, wie stark es schneit", bemerkte ich und die anderen folgten meinem Blick.
Die Schneeflocken flogen mittlerweile aggressiv durch die Gegend und es sah sehr nach einem Schneesturm aus.
"Lass uns doch nach draußen gehen!", schlug Maddy vor und hüpfte vom Hocker.
"Nein danke", lehnte ich ab, "es ist viel zu kalt."
Sie schaute mein Outfit an, welches aus einer einfachen Jeans und einem rosa Oberteil mit Trompetenärmeln bestand, und zuckte mit den Schultern.
"Ach was, so schlimm ist es bestimmt gar nicht!", meinte sie optimistisch und riss die Glastür auf.
Eine eiskalte Böe wehte herein und verteilte eine Masse Schnee auf dem Boden und auch auf Maddy. Sie glich nun einem misslungenen Schneemann und schloss die Tür schnell wieder.
Lachend machte ich ein Foto, während Raphael ihr ein Handtuch zuwarf und Mike seufzend wieder den Wischmopp aus der Ecke holte.
"M-m-mir ist k-k-kalt", bibberte Maddy auch nach einer halben Stunde noch und Raphael legte seinen Arm um sie.
Oh my- da ergriff aber jemand die Initiative. Würde Isaac nur so direkt sein...
Ich schüttelte mir die Tagträumerei aus dem Kopf und Mike bot an, dass wir doch Just Dance spielen könnten, denn im Gemeinschaftsraum befand sich ein Fernseher und Miss Lithgow hatte netterweise bei unserer Ankunft eine Wii mit einigen Spielen bereitgestellt.
"Aber was, wenn Idris noch auch uns wartet?", fragte Maddy und ich winkte ab.
"Es ist mittlerweile schon ein Uhr und ich bezweifle, dass sie über eine Stunde lang vor der Tür steht."
Also wagten wir uns bewaffnet mit neuen Getränken in den Gemeinschaftsraum und wie vermutet war von Idris keine Spur mehr.
In diesem Moment war ich umso glücklicher, dass es keine Lehrerkontrollen gab, weil dies laut ihnen unsere Eigenverantwortung sei, wann wir schlafen gingen.
Mike schaltete die Wii an, während Maddy und ich in das Stoffsofa sanken. Raphael hob eine der noch ungeöffneten Chipstüten, die Idris hinterlassen hatte, auf und machte es sich auf dem ebenfalls dunkelroten Sessel gemütlich.
"Zu welchem Song wollt ihr starten?"
Mike sah uns erwartungsvoll an und Maddy antwortete aufgeregt: "Can't Stop the Feeling!"
Wir quetschten uns also alle nebeneinander und ich konnte aus dem linken Augenwinkel erkennen, wie ein hämisches Grinsen über Maddys Gesicht huschte.
Aha, also kannte sie die Choreographie schon! Aber da war sie nicht die einzige. Ich band meine Haare zu einem Pferdeschwanz und hielt den Controler fest in meiner rechten Hand.
"I got this feeling inside my bones...", startete Justin Timberlake und Mike verpasste erstmal den Einstieg. Das war sein Untergang, denn er kam überhaupt nicht mehr mit gab schließlich auf. Raphael war erstaunlich gut, allerdings konnte er mit Maddy und mir einfach nicht mithalten.
Und Maddy? Ich fragte mich langsam, wie oft sie schon auf dieses Lied getanzt hatte, denn es schien so, als würde sie nicht einmal auf den Bildschirm schauen und trotzdem verfehlte sie keinen einzigen Schritt.
Schließlich landete sie auch mit 50 Punkten Vorsprung auf dem ersten Platz und ich beschloss, sie in den folgenden Runden fertig zu machen.
Allerdings war das gar nicht so schwer, denn die Halbkoreanerin stellte sich trotz des grandiosen Starts als eine ziemlich mittelmäßige - nein, grottige - Tänzerin heraus. Sie machte schon Mike Konkurrenz, der trotz seines musikalischen Talents jedes Mal den Takt verfehlte, was an ein Wunder zu grenzen schien, denn noch nie habe ich einen Menschen gesehen, der sich beim Tanzen so ungeschickt anstellte.
Da Raphael sich als stabiler zweiter Platz bewährte, sahnte ich jedes Mal den ersten Platz ab.
Als ich mir ein Chip in den Mund steckte, erkundigte ich mich bei ihr, was denn passiert war.
"Ach weißt du, ich kann nicht tanzen. Aber ich habe seit 3 Jahren jedes Mal auf Just Dance zu 'Can't Stop the Feeling' getanzt und irgendwann konnte ich es dann auswendig", verriet Maddy und trank einen Schluck Wasser.
Raphael, Maddy und ich tanzten noch die ganze Zeit weiter, während Mike in einen Sekundenschlaf verfiel. Doch irgendwann hing die Halbkoreanerin auch schlapp im Sessel und Raphael schaute auf die Uhr.
"Oh mein Gott, es ist schon sieben Uhr", stöhnte er und ich schreckte auf: "Mein Schönheitsschlaf! Aber Moment mal, warum wird es nicht schon hell?"
Wir begaben uns in die Küche und wollten durch die Glastür gucken. Jedoch war uns die Sicht nach draußen verwehrt. Und zwar durch eine fette Schicht Schnee. Man konnte kein einziges Stück Himmel mehr sehen, alles war vom Schnee bedeckt.
"Wurden wir eingeschneit?!", kreischte ich und schnell weckten wir die anderen, um unseren Müll aufzuräumen.
"Denkt ihr, dass die Lehrer es schon bemerkt haben?"
Mike blickte mit dem Kaffee in seiner Hand in die Runde. Wir hatten uns allen einen Kaffee gegönnt, um den Tag zu überleben.
Maddy wollte gerade reden, als Mister Cumberland verschlafen im Morgenmantel hereintaumelte.
"Oh nein, wir sind eingeschneit!", rief er erschrocken und zuckte dann zusammen.
Cumberland setzte sich seine Brille auf und murmelte gähnend: "Huch, Mike, deine Schicht vom Frühstücksdienst beginnt doch erst in einer Stunde!"
Dann wanderte sein Blick zu uns.
"Madeleine, Brittany, Raphael - was macht ihr denn so früh schon hier unten?"
"Wir sind früher aufgestanden, um Mike zu helfen. Außerdem haben wir bemerkt, dass wir eingeschneit wurden", tischte ich ihm eine Notlüge auf und er nickte gläubig.
Auf einmal wurde die Tür erneut geöffnet und Miss Lithgow stolperte in die Küche.
"Frederick, der Schnee reicht bis in das Obergeschoss - Kinder, was macht ihr denn hier?"
Ich erklärte ihr noch einmal die Situation und die beiden beschlossen nach einer Tasse Kaffee, ein Schülerquiz zu veranstalten, da wir nicht auf die Piste können. Cumberland rief beim Resortpersonal an, doch wir würden heute unser Haus wohl gar nicht verlassen können.
Nach dem Frühstück versammelten sich alle 20 Schüler im Gemeinschaftsraum und die Lehrer berichteten von der momentanen Lage.
Dabei wurden Fragen wie "Werden wir alle sterben?!" oder "Kann man nicht einfach auf dem gefallenen Schnee Skifahren?" gerufen.
Bevor die aufsteigende Panik der Schüler vollkommen ausbrechen konnte, brüllte Cumberland ins Megafon: "RUHE!"
Sofort wurde es totenstill im Raum.
Er räusperte sich kurz und Miss Lithgow ergriff das Wort: "Mister Cumberland und ich haben uns überlegt, dass ein Quiz eine gute Beschäftigung wäre! Ihr könnt euch gleich in vier Teams mit jeweils fünf Personen aufteilen und dann treten jeweils zwei Teams gegeneinander an, sodass es insgesamt vier Runden geben wird. Es werden in jeder Runde fünf Fragen aus den Themengebieten Literatur, Kunst, Musik und Physik gestellt-"
"Das kommt daher, dass das unsere Lehrfächer sind und wir uns selbst Fragen einfallen lassen können", ergänzte Cumberland.
"Genau", bestätigte die Lehrerin an seiner Seite.
Die Schüler guckten sich skeptisch an und ein unmotiviertes Raunen war zu hören, weshalb Miss Lithgow beschloss, dass das Gewinnerteam den Rest des Aufenthaltes keine Dienste mehr erledigen musste.
In Team 3 fanden sich schnell Maddy, Mike, Raphael, Simon und ich zusammen und wir schauten Team 1 und 2 zu, bis wir schließlich gegen Team 4 antraten.
Ich stellte mich zwischen Mike und Raphael, dann wandte ich mich an Miss Lithgow, welche die erste Frage stellte: "In welchem Jahr wurde Goethes 'Faust 1' geschrieben?"
Keine Sekunde später läutete Maddy die Klingel, die vor uns auf dem Tisch stand.
"Goethe arbeitete über mehr als 30 Jahre an Faust 1, weshalb man kein genaues Datum nennen kann, aber das Drama wurde im Jahr 1808 veröffentlicht", antwortete sie sofort und unsere Lehrerin notierte sich einen Punkt für unser Team.
Darin war Maddy besonders gut. Ihr Literaturwissen überstieg das Wissen fast aller Schüler; ich hatte noch nie erlebt, dass sie eine schlechtere Note als ein A- bekam.
"Meine Frage kommt aus dem Bereich der Physik", fuhr Mister Cumberland fort, "Worin liegt der Unterschied zwischen der Zentripetalkraft und der Zentrifugalkraft?"
Darauf wusste Raphael die Antwort: "Die Zentripetalkraft und Zentrifugalkraft haben die gleiche Formel. Es handelt sich aber um entgegengesetzte Kräfte, die abhängig von dem Bezugssystem sind. Wird eine Kreisbewegung von außen betrachtet, wirkt nur die Zentripetalkraft. Befindet sich der Beobachter im rotierenden System, nimmt er beide Kräfte wahr."
Ich gähnte. Der Schlafentzug machte mir wohl doch ein wenig zu schaffen und den anderen schien es ähnlich zu gehen. Maddy klopfte sich an die Wangen, um sich wachzuhalten.
Glücklicherweise holten wir den Sieg für uns, standen schließlich Team 2 gegenüber und somit auch Molly, Idris und Julian.
Miss Lithgow kündigte das Finale an und sprach: "Ihr werdet gleich ein Gemälde vorgelegt bekommen. Nennt die Stilrichtung und den Künstler dieses Gemäldes."
Sie nahm ihr Tablet und zeigte uns das Bild.
Raphael stand vor mir, weshalb ich hinter ihm hervorlugen musste, um einen Blick darauf zu erhaschen.
Die bunten, geometrischen Formen, die kunstvoll miteinander verwoben wurden, kamen mir unfassbar bekannt vor.
"Irgendwoher kenne ich das doch...", murmelte ich.
Und plötzlich traf mich der Blitz.
Ich stieß Raphael aufgeregt zur Seite und bewegte die Klingel.
"Das Gemälde stammt aus dem Kubismus, es wurde von Georges Braques gemalt."
Miss Lithgow warf mir einen anerkennenden Blick zu und schrieb den Punkt auf.
Die nächsten beiden Fragen entschieden die anderen für sich, sodass es schlussendlich 2:2 stand. Nun kam es darauf an, wer die letzte Frage schneller beantworten konnte.
"Diese Frage stammt aus dem Bereich der Musik", verkündete Miss Lithgow und wir schoben Mike nach vorne.
Ich schaute zum anderen Team und sah, dass wohl Molly sein Gegner sein würde, da zwar Julian die größte musikalische Begabung von Team 2 hatte, aber Molly viel mehr Wissen über die Geschichte der Musik in ihrem Kopf gespeichert hatte.
"Seid ihr bereit?"
Alle nickten.
"Ich werde euch gleich eine Melodie vorspielen und ihr sollt den Komponisten sowie die Epoche nennen."
Sie klickte auf eine Audio-Datei und man konnte jeden einzelnen Ton klar und deutlich hören, so still war es.
Angestrengt blickte ich in die Runde. Ich war eine Niete in Musik; das einzige, das ich erkennen konnte, war, dass die Melodie in Moll gespielt wurde.
Plötzlich hörte ich die Klingel und sah in Mollys triumphierendes Gesicht.
"Es handelt sich hierbei um die Sinfonie Nr.5 von Beethoven", sagte sie selbstsicher aus und ihr Team klopte ihr anerkennend auf die Schulter.
Miss Lithgow öffnete gerade ihren Mund, als Mike seine Stimme erhob: "Leider stimmt das nicht. Aufgrund der weitgehenden Übereinstimmung der Grundtonart zu Beethoven und der rhythmische Figur im ersten Satz, bei der drei diatonisch geführte kurze Notenwerte in einen längeren münden, könnte man annehmen, dass die Sinfonie von Beethoven stammt. Allerdings ist es Brahms Sinfonie Nr.1." Miss Lithgow wollte gerade etwas sagen, da ergänzte Mike: "Brahms ist der Epoche der Hochromantik zugeordnet und tatsächlich entsprechen die meisten seiner Kompositionen dieser, aber durch den Einbezug von klassischen und barocker Elementen gehen seine Kompositionen weit über die Epoche der Hochromantik hinaus und er wurde zu einem der bedeutendsten Komponisten seiner Zeit."
Mollys Augen weiteten sich, als sie begriff, dass ihr Freund recht hatte.
Miss Lithgow lächelte und verkündete: "Gut erkannt, Mike! Und somit stehen die Gewinner fest: Applaus für Team 3!"
Ich warf allen einen überlegenen Blick zu und umarmte Maddy freudig.
Ich setzte Mike die hässliche Plastikkrone auf, die ein Teil des Preises war, und fragte in die Runde, ob wir nicht diesen Moment mit einem Foto festhalten sollten.
Die anderen stimmten zu und ich gab Cumberland mein Handy.
Dann legte ich meinen Arm um Mike, welcher zwischen mir und Maddy stand. Raphael stellte sich hinter Maddy und ließ sein Kinn auf ihrem Kopf ruhen.
"Cheese!", rief Cumberland und wir grinsten glücklich in die Kamera.
Ich nahm mein Handy und veröffentlichte das Bild auf Instagram.
Friends who slay together stay together.
Ich lächelte.
Hoffentlich würden wir in den nächsten Jahren noch mehr solcher unvergesslichen Erinnerungen schaffen können.
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