13 - hogsmeade
K A P I T E L D R E I Z E H N
HOGSMEADE
N O V E M B E R 1 9 7 6
6. SCHULJAHR
„Wir sind Freunde!", strahlte James.
Er war so abrupt vor Julie aufgetaucht, dass ein schriller Schrei ihr schon in der Kehle hing. „James", keuchte sie auf, „Erschrick mich doch nicht so."
Es war erst ein Tag seit dem gescheiterten Schlittenrennen vergangen (es wurde nach Julies und Sirius Unfall abgebrochen, da sie bei ihrem Unfall einen der Schlitten demoliert hatten) und trotzdem fühlte es sich für Julie so an, als ob niemals etwas zwischen ihr und Sirius anders gewesen war.
Sie waren einfach nur normale Freunde, die sich zum Mittagessen in der großen Halle verabredet hatten - apropos, wo steckte er eigentlich?
„Weißt du noch, als ich mit Lily zusammengearbeitet habe in Kräuterkunde? Ja, natürlich weißt du das! Du warst ja dabei. Jedenfalls habe ich ihr vorgeschlagen, dass wir auch die Hausaufgaben zusammen erledigen können und dann haben wir geredet und dann-"
„Luft holen!", unterbrach sie ihn mit einem Grinsen.
James rang nur für eine Millisekunde nach Atem. Dann setzte er seine Erzählung in rasender Geschwindigkeit fort. „Und dann haben wir geredet und ich habe sie gefragt, wenn wir zusammen Hausaufgaben machen, ist das dann ein Date und dann hat sie gesagt Freunde daten sich nicht und das bedeutet im Umkehrschluss, dass wir Freunde sind! Freunde, Julie, dass ist das erste Mal, dass sie nett zu mir ist!"
Es hätte Julie nicht gewundert, wenn Freudentränen in seinen Augen geglänzt hätten. Ob das der Fall war, konnte sie aber leider nicht mehr feststellen, denn Sirius gesellte sich zu ihnen, was dazu führte das James seinem besten Freund die gleiche Geschichte noch einmal erzählte. Als er zu dem Teil mit „Freunde daten sich nicht" kam, meinte Julie zu sehen, wie Sirius graue Augen einen kurzen Moment lang zu ihr hinüberzuckten — aber sicher war sie sich nicht.
„Das ist ja großartig, Krone!"
„Naja, sie sind jetzt Freunde." Julie zog etwas ratlos die Schultern hoch. „Und wie Lily recht treffend bemerkt hat, daten Freunde sich nicht." Sie vermied es in Sirius Richtung zu sehen. Das Thema erschien ihr noch immer recht heikel. Sirius sagte nichts, aber James ließ ihm auch keine Möglichkeit.
„Besser sie mag mich und wir sind Freunde, als dass sie mich nicht mag. Freunde sein ist besser als Nichts."
Und das waren wohl die erwachsensten Worte, die Julie jemals aus James' Mund gehört hatte (und auch in Zukunft je hören würde).
In der folgenden Woche bewies James, dass er das nicht nur einfach so dahingesagt hatte, sondern es auch so meinte. Er begann nicht mehr zu hyperventilieren wenn Lily den Raum betrat, versuchte nicht mehr sie mit albernen Zaubereien zu beeindrucken. Stattdessen fand man die Beiden (zur allgemeinen Überraschung) immer wieder in ernsthafte Gespräche vertieft vor. Julie fand das zuerst seltsam, stellte dann aber fest, dass James wirklich erwachsener geworden war. So wie auch viele andere in den vergangenen Monaten. Dieser Prozess war leise vonstatten gegangen — so, dass Julie es kaum gemerkt hatte. Ob das an dem Krieg lag, der vor Hogwarts Mauern tobte oder ob das einfach der Prozess des Erwachsenwerdens war ... Das wusste sie nicht. Letztendlich war es auch gleich. Fakt war das es passierte und Julie nichts daran ändern konnte.
Sie alle wurden älter - und sie alle veränderten sich.
Julie wusste nicht was sie von diesen Veränderungen halten sollte.
Es war irgendwie aufregend, auf eine Art.
Gleichzeitig fühlte sich ihr Leben aber auch nicht mehr ganz so unbeschwert an wie zuvor.
Zumindest meistens, wenn der Tagesprophet wieder mit düsteren Nachrichten um verschwundene Kinder und verstümmelte Muggel um sich warf oder ihre Lehrer diesen besonderen Ausdruck der Sorge in ihren Gesichtern nicht schnell genug vor ihren Schülern verstecken konnten.
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An Tagen wie heute fühlte Julie sich jedoch wieder wie ein kleines Mädchen. Mit kribbelnder Vorfreude im Bauch war sie aufgewacht und aus dem Bett gesprungen. Obwohl vor dem Bogenfenster der Himmel regnerisch grau war und statt glitzerndem Schnee nur noch Schneematsch die Ländereien zierte, freute sie sich auf den Tag. Hogsmeade! Sie hatte sich schon seit Wochen auf das Butterbier gefreut, auf das Stöbern in dem Buchladen an der Ecke und auf den Trödelmarkt, der allerlei magische Antiquitäten beherbergte. Auf ein bisschen Normalität.
Und auf Sirius.
Denn seit sie sich vor einer Woche wieder vertragen hatten, waren sie nun wieder ganz normale beste Freunde. Sie hatten die ganze Woche immer wieder Zeit miteinander verbracht, aber der Besuch in Hogsmeade würde für Julie der letzte Beweis sein, dass sich tatsächlich nichts verändert hatte.
Normalerweise verbrachten sie die Wochenenden eigentlich immer in einer größeren Gruppe. Mit den anderen Rumtreibern, Andrew oder Amata. Oder mit allen zusammen.
Dieses Mal hatten sich jedoch im Vorfeld schon einige ihrer Freunde abgemeldet. Nun ja, eigentlich sogar alle.
James war mit Lily verabredet. Da die beiden Vertrauensschüler waren und James zur Abwechslung tatsächlich seinen Job erledigte, war mit ihnen also nicht zu rechnen. Remus war mal wieder zuhause, wo er seine kranke Mum pflegen musste, Andrew hatte sich zum Briefe schreiben in die Bibliothek verzogen, weswegen Amata sich spontan ebenfalls zurückzog und sagte, sie wolle lieber in Hogwarts bleiben.
Damit blieben nur noch Sirius, Peter und Julie. Und als Peter hörte, dass sie nur zu dritt waren, meldete er sich ebenfalls ab.
„Wieso das denn?", schnaubte Julie ein bisschen verletzt, als Sirius ihr diese Nachricht mitteilte. „Sind wir ihm nicht gut genug?"
Insgeheim freute Julie sich aber eigentlich, denn obwohl zwischen ihr und Sirius wieder alles gut war, hatte sie das Gefühl, dass sie seit dieser Nacht kaum Zeit zu zweit verbrachten.
Vielleicht hatte dieser Kuss ja doch etwas verändert. Vielleicht wollte keiner von ihnen riskieren, dass sie sich noch einmal in eine solche Situation bringen würden.
Julie hielt das für ziemlich unwahrscheinlich. In all den Jahren hatte sie nie daran gedacht auf eine solche Weise mit Sirius... zusammen zu sein. Daher war dieser Mittag in Hogsmeade perfekt um das unter Beweis zu stellen.
Sirius und sie waren Freunde, beste Freunde!
„Ich denke, er hat nur von Annely gehört, dass sie hierbleibt und wollte deshalb auch im Schloss bleiben", sagte Sirius. Er schloss die Brosche an seinem Winterumhang und nickte in Richtung des Schlossportals. „Gehen wir?"
„Annely?", entgegnete Julie verwundert, „Was ist denn mit ihr?"
„Nichts ist mit ihr. Er steht auf sie."
„Peter steht auf Annely?" Diese Nachricht war ihr neu. Sie dachte an Peter, der ein bisschen tollpatschig und ziemlich unsicher im Umgang mit Mädchen war. Und an Annely, die eigentlich genau so war. Unscheinbar, schüchtern aber sehr liebenswert.
Auf den ersten Blick wären die Beiden ein süßes Paar.
Die Strecke hinunter ins Dorf verging wie im Flug — und das obwohl ihnen konstant der Wind ins Gesicht schlug. Es war bitterkalt. Der Winter hatte in Hogwarts Einzug gehalten und Julie war sich sicher, dass heute Nacht wieder schneien würde - jetzt regnete es leider nur.
So wie immer tratschten sie über die neuesten Gerüchte, unterhielten sich über Gott und die Welt und stoppten schließlich im Quidditchladen. Für das kommende Spiel wollte er sich unbedingt neue Besentinktur kaufen.
„So viel dazu, dass du nur schnell mal reinschauen willst", schnaubte Julie als sie fast eine Stunde später den Laden gemeinsam verließen. Leichter Nieselregen benetzte beinahe sofort ihre Haut und sie rümpfte die Nase. Was für ein furchtbares Wetter.
„But i suddenly lose control...", säuselte Sirius und hakte sich breit grinsend bei ihr ein.
„ABBA? Ernsthaft?", murmelte Julie eher zu sich selbst als zu Sirius, der ihr ohnehin nicht zuhörte. Er hatte mittlerweile begonnen den Refrain von Mamma Mia zu pfeifen und starrte verdächtig lange zu dem grellbunten Schaufenster von Zonko's Scherzartikelladen. Entschieden zog Julie ihren besten Freund in eine andere Richtung.
„Wie wäre es mit einem Butterbier?", schlug sie vor und damit hatte sie Sirius' ungeteilte Aufmerksamkeit wieder.
„Du verstehst mich einfach, Rutherford."
Mit viel Glück und ein wenig Ellenbogeneinsatz von Sirius hatten sie sich ihren Stammplatz in der Ecke des Drei Besen's ergattern können. Umgeben von dem warmen, flackernden Kerzenlicht mit einem perfekten, schaumigen Butterbier in den durchgefrorenen Händen fühlte Julie sich als wäre bereits Weihnachten.
Sie hatten es wirklich geschafft. Es war eigentlich wie früher.
Wie vor dem Kuss.
„Ich finde, wir machen das echt gut," sagte Sirius unvermittelt.
Hatte er ihre Gedanken gelesen?
„Was meinst du?", fragte Julie verwirrt. „Butterbier trinken?"
Er grinste schief. „Nein. Dieses Freundschafts-Ding."
Empört prustete Julie in ihr Butterbier, was dafür sorgte, dass der weiße Schaum wie Schneeflocken um sie herumwirbelte.
Sirius, der nun weiß gesprenkelt war, verzog gequält das Gesicht. „Das machst du doch mit Absicht, Rutherford."
Sie kicherte. „Noch ein bisschen mehr und du siehst aus wie Dumbledore."
Er rümpfte die Nase und wischte sich über sein Gesicht. Weil er nicht alles erwischte, entschied Julie ihm zu helfen. Ihre Finger schwebten kurz vor seinen dunklen Locken, in denen noch etwas Butterbier-Schaum klebte, als ihr klar wurde, was sie da gerade tat. Mit einer hastigen Bewegung wischte sie den Schaum weg und konzentrierte sich nur darauf. Nicht auf seine Locken, in denen sie ihre Finger vergraben hatte, die sich so weich und perfekt unter ihren Fingerspitzen angefühlt hatten.
Sie holte tief Luft und räusperte sich. „Um zum eigentlichen Punkt zurückzukommen: Seit wann ist unsere langjährige, geschätzte Freundschaft zu 'einem Freundschafts-Ding' geworden?", fragte sie mit gespielter Empörung.
Sirius grinste: „Das meine ich - wir kriegen es echt gut hin."
„Als wäre nie etwas passiert", bestätigte Julie mit einem ernsten Lächeln.
„Für dich auch?", fragte Sirius.
Fragend legte sie den Kopf schief. „Wie meinst du das?"
Sie konnte ihre eigenen Worte kaum verstehen, so laut schlug ihr Herz auf einmal. Das Stimmengewirr im Hintergrund verstummte auf einmal - es war als wären da nur noch Julie und Sirius, und ihr unglaublich lauter Herzschlag
„Ich meine, weil ... das war dein erster Kuss. Und ich weiß, dass du dir eigentlich immer gewünscht hast, dass das ein besonderer Moment, mit einer besonderen Person sein würde. Jemand, mit dem du dir mehr als nur einen Kuss vorstellen kannst. Du bist mir wirklich nicht böse, dass ich dir das genommen habe?"
„Ich bin dir nicht böse", sagte Julie entschlossen. „Weder dir, noch mir. Es ist passiert, daran können wir nichts ändern. Und außerdem ... kann ich ja einfach noch einen zweiten, ersten Kuss haben." Sie zuckte mit den Schultern und bemühte sich sehr cool zu bleiben.
Sirius, der sich davor nervös durch seine Locken gefahren war, stoppte abrupt und lächelte erleichtert.
„Okay", sagte er. „Und gibt es schon Kandidaten, die dafür in Frage kommen?" Ein schelmisches Lächeln lag auf seinen Lippen, als er in Richtung des Nachbartisches nickte. „Der Herr da drüben wirkt doch ganz nett."
Sie folgte seinem Blick und musste sich zusammenreißen, nicht erneut in ihr Butterbier zu prusten und ein zweites Schneechaos zu verursachen. „Sicher nicht!", rief sie gequält aus.
„Aber irgendwann ... muss es doch mal passieren. Es kann doch nicht sein, dass du in deinem sechsten Schuljahr quasi ungeküsst herumläufst, nur weil du auf den Richtigen wartest."
Quasi ungeküsst. So nannte er das also. Für Julie fühlte sich die Erinnerung an das halbdunkle Zimmer, an seinen warmen Atem auf ihrer Haut noch viel zu real an, als das sie sich als quasi ungeküsst bezeichnen könnte.
Ob sie das jemals könnte?
Ob sie das überhaupt wollte?
Sie erschrak über diesen Gedanken so sehr, dass sie sich beinahe an einem Schluck Butterbier verschluckte.
Sie räusperte sich. Nein, natürlich würde sie es ungeschehen machen, wenn sie es könnte. Er war immerhin Sirius.
„Ich warte gerne, wenn es sich dafür lohnt", entgegnete Julie schließlich und kräuselte die Nase, „Und der Opi da drüben ist es auf jeden Fall nicht."
„Mhm", machte Sirius. Nachdenklich lag der Blick aus seinen grauen Augen auf ihr. „Oder vielleicht - magst du ... solche Dinge überhaupt?"
Prompt färbten sich Julies Wangen scharlachrot. „Was meinst du damit?", fragte sie mit schriller Stimme.
„Du weißt schon was ich meine. Es wäre voll okay, wenn du einfach kein Interesse an Sex hast."
„Das ... habe ich aber", krächzte sie. Auf einmal war es so als würde ihr ein Frosch im Hals stecken - oder vielmehr eine riesige, schleimige Kröte. „Darum brauchst du dir wirklich keine Sorgen machen."
Einen Moment war es still zwischen ihnen. Sirius schluckte. „Vielleicht magst du lieber Hexen?", schlug er dann vor.
„Nein", sagte sie peinlich berührt, „Ich will einfach nur ... warten... auf den Richtigen."
„Auf deinen eigenen Kitschroman", schlussfolgerte Sirius.
„Genau", sagte Julie mit heißen Wangen. „So ungefähr."
Ihr bester Freund schmunzelte. „Okay."
„Okay?", wiederholte sie seine Worte. Sie war noch immer verwirrt von der plötzlichen Befragung.
„Ich muss doch ermitteln, woran es liegt, dass du mir jetzt nicht zu Füßen liegst." Sirius zwinkerte ihr zu und an seiner Stimmlage erkannte sie, dass sie kein ernstes Wort mehr aus ihm herausbekommen würde. „Normalerweise passiert das nämlich, wenn ich jemanden küsse."
Sie verdrehte die Augen: „Du bist ein arroganter Kotzbrocken, Black."
Mit einem genüsslichen Seufzen nahm Sirius den letzten Schluck seines Butterbiers: „Und du verpasst wirklich keine Gelegenheit um mir das mitzuteilen, Rutherford."
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Anmerkung:
Mit 2134 Wörter ist auch dieses Kapitel
beendet. Ich weiß heute ist nicht Mittwoch
aber ich habe heute Geburtstag und deswegen
kriegt ihr von mir dieses Kapitel geschenkt, hehe.
Viel Spaß damit! (Und hinterlasst mir gerne ein paar Kommentare, das freut mich immer so sehr <3)
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