Kapitel 6
Harry:
„Setzt ihr euch zu mir?", fragt Louisa, als wir in unserer Freistunde in die Mensa gehen, um dort die Stunde Entfall zu überdauern. Kurz schaut Zayn zu mir, worauf ich nur mit den Schultern zucke und den Blick auf den Boden richte. „Klar.", sagt Zayn dann, weshalb wir auf den Tisch zusteuern, an welchem Louis eigentlich immer sitzt. Aber da er Unterricht hat, sitzen an diesem Tisch nur Louisa, Zayn und ich, da die Jungs aus unserem Kurs auf dem Sportplatz sind, da das Wetter immer noch gut ist. Die Mädchen sitzen bestimmt auch dort, weshalb die Cafeteria dementsprechend leer ist. Nur einzelne Leute sitzen hier, was ich jedoch so gut wie möglich zu ignorieren versuche.
Louisa setzt sich gegenüber von uns an den Tisch, an den Platz, wo sie sonst auch immer sitzt, während wir uns ihr gegenüber hinsetzen. „Und, was habt ihr so am Wochenende gemacht? Das Wetter war ja mal wieder ein Traum.", fragt Louisa nach ein paar Minuten, in denen wir geschwiegen haben. Dies ziehe ich persönlich vor, aber Zayn redet wie ein Wasserfall und Louisa auch irgendwie. Wir haben bis Freitag zwar noch nie wirklich viel gesprochen, aber heute, in der letzen Stunde, die wir zusammen hatten, hat sie ziemlich viel gesprochen. Dafür hatte Zayn in der dritten Stunde leider Biologie, während ich Physik hatte. „Mein Dad hatte am Samstag Geburtstag, wir sind dann gestern essen gegangen. Es war ziemlich schön. Kennt ihr das Restaurant direkt unten an dem großen Steg? Es ist wunderschön dort und das Essen sich traumhaft dort.", erzählt Zayn und lächelt. „Ich arbeite in dem Restaurant.", kommentiere ich und lächele vorsichtig. „Krass, ich muss unbedingt mal vorbeischauen, wenn du arbeitest.", kichert Louisa, worauf ich nur mit den Schultern zucke. „Es weiß niemand, dass ich dort arbeite und dass soll auch noch ein wenig so bleiben. Die Schule ist der einzige Ort, an dem ich nicht ich selbst sein kann und wenn Jason oder die anderen erfahren, dass ich dort arbeite, kann ich dort auch nicht mehr normal sein.", erkläre ich und hole aus meiner Tasche einen Müsliriegel. „Okay, wir sagen nichts. Aber erzähl mal, was machst du an deinen Wochenenden immer so? Wenn du nicht arbeitest, was machst du dann?", interessiert Louisa sich und ich bin am überlegen, was ich ihr erzählen soll und was ich lieber für mich behalte.
„Du kannst mir vertrauen. Harry. Ich finde Jasons Aktionen scheiße, ich werde ihm nichts erzählen. Und auch niemand anderem.", sagt sie, fast so, als könne sie Gedanken lesen. „Ich mache Musik.", fange ich an und spiele mit meinen Fingern. Eigentlich trage ich Ringe, aber aus Angst vor dummen Kommentaren, lasse ich sie hier aus. „Was für Musik? Spielst du ein Instrument?", fragt Zayn neben mir und dreht sich ein wenig zu mir. „Ich lerne Gitarre. Sonst eigentlich nichts." Dass ich singe, wenn auch nicht ziemlich gut, behalte ich für mich. Das weiß selbst Louis nicht, obwohl wir eigentlich fast alles des anderen wissen. „Das ist cool, bringst du es dir selbst bei?" Ich schüttele den Kopf und verkneife mir ein Grinsen. „Mein-" Ich räuspere mich und fange neu an. „Ein Freund bringt es mir bei. Er spielt schon ein paar Jahre und seit letztem Jahr bringt er es mir bei. Ich würde nicht sagen, dass ich sonderlich gut bin, aber es ist auszuhalten.", erkläre ich und hoffe, man hat den kleinen Versprecher nicht mitbekommen.
„Wincent hat mal versucht, mir das Klavierspielen beizubringen, aber naja, wie soll ich es sagen, wir haben ziemlich schnell Lust an was anderem gefunden.", kichert Louisa und wird ein wenig rot. „Das kenne ich.", murmle ich kichernd und beiße mr auf die Lippe. „Hattest du schon mal einen Freund? Also du musst es mir nicht beantworten, aber du bist nicht hässlich und wenn ich keinen Freund hätte und du nicht schwul wärst, hätte ich definitiv einen Crush auf dich." Ich werde rot und senke den Blick, nicke aber. Unsicher, wie die beiden reagieren werden, stelle ich mich auf das Schlimmste ein, jedoch nicht darauf, dass Zayn einen Arm um meine Schulter schlingt und mich an sich zieht. „Das freut mich für dich. Ist das der Junge von Freitag, der, der sich mit dir treffen wollte?" Ein wenig verwirrt schaue ich Zayn an, nicke dann aber kurz. „Du hast einen Freund? Jetzt gerade? Der kleine, süße Lockenkopf hat einen Freund. Harry, erzähl uns alles. Wie ist er so? Geht er hier auf die Schule?", quiekt Louisa aufgeregt, weswegen ich leise kichern muss. „Ich bin nicht klein. Über süß kann man sich streiten. Er sagt das auch immer zu mir, aber süß hört sich so weiblich an. Ich möchte nicht süß sein.", erkläre ich und wenn Louis jetzt hier wäre, würde ich da nicht mehr so einfach aus der Situation rauskommen. „Aber du hast Locken. Gott, dein Freund muss so glücklich sein, diese Locken anfassen zu können, wann immer er will. Darf ich auch mal?", redet Louisa viel zu schnell und kichert. Ich nicke nur langsam und beuge mich ein wenig über den Tisch, sodass sie meine Haare besser berühren kann. „Woah, sind die weich." Jetzt liegen auch Zayns Hände in meinen Haaren, was mich grinsen lässt.
„Warst du gestern am Strand?", fragt Zayn plötzlich, worauf ich meinen Kopf verwirrt zu ihm drehe. „Du hast Sand in den Haaren.", bemerkt er, worauf ich direkt rot anlaufe. „Ja, ich hatte aber keine Zeit mehr zu duschen. Heute morgen habe ich verschlafen, weswegen ich fast zu spät kam. Ich habe meine Haare schon so gut wie möglich ausgekämmt, aber anscheinend nicht gründlich genug.", erkläre ich und versuche mich um einen normalen Hautton. „Mit deinem Freund?" Ich nicke, nur einmal. „Ich tippe darauf, dass er gut küssen kann?", verwirrt schaue ich zu Zayn und setze mich wieder normal hin. „Er kann mehr als nur gut küssen.", murmele ich, obwohl ich nicht weiß, was Zayn mit dieser Frage bezwecken wollte. „Du hast einen Knutschfleck am Nacken. Hast du den nicht gesehen?", erklärt er und ich nicke verstehend. „Erzähl uns von ihm, bitte Harry. Ich kenne sonst niemand anderen, der schwul ist.", fleht Louisa, worauf ich leise seufze.
„Über ihn kann ich nicht viel sagen, außer, dass ich ihn über alles auf der Welt liebe, auch wenn ich es nicht offen zeigen kann. Er ist noch nicht geoutet, aber es ist okay, irgendwie. Unsere Familien wissen Bescheid, aber sonst niemand. Selbst sein bester Freund nicht. Und ich habe keine, also kann ich es auch niemandem erzählen. Es tut manchmal ziemlich weh, naja, eigentlich immer, aber irgendwie komme ich klar.", lächele ich gezwungen. „Und das gestern, ich weiß selbst nicht wirklich, was das war. Wir sind an den Strand gegangen, lagen etwas weiter abseits und dann hat eins irgendwie zum anderen geführt." Ich will gerade tief Luft holen, werde aber von Louisa unterbrochen, die mich mit großen Augen anschaut. „Du bist in der Schule die wohl schüchternste Person und schläfst außerhalb am Strand mit deinem Freund, wo ihr gesehen werden könnt? Harry!", ruft sie aus und auch Zayn schaut mich jetzt mit großen Augen an. „Ihr hattet Sex am Strand?", hakt er schockiert nach, weshalb ich anfange zu lachen. Und das nicht gerade leise. Ich glaube, es ist das erste mal seit langem, dass ich in der Schule wirklich wieder so herzhaft lache. „Wir haben nicht miteinander geschlafen, zum mindestens am Strand nicht.", bringe ich hervor und quieke leise, als sich plötzlich jemand neben mich fallen lässt.
„Also bist du keine-" Ich trete Zayn unauffällig gegen das Schienbein, als sich Louis neben Louisa fallen lässt und mich kaum merklich anlächelt. Als ich meinen Blick zu der Person neben mir wandern lasse, sehe ich Fizzy neben mir sitzen, die mich mit ihrer Zahnlücke anlächelt. „Die Lücke was das letzte Mal aber noch nicht da.", begrüße ich die Schwester meines Freundes uns lächle sie vorsichtig an. „Der ist beim Essen rausgefallen. Jetzt fehlen mir nur noch drei Zähne."; sagt sie stolz, worauf ich beim lächele. „Das ist super." Fizzy lächelt und schaut hoch, als sich jemand nicht gerade leise an den Tisch setzt. „Was macht die denn hier? Von der Schwuchtel wollen wir erst gar nicht anfangen.", spuckt Jason schon aus und deutet auf Fizzy, welche ängstlich zu ihm schaut, dann zu ihrem Bruder, dessen Miene auch nicht mehr so weich ist, wie vor ein paar Sekunden noch. „Wer ist das?", fragt sie mich leise und zuckt heftig zusammen, als Jason mit der Hand auf den Tisch schlägt und ihr bedeutet, zu verschwinden. „Ein Freund von deinem Bruder.", flüstere ich und ziehe sie vorsichtig von ihrem Platz hoch und nehme ihre Tasche in meine Hand, da Fizzy total zittert. Meine schultere ich und bedeute Zayn, mit ihr ein paar Meter weg zu gehen, ehe ich mich zu Jason drehe und wohl das erste Mal in meinem Leben die Stimme ihm gegenüber erhebe. „Halt deine verdammte Fresse, Jason. Mobb mich, beleidige mich, schlag mich auch gerne, aber halt verdammt nochmal deine Klappe und spricht nicht so mit ihr!", rufe ich und sehe, wie er aufsteht und auf mich zukommt. „Warum verteidigst du die kleine Schwester von Louis, mh?" Er macht eine Pause und fängt direkt wieder an, als ich antworten will. „Du stehst bestimmt auf Louis und willst ihm so imponieren. Ich muss dich enttäuschen, Schwuchtel" Er schubst mich an den Schultern ein wenig zurück. „Er wird niemals deine Gefühle erwidern, du erbärmliches Miststück!"; schreit er, sodass alle bis jetzt anwesenden es hören. Danach holt er aus, um mich zu schlagen, jedoch ducke ich mich aus Reflex und tue das einzig richtige in diesem Moment. Ich hole aus und wenig später klatscht meine flache Hand auf seine Wange. Kurz scheint er überrascht zu sein, fängt sich allerdings schnell und schlägt zurück, versucht es zum mindestens. Seit knappen vier Jahren habe ich auf diesen Moment gewartet, mich endlich zu wehren, wenn mich jemand schlägt. Während wir uns gegenseitig beleidigen, Jason eher auf meine Sexualität eingeht, atme ich ein letztes Mal tief durch und schaffe es tatsächlich, Jason auf den Boden zu befördern. „Noch ein Wort zu einer unschuldigen Person und ich bin nicht mehr der kleine, schüchterne Junge. Ja, Jason ich bin schwul aber es hat dich nicht zu interessieren, verdammtes Arschloch!", lasse ich meine Wut raus und stehe wieder auf, um aus dieser Situation zu entkommen. Das ist mir gerade viel zu viel Aufmerksamkeit.
Ich ignoriere alle so gut wie möglich und fahre mir durch die Haare, als Louis plötzlich vor mir steht. „Danke.", flüstert er und will mich in eine Umarmung ziehen, jedoch halte ich ihn davon ab und schüttele den Kopf, bevor ich auf Zayn und Fizzy zugehe, die mich beide ziemlich geschockt ansehen. „Alles okay?", fragt Zayn und legt eine Hand auf meine Schulter, worauf ich nur nicke und mich ein wenig zu Félicité bücke und über ihre Wange streiche. „Alles gut.", lächle ich und hauche ihr einen Kuss auf die Stirn, worauf sie mich in eine Umarmung zieht. „Danke, dass du mich vor Jason verteidigt hast, Haz. Dankeschön.", murmelt sie an meiner Schulter, bevor ich sie sanft von mir drücke. „Kein Problem. Ich sorge schon dafür, dass es dir in der Schule gut geht und du gerne nach hier kommst. Du kennst deinen Bruder, aber er wird dir das alles selbst erklären." Fizzy nickt und nimmt Zayn schüchtern ihre Tasche ab. „Danke Haz, hab dich lieb.", murmelt sie und lächelt mich an. „Ich dich auch, Süße. Wir sehen uns spätestens am Wochenende, Lou und ich wollten einen Film gucken." Sie nickt und beißt sich auf die Lippe. „Hat er uns gestern erzählt.", kichert sie und dreht sich um, ehe sie zu ihren Freundinnen verschwindet. „ich glaube, wir müssen reden, Harry.", kommt es von Zayn, der mich am Ellenbogen packt und in den Flur zieht.
„Du und Louis, ihr seid zusammen?", fragt er ein bisschen zu laut, weswegen ich meine Hand auf seinen Mund drücke und ihm bedeute, leise zu sein. „Nein.", sage ich, während ich grinsend nicke. „Und wie ihr zusammen seid. Zum mindestens läuft da was gewaltiges zwischen euch.", sagt er gegen meine Hand, bevor ich sie von seinem Mund nehme. Nachdem ich geguckt habe, ob jemand im Flur steht, drehe ich mich wieder zu Zayn. „Ende des Monats sind es zwei Jahre.", grinse ich und kichere leise, als Zayn der Mund aufklappt. „Zwei Jahre, du und der Typ, welcher mit Jason abhängt und ihn beinahe vergöttert, seid zusammen. Du wirst aufgrund deiner Sexualität gemobbt und er ist ein Mobber. Ist das irgendwie gezwungen? Bedroht er dich?". Sofort schüttele ich den Kopf und lächele Zayn lieb an. „Louis ist, wenn wir alleine sind, komplett anders. Zuhause ist. Er sanft und liebevoll, in der Schule will er dazugehören. Nach zwei Jahren Beziehung findet man sich damit ab." Plötzlich nimmt Zayn mich in den Arm und streicht über meinen Rücken. „Du hast dich damit nicht abgefunden, Harry. Weiß er, dass es dir so scheiße damit geht?" Ich nicke und seufze leise. „Er will sich nicht outen, hat Angst vor Abweisung gegenüber seinen Freunden. Liam, sein bester Freund ist auch nicht gut auf das Thema zu sprechen. Er hat Angst, dass er irgendwann alleine dasteht, ohne Freunde. Aber er versteht einfach nicht, dass die meisten seiner Freunde keine echten sind. Er sagt, dass Jason ein Arschloch ist, wenn wir alleine sind, tut in der Schule jedoch so, als ob Jason der King wäre. Er hat zwei Persönlichkeiten und das tut weh. Er ignoriert mich in der Schule, trägt mich zu Hause jedoch auf Händen. Louis liebt seine Schwestern über alles, aber traut sich nicht, sie in der Schule zu verteidigen. Das, was ich da gerade gemacht habe, das war eine Kurzschlusshandlung. Ich liebe alle Louis' Schwestern so, als wären es meine, verstehst du?" Zayn brummt nur zustimmend und löst sich von mir, ehe er mir über die Wangen streicht, da diese ein wenig nass geworden sind. „Nicht weinen, ja? Du hast es Jason gezeigt und wenn du sich nicht immer so verstecken würdest, sehen die Leute, dass du stark bist. Das bist du nämlich, Harry. Du bist verdammt stark." Ich lächele und zucke zusammen, als es zur nächsten Stunde klingelt. „Dein Geheimnis ist bei mir sicher. Aber wenn du reden willst, ich bin für dich da, ja?" Ich nicke dankend und ziehe ihn in eine letzte Umarmung, ehe wir uns auf den Weg zur nächsten Stunde machen.
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