Kapitel 3
Harry:
Schlecht gelaunt, da ich diese Nacht kaum geschlafen habe und dementsprechend ziemlich müde bin, betrete ich die Schule und wünsche mir direkt den Winter herbei. Es ist viel zu warm und es hat sich als praktischer erwiesen, sich unter einem dicken Hoodie und einer Winterjacke zu verstecken, als nur im Shirt oder in einem dünnen Pulli durch die Schule zu laufen. Aber was will man machen? Zum Glück regnet es heute, weswegen ich mich bis zur ersten Stunde noch in der Regenjacke verstecken kann.
Da ich jetzt Kunst habe, lege ich alle Bücher für die anderen Fächer in meinen Spind und mache mich schnell auf den Weg in den Kunstraum, ohne von Jason oder seinen Leuten gesehen zu werden. Jedoch habe ich nicht gesehen, wie plötzlich zwei Jungs vor mir stehen, in welche ich mit leicht gesenktem Blick hineinlaufe. „Sorry, ich-", will ich mich entschuldigen und hebe verängstigt den Blick, ehe ich merke, dass ich in Louis und seinen besten Freund hineingelaufen bin, wobei mich letzterer böse anschaut, was ein wenig witzig aussieht, da er ein wenig kleiner ist, als ich. Dazu kommt, dass er irgendwie gar nicht angsteinflößend aussieht. Und nachdem Louis mir ein paar Mal von ihm erzählt hat und ich dabei erfahren habe, dass er gar nicht so kalt, wie in der Schule ist, sehe ich ihn irgendwie in einem anderen Licht. Auch, wenn er mich manchmal beleidigt. Louis meint, dass ich mir seine Worte nicht zu Herzen nehmen soll, da Liam eigentlich gar nicht so ist. Nur in der Schule.
„Was gibt es zu grinsen, mh?", knurrt er und kommt einen Schritt auf mich zu, worauf ich einen nach hinten mache. Seitdem ich ein paar Mal geschlagen wurde, mache ich automatisch ein paar Schritte zurück, wenn jemand mir zu nahe kommt. Es sei denn, es ist Louis, vor ihm habe ich absolut keine Angst, auch wenn er mich in der Schule so gut wie ignoriert. Ich verstehe ja, warum er dies macht. „Guck mich gefälligst nie wieder so an, Schwuchtel.", faucht Liam und schubst mich nach hinten, worauf Louis ihn an der Schulter packt und auf ihn einzureden scheint. Dankend schaue ich ihn an, kriege jedoch ein eher emotionsloses, fast schon kaltes Lächeln als Antwort, ehe die beiden an mir vorbeigehen und Liam es sich nicht nehmen kann, mich nochmal an der Schulter anzurempeln.
Murrend mache ich mich auf den Weg zum Kunstunterricht und lasse mich auf den Platz fallen, auf welchem ich letztes Jahr schon gesessen habe. Kunst war das letzte Schuljahr relativ entspannt, laut Louis wird dieses jedoch härter, was mir ein bisschen Angst macht, denn in Kunst war ich noch nie sonderlich gut. Ich bin froh, wenn ich eine drei auf dem Zeugnis habe.
„Hey, ist da noch frei?", fragt plötzlich jemand und als ich nicht antworte, wird mir auf die Schulter getippt. Vorsichtig hebe ich den Blick und schaue in das Gesicht von einer von Louis' Freundinnen. „Du meinst neben mir?", frage ich verwirrt und deute auf den linken Platz neben mir. „Klar, erstaunt?", grinst sie, worauf ich kurz nicke. „Die meisten setzen sich extra weit weg von mir. Das ist ein bisschen neu für mich, dass sich jemand freiwillig neben mich setzen möchte.", erkläre ich und merke, dass ich schon wieder viel zu schnell und zu viel rede. Louis findet das ziemlich süß, aber mir ist es ziemlich unangenehm. Kurz schaut sie mich nur schweigend an, scheint zu überlegen und deutet auf den Platz. „Also?", fragt sie und ich nicke schüchtern. „Dankeschön.", grinsend setzt sie sich neben mich und holt einen Block aus ihrer Handtasche. „Ich bin übrigens Louisa.", lächelt sie lieb und dreht sich zu mir. „Harry, aber das weißt du wahrscheinlich schon." Sie nickt und hebt den Blick, da anscheinend jemand auf uns zugekommen ist. „Hey mate, kann ich hier sitzen?", fragt Zayn, als ich mich langsam umdrehe. „Klar.", lächele ich und stelle meine Tasche unter den Tisch, damit der Stuhl frei wird. „Danke.", grinst er und klopft mir auf die Schulter, ehe er einen leicht verführerischen Blick zu Louisa wirft. „Zayn, ich bin schwul.", murre ich, da das eigentlich ziemlich bekannt auf dieser Schule ist. Augenverdrehend nickt er und setzt sich rechts neben mich. „Zayn und du bist?", begrüßt er Louisa über mich hinweg, worauf ich mich ein wenig zurücklehne, damit sie sich besser sehen können. „Louisa.", lächelt sie und schaut kurz zu mir, ehe auch schon unser Kunstlehrer den Raum betritt und sämtliche Gespräche eingestellt werden.
*
„Harry, kommst du?", fragt Zayn plötzlich, als ich gerade dabei bin, konzentriert einen Strich auf das Papier zu malen. Die Aufgabe für die nächsten Wochen wird es sein, irgendwas farbenfrohes zu malen. Egal was. Ich habe nicht wirklich nachgedacht, was ich male aber jetzt erkennt man so langsam ein blaues Augenpaar. „Wohin?", frage ich abgelenkt und merke nicht, wie ich meine Zunge rausstrecke. Das mache ich immer, wenn ich konzentriert bin. „In die Pause?", entgegnet Zayn eher fragend, worauf ich jetzt erst merke, dass die meisten schon aus dem Raum verschwunden sind. „Ich komme gleich nach. Räume nur schnell auf." Dabei deute ich auf die Acryl-Farben vor mir und streiche mir eine Strähne aus dem Gesicht. „Aber du kommst wirklich, versprochen? Gestern habe ich dich überall gesucht, um herauszufinden, dass du dich auf Toilette versteckt hast.", sagt er und lächelt vorsichtig. „Ihr könnt euch zu uns setzen. Ich halte einen Platz für euch frei, wenn ihr wollt. Du musst mir unbedingt erklären, wie du das mit den Augen hinbekommst. Die sind unglaublich, Harry.", schlägt Louisa vor, worauf ich sie geschockt anschaue. „Ich denke nicht, dass-"
„Bitte, Harry.", fleht sie und setzt einen verdammten Welpenblick auf. Bei sowas kann niemand ‚Nein' sagen. „Aber Jason.", murmele ich in Zayns Richtung, welcher mich nur anschaut. „Ich werde dich vor ihm beschützen. Der kann mich mal.", lächelt er und hilft mir, die ganzen Sachen wegzuräumen. Louisa packt meine eigenen Stifte zurück in mein Mäppchen, weswegen wir relativ schnell alle Sachen zusammengepackt haben.
„Na dann, kommt. Und hört nicht auf die Jungs, die haben alle ihr Hirn verloren. Louis und Wincent sind die am entspanntesten, also redet lieber mit den beiden, als mit den anderen Idioten. „Wer sind die beiden?", fragt Zayn leise, worauf ich ihn kichernd anschaue. „Wincent ist ziemlich groß, hat braune Haare und ja.", versuche ich ihn zu beschreiben, was mir jedoch nicht sonderlich gelingt. „Er ist der hübscheste von allen. Auch bekannt als mein Freund.", grinst Louisa, worauf ich ihr nur so halb zustimmen kann. Louis ist nämlich tausend mal hübscher als er, generell hübscher als alle anderen Jungs, die ich jemals gesehen habe. Trotzdem brumme ich nur und werde immer langsamer, als wir uns der Mensa nähern. „Und Louis hat braune, verwuschelte Haare, ist etwas kleiner als die anderen, Tattoos und hat immer ein Grinsen auf den Lippen. Naja meistens zum mindestens.", erkläre ich und merke nicht, dass ich viel zu detailliert geworden bin.
Trotzdem sagt keiner von beiden etwas und lässt meinen Satz unkommentiert stehen. „Zayn, müssen wir wirklich?", murmele ich und bleibe ängstlich stehen. „Ich passe auf dich auf, versprochen.", lächelt er aufmunternd und legt einen Arm um meine Schulter, womit er mich neben Louisa zu dem Tisch ihrer Freunde schiebt, an welchem auch schon Louis sitzt, welcher sich gerade mit Liam unterhält.
„Hey, Schatz.", begrüßt Louisa ihren Freund mit einem breiten Grinsen und küsst ihn vor versammelter Mannschaft. Wann ich das mit Louis machen kann, weiß ich nicht, aber es scheint unmöglich, dass dieser Tag wirklich irgendwann mal kommt. „Was macht der denn hier?", kommt es abwertend von Jason, der angeekelt auf mich zeigt, worauf ich schlucken muss. Ich wusste, dass das keine gute Idee ist. „Lass uns gehen, bitte Zayn.", flehe ich, werde jedoch auf einen der Stühle neben Niall gedrückt, welcher mich kurz anlächelt, bevor er den Blick abwendet. „Ich habe die beiden gebeten, sich zu uns zu setzen, also sei leise, Jason.", faucht Louisa, die es sich auf Wincents Schoß gemütlich macht. „Das ist Wincent?", fragt Zayn leise, worauf ich nicke.
„Dann setz dich mit ihm woanders hin, aber ich will niemanden hier sitzen haben, bei dem ich Angst haben muss, in der nächsten Sekunde geküsst zu werden.", sagt Jason und macht ein Würgegeräusch. „Er hat mehr Klasse, als sich in so jemanden wie dich zu verlieben, Jason.", kommt es von Zayn, welcher mich am Kinn zu sich dreht und ich schon davon ausgehe, geküsst zu werden, mir jedoch zum Glück nur an einer Strähne gezogen wird. „Du hattest da was Farbe hängen.", erklärt Zayn lächelnd, worauf ich ihn dankend ansehe, bevor ich auf meine Hände starre, welche definitiv spannender sind, als alle anderen hier. „Heißt, dass er sich lieber von jemandem wie dir flachlegen lässt?" Ich schlucke und ignoriere die Kommentare, während ich mein Handy aus meiner Hosentasche ziehe, welches angefangen hat, zu vibrieren.
From Boo:
Kommst du heute nach der Schule zu mir? Ich vermisse dich, Sun.
Direkt stiehlt sich ein Lächeln auf meine Lippen, während ich die Nachricht von Louis lese und kurz meinen Blick hebe, um in der nächsten Sekunde dem von Louis zu begegnen. Ein paar Sekunden schauen wir uns nur gegenseitig an, bevor ich den Blick wieder senke und mein Handy erneut entsperre, bevor ich antworte.
To Boo:
Gerne. Kann ich bei dir schlafen? Mum und Robin kriegen Besuch und ich will nicht stören. Ich vermisse dich auch <3
From Boo:
Natürlich:) Ich liebe dich <3
Bevor ich antworten kann, holt mich Zayns Stimme wieder in die Wirklichkeit, weshalb ich noch halb in meiner eigenen Welt zu ihm schaue. „Mit wem schreibst du?", will er wissen und deutet auf mein Handy. „Uhm, mit niemandem. Nicht so wichtig.", sage ich schnell. Zu schnell. „Niemand, verstehe schon.", grinst er und legt einen Arm um meine Schulter, ehe er sich meinem Gesicht nähert und mir etwas ins Ohr flüstert, was mich rot werden lässt. „Du alter Schlawiner, du. Du hast einen Freund und ich weiß nichts davon."
Kaum merklich schüttele ich mit dem Kopf und stecke mein Handy zurück in meine Hosentasche. „Niemand weiß davon.", murmele ich, trotzdem zu laut. „Wovon weiß niemand?", hakt Jason nach und stützt sich mit den Ellenbogen auf den Tisch. „Nichts wichtiges, geht nur um was schulisches.", erkläre ich schnell und schaue strafend zu Zayn, der mich grinsend anschaut. „Du musst mir alles erzählen, Harry. Ich wollte schon immer einen schwulen besten Freund. Auch, wenn sich die Mädchen sowas eher wünschend und es bestimmt viele gibt, die dich als ihren haben möchten, bevorzugst du doch eher mich, nicht wahr, Sun?" Anscheinend hat er meine Nachrichten doch gelesen. „Nenn mich nicht so.", bitte ich ihn und seufze. „Ist er dein Freund?", flüstert er in mein Ohr, sodass nur ich es höre. „Wer?", frage ich leicht ängstlich nach. „Derjenige, mit dem du gerade geschrieben hast." Darauf nicke ich nur und hole mein Essen aus meiner Tasche. Nichts großes, nur eine Banane.
„Und er sieht es nicht für nötig, hier neben dir zu sitzen? Was ein Arschloch. Wenn ich ihn irgendwann kennenlerne, werde ich ihm meine Meinung aber ordentlich ins Gesicht sagen.", regt er sich auf, was mich leise lachen lässt. „Schon gut, Zayn. Es ist okay.", lächele ich und öffne die Banane danach schweigend.
„Warum machst du die verkehrt herum auf?", fragt Niall plötzlich neben mir, worauf ich den Blick hebe und in sein leicht verwirrtes Gesicht blicke. „Weil er dumm ist, deshalb.", kommt es von Dylan, der bis gerade ruhig was, worauf ich nur schlucke. „Weil du dann weniger Fäden an der Banane kleben hast. So machen das die Affen auch, auch wenn sie die meistens mit dem Mund öffnen.", kichere ich leise und beiße ein kleines Stück ab. „Dann geh du mal lieber wieder zu deinen Affen. Nicht, dass die dich noch vermissen.", kommt es von Jason, worauf ich nicht eingehe und zusammenzucke, als jemand heftig auf die Tischplatte schlägt. „Lass den armen Jungen doch mal in Ruhe. Zwei Jahre geht das schon so und bisher hat Harry dir noch nichts getan, also hört auf, ihn aufgrund seiner Sexualität zu beleidigen oder zu schlagen. Niemand von euch hat auch nur einmal ein vernünftiges Gespräch mit ihm gehabt. Ihr wisst doch gar nicht, wie Harry ist. Ja, er ist schwul, aber das ist doch nicht schlimm! Er steht nicht auf dich, Jason. Und auch auf keinen anderen von euch!" Abgesehen von Louis. „Babe, hör auf.", will Wincent seine Freundin stoppen, doch diese schlägt nur seinen Arm weg.
„Nein, mir ist es scheißegal, was ihr von mir haltet, aber jemanden auf Grund seiner Sexualität runterzumachen, ist ekelhaft. Und das sage ich euch allen, nicht nur dir, Jason!" Sie holt tief Luft und deutet auf mich, worauf alle Blicke auf mir liegen und ich eingeschüchtert schlucke, die Banane in meiner Hand wie vergessen. „Wenn Harry nicht schwul wäre, was hättet ihr an ihm auszusetzen? Nennt mir einen verdammten Grund, warum ihr ihn so verdammt scheiße behandelt." Louisa wird immer lauter, sodass auch die anderen Tische langsam auf unseren schauen. „Seine Locken.", kommt es von Louis, worauf ich mir ein Grinsen verkneifen muss. Louis liebt meine Locken, das wissen wir beide. „Scheiß Idiot.", flucht sie und schlägt Louis gegen den Hinterkopf, worauf er leise zischt. Verdient hat er es. Ein wenig zum mindestens. Nicht, dass ich ihm jemals wehtun wollen würde.
„Guckt, jetzt könnt ihr auf einmal leise sein, hm? Harry ist und bleibt die gleiche Person, egal ob er schwul ist, oder nicht. Vor euch hat die halbe Schule Angst. Unschuldige Menschen haben Angst davor, gemobbt zu werden, wenn sie ein wenig aus der Reihe tanzen. Lasst sie doch einfach ihr verdammtes Leben leben!" Wincent versucht es noch ein paar mal, Louisa zum schweigen zu bringen, jedoch hat er keine Chance gegen sie. Dass sie wirklich so eine Wirkung auf die ganzen Jungs hier hat, finde ich bemerkenswert.
„Also bitte, hört auf Menschen an dieser Schule runterzumachen, weil sie ein wenig anders sind, als ihr es euch vorstellt, wie man sein soll. Niemand ist perfekt, ihr nicht, auch Harry hat bestimmt irgendwo seine Macken. Und auch ich, obwohl ich mich schon ziemlich heiß finde, bin nicht perfekt. Auch wenn ich nicht mehr weit davon entfernt bin." Leise lache ich, da genau das die Louisa ist, die ich eigentlich kenne. Was heißt kennen, bis heute habe ich noch nie wirklich mit ihr gesprochen.
Nachdem für ein paar Sekunden nichts mehr von Louisa kommt, wird es plötzlich laut in der Halle und beinahe jeder scheint zu klatschen. Einzelne Jubelrufe sind zu hören, worauf ich Louisa nur lächelnd anschaue und meine Hand aufs Herz lege. Sie lächelt nur zurück und nickt mir kurz zu.
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