Kapitel Sieben
Dad starrte mich wütend an. Ich wiederum starrte Chris wütend an, der auf den Boden vor sich blickte. Es war eine verfahrene Situation - festgefahren und nicht mal ansatzweise in Reichweite einer Lösung.
"Dad... Es ist schön dich zu sehen." sagte ich schließlich und sah ihn direkt an. Er hatte diesen Gesichtsausdruck, den er immer nur dann hatte wenn er mächtig sauer war... Und diesmal galt dieser Ausdruck ausgerechnet mir. Er antwortete nicht, lief aber an mir vorbei um sich zu setzen. Dann faltete er die Hände und für weitere Momente war es still, als müsse er darüber nachdenken was er sagen wollte. "Ich hab nie erwartet dass das Familienleben leicht wird. Etwas langweilig manchmal, vielleicht, aber leicht nie. Ich habe unglaublich starke Frauen als Töchter und eine noch viel stärkere Frau an meiner Seite. Wir als Familie sind explosiv..." begann Dad zu reden und machte hier und da eine Pause. Dann ging es weiter. "Amy war immer diejenige die ihre Grenzen extrem ausgetestet hatte. Nicht aber du. Du warst immer vernünftig. Und jetzt? Was ist geschehen?"
Er wartete darauf das ich mich rechtfertigte und das wollte ich auch. Ich wollte nichts sehnlicher als meinem Vater endlich aufzuzeigen, das ich nur ein Mensch war aber vor allem alt genug um meine eigene Entscheidungen zu treffen. Chris blieb die ganze Zeit über ruhig, sah mich aber nun auch an. Er war nicht mehr so sauer, dafür schien seine Enttäuschung über mein absichtliches verschwinden wesentlich höher.
"Dad, ich... Ich habe es nicht getan um Chris oder dich zu ärgern. Ich wollte nicht das ihr euch sorgt und es tut mir leid das ich mich nicht früher gemeldet habe. Aber ich bin jetzt hier und wie ihr sehen könnt geht es mir gut." gab ich kleinlaut zurück. Dad starrte mich nur an. "Erzähl mir von dem Kerl." murrte er. Ich wollte es abwiegeln, doch das war vergebens. "Es ist nicht... Er ist nicht Schuld an dieser Sache." versuchte ich es. Dad stand ruckartig auf. "Joshua Cristiano Caliente, geboren und aufgewachsen in Chiro. Wurde wegen einer Schlägerei von der Schule geworfen und verschwand dann für viele Jahre, bis er aus dem nichts wieder auftauchte und zum Profirennfahrer aufgestiegen war. Er mag - logischerweise - schnelle Autos und Frauen, von denen er Woche für Woche genügend verheizt. Das er hier im Hotel residiert muss ich nicht extra erwähnen, ich bin sicher er hat dir schon seine Suite gezeigt. Er ist mürrisch und arrogant, provokant und tut alles um das zu erreichen was er haben will. Hab ich was vergessen, Chris?"
Dad's Stimme war wie ein Donnergrollen. Ich konnte nicht anders als ihn mit offenem Mund anzustarren, denn er hatte sich bereits einige Informationen über Joshua beschafft. "Ich hatte zwar auf dem Flug hierher genügend Zeit, allerdings habe ich sicher das ein oder andere vergessen."
Dad schloss die Augen. Ich hatte in der Vergangenheit oft beobachtet wie er das tat - und in welchen Situationen. Nämlich in genau solchen, über die er die Kontrolle zu verlieren drohte. Als er die Augen wieder öffnete war sein Blick etwas weicher. "Ich will nicht noch einmal erleben das dir etwas passiert. Das hatten wir schon und es war grauenhaft, für alle. Ich weiß das du mich für streng hältst und meine Reaktionen und Aktionen für überzogen. Aber ich tue das alles nur, um dich zu schützen. Diese Regeln, die ich aufgestellt habe gibt es nur um deine Sicherheit zu garantieren. Immer."
Er hatte recht. Was wir in der Vergangenheit erlebt hatten war grauenvoll. Meine Entführung und der unbedingte Wille von Dad und Chris mich zu retten... Aber auch, was mit Amy geschehen war. Ihre Abhängigkeit, der stetige Kampf - bis sie in Aurelio einen Seelenverwandten gefunden hatte. Dad war anfangs gegen die Beziehung, das war im nachhinein ans Licht gekommen. Er wollte nicht das seine Tochter mit ihrem Dozenten etwas hatte - verständlicherweise. Aber letztendlich hatte Aurelio alles getan was in seiner Macht stand und sich die Liebe von Amy und die Akzeptanz von Dad verdient. "Ich weiß Dad... Und es tut mir leid. Ehrlich. Ich wollte nicht das ihr euch solche Sorgen macht." flüsterte ich und nahm die Umarmung meines Vaters gerne an. Ich fühlte mich sicher und geborgen... "Gut,... Dann versteht du auch wieso ich dir den Kontakt zu diesem Mann verbieten werde. Er ist nicht der richtige für eine Frau wie dich."
Mich durchzog ein Stromschlag und ich entfernte mich langsam aus der Umarmung. Ungläubig sah ich meinem Vater ins Gesicht. Er hatte seine Meinung kund getan und wollte davon keineswegs abweichen -aber er hatte dabei vollkommen vergessen mich zu fragen. Was ich wollte, was ich dachte. Er überging mich, weil er sich einbildete besser zu wissen was ich brauchte, was ich wollte. Es war erschütternd. "Das ist es also, hm?" zischte ich, "Das ist das letzte Wort dieser Unterhaltung? Und du fragst gar nicht, was ich möchte? Wenn es also nach dir geht bin ich mit 50 immer noch Jungfrau und allein denn es wird nie einen Mann geben der in deinen Augen gut genug ist, richtig?"
Ich wollte nichts mehr hören, ihn nicht mehr sehen. Ich flüchtete ins Badezimmer, verschloss die Tür und ließ die Dusche an, damit die Geräusche meinen Weinkrampf überdecken konnten. So sehr ich meinen Vater auch liebte, so enorm hasste ich ihn gerade.
___
Nach einer Weile ging er, doch ich war sicher das Chris noch da war. Langsam öffnete ich die Tür, streckte den Kopf hindurch und blickte prompt ins Gesicht des Mannes, der meinen Vater überhaupt erst auf den Plan gerufen hatte. Er hatte auf mich gewartet, doch es schien nicht als wolle er mich kontrollieren - ich hatte eher den Eindruck als würde er sich sorgen. "Dein Dad organisiert ein Zimmer. Deine Mum wird auch bald hier eintreffen. Sie werden ihren Urlaub hierher verlegen." erklärte er und zuckte mit den Schultern. "Wenn du also nicht mehr mit mir unterwegs sein willst, hast du immerhin noch die Möglichkeit mit deiner Mutter auf Tour zu gehen... Oder mit deinem Vater."
Er hatte es nicht verstanden. Niemand hatte das.
___
Es kam wie es kommen musste und meine Eltern blieben immer in Reichweite. Während Amy sich in Italien eine schöne Zeit mit ihrem Mann machte war ich es, die beaufsichtigt wurde als hätte sie ein schweres vergehen begangen. Halbherzig zog ich mit ihnen um die Häuser, wies alle Kleidungsstücke beim shoppen ab und war selbst beim abendlichen Dinner launisch und ungehalten. Dad wusste wieso, überspielte es aber.
Meine Gedanken gingen immer wieder zu Joshua und ich stellte mir die Frage, was er wohl gerade tat. Ob er im Club, umgeben von vielen schönen Frauen die ihn wollten wieder mit einem mürrischen Gesichtsausdruck auf einem der Sofas saß oder anderweitig beschäftigt war. Die Ungewissheit machte mich fast verrückt.
Im Hotel angekommen lenkte mich die Art und Weise wie meine Eltern einander ansahen und miteinander umgingen ab. Es war wirklich schön zu sehen wie nahe sie sich waren, wie glücklich und verliebt sie einander anschauten. Als kleines Mädchen hatte ich mir immer gewünscht eines Tages einen Menschen zu treffen, der mir genau solche Blicke zu warf, wie mein Dad meiner Mom. Für ihn war sie eine Königin und er scheute sich nicht davor es ihr, wann immer es möglich war, zu zeigen.
Aber dann... Dann fiel mir wieder ein, daß ich all das wahrscheinlich nie haben würde. Weil mein Dad bestimmte, wer gut genug für mich war.
"Ich bin müde. Ich gehe ins Bett." maulte ich schließlich und machte mich auf den Weg zum Aufzug. Mom sah mich kurz misstrauisch an, nickte dann aber. "Wir sollten auch aufs Zimmer." sagte sie und prompt folgten mir beide, stiegen in den Aufzug. Über uns breitete sich eine unangenehme Stille aus. "Geh doch schon mal vor und lass etwas Wasser ein." murrte Mom schließlich Dad zugewandt und dieser gehorchte, was mich kopfschüttelnd staunen ließ. Der große, strenge und oftmals herrische Mann hatte eine Schwäche für die er alles tat - meine Mutter. "In Ordnung. Jetzt da dein Vater außer Reichweite ist... Erzählst du mir was los ist? Du bist nicht gut gelaunt und heute Abend hast du bloß in deinem Essen herum gestochert."
Ich hatte Probleme das ganze in Sätze zu fassen. Ich fing wirr an, warf dann alles wieder um und begann von neuem - diesmal ohne Luft zu holen. Mom hörte die ganze Zeit aufmerksam zu und nickte hin und wieder um mir zu signalisieren das sie mir noch folgen konnte. "... Es ist einfach... Ich... Ich weiß auch nicht. Ich meine, eine Weile lang habe ich Dad wirklich verstanden und alles getan damit er glücklich ist. Aber hier geht es doch jetzt nicht um ihn, sondern um mich. Und ich bin gerade wirklich sehr unglücklich. Ich will nicht irgendwann mit 50 da sitzen ohne eine eigene Familie zu haben. Ohne eigene Erfahrungen gemacht zu haben und als Jungfrau sterbend. Ich meine... Dad ist vorsichtig und will mich beschützen, aber muss ich nicht wenigstens eigene Erfahrungen machen dürfen um es beim nächsten mal besser zu machen?"
Bei dem Wort 'Jungfrau' hob Mom kurz die Augenbrauen - als hätte ich ihr gesagt das ich der heilige Messias bin. "Es hat sich bisher nie ergeben." zuckte ich die Schultern, "Ich hatte zwei kurze Beziehungen die beide daran gescheitert waren weil sie Dad nicht gerecht werden konnten... Und weil ich nicht bereit war mit ihnen zu schlafen."
Mom schenkte mir ein Lächeln. Ihre Hand ruhte auf meiner Schulter. "Und du denkst das dieser Joshua fähig ist sich deines Vaters würdig zu erweisen... Und dir?" fragte sie gerade heraus. Jetzt musste auch ich lächeln. "Ich glaube er hat das Zeug zu beweisen das er vom selben Schlag ist wie Dad... Und wie Aurelio." flüsterte ich verlegen. Ich glaubte es nicht nur, nein. Ich war mir fast zu 100% sicher.
Schließlich stieg Mom aus dem Aufzug und hielt mich auf, als ich dasselbe tun wollte. "Wenn ich es richtig verstanden habe, bist du im falschen Stockwerk." zwinkerte sie mir zu. Dann lächelte sie und verschwand.
Ich hatte gerade mehr oder weniger den Segen bekommen, meinen Weg zu gehen.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro