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XX. Der große Knall

Krankenhaus Berlin-Lichtenberg, 1995.


Wenn doch sowieso alles verloren war, dann ...

„Wovon reden Sie da? Geben Sie mir doch einfach meine Unterlagen."

... stellte sich so ein eigenartiges Gefühl ein, so als wäre alles auf einmal egal ...

„Haben Sie mich gehört? Ich möchte meine Entlassungspapiere!"

... und das, was immer wichtig gewesen war, was einen angetrieben hatte, verpuffte auf einmal zu einem durchsichtigen Nichts. Maria fühlte sich, als würde sie von innen heraus erfrieren. Auf einmal schien es, als würde die Hülle dessen, was sie als ihre Identität betrachtet hatte, aufplatzen wie ein Ei, wenn ein Küken schlüpfte. Doch darunter kam kein unbeholfen torkelndes Federtier zum Vorschein, sondern ein Drache mit spitzen Krallen, der schon Feuer speien konnte.

„Du bist das Widerwärtigste, was ich je in meinem Leben gesehen habe", sprach sie, leise mit scheinbarer Selbstbeherrschung. Doch die raschelnden Entlassungspapiere in ihrer Hand waren ein unerbittlich ehrlicher Seismograph ihrer Gefühlslage und verrieten jedes noch so kleine Zittern.

„Was meinen Sie damit?", meldete sich die junge Begleitung dieses Monsters hinter Maria zu Wort. Doch es klang wie eine Stimme aus einer anderen Welt. Maria trat näher an Eugen heran. Er wirkte unsicher, auch wenn er Maria beinahe um einen ganzen Kopf überragte, sah er kleiner aus.

„Hören Sie, Frau Kamp, ich erinnere mich an Sie und ihre Tochter und ja, ich bin untröstlich wegen der Dinge, die damals passiert sind. Aber genauso wenig kann ich das alles rückgängig machen. Heute ist mir klar, dass ich das nie hätte tun dürfen", versuchte sich das Monster zu erklären. Nur so viel? Die Eingeständnisse klangen wie seelenlose, unpersönliche Sätze von der Stange. Wie Beispielsätze aus einem Ratgeber zum Thema Wie erkläre ich der Frau, warum ihr das Kind zu Unrecht entzogen wurde? Was tat ihm schon leid? Das Einzige, was er bedauerte, war die Tatsache, dass das alles aufgeflogen war. Die Tatsache, dass der Zufall, oder welche Macht auch immer, Maria und ihn in denselben Raum getrieben hatte.

„Gar nichts ist dir klar geworden!", fauchte sie. „Denn solchen wie dir werden die Folgen ihres Handelns nur klar, wenn das Haus schon brennt. Du hast Kinder aus ihren Familien gerissen, obwohl es keinen Grund dazu gab. Das sind keine Spielfiguren, das sind echte Menschen. Die Leben, die du damit zerstört hast, lassen sich mit keiner Entschuldigung der Welt mehr reparieren!"

Für den Bruchteil einer Sekunde schienen seine Gesichtszüge zu entgleiten, ehe er sich wieder fasste. Sein Blick fuhr kurz auf einen Punkt hinter Maria, zu der jungen Frau. Wer sie wohl war? Seine Tochter? Hatte er denn überhaupt eine Familie? Von hinten berührte eine Hand Maria sachte am Arm.

„Ich kann erahnen, was Sie durchgemacht haben ...", sprach eine leise, beinahe flüsternde Stimme. Ruckartig zog Maria ihren Arm weg und drehte sich um. „Glauben Sie mir, ich weiß, was es heißt, ein Kind zu verlieren. Zu glauben, dass es tot ist, obwohl es seit seiner Geburt bei einer anderen Familie lebt ..."

Marias Schultern sackten herab. Konnte sie Wanners Tochter sein? Wenn das so war, dann war das kleine Mädchen von damals seine Enkelin.

„Das tut mir leid ...", murmelte sie und schaute beschämt weg.

„Mir tut leid, was Sie durchgemacht haben. Doch es gibt immer einen Weg und wenn Sie es zulassen, dann möchte ich Ihnen so gerne helfen. Es gibt noch so viele von uns da draußen. Väter und Mütter, die nach ihren Kindern suchen. Wir dürfen uns nicht in Bitterkeit verlieren und nicht aufgeben. Wie heißt Ihre Tochter?" Die junge Dame trat näher an Maria heran und griff langsam nach ihrer Hand. Maria ließ es geschehen. Sachte strich der Lockenkopf mit dem Daumen über Marias Hand.

„Leonie."

„Leonie, was für ein schöner Name. Wie alt war sie? Ich meine, damals ..."

„Sechs. Sie war gerade in die erste Klasse gekommen und so stolz auf ihre lila Schultasche ..." Maria senkte den Kopf. Der graue Linoleumboden unter ihren Füßen verschwamm zu einem düsteren Regenwetterhimmel.

„Sie wird sich noch an Sie erinnern können", entgegnete die Frau aufmunternd und drückte Marias Hand. Sie fühlte sich in diesem Moment so verletzlich wie eine Schnecke, deren Haus man zertreten hatte.

„Wird sie das, ja? Aber wird sie wieder zurückkommen wollen? Oder lebt sie in einer Familie, in einem schönen Haus mit viel Geld und guten Freunden? Sie hat uns in all den Jahren doch bestimmt schon vergessen. Kinder leben im Hier und Jetzt", raunte Maria forsch und ließ die sanfte Hand los. Während sie die Worte ausgesprochen hatte, war ihr immer deutlicher geworden, wie sinnlos die Suche nach Leonie war und sein würde. Was sollte die Unterstützung von dieser Frau großartig bewirken? Oder wollte sie nur die Lage beruhigen? Maria hinhalten, sie in Sicherheit wiegen, um dieses Ungeheuer zu schützen? Dabei wussten sie gar nicht, was für ein Ass sie im Ärmel hatte ...

„Frau Kamp, Sie verschwenden nur Ihre und unsere Zeit. Lassen Sie uns gehen. Ich werde ..."

Das war zu viel. Zu viel Arroganz von einem Kerl, der dachte, immer weich zu landen, ganz egal, von wie weit oben er springen würde. Und da war noch der Joker in Marias Tasche, der Eugen Wanner von seinem hohen Ross herunterholen sollte. Und ja, auf die Gefahr hin, dass sich nun alles zum Schlechten verkehren würde, denn wie schlimm konnte es noch werden, wenn man jahrelang in der Hölle lebte?

„Du wirst erleben, was es heißt, zu bereuen", grollte sie und zog die materialisierte Gefahr aus ihrer Tasche. Die Zeit gefror, als das kalte Metall auf die Oberfläche von Eugens Bewusstsein traf. Das Gesicht des souveränen Herrn Doktor Eugen Wanner schien nur noch aus Augen zu bestehen. Reflexartig trat er einen Schritt zurück und plumpste wie ein nasser Sack zurück auf das Bett. Kam das Maria nicht bekannt vor? Annika ... Annika mit ihrem Versuch, sie zu erpressen. Herrje, es war doch sowieso alles verloren! Egal, welchen Zug Maria unternehmen würde, sie würde schachmatt gesetzt werden. Ob von der Dame oder dem Turm, gleichgültig, sie war verloren.

Unsicher hielt sie die Waffe in der Hand, mit der Mündung zum Boden gekehrt. Noch nie hatte sie so ein Ding gehalten. War es denn nun geladen oder nicht? Sie hatte keine Ahnung. Vielleicht hätte sie nachschauen sollen, hatte es aber nicht getan. Warum auch? Sie hatte das Ding einfach nur noch wegwerfen wollen, auf dem Grund der Elbe hätte es auch niemanden mehr interessiert, ob sie geladen war oder nicht.

„Bitte tun Sie das nicht", hörte sie die Frau wieder hinter sich. Doch als hätte Maria es nicht gehört, richtete sie die Waffe in Eugens Richtung, zielte in etwa auf sein Knie. Ihr Finger befand sich am Abzug, doch sie hatte nicht vor, abzudrücken. Das schien nun auch das Ungeheuer zu realisieren, denn es machte Anstalten, aufzustehen.

„Bleib, wo du bist!", zischte Maria und richtete die Waffe auf seine Körpermitte. Sofort erstarrte er und hob die Hände. Sein Gesicht war blass, so weiß wie die sterile Krankenhauswand. Oh, wer war denn jetzt das Ungeheuer? Marias Hand zitterte. Es rauschte auf ihren Ohren, als seien sie mit Watte gefüllt, als würde sie ihr eigenes Blut hören, wie es durch ihren Kopf strömte.

„Ich hasse ihn auch." Ein einziger Satz. Mit leiser, aber fester Stimme. Leise, weil die Situation nur allzu zerbrechlich war.

„Wie bitte?"

„Ich hasse Eugen Wanner wie niemanden sonst auf dieser Welt", ergänzte die junge Frau. Ihre Stimme nahm immer mehr Selbstsicherheit an. Maria nahm den Blick keine Sekunde von dem Angesprochenen. Gleichzeitig fragte sie sich, wie lange es dauern würde, bis jemand in dieses Zimmer kam. Um Wanners Bett neu zu beziehen oder warum auch immer ... Wanner. Sein Gesicht wirkte wie aus Stein. Ließen ihn die Worte seiner Tochter denn so kalt?

„Er hat ihr Kind nicht weggenommen. Warum sollten Sie ihn hassen?", fragte Maria.

„Er hat mir meine Tochter nicht persönlich weggenommen, das stimmt. Aber er steht für all jene, die es getan haben. Er hat mich geliebt und ich ihn, aber erwähnt hat er seine Vergangenheit nie. Die ganze Zeit über hat er mir etwas vorgemacht. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie ich ihn verabscheue."

Geliebt? Dies hier war nicht Eugens Tochter, sie war seine Geliebte. Der Tag, an dem dieser Frau das Kind weggenommen wurde, spielte sich noch einmal vor Marias Vorstellung ab. Das schreiende rosa Baby, ein vollkommen gesundes Mädchen. Und plötzlich weg, einfach weg. Maria hatte nichts damit zu tun gehabt, im Gegenteil. Das seltsame Verhalten der Hebamme hatte sie stutzig gemacht, an diesem Tag. Maria hatte nachgefragt, warum das Baby so eilig in einen anderen Raum gebracht wurde, es war doch gesund. Die Mutter hatte es doch gleich wieder auf den Arm nehmen wollen, hatte es stillen wollen, also, warum brachte man das Mädchen weg?

Die Hebamme und die andere Krankenschwester hatten sich angesehen, mit Blicken kommuniziert. Man hatte Maria rausgeschickt, ihr gesagt, sie solle nicht so viel fragen. Ihr gesagt, dass es sie nichts angehen würde. Sie darauf hingewiesen, dass sie noch eine Schülerin sei. Sie hatte nicht weiter gefragt. Hatte nichts gehört, nichts gesehen. Maria ließ die Waffe sinken.

„Ich verstehe Sie, wie das wohl niemand sonst tut. Wir haben doch dasselbe durchgemacht. Ich verspreche Ihnen, dass ich helfe, wo ich kann, damit Leonie endlich zu ihrer Mutter zurückkehren kann", bekräftigte Marias Leidensgenossin, die für ihr junges Leben zu viel davon erfahren hatte. In dem Moment spürte Maria ein schweres Gewicht auf sich, das sie in Richtung der Tür drückte. Ein fester, unnachgiebiger Griff schloss sich um ihr Handgelenk und vor Schreck krampfte sich ihre Hand zusammen. Ihr Finger ruhte noch immer auf dem Abzug. Sie fuhr zusammen, als der Knall durch den Raum hallte.

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