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X. Die eigene Medizin

Krankenhaus Berlin-Lichtenberg, 1995.


Es war widerwärtig. Nicht der Verfall, dem die eingesunkene Frau in dem Krankenbett anheimgefallen war. Auch nicht der Geruch nach Siechtum, der den Raum erfüllte. Es war das, was Maria über die Patientin erfahren hatte. Barbara Gemmer, ehemalige Auslandsagentin des Ministeriums für Staatssicherheit, einst ganz vorne mit dabei, wenn es darum ging, den Leuten das Leben schwer zu machen. Ministerium für Sicherheit, nun besser bekannt als Stasi; da klingelten alle Alarmglöckchen. Vollkommen hilflos und ausgeliefert lag sie jetzt da und vegetierte vor sich hin.

Für ihre fünfundsiebzig Jahren sah sie mittlerweile ziemlich alt aus – kein Wunder, denn die Krankheit zehrte an ihr, ernährte sich von ihrer Lebensenergie und saugte sie aus, Kilo für Kilo. Bisher hatte Maria kein Wort mit ihr gewechselt. Hatte nur gemerkt, wie die Frau sie mit glasigen, milchig-blauen Augen beobachtet hatte, immer mit einer gewissen Spur ängstlichem Argwohn. Und nun stand Maria am Medikamentenschrank und hatte das Fläschchen mit Morphium in der Hand. Oh, sie liebäugelte schon wieder mit der Zwillingsschwester von dem tiefen Hass, der in ihr schwelte. Was, wenn sie es tatsächlich tun würde? Frau Gemmer eine Extraportion Schmerzmittel geben? Es war nur ein kleiner Gedanke, der ihr gekommen war. Sie würde es nicht tun. Nicht ernsthaft, nein. Die verkümmerte Frau, die im Krankenzimmer Zentimeter um Zentimeter schrumpfte und einging wie eine ausgedörrte Pflanze, war ohnehin schon genug gestraft.

„Maria?", rief eine Stimme von hinten. Vor Schreck ließ die Krankenpflegerin das kleine Glasfläschchen fallen. Es zerplatzte auf dem Boden und die durchsichtige Flüssigkeit verteilte sich auf dem hellgrauen Boden.

„Scheiße, entschuldige bitte, ich wollte dich nicht erschrecken!" Von hinten trat Annika heran.

„Das sollten wir schnell aufwischen. Warte, ich helfe dir, schließlich bin ich schuld dran", sagte die Kollegin. Wortlos trat Maria einen Schritt zurück. War das ein Zeichen? Sie hatte für einen kurzen – einen winzig kleinen, kaum merkbaren – Moment daran gedacht, einer Ex-Stasi-Tante eine Überdosis Morphium zu geben und sie damit verfrüht ins Jenseits zu befördern. Der Gedanke war grausig. Und jetzt, wo die potenzielle Mordwaffe ausgelaufen am Boden lag, kam es Maria noch schlimmer vor. Dabei wartete bei ihr zu Hause eine andere, nicht flüssige, sondern feste Waffe darauf, benutzt zu werden. Doch wollte sie das wirklich? Wollte sie wirklich so weit gehen? In diesem Moment fiel ihr auf, wie groß der Unterschied doch war. Der Unterschied zwischen jemandem schaden und jemanden umbringen wollen. Ihr stockte der Atem.

Hatte sie Wanner denn je umbringen wollen? Hätte sie ihn mit dem Brieföffner attackiert, selbst wenn sie gekonnt hätte? Die ehrliche Antwort war ein verschwommenes Nein. Nein, Maria wollte niemandem das Leben nehmen. Auch, wenn die Momente, in denen sie sich zurück erinnerte an das, was man ihrer Familie angetan hatte, in denen sie nur noch rot sah, ihr das vorgaukeln wollten. Sie war doch keine Mörderin. Was machte also die verdammte Waffe in ihrem Sideboard unter den Tischdecken?

„Alles in Ordnung? Du siehst so blass aus ...", erkundigte Annika sich besorgt.

„Ganz ehrlich ... nein. Mir ist so übel ...", murmelte Maria. Ihre Ohren begannen zu rauschen. Beunruhigt sprang ihre Kollegin aus dem Raum und kam kurz darauf mit einem Pappbecher voll Wasser zurück. Sachte geleitete die viel jüngere Annika sie zu einem Stuhl.

„Setz' dich hin und nimm einen Schluck Wasser. Wenn es wegen der Sauerei hier ist ..."

„Nein, nein", lenkte Maria ein, „ich habe ... privat gerade ganz schön viel Stress ..."

„Ach so. Wenn du ein offenes Ohr brauchst, dann bin ich für dich da! Möchtest du nach der Schicht einen Kaffee trinken gehen?", bot Annika an, doch Maria winkte ab.

„Danke, lieber wann anders. Schau, es geht gleich wieder", versicherte sie und stand auf, wie um das Gesagte zu unterstreichen.

„Na, ich weiß nicht ... Du bist noch immer ganz weiß im Gesicht ..."

„Es ist alles in Ordnung."

„Wenn du das sagst."

Maria trank den Becher leer und warf ihn dann in den Papierkorb vor der Tür. Auf der Toilette drehte sie den Wasserhahn voll auf und spritzte sich eine Ladung kühles Nass ins Gesicht. Die rotblonden Haare hatten sich aus dem Zopf gelöst. Ihr Kreislauf war kurz davor, in den Keller zu sinken. Sie hatte das Frühstück ausfallen lassen ... Vielleicht brauchte sie nur etwas Zucker, um ihren Körper wieder in Schwung zu bringen. Rache allein nährte den Organismus nicht, sondern laugte ihn aus. Man dachte, dass Rache ein starker Motor war, doch das stimmte nicht. Die ständigen hasserfüllten Gedanken lähmten und saugten alle Lebensenergie aus.

Und um das zu beenden gab es nur zwei Möglichkeiten: Vergebung spenden oder Rache ausüben. Das erste war für Maria jedoch keine Option. Und damit blieb nur noch eine Wahl, um diesen Teufelskreis endlich zu beenden. Doch erschießen würde sie niemanden. Es sollte eine Warnung sein. Verdammt, es konnte doch nicht sein, dass aus Maria ein gefühlloses Ungeheuer geworden war! Sie war die Frau von Thomas, die Mama von Christoph und Nadine ... Wo sollte das hinführen? Doch nichts zu tun, das wollte ihr Verstand auch nicht akzeptieren. Wanner sollte das Herz in seine verdammte Bügelfaltenhose rutschen. Mehr nicht. Ein Warnschuss, mehr nicht ...

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