Chapter 18
Warnung: Dieses Kapitel könnte triggernd auf einige Personen wirken!
Wir setzten uns nach einiger Zeit hin und verdrängten das zuvor Geschehene. Keiner von uns beiden wollte zuerst etwa sagen, also saßen wir dort, bis es dunkel wurde und die Vögel aufhörten, zu singen. Immer noch in angenehmes Schweigen gehüllt, gingen wir zurück zum Haus, obwohl keiner von uns wusste, was wir den anderen sagen sollten, wenn sie uns fragen würden, warum wir so lange weggeblieben waren.
Dort angekommen trennten wir uns, ich ging, da ich keinen Hunger hatte, in das mir zugeteilte Zimmer, er in die Küche, zu den anderen. Jetzt, da ich wieder alleine war, niemand mehr da war, um mich abzulenken, fühlte ich mich, als würde meine kleine, graue Welt über mir zusammenstürzen. Erst jetzt bemerkte ich, welchen Fehler ich begangen hatte.
Ich hatte eine Verbindung zu einem weiteren Menschen aufgebaut, ich könnte einer weiteren Person schaden, wenn ich diese Welt verlassen würde und nun wurden auch Will's Probleme zu einem weiteren Gewicht auf meinen Schultern. Wie viel und wie lange konnten sie noch tragen? Wie lange mussten sie es wohl noch?
Aufgebracht warf ich mich auf das Bett, fuhr gleich darauf aber wieder hoch, ärgerlich brummend zog ich eine, nun rötlich schimmernde, Pinnadel aus meinem Rücken und zog die Augenbrauen hoch. Warum lag eine Nadel auf meinem Bett? Vermutlich ein Streich der anderen, ich würde einfach so tun, als wisse ich von nichts, wenn ich gefragt würde. Fasziniert blickte ich auf die rote Flüssigkeit, Blut, mein Blut und malte mir der Spitze der Nadel Wellen auf meine Arme.
Plötzlich spürte ich, wie sich tief in mir der Wunsch regte, mit ihr zuzustoßen, sie mir tief ins Fleisch zu rammen und noch mehr dieser wunderbaren Farbe zu sehen, wie sie meine Arme herunterlief und schöne Muster bildete, einfach den Schmerz in mir linderte. Doch gleich darauf schüttelte ich den Kopf, das war nicht ich, es war noch nie meine Art gewesen, mich wirklich aktiv körperlich durch Schmerz zu befreien, ich hatte schon immer einen anderen Weg gehabt, das zu bewirken.
Ich sprang auf und lief hastig zu meinem Bücherregal, beziehungsweise dem Bücherregal, welches eigentlich mein Koffer darstellte. Abwägend blickte ich auf meine kleine Sammlung an traurigen Büchern und als ich mich schließlich für eines entschieden hatte, schnappte ich es mir und ging ans Fenster. Dieses öffnete ich, setzte mich auf die große, hölzerne Fensterbank und schlug das Buch auf, an einer Stelle, die ich mir, genau für solche Augenblicke wie jetzt, gekennzeichnet hatte.
Je weiter ich las, desto mehr spürte ich, wie sich mein Herz anspannte, zusammenzog. Meine Augen wollten meine Trauer durch Tränen ausdrücken, doch ich verbat es ihnen, ließ nicht zu, dass auch nur ein Tropfen über mein Gesicht lief. Mein Atem stockte immer wieder, kurzzeitig hörte ich sogar ganz auf zu atmen, bis ich mein Ziel erreichte. Ein unfassbarer Schmerz durchzuckte meine Brust, mein Herz verkrampfte sich und ich legte das Buch neben mich, genoss das Gefühl der Freiheit, das Gefühl, dass etwas in mir zersprang und die Splitter davon, sich durch mein Inneres bohrten, mich von innen nach außen zerfraßen.
Zitternd legte ich das Buch zurück in den Koffer, schloss diesen und machte mich auf den Weg ins Badezimmer, in dem ich mir die Zähne putzte, den Schweiß und die Erde abwusch, die sich im Laufe des Tages auf meiner Haut gesammelt hatten und noch einmal auf Toilette ging. Als ich mich auf die Tür zubewegte, fiel mein Blick in den Spiegel, dem ich mich daraufhin zuwandte. Aus ihm blickte mir ein junges Mädchen entgegen, dass ausdruckslos nach vorne starrte. Ich zog meine Mundwinkel nach oben, ließ kleine Fältchen neben meinen Augen entstehen und schon schaute sie mir scheinbar voll Freude entgegen.
Doch ich wusste, dass dem nicht so war, nicht viel ließ dieses Gesicht heutzutage genauso mit einem Lächeln aufleuchten, wie es früher einmal war, es fühlte sich einfach nicht mehr richtig an. Als ich diese Gedanken verdrängte und wieder zurück in den Spiegel sah, kam es mir vor, als würde mir das Mädchen mit traurigen Augen und einem unechten Lächeln, das jeden anderen getäuscht hätte, sagen wollen, ich solle gehen.
Aber ich wollte gar nicht gehen. Ich hatte Fragen, wollte sie endlich jemandem stellen, der mich verstand, wollte Antworten von ihr erhalten, von denen ich wusste, sie würde sie mir nicht geben können. Denn sie war ich, ich war sie und wir beide zusammen waren gebrochen und nie wieder vollständig zu heilen. Das wusste ich, ich spürte es tief in mir und allem, das mich umgab und so wandte ich den Blick ab, von dem traurigen Mädchen, der einzigen, die mich verstand, ich ging aus den Raum und ließ einen weiteren Teil meiner selbst zurück.
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