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  Das nächste, woran mich mich erinnerte, waren ein Paar starke Hände, die mich auf die Beine zogen.

Die Tränen waren langsam getrocknet und ich lieferte meinem Gesicht keine zusätzliche Wäsche, indem ich weitermachte.

Weinen war Verschwendung von Zeit, Tränen und Ressourcen. Nichts, womit sich eine einfache Straßendiebin – auch die beste ihrer Art nicht – abgeben durfte.

Es fühlte sich immer noch schrecklich an. Glassplitter gruben sich in mein Herz und der unerträgliche Schmerz, den ich jetzt in Dominics blauen Augen sah, machte das alles nicht besser.

Im Gegenteil.

Der Prinz hievte mich jetzt ganz vom Boden empor. „Kannst du laufen?"

Seine Stimme klang belegt. Belegt von Tränen und Trauer.

„Ich glaube nicht", krächzte ich. Ich klang wie eine Krähe sich fühlte, wenn sie gerade mit einer Motorsäge entzwei geschnitten wurde: Scheiße. „Ich kann kaum sprechen."

Dominic nickte nur und hob mich auf seine Schulter als wäre ich nicht schwerer als ein Sack Mehl.

„Was...?"

„Du musst ins Bett."

Ich nickte nur und vergrub den Kopf an seinem Hals, um die erneuten Tränen zu unterdrücken, die in meine Augen traten.

Er trug mich die Treppen nach unten, stieg dann in den Aufzug und brachte mich direkt zum Turm, in dem sich die Mädchensäle befanden.

„Ich dachte, die Jungen kennen den Weg nicht?", fragte ich verwundert, als wir die Wendeltreppe nach oben stiegen und ich ihn mit dem Finger in die richtige Suite navigierte.

Gewöhnliche Jungs kennen ihn nicht."

Ich nickte. Kronprinz-Privilegien.

Mit der linken Hand drückte er den Türgriff nach unten und trug mich eilig in die Wohnung. Man sah ihm nicht die geringste Anstrengung an, während meine Glieder immer noch schlapp und schwach waren. Meine Nase und meine Lippen waren blutverkrustet und ich konnte kaum gerade aus blicken, wegen diesen verdammten Kopfschmerzen.

Schließlich legte er mich auf das schwarze Bett, dessen weiches Kissen sofort meinen Körper umschlang. Ich brauchte dringend ein wenig Schlaf. Aber vorher musste ich noch etwas loswerden.

„Tut mir Leid, was passiert ist." Meine Stimme war nur ein leises Flüstern.

„Es war in keinster Hinsicht deine Schuld."

„Ich habe sie nicht retten können. Also war es technisch gesehen sehr wohl meine Schuld."

Technisch gesehen war es wohl die Schuld desjenigen, der den verdammten Champagner vergiftet hat und damit eigentlich auch dich getötet hätte", seufzte Dominic. Seine Augen glänzten selbst im Dunkeln.

„Sie war ein guter Mensch."

„Ja. Das war sie. Aber ich will einfach nicht wahrhaben, dass sie einfach... einfach tot ist. Als hätte sie nie existiert."

Plötzlich traf mich eine ganz neue Erkenntnis wie der Blitz. „Du wirst gekrönt", flüsterte ich.

„Nächste Woche", bekam ich die Bestätigung.

Ich fluchte. Das zerstörte einfach alles. Helena konnte ich vielleicht etwas vormachen, aber wenn ich so viel Zeit mit Dominic verbrachte, wer wusste da schon, was ich preisgab.

„Die Friedensverhandlungen wurden ebenfalls vertagt bis ich König bin und der Vertrag auch mit meiner Unterschrift gültig ist. Tut mir Leid wegen der Verzögerungen." Er wartete einen Moment, ehe er noch etwas hinzufügte. „Und es tut mir auch Leid, dass ich dich wegen der Flöte verdächtigt habe."

Ich versuchte, meine Gesichtsmuskeln zu einem Lächeln zu überreden, doch es gelang mir nicht. „Ist okay."

„Nein, ist es nicht." Er klang reumütig. Seine Worte waren heiser und ich erkannte, dass es ihm wirklich Leid tat. „Hättest du heute nicht so viel getan um meine Mutter zu retten, würde ich dich auch noch dafür verdächtigen."

Ich nickte. Ich verstand absolut was er meinte: Sie kannten mich nicht und ich kannte sie nicht. Wir waren Fremde. Andererseits sollten sie mir ja eigentlich nicht vertrauen.

„Aber du hast versucht sie zu retten. Ich habe es in deinen Augen gesehen: Du wolltest ihr wirklich helfen."

Ich atmete hörbar aus. „Aber ich habe versagt."

Er antwortete nicht. Er konnte mir nicht widersprechen.

„Diese Flöte, die aus der Vitrine gestohlen wurde. Du hast mir nie gesagt, um welche Flöte es sich genau handelt", wechselte ich mehr als ein wenig ungeschickt das Thema.

Er sah mich finster an. „Ich denke, du weißt ganz genau welche Flöte."

Ich presste die Lippen zu einem Strich zusammen. Ja, ich wusste leider ganz genau, welche Flöte verschwunden war. Und was diese Flöte für Schaden anrichten konnte.

„Wieso bewahrt man so ein mächtiges Artefakt an einem Ort auf, an dem jeder es einfach stehlen kann?", fragte ich.

„Aus eben genau diesem Grund. Es sollte einfach wirken, aber wir haben Bewegungssensoren, Wachen vor und hinter den Türen und außerdem eine Alarmanlage, sollte das Gewicht vom Samtkissen verschwinden. Und da der Täter ganz offensichtlich nichts auf das Kissen gelegt hat, um den Alarm zu verhindern, verstehe ich nicht, was schief gehen konnte", antwortete er. Seine tiefblauen Augen richteten sich auf mein Gesicht, mein Make-Up sicher verwischt von den Tränen. Eine berührte Röte schoss mir in die Wangen.

Seit wann wurde ich rot?

„Aber wenn die Legenden wahr sind..."

„Es sind keine Legenden. Dieses Artefakt ist genau so gefährlich wie du denkst."

„Verdammt", flüsterte ich.

Er seufzte erschöpft. „Trifft es ganz gut."

„Kennst du die Geschichte? Über die Flöte?"

Er sah mich verwirrt an. „Welche Geschichte?"

Ich grinste. Es sah ganz so aus, als könnte ich seine Märchenstunde von gestern Abend ebenbürtig erwidern. Und mit ein wenig Glück würde er sie trotz der Umstände sogar ein wenig genießen können. Genau wie ich.

„Es war einmal vor langer Zeit, als die Menschen noch in Strohhäusern lebten und die Hühner schwarze Eier legten und die Gummistiefel noch aus Holz waren", begann ich lächelnd zu erzählen. So hatte meine Mutter jedes Märchen und jede Geschichte angefangen, die sie mir früher zum Einschlafen erzählt hatte.

Dominic schmunzelte.

Ich grinste nur zurück und setzte meine Gutenachtgeschichte fort.

Nach einiger Zeit legte er seinen Kopf auf meine Schulter. Wir saßen immer noch beide in meinem Bett. Ich erzählte, er hörte zu, was ich zu sagen hatte.

Gute zehn Minuten waren vergangen, als ich mein Märchen mit einem „Ende" auf den Punkt brachte. Es schlug Mitternacht.

„Meine Mutter hat mir diese Version immer erzählt, als ich noch klein war und nicht einschlafen konnte. Auch wenn es keine schöne Geschichte ist, hat mich ihre Stimme immer beruhigt."

Als Antwort bekam ich ein Nicken. Dominics Kopf ruhte noch immer auf meiner Schulter und er machte auch keinerlei Anstalten, ihn herunterzunehmen.

„Was weißt du sonst noch über die Flöte?", murmelte ich. Meine Stimme war plötzlich belegter als mir lieb war.

„Die Flöte des Rattenfängers ist eines der gefährlichsten Artefakte, das auf dem gesamten Kontinent existiert. Spielt jemand eine bestimmte Melodie auf der Flöte – genaugenommen ist es eigentlich eine Panflöte – so kann er den legendären Rattenfänger rufen. Einen mächtigen Magier."

Ich schloss die Augen, als ich seine Erklärungen fortsetzte: „Einen Hypnotiseur. Seine Stimme so verführerisch wie die der Sirenen, seine Musik so schön, dass sie nicht von dieser Welt stammt. Der Rattenfänger gehorcht einzig und allein demjenigen, der ihn gerufen hat, auch wenn er selbst in Besitz der Panflöte gelangt."

„Nur Kinder unter achtzehn Jahren können sein verdrehtes Spiel hören, folgen seinem Ruf in ihr Verderben und kommen nie wieder zurück. Er entführt sie in den Griff seiner grotesken Klauen und wenn er einmal die Schlinge um sie gezogen hat, kommen sie nie wieder heraus."

Ich nickte. „Niemand hat ihn je gesehen. Das einzige, was man über ihn weiß ist, dass alle Ratten panische Angst vor ihm haben."

„Weil sie seine Leibspeise sind.", beendete er die Erklärung. „Ich denke, wir wissen hübsch gleich viel."

Jetzt war ich diejenige, die nur nickte. Er hatte Recht. „Aber wieso sollte jemand die Flöte des Rattenfängers stehlen?"

„Ich denke, auch das weißt du ganz genau, Aria."

„Um an die Kinder zu gelangen", flüsterte ich. Jemand – wahrscheinlich derselbe jemand, der auch Königin Helena ermordet hatte – wollte die Kinder Akars in seinen Besitz bringen. Doch wozu? Was hatte das alles für einen Sinn? Wo lag das verdammte Motiv?

Es ergab einfach überhaupt keinen Sinn!

„Dominic?", fragte ich zögernd. Ich wusste, dass es nicht der richtige Zeitpunkt war, aber irgendetwas bewegte mich dazu...

„Ja?"

Ich schluckte. Das würde wehtun. Ihm. Weil ich es schon wieder aufgriff.

„Denkst du, es gibt einen Zusammenhang zwischen dem Verschwinden der Flöte und -" Ich brach mitten im Satz ab. Brachte es nicht übers Herz, diese Scherben noch tiefer in sein gebrochenes Herz zu rammen.

„Und dem Tod meiner Mutter durch das Kreischgift?", beendete der Prinz stattdessen meine Frage.

Ich nickte. Das war genau derselbe Gedanke, den auch ich gehabt hatte.

Dominic seufzte. „Es wäre möglich. Es wäre aber auch nicht möglich. Ich weiß es nicht. Ich weiß es einfach nicht."

„Es ist nicht deine Schuld. Das mit Helena."

Er nahm langsam seinen Kopf von meiner Schulter. Der Platz, an dem seine braunen Haare meinen Körper berührt hatten, fühlte sich seltsam leer an. „Ich weiß. Ich will es auch glauben, aber ich kann es nicht. Etwas in mir lässt mich zweifeln."

„Ich weiß genau, was du meinst."

Und das tat ich. Mir war es nicht viel anders ergangen, als ich Zeuge des Todes meiner eigenen Eltern wurde. Ich hatte mir jahrelang eingeredet, dass es meine Schuld war, dabei wusste ich es eigentlich besser. Aber manchmal – eigentlich immer – war ich ein Kopfmensch.

Dominic sah mir in die Augen. Ich starrte nur zurück. Und so vergingen einige Augenblicke, keiner von uns brach die Verbindung.

Als er dann doch schließlich seinen Blick von meinem Gesicht abwandte – ich hätte schwören können, er blieb kurz an meinen Lippen hängen – stellte er mir die eine Frage, die ich unter allen Umständen hatte vermeiden wollen: „Wie hast du das gemacht? Gewusst, dass ich Feuermagie besitze; meine Mutter geheilt ohne eine Meisterin der Natur zu sein? Die Anstrengung hätte euch beide fast umgebracht, aber ohne dich hatte nicht einmal Hayley eine Chance."

Ich öffnete den Mund, um ihm eine Antwort zu liefern. Schloss ihn wieder. Ich öffnete den Mund, um ihn anzuzischen, dass es ihn nichts anginge. Schloss ihn jedoch wieder. Ich öffnete den Mund, um die Frage einfach zu ignorieren und woanders weiterzumachen. Und ein drittes und letztes Mal schloss ich ihn, ohne ein Wort gesagt zu haben.

Als ich schließlich antwortete war meine Stimme zittrig: „Wenn ich das verraten würde, wäre es doch langweilig."

So gut es ging grinste ich ihn schelmisch an. Es tat weh, seine Enttäuschung in den Augen widergespiegelt zu sehen, doch ich würde es aushalten. Er durfte nicht von meiner Übertragung erfahren.

Ich gähnte laut. „Ich bin müde."

Er lächelte und legte sich auf meine Matratze. „Dann solltest du dir ein Bett suchen. Das hier ist jetzt offiziell vom König beschlagnahmt."

Ich grinste zurück. Wenn er so wollte, würde ich mitspielen. „Und wo soll dann die arme vindrische Botschafterin mit den wundervollen Augen schlafen? Auf dem harten Boden etwa?"

Er zog die Augenbrauen zusammen, als hätte er etwas, über das er nachdenken musste. „Der König von Mavar bietet der Botschafterin an, bei ihm auf der Matratze zu schlafen. Nur, wenn diese es möchte, natürlich."

Seine belegte Stimme entfachte eine Gänsehaut auf meinem Körper. „Sie würde sich geehrt fühlen", flüsterte ich zurück, bevor ich zu ihm unter die Bettdecke rutschte. Ich atmete seinen frischen Duft nach Zitrone und Minze ein und genoss einfach seine Nähe.

Eine Nähe, die ich viel zu lange nicht mehr genossen hatte. Von niemandem.

„Und du hast recht", hörte ich seine flüsternde Stimme ein letztes Mal an diesem Abend. „Die Botschafterin hat tatsächlich wundervolle Augen."

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„Du hast was?!" Cassandras Stimme klang schrill und ungläubig. „Weißt du eigentlich, wie viele Frauen sich wünschen, eine Nacht mit dem verdammten Dominic Rays zu verbringen?"

Ich konnte ein Lachen nicht unterdrücken. „Das klingt falsch!"

Sie erwiderte mein Grinsen strahlend. Ihre violetten Augen funkelten im Licht der untergehenden Sonne, die durch die gläsernen Wände und das ebensolche Kuppeldach hereinschien. Sie tauchte alles in einen rötlichen Schimmer.

Der Raum, in dem wir unseren Mädchenabend abhalten wollten, war eine Mischung aus Gewächshaus und Bibliothek. Die schwere Eichenholztür war mit aufwendigen Schnitzereien und Silberdetails verziert. Auf der gegenüberliegenden Seite mündete ein Wasserfall in einen See, der von einer grünen Wiese mit einigen Bäumen umgeben war. Neben den Regalen voller antiker Bücher und Schriftrollen zogen sich Leitern, Brücken, Flüsse und Tunnel durch den gesamten, riesigen Raum. Eine Ecke war sogar in ein kleines Waldstück verwandelt worden, als man die sogenannte Natur-Bibliothek gebaut hatte.

In der Mitte der Glaskuppel hatten wir beide die übrigen Tische zusammengeschoben und uns zwei Matratzen mitsamt Bettwäsche darauf gelegt. Hier würden wir heute Nacht schlafen.

Auf einem improvisierten Tresen lagen Chips, Popcorn und Schokolade bereit, während auf einem kleinen Tisch in der Ecke ein Spiegel und Make-Up-Utensilien standen. Nicht zu vergessen der Klamottenständer, den wir extra von einer Zofe hier in diesen Teil des riesigen Palast-Gebäudekomplexes hatten bringen lassen.

„Außerdem ist es nicht so, dass wir miteinander geschlafen haben."

Cassandra verdrehte die Augen. „Jaja, das würde ich jetzt auch sagen."

Ich zeigte ihr nur den Mittelfinger.

Nach einem Augenblick brachen wir beide in Gelächter aus und das letzte Eis zwischen uns war gebrochen. Die Nacht konnte starten.

Der Abend war einfach perfekt. Wir sprangen in unseren Badeklamotten in den eisigen See am Fuß des Wasserfalls und veranstalteten eine Wasserschlacht, bis wir lachend und erschöpft aus dem kühlen Nass traten. Wir aßen die ganze Schokolade, die Hälfte des Popcorns und fast alle Packungen Chips, während wir ein seltsames Spiel spielten, bei dem man immer dann essen musste, wenn man etwas bestimmtes schon gemacht hat. Cassandra nannte es Ich hab' noch nie. Ich hatte noch nie davon gehört. Und schließlich setzten wir uns auf eine der Brücken im dritten Stock, die sich über den Fluss spannte, welcher einige Meter später in den Wasserfall stürzte. Unsere Beine baumelten nach unten und wir legten unsere Ellenbogen auf das verhältnismäßig tiefe Geländer.

„Als ich neulich nachgefragt habe, wie das Aufwachsen im Palast so war... tut mir Leid, was mit deinen Eltern passiert ist", flüsterte ich. Dieser Gedanke plagte mich seit gestern Morgen, als ich das Ganze angesprochen hatte, doch bis jetzt hatte ich nicht den Mut gefunden, es anzusprechen.

„Als die Synther in Freytor einmarschiert sind – es war kurz nachdem unser König getötet worden war – versuchten wir, nach Mavar zu flüchten, doch sie hatten nur genug Geld für ein einziges Grenzticket. Meins."

Eine einzelne Träne rann über ihr Gesicht, doch sie wischte sie mit einem ihrer Finger beiseite. Ich spürte, wie sehr sie das Thema wechseln wollte, als sie fragte: „Was ist mit deinen Eltern geschehen?"

„Meine Familie stammt eigentlich aus Synth. Meine Eltern haben für Ihre Majestät gearbeitet, doch wir wissen beide, was geschieht, wenn man den synthischen König verärgert", beantwortete ich ihre Frage. Die Details ließ ich bewusst aus. Die gingen nur mich etwas an.

Ich erwähnte auch nicht, dass ich dann nach Mavar geflohen war. Ein Grenzticket war nicht nötig gewesen, da ich durch den Fluss geschwommen war, der sich von Synth nach Mavar schlängelte. Fast wäre ich damals in seinen Fluten ertrunken, wäre da nicht...

Cassandra unterbrach meine Gedankengänge allerdings schnell wieder, indem sie eine Hand auf meine legte. Ich spürte ihre Zeitmagie unter der Oberfläche ihrer blassen Haut, doch ich hielt meine Begabung zurück.

Ein paar Sekunden verstrichen, als Cassandra ihre Hand schließlich wieder auf das Brückengeländer legte. Sie sah mir jetzt in die Augen. „Sag mal, Aria..."

„Ja?", fragte ich sichtlich neugierig.

„Blair hat Dominics Feuermagie nie erwähnt, als wir bei ihr zum Frühstück waren. Du hast Hayley in ihrer Naturmagie unterstützt, obwohl du scheinbar keinerlei derartige Macht besitzt. Wie? Wie machst du das alles?", erkundigte sie sich schließlich.

Ich wollte schon ähnlich kryptisch antworten, wie ich es bei Dominic getan hatte, aber schließlich seufzte ich. Ich vertraute ihr und schuldete ihr zumindest eine halbwegs vernünftige Erklärung. Vielleicht wurde es Zeit, dass ich mein Geheimnis endlich preisgab.

„Ich kann Magie anzapfen. Wessen Haut ich auch immer berühre, ich kann seine Macht verwenden, als wäre es meine eigene. Ich spüre Magie in der Luft, kann zuordnen, wer welche Begabung besitzt, ohne die Kräfte in Aktion zu sehen. Ich bin sozusagen eine Magiediebin."

Sie hatte keine Ahnung, was ich noch alles stehlen konnte, außer die Magie eines anderen Menschen.

Absolut keine Ahnung.

Sie blinzelte. Einmal. Zweimal. Dreimal.

Dann öffnete sie den Mund, um endlich etwas zu entgegnen: „Das gibt es? Ich habe noch nie davon gehört..."

„Es ist selten. Deshalb darf es auch niemand erfahren. Cassandra, ich -"

Doch sie unterbrach mich. „Nenn mich Cas. Dein Geheimnis wird bei mir in guten Händen sein", versicherte sie mir zwinkernd.

Ich lachte und erhob mich schließlich, um die Brücke zu verlassen.

Hoch oben, in einem der vielen gläsernen Türme erkannte ich Dominic, der mich durch das Dunkel der eingebrochenen Nacht hindurch anstarrte. Beobachtete er mich etwa?

Ich hielt seinen Blick und sank in einen spöttischen Knicks, den er mit einer Verbeugung erwiderte. Oder hatte ich mir die leichte Neigung seines Oberkörpers nur eingebildet?

„Lass mich raten", ein neckender Unterton hatte sich in die Stimme der Seherin geschlichen, als sie Dominic zuwinkte. Ihr schien nicht bewusst zu sein, dass er sie in ihrer Seher-Gestalt sah. „Ein gewisser Jemand hat sich in den Prinzen verliebt."

Ich wirbelte herum. „Was? Ich? Nein, du irrst dich. Ich verliebe mich nicht nach zwei Tagen in den erstbesten dahergelaufenen, stinkreichen Idioten-Prinzen!"

Zumindest redete ich mir das ein.

Sie grinste nur.

„Und du?", fragte ich schließlich interessiert. „Gibt es jemanden?"

Sie seufzte, als sie die Treppenstufen nach unten stieg, doch dann lächelte sie verlegen. „Gibt es nicht immer jemanden?", hielt sie dagegen.

Ich hatte nichts einzuwenden, sondern starrte sie nur weiterhin fragend an. Eine Augenbraue hatte ich nach oben gezogen, um sie zusätzlich anzuspornen. Das konnte nicht schaden.

Sie verdrehte nur lachend die Augen. „Es ist Spencer."

„Spencer? Spencer Snow? Dieser Eisklotz?"

„Er ist nett, wenn wir unter uns sind und er sich nicht mit Dominic vergleichen muss. Die beiden immer mit ihren ewigen Rivalitäten, nur weil Saraphina die höchste Adelige am Hof ist, wenn man von der Königsfamilie absieht", erklärte sie mit einem verträumten Ausdruck in den Augen. "Ich blocke aber oft ab. Einfach weil ich Angst habe."

Ich nickte wieder einmal nur. Ich konnte Schwärmereien nicht nachvollziehen. Entweder man tat etwas, um seine Ziele zu erreichen oder man ließ es ganz bleiben.

„Ich denke, du solltest deine Fähigkeiten endlich zeigen. Zeigen, was du kannst, wie du aussiehst, wer du bist", schoss es aus mir heraus. Ich hatte mich ermahnt, ihr keinen Druck zu machen, aber diese Tarnung, diese falsche Cassandra, die Spencer jeden Tag sah. Wie sollte er sich in die verlieben?

„Super Idee! ‚Hi, ich bin eine echte Seherin mit krasser Zeitmagie und sehe eigentlich anders aus als sonst!' Was sollen die denn von mir denken?" Ihre Stimme triefte vor Sarkasmus.

„Was, wenn ich dir erzählen würde, dass es ein viel besseres Statement gibt als das?", fragte ich sie grinsend. Wir hatten den Fuß der Treppe erreicht und standen nun vor einem riesigen Spiegel, der die gesamte Wand einnahm.

„Was schwebt dir vor?"

---

Ich sah mein Meisterwerk an. Ich hatte nicht viel aus der Zeit meiner Jugend in Synth mitgenommen, aber ich wusste eindeutig noch, wie man aus einer normalen Frau eine echte Schönheit machte.

Cas trug eine schwarze Jeans und ebenfalls schwarze Stiefel mit Absätzen von ungefähr fünf Zentimetern. Eine violette römische Tunika hüllte ihren Körper ein. Sie war mit aufwendigen goldenen Stickereien überzogen, die sich auf ihrer Brust zu einem bestimmten Symbol verbanden: Eine Rose umgeben von acht weiteren. Das Wappen des Königreichs.

Die langen Ärmel waren ebenfalls mit goldenen Stickereien ausgestattet und das Schwert, das in der Scheide an ihrem Gürtel – ebenfalls golden – steckte, hatte dieselbe Farbe.

Ihre purpurnen Haare waren zu einem meiner hohen und gleichzeitig strengen Pferdeschwänze gebunden, sodass ihr Gesicht viel besser zur Geltung kam. Ein pflaumenfarbiger Lippenstift passte in die Farbpalette, die ich auch für den Lidschatten verwendet hatte. Ein dezenter schwarzer Lidstrich zog sich bis weit hinter das Ende des Auges. Das ganze wurde von ihrer fast weißen Haut noch einmal so stark hervorgehoben, dass sie fast aussah wie eine Vampirprinzessin. Auch ihre Narbe war im Mondlicht klar zu erkennen.

Ich wandte mich von ihr ab und starrte mein eigenes Spiegelbild an. Auch ich trug eine schwarze Jeans und dieselben Schuhe wie Cas. Doch meine Tunika war schwarz, verziert mit pinken Fäden, die dieselbe Farbe hatten wie mein Gürtel und mein Lipgloss. Meine Augen waren nach demselben Schema geschminkt wie ihre, aber in einem dunklen Grau bis Schwarz gehalten. Der Schwertgriff an meinem Gürtel bestand aus geschliffenem Onyx. Weil auch ich meine dunkelbraunen Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden hatte und wir beide ungefähr dieselbe Größe hatten, sahen wir fast aus wie Zwillinge.

Cassandra starrte noch immer in den Spiegel. „Das bin ich?"

Ich grinste nur schief.

„So kann ich morgen unmöglich zum Training erscheinen!", warf sie ein. Sie hatte mir versprochen, am morgigen Mittwoch zusammen mit mir dorthin zu gehen – als die echte Cassandra.

„Oh doch, das kannst du. Und du wirst", sagte ich nach wie vor lächelnd. Sie sah umwerfend aus.

Cas seufzte wieder und diesmal war sie es, die mir den Mittelfinger ins Gesicht hielt.

Ich lachte. Es fühlte sich gut an, zu lachen, so ganz ohne Gedanken im Hinterkopf, über Königsintrigen, Erzfeinde und Schatzkammern, die man auszurauben hatte.

Ich fühlte mich gut.

„Dann lass uns den Jungs zeigen, was Aria Pencur und Cassandra Sinigan außer einem hübschen Gesicht noch so alles zu bieten haben"

Ich grinste. Sie hatte Recht. Sogar Jasmine würde staunen, wenn sie morgen endlich zeigte, dass sie eine mächtige Zeitmagierin war.

Und seltsamerweise freute ich mich tierisch darauf, das Gesicht der Adeligentochter zu sehen, wenn es endlich so weit war.

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