12.2 ... und Undefinierbarkeit:
Als sie durch die Luftschleuse in den Steinbau eingetreten waren, hatten die Anwesenden an den Tischen sie für mehrere Sekunden gemustert, besonders den Cyborg, bevor ihre Finger von den Waffen geglitten waren und ihre Gespräche den Raum wieder ausgefüllt hatten. Hauptsächlich ebenfalls Durchreisende, was man an ihrer Haut erkennen konnte.
Über ihnen flackerten helle Lampen, die weißes Licht verströmten. Es reflektierte auf dem Metall im Raum: Stühle, Tische, Besteck, Teller und Tassen. Wände und Fußboden waren gefliest und von dem ein oder anderen Sprung abgesehen sauber. Der Boden senkte sich zur Mitte des Raumes ab, wo ein großer vergitterter Abfluss eingelassen war. Leichenhalle, schoss es Taïr durch den Kopf.
Eine metallene Schwingtür hatte sich an der gegenüberliegenden Wand geöffnet, pendelte immer noch vor und zurück, als die Frau bei ihnen ankam.
„Ihr seht aus, als hätte man euch schon ordentlich willkommen geheißen." Kurze graue Haare lockten sich um ein faltiges dunkelbraunes Gesicht. Sie lächelte breit, zeigte dabei grau verfärbte Zähne und einige Lücken. Auf ihrer Haut waren schwarze Flecken, wie sie viele Bewohner von 7 aufwiesen. Angeblich harmlos, kein Anzeichen für irgendetwas, hatten nichts zu bedeuten. „Keine Sorge, hier seid ihr sicher. Solange ihr bezahlen könnt und euch an ein paar Regeln haltet." Sie hob einen krummen Finger, richtete sich gerader auf und sah sie nacheinander aus wachen braunen Augen an. „Vor allem: Hier ist neutraler Grund. Für die Begriffsstutzigen: Keine. Kämpfe. Und: Wehe ihr bescheißt mich. Mit mir wollt ihr euch nicht anlegen." Nickend sackte sie wieder in sich zusammen, grinste. „Kann ich euch was zu essen anbieten? Heute gibt's Yagos Spezial-Suppe, irgendein Obst oder Gemüse und Irgendwas-Fleisch. Ihr könnt mich übrigens einfach Großmutter nennen, ja?" Sie wandte sich ab, rief quer durch den Raum in Richtung einer Durchreiche: „Yago, tisch ordentlich auf, sieben Neulinge, die ausgehungert aussehen!"
Großmutter beugte sich vor, ihre Augen leuchteten beim Sprechen. „ ... und letztes Jahr erst fand hier ein wahres Schlachtfest statt. Irgendwelche Idioten hatten sich irgend so'n Virus eingefangen und sie haben alles getötet, was sie gesehen haben. War wirklich hässlich. Hat mir die ganzen Stoffe versaut, die ich zur Verschönerung an die Wände gehängt hab. Man sollte zwar niemals aufgeben, aber, wisst ihr, es ist so schrecklich frustrierend: Ich richte es hübsch her. Und dann wird es zerstört. Na ja, ich spare trotzdem wieder für ein paar – Oh, da kommt ja auch schon das Essen!" Sie betrachtete die Digitaluhr an der rechten Wand. „Meine Güte, wie schnell doch 40 Minuten rumgehen können. Dann wünsch ich euch mal einen guten Appetit." Lächelnd stützte sich die Frau, auf dem Tisch ab, erhob sich zittrig und nickte ihnen noch einmal zu, bevor sie davonhumpelte. „Schön so nette Leute hier zu haben, die einem auch mal zuhören."
„Was für eine krasse alte Frau." Wolf sah ihr mit großen Augen hinterher. „Wäre nur meine Oma so gewesen."
Eine der jungen Frauen schüttelte den Kopf. „Mir tut sie leid. Sie muss ein sehr schweres Leben haben."
„Ach, Großmutter muss dir nicht leidtun, Süße." Ein Kellner mit Sidecut stellte vier große Teller, eine Salatschüssel und zwei Töpfe mit Essen von einem kleinen Wagen in die Mitte des Tischs. „Sie ist sehr glücklich hier. Das sind wir alle." Zwischen den matt leuchtenden Tattoos auf seinen Armen fielen die schwarzen Flecken fast gar nicht auf.
Taïr griff sich gleich einen Knochen mit schwarzem Fleisch daran aus einer der beiden Schüsseln.
„Komm schon. Was hab ich dir getan, dass ich diesen Blick verdient habe, Snow? Esse ich der Dame nicht fein genug? Ich hab schon letztes Mal auf mein Fleisch verzichten müssen." Um seine Worte zu unterstreichen, vergrub er seine Zähne im Fleisch, das Fett tropfte auf den Teller, auf dem sich schon eine gelbe Pfütze gebildet hatte.
„Ist etwas zäh, aber wenn du es eine Zeitlang in der Suppe auflöst, löst es sich fast wie Butter vom Knochen", empfahl der Kellner, bevor er sich zurückzog.
Die von Taïr Angesprochene schüttelte den Kopf und stocherte in ihrem Salat herum.
Wolf lachte. „Nimm es nicht persönlich. An ihren angewiderten Blick gewöhnt man sich mit der Zeit."
Das war mehr als nur Ekel, was Taïr da in ihrem Gesicht gesehen hatte. Er stempelte es als Resignation ab, die jeder Arealbewohner mehr oder minder in sich trug. Seine Zähne versanken wieder in dem Stück undefinierbarem Irgendetwas, das man ihnen serviert hatte. Brummend riss er daran, bis er sich einen Bissen erkämpft hatte und die Fasern und Sehnen endlich aufgaben. Das Knacken von Knorpeln war im Folgenden zu hören, bevor er es herunterzwängte und mit einem Schluck trüben Wassers ganz herunterspülte. Ein zufriedenes Seufzen entwich ihm, aber er folgte dem Rat des Kellners und legte das Fleisch fürs Erste in der Suppe ab.
Die drei jungen Frauen am Tisch beäugten Taïr, dann das Essen von allen Seiten. Sie würden erst später etwas zu sich nehmen, aber allzu unglücklich darüber, nur zusehen zu können, wirkten sie nicht.
„Ich glaube, da hat sich gerade etwas bewegt ..." Eine Maskenträgerin beugte sich näher zum Topf mit dem Fleisch, zuckte wieder zurück und bedeckte mit einer Hand die Stelle, an der sich ihr Mund befand. „Das erinnert mich an die Hackfleischviecher."
Die Bemerkung brachte Wolf mitten in der Kaubewegung zum Innehalten. Mit gerunzelter Stirn betrachtete er sein Essen, starrte es nieder und aß weiter.
Mitch hob nach zehn schweigsamen Minuten, in der nur das Knacken des Fleisches und Gemüses sprach, eine Hand und der Kellner kam zurück. „Kann ich helfen?"
„Ich habe ein Zimmer reserviert. Auf den Namen Sunrise."
Waren Reservierungen sonst eher heikel, sollte man in 7 nichts dem Zufall überlassen.
Der Kellner zog einen DIN A5 großen Screen aus seiner Schürze und tippte darauf herum. Langsam, damit die ruckelnde Technik hinterherkam. Nach dem Scan von Mitchs Daumen und fünf Sekunden hatten sich alle Zahlen und Buchstaben an ihrem richtigen Platz manifestiert.
„Ah ja, Sunrise. Die Wohnung ist im Schlafquartier direkt gegenüber, wenn ihr aus dem Eingang rechts hier geht. Sechster Stock, die Tür an der "Hannibal" steht. Keine Sorge, wir haben einen Aufzug."
Taïr war der Einzige, der seine Portion restlos vernichtete und sich noch Nachschlag nahm. Er hatte sich keine Sekunde zurückgelehnt, da stand Mitch schon auf und lief auf den zweiten Ausgang zu.
„Sklaventreiber", brummte Taïr und folgte wie der Rest der Truppe.
Ihr überschüssiges Essen wurde von ihrem Tisch auf einen anderen geräumt, an dem Karten gespielt wurde. Die Männer und Frauen langten sofort zu.
Dann schloss sich die Luftschleuse, ein Wummern war zu hören und ein Lämpchen leuchtete Grün. Per Knopfdruck öffnete sich die Tür und offenbarte einen grauen Platz. 7 erinnerte an einen Schwarzweiß-Film, der allen langsam die Farbe entzog. Helle Flecken auf dem Boden beschäftigten Taïrs Gedanken für eine Weile, doch seine Vermutungen verblassten im Licht des Schlafquartiers. Ein ebenso kopfschmerzenbereitendes Weiß wie im Hauptsaal, das sich in ebenso weißen Fliesen spiegelte. Leichenhaus. Der Lift gegenüber der Eingangstür hatte die perfekte Größe, um drei Särge von Mittelschichtlern und einen von einem Oberschichtler zu transportieren. Kratzer und Dellen zierten sein Metallinneres, der Knopf mit der Nummer drei fehlte. Mitch betätigte die Sechs, doch der Aufzug blieb stumm.
Wolf sank gegen die Wand und schloss die Augen. Eine Maskierte sah aus, als wolle sie es ihm gleichtun, aber wahrscheinlich hielt sie der Ekel davon ab, etwas zu berühren. Stattdessen lehnte sie sich an ihre Freundin.
Mehrmals hintereinander wurde der Knopf eingedrückt, bis er schließlich weiß aufleuchtete und die Maschinerie erwachte. Mitch fuhr sich durch die Haare und starrte auf die Türen, bis der Aufzug hielt und diese sich öffnete. Ein Atemzug verließ seinen Körper und Taïr konnte die Erleichterung nachvollziehen. Er hatte auch kein Interesse daran abzustürzen oder festzusitzen.
Mit Schwung stieß sich Wolf von der Wand ab und glitt an dem zur Seite fahrenden Metall vorbei. „Um was wetten wir, dass es hier sogar noch schlimmer aussieht als in de Absteige in 9?" Das Grinsen, das sein Gesicht erleuchtete, war ein farbenfroher Kontrast zu der Kälte in dem Gebäude.
Fast am Ende des Flurs befand sich "Hannibal", der mit einem Daumenscan geöffnet wurde.
Jetzt war es der Cyborg, der keine Zeit verlor und eintrat, das Gewusel um sich ignorierend, aber immerhin mit einem Auge weiterhin bei der Sache.
Eine der jungen Frauen sah sich im Raum um, schüttelte wieder und wieder den Kopf. „Ich kann hier nicht schlafen. Können wir nicht in den Citer?"
„Bin dafür."
„Ich ebenfalls."
Taïr, der auf der Couch lag, öffnete auch das andere Auge und musterte die drei Frauen, die mit verschränkten Armen im spärlich möblierten Wohnzimmer standen. Eigentlich sollte er sich freuen, dass sie wieder aktiver waren und noch nicht traumatisiert. „Gut zu wissen", murmelte er. „Dann steht es drei zu vier. Für die Wohnung."
„Du bist es vielleicht gewohnt, im Dreck zu schlafen, aber –" Die Doppelgängerin wurde von Mitchs Hand auf ihrer Schulter unterbrochen.
„Hier ist es sicherer als im Citer", meinte der alte Soldat mit ruhiger Stimme. „Es ist nur für ein paar Stunden, dann fahren wir weiter."
Wolf fläzte sich auf einen zerschlissenen Sessel, aus dem weißgelbe Büschel quollen. „Und das dann noch einmal und vielleicht noch einmal und dann sind wir schon in 6."
„Geht einfach nicht duschen", empfahlen Taïr und Mitch gleichzeitig.
„Wieso?", hakte Wolf verwundert ob dieser Einigkeit nach.
Taïr legte sich einen Arm über die Augen. „Weil es in 7 Schimmelarten gibt, die dir den Dreck von der Haut fressen. Und deine Haut gleich mit."
Der junge Soldat lachte, verstummte, lachte dann wieder. „Das ist ein Scherz, oder?"
Taïr warf ihm einen Blick zu.
„Also wisst ihr", setzte Wolf an, „vielleicht bin ich ja auch dafür, im –"
Taïr schleuderte Wolf ein graues Kissen ins Gesicht, von dem beim Aufprall entweder Staub oder Sporen oder beides aufstieg, und brachte ihn damit zum Verstummen. Abgesehen vom folgenden Hustenanfall.
Mit einem schrillen Ton meldete sich die Türklingel. Sieben Augenpaare zuckten in Richtung des aus Metall bestehenden Rechtecks. Projektile hatten im Laufe der Zeit Wunden darin hinterlassen, aber nichts schien es hindurchgeschafft zu haben. Weder von innen noch von außen.
Mitch stand vor der Tür, öffnete sie und starrte in die Mündung einer Waffe. Er packte den Lauf mit der Linken, stieß ihn nach oben, ein Schuss löste sich. Dann hatte er seinen Blaster, presste ihn gegen den von einem schwarzen Schal verdeckten Hals des Angreifers und drückte ab. Eine Sache von Sekunden; das Ausschalten von Gegnern nur ein bloßer Reflex. Taïr beobachtete das Schauspiel neugierig, gewährte Mitch doch erst in der Gefahrensituation einen flüchtigen Blick auf sein volles Potential. Der alte Soldat fing den zuckend zu Boden gehenden Körper auf, schleifte ihn ins Zimmer und knallte die Tür mit dem Fuß wieder zu, bevor er den Kerl fallen ließ. Die schwarze Kapuze rutschte zurück und enthüllte die vernarbten, friedlichen Gesichtszüge eines ergrauten Mittvierzigers.
„Kopfgeldjäger – Klasse B", spuckte Taïrs System nur für ihn sichtbar aus.
„Wir gehen." Mitch sah sich im Raum um, als sich niemand außer Taïr rührte brüllte er: „Sofort!"
Links führte dank des Aufzugs der deutlich kürzere Weg aus dem Gebäude, aber links schälten sich auch die meisten roten, menschenförmigen Flecken aus der bläulicheren Umgebung. Er blinzelte, kniff das echte Auge zusammen, um der Wärmebildkamera seines Künstlichen nicht im Weg zu sein. Sie entschieden sich für die Alternative. Der Flur zur Rechten brachte sie zu einer Tür, die sie wiederum in ein Treppenhaus entlassen würde.
Der Cyborg sah die rotgelbe bewegungslose Silhouette, die sie auf dem ersten Treppenabsatz erwartete.
Mit einer Handbewegung wies er die Anderen an, zu warten, zog seinen Blaster und öffnete die Tür. Er streckte nur den Arm ins Treppenhaus. Die Kugeln prasselten auf sein Metall ein, doch verursachten höchstens kleine Dellen. Sein Blaster glühte hellblau auf, dann sah er durch die Wand, wie die Person zusammensackte.
„Alles klar, weiter geht's."
Er stürmte vorwärts, sprang über das Geländer und rauschte an zwei Stockwerken vorbei. Seine Metallhand schloss sich um die Kante eines Absatzes und er schwang sich wieder auf die Treppe. Dabei riss er einen Typen mit Kurzschwert von den Beinen, zielte mit dem Blaster zwischen seine weit aufgerissenen braunen Augen und drückte ab. Die Stelle begann, sich rötlich zu verfärben. Grob streifte er ihm den Schal von der unteren Hälfte des Gesichts und die Kapuze von den fettigen, schlecht blondierten Haaren. Ebenfalls ein Kopfgeldjäger, dieses Mal nur Klasse C.
Ein Blick nach oben verriet ihm, dass seine Begleiter auf dem Weg zu ihm waren. Aber ebenso, dass sich Feinde auf die Türen zum Treppenhaus zubewegten.
„Beeilt euch!"
Den Angreifer, der vor ihm aus der Tür trat, packte er und bugsierte ihn kurzerhand über das Geländer. Sein Freund hinter ihm bekam einen Blasterschuss zwischen die Augen. Ein Projektil wehrte er mit seinem Metallarm ab, ebenso einen Dolch. Im Kreis ging es weiter, bis es keine Treppen mehr gab.
Sie streiften sich ihre Atemmasken über, rannten nach draußen in den Innenhof und sahen sich zwanzig mit Hieb- und Stichwaffen, aber auch mit Blastern und Gewehren bewaffneten, schwarzgrau verhüllten Gestalten gegenüber. In den Augen, die man sehen konnte, loderte Gier und Zufriedenheit. Das Vieh war in die Falle getrieben worden.
Hinter ihnen trommelten zu viele Schritte auf den Treppen, deutlich zu hören, bevor Snow und Wolf die schwere Eingangstür ins Schloss fallen ließen. Mitch, Taïr und die zwei jungen Soldaten schirmten die Prinzessinnen ab.
Im Gebäude explodierte die von Mitch platzierte Granate. Es rumpelte, die Druckwelle hämmerte mit ihren Fäusten einmal gegen die gesicherten Fenster und die Tür, ließ Glas springen, aber nicht zerbrechen, und Metall sich verbiegen. Rauch und Staub wallten hinter den Scheiben und presste sich unter der Tür durch. Wäre man wieder reingegangen, hätte man eine halb zerstörte Treppe gesehen und das Feuer, das das Einzige fraß, was brennbar war: Die Wandbehänge und ihre Verfolger.
Das Spektakel hatte ihre Gegner draußen nur kurz abgelenkt. Weniger Leute, mit denen sie ihre Belohnung teilen mussten.
Als wären die Wächter der Prinzessin wirklich ein Team, das miteinander trainiert hatte, bauten sie sich vor ihren Schutzbefohlenen auf und bildeten eine Mauer, Blaster im Anschlag.
„Das sieht nicht gut für uns aus, oder?", flüsterte eine der jungen Frauen.
Eine Kugel riss ein Loch in den Brustkorb von einem ihrer Gegner, er wurde nach vorne geschleudert und blieb reglos zu Snows Füßen liegen. Der Boden saugte gierig die rote Flüssigkeit auf.
„Regel Nummer eins: Waffenstillstand!" Großmutter, die aus der Seitentür des Hauptgebäudes gegenüber getreten war, lud die Waffe durch, richtete den langen Lauf aus und drückte erneut ab.
Der Kellner mit dem Sidecut von vorhin stand neben ihr, zwei kleinere Pistolen in den Händen, daneben noch zwei Kellnerinnen mit jeweils einem Blaster der dritten Generation – alte Waffen, die aber ausreichend gut ihre Arbeit erledigten.
Unterstützt wurden sie von drei weiteren Leuten in weißen Schürzen, von denen eine Frau, aus deren Gesicht das Grinsen gar nicht mehr verschwinden wollte, einen ‚Cremator' hielt, der seinem Namen alle Ehre machte. Ein Treffer und der Körper verbrannte von der Stelle ausgehend zu einem Häufchen Asche.
Die menschliche Schutzmauer vor der Prinzessin und ihren Dienerinnen setzte den Angreifern von der anderen Seite aus zu. Blasterschüsse wurden von vier sich an den Rändern überlappenden Kraftfeldern abgefangen, die von ebenso vielen faustgroßen Würfeln am Boden gespeist wurden.
Keine Minute später suchten schon die ersten Angreifer das Weite.
„Das Ding ist ja so cool!" Wolf betrachtete den ‚Cremator' von allen Seiten.
„Find ich auch", stimmte ihm die Besitzerin stolz zu. „Hab ihn auf einem Minenfeld gefunden und repariert."
Mitch und Taïr nahmen bei Aufnahme dieser Information noch zwei Schritte mehr Abstand.
„Ich weiß gar nicht, warum wir nicht solche Dinger haben." Der Soldat sah Mitch fragend an. „Warum hat kein Trupp in 10 so eine krasse Waffe?"
„Weil sie bei Treffern 100 Prozent tödlich sind."
„Und dazu neigen, spontan in die Luft zu fliegen", ergänzte Taïr.
Für eine Sekunde bildeten sich nachdenkliche Falten auf Wolfs Stirn. Dann grinste er die Besitzerin an. „Eine krasse Waffe für eine krasse Frau, was?"
Sowohl Mitch als auch Taïr hoben eine Hand und rieben sich über die Stirn.
„Ich weiß wirklich nicht, ob ich eure Einigkeit gruselig oder ... süß finden soll", überlegte eine der drei jungen Frauen, wofür sie sich einen bösen Blick von dem Cyborg und dem alten Soldaten einfing.
Mitch räusperte sich und wandte sich an Großmutter. „Ich kann gar nicht ausdrücken, wie dankbar wir Ihnen allen sind. Ich weiß nicht, wie wir das wiedergutmachen können."
„Wir haben nicht um Hilfe gebeten." Taïr hob die Schultern.
Die alte Frau brach in Gelächter aus. „Schon gut. Ich bin mir sicher, dass ihr noch einige Asse in den Ärmeln hattet, nicht war, Bürschchen?" Sie klopfte mit ihren Knöcheln auf seinen Metallarm. „Ich wollte nur verhindern, dass ihr hier alles in die Luft jagt. Und den Ruf dieses Ortes, dieser Oase des Friedens, bewahren. Ich musste eingreifen. Pures Eigeninteresse." Jetzt beugte sie sich doch verschwörerisch vor. „Aber wenn ihr auf euren Wegen ein paar schöne Wandteppiche findet und mir zukommen lasst, hätte ich auch nichts dagegen." Sie lehnte sich zurück, nickte zum Haupthaus. „Soll ich euch ein neues Zimmer herrichten? Eines der besseren?"
„Nein." Entschieden schüttelte Mitch den Kopf. „Danke. Aber wir wollen hier niemanden in Gefahr bringen. Und wir würden hier sowieso nicht zur Ruhe kommen können." Letzteres stimmte schon alleine, weil sich die Hälfte ihres Gespanns nicht mit dem Zustand der Zimmer abfinden konnte.
„Ach, wir würden hier nicht leben, wenn wir was gegen Gefahr hätten, nicht wahr Leute?" Großmutter sah fragend in die Runde.
Ihre Angestellten stimmten ihr lautstark zu, standen aufrecht hinter ihr, ein breites Lächeln im Gesicht. Ja, an den düstersten Orten gab es das zähste Unkraut. Glücklicherweise aber ab und an freundliches, das einem nicht die Haut vom Gesicht fressen wollte.
„Wir werden trotzdem weiterfahren", bestimmte Mitch.
Großmutters Augen erfassten die sieben Gäste vor ihr nacheinander, sie spitzte leicht die Lippen. „Ihr werdet mir nich verraten, warum die so scharf auf euch sind, oder? Oh, du kannst dir das entschuldigende Lächeln sparen, Darling." Sie zwinkerte dem alten Soldaten zu.
„Wahrscheinlich weiß sie sowieso, wer wir sind", schaltete sich Wolf ein. „Schaust du denn gar keine Filme, Mitch? Tavernenbesitzer wissen immer, was abgeht."
„Tavernenbesitzer." Die alte Frau lachte erneut, es klang wie das Quietschen einer schlecht geölten Tür. „Dann noch einen Tipp, bevor ihr aufbrecht. Haltet euch von Leuten fern. Irgendwelche Idioten haben den Prototypen einer Waffe geklaut und schmuggeln ihn jetzt durch 7. Und man munkelt, jemand wäre dem Schrottplatz im Westen entkommen." Sie zwinkerte den Maskierten zu. „Für die Begriffsstutzigen: Der Schrottplatz ist ein Hochsicherheitsgefängnis in 7. Das dreckigste Loch, das man sich vorstellen kann, da kommt nur die Crème de la Crème, nein, die merde de la merde rein. Wisst ihr, das letzte Mal, als –"
„Wir sind dir wirklich sehr dankbar, Großmutter, aber wir müssen weiter." Taïr verbeugte sich vor ihr. „Nur noch eine Frage: Weißt du was von einer Frau mit lila Haaren. Moment ..." Sein Auge projizierte das Phantombild, das er erstellt hatte.
Ihre schwarz gefleckte Zunge glitt über ihre spröden Lippen. „Nein, tut mir leid, die sagt mir gar nichts."
Das schwarze Fahrzeug hielt in ein paar Metern Abstand. Der Fahrer wechselte Worte mit den bunten Insassen, dann stieg er aus und kam auf sie zu.
Natürlich freute es sie, ihn zu sehen, aber da war noch mehr. Trauer, vielleicht, oder Scham, wenn sie ehrlich zu sich selbst war. Als könnte sie etwas dafür, dass mit der Zeit eben alles seinen Glanz verlor.
„Hallo Missi, ich dachte mir schon, dass du vorbeischneien würdest." Sie war die Einzige, die Miscellaneous so nennen durfte und genoss es selbst nach all den Jahren noch, zu sehen, wie sein Gesichtsausdruck ein paar Sekunden erstarrte.
„Hallo, Jade." Er schloss sie in seine Arme, vergrub sein Gesicht in ihren grauen Locken und sog tief den Atem ein. „Schön, dich wiederzusehen, Schönheit."
„Schönheit?" Sie wurde rot, wie sie es damals geworden war, als sie ihn kennengelernt hatte, und schalt sich ein dummes Huhn. Tränen sammelten sich in ihren Augenwinkeln. Auch dagegen konnte sie nichts tun. „Ich bin alt geworden. Und du hast dich überhaupt nicht verändert."
Der Elitekämpfer legte seine Hände an ihre Wangen, sanft und kalt, wie immer. „Das Alter macht dich nicht weniger schön." Sein Gesicht hatte nicht das Recht, sie so weich und entwaffnend ehrlich anzusehen. Nur ihm würde sie jemals diese Worte bedingungslos abkaufen. Nicht, weil er niemals log, nein, er konnte lügen, ohne vom besten Lügendetektor der Welt überführt zu werden, und nutzte das gerne aus. Es war nur so, dass er für manche Konzepte, wie beispielsweise Äußerlichkeiten, einfach keinen Sinn hatte.
„Willst du etwas Essen und reden?", fragte sie beiläufig, auch wenn selbst sie die Hoffnung aus ihrer Stimme hören konnte.
Jade folgte seinem Blick, der über die Leichen glitt, die zwischen dem Hauptgebäude und dem Schlafgebäude aufgebahrt lagen. Noch heute würde man sie verbrennen, um nicht unnötig Mutanten auf den Posten hier aufmerksam zu machen. Und den Blutgeruch mussten sie loswerden. Ihr wurde jetzt schon übel bei dem Gedanken an den widerlichen, alles überdeckenden und beißenden Geruch der Bleiche.
Miscellaneous seufzte tief, drehte ihren Kopf mit einem Finger wieder in seine Richtung. „Ich würde gerne mit dir reden, aber ... Tut mir leid. Es sieht so aus, als müsste ich weiter." Seine Lippen strichen über ihre Stirn und ihr Herz machte einen Satz.
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