11.2 ... und von Verfallsdaten:
Als er sich anhand der Geräusche sicher war, dass alle außer einer Person schliefen, öffnete er die Tür, stieg aus und wartete. Kurz darauf war auch eine Prinzessin draußen.
„Was willst du, Casanova?", zischte sie leise.
Sie ließ sich widerstandslos packen und mit sich ziehen, tauchte mit Taïr in den künstlich am Leben gehaltenen Wald ein, auf dessen versteckt liegendem Parkplatz sie den Citer abgestellt hatten. Drei Minuten ging es vorbei an vielen gesunden, aber auch ein paar kranken Bäumen. Rinde mit Rissen, in denen die Fäulnis wütete, Borke, die mitsamt unterer Schichten einfach abfiel, Wucherungen, kahle Äste, angefressene Blätter. Eine Lichtung, grünlich leuchtende Blumen, überdeckt von schwarzen Flecken. Waren sie im Begriff zu gedeihen oder zu sterben – der Cyborg konnte es nicht sagen.
Erst dort jedenfalls, an diesem ungewissen Ort, riss sich Holly mit einem Ruck los. „Was soll das?"
„Du bist sauer", stellte Taïr fest.
Sie schnaubte, hob die Hände. „Wow, sieh an, die berühmten analytischen Fähigkeiten eines Cyborgs! Ich – Du vernachlässigst deine Pflichten. Das muss aufhören, Mitch hat recht."
„Ich hatte lange Zeit Urlaub und hab noch nie Bodyguard gespielt, sorry. Aber ich vernachlässige nicht meine Pflichten." Abwartend sah er sie an. „Was ist wirklich los?"
„Vergiss es einfach. Such dir eine Hure mit der du rumknutschen kannst und ... vergiss es einfach." Sie wollte zurücklaufen, doch er hielt sie am Handgelenk fest.
„Eine Hure mit der ich ...?", murmelte er, noch während ihm ein Licht aufging. „Hat dir die Prinzessin davon erzählt? Oder wer auch immer die Frau war, die von der ‚Hure' fast entführt worden wäre?"
Sie drehte den Kopf weg.
Er runzelte die Stirn. „Sag mal. Bist du eifersüchtig?" Noch nie in seinem Leben war irgendeine Frau eifersüchtig gewesen. Auf eine andere Frau. Wegen ihm.
Holly riss sich los. „Das hat mit Eifersucht nichts zu tun. Was ist da im Hotel passiert? Hat sie dich so beschäftigt, dass du alles andere vergessen hast?"
Das Lachen sprudelte einfach aus ihm heraus.
Holly presste die Lippen zusammen und drehte ihm den Rücken zu. „Das ist so albern", flüsterte sie. „Kannst du das bitte ein bisschen ernster nehmen?"
„Ist das dein Ernst? Da ist überhaupt nichts passiert."
Ihre Schultern zuckten nach oben. „Sie hatte recht. Du bist unzuverlässig. Du bist ein Kriegsveteran, der jetzt etwas Spaß sucht."
Wütende Hitze machte sich in ihm breit, die Belustigung verpuffte. Er konnte sich vorstellen, dass diese Schlangenprinzessin übertrieben und Holly eine spektakuläre Geschichte aufgetischt hatte. „Was hat sie dir erzählt? Hör nicht auf diese Lügnerin. Sie kann mich nicht leiden, das weißt du bestimmt besser als ich. Sie ist eine verwöhnte Göre, die von nichts eine Ahnung hat, weil sie in ihrer eigenen verdammten Über-den-Wolken-Welt lebt. Sie ist –"
Unerwartet ruckartig fuhr sie herum, stieß ihm die Hände vor die Brust. Er bewegte sich keinen Millimeter, spürte den Stoß eher psychisch als physisch. Ihre Finger waren in sein Hemd gekrallt.
„Sie ist die einzige Person, auf die ich mich verlassen kann!" Holly lachte hart auf. „Ich bin so dumm. Denkst du denn, ich habe viel mehr Ahnung von der Welt, als sie? Denkst du denn, ich bin so anders?" Ihre Fäuste zitterten genauso wie ihre Stimme.
„Holly. Du hast bestimmt nichts mit dieser arroganten Prinzessin gemeinsam. Willst du wissen, was passiert ist?" Er beugte sich vor. „Die Frau hat an die Tür geklopft und sich als Zimmerservice vorgestellt. Dann hat sie mich geküsst. Um ins Zimmer zu kommen, um dann die Prinzessin entführen zu können, weil ihr langweilig war oder was weiß ich. Sie hat mich überrumpelt. Es ist überhaupt nichts passiert. Alles andere hat diese Giftspritze hinzugedichtet."
„Sie hat einen Cyborg-Söldner überrumpelt? Komm schon. Ich, sie, irgendeine andere Frau – dir ist das doch im Endeffekt egal, oder? Mach von mir aus, was du willst, aber vergiss nicht, was Priorität hat: Dass du dich nicht von deiner Aufgabe ablenken lässt."
„Reden wir hier über eine Sache oder über zwei? Bezogen auf die Entführung: Klar war das dämlich. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass irgendjemand ein Impuls-Plättchen mit sich herumträgt – die sind instabil und teuer. Was deine Eifersucht betrifft: Es war doch nur ein verdammter Kuss! Bei der Ursuppe. Du hattest recht: Das hier ist albern." Er schüttelte den Kopf, fuhr sich übers Gesicht. „Wenn du so von mir denkst, dann kannst du gehen", fügte er mit rauer Stimme an.
„Nur ein Kuss", murmelte sie. „Ich dachte ... Ich weiß nicht mehr, was ich mir überhaupt gedacht habe."
Ihr Blick bohrte sich in seinen, dann drehte sie sich um und tat genau das, was er gesagt hatte.
Irgendwann waren ihre Schritte selbst mit seinem feineren Gehör nicht mehr wahrnehmbar.
„Scheiße!" Er drosch mit seiner Metallfaust auf den ihm am nächsten stehenden Baum ein. Etwas in seinem Arm klirrte bei jedem Schlag und die Rinde spritzte in alle Richtungen. Als ihm auffiel, dass sich unter einer gesund scheinenden Schicht Holz Verrottung verbarg, ließ er von dem Baum ab. Alles kaputt, in den Arealen genoss nichts mehr eine glückliche Existenz. Er setzte sich auf den Boden, im Schneidersitz, die Hände locker auf den Knien abgelegt, und bemühte sich, seinen aufgewühlten Geist zu beruhigen. Von Anfang an hatte er es gewusst. Beschissener Job. Und dann machte er sich das Leben auch noch schwerer, indem er den Versuch wagte, bei einer Oberschichtlerin zu landen.
Taïr sah sich um. Jetzt musste er sie erst einmal finden, denn natürlich hatte die Frau nicht den Weg zurück zum Parkplatz eingeschlagen und diese Erkenntnis machte ihn mit jeder klaren Sekunde nervöser.
Seufzend richtete er sich auf, fuhr sich durch die Haare und versuchte nachzuvollziehen, für welchen Pfad sie sich entschieden hatte, bevor er sich in Bewegung setzte.
Sie rannte, rannte einfach immer weiter. Doch ihrer Wut konnte sie nicht so einfach entkommen. Wenigstens hielt die dumme Maske die Äste davon ab, ihr das Gesicht zu zerkratzen. Ihre Beine wurden schwer, doch sie spornte sich weiter an. Wahrscheinlich hatte sie sich sowieso schon verlaufen. Etwas schlang sich um ihren rechten Fußknöchel, aber anstatt der Länge nach aufzuschlagen, ließ der Boden auf sich warten. Dafür kam der Aufprall umso härter, nahm ihr alle Luft aus den Lungen. Sie rollte einen Abhang hinunter, überschlug sich und blieb schließlich liegen. Blieb einfach liegen, auf diesem nach Moder, Tod und beißenden Chemikalien duftenden Waldboden. Ihr Kopf dröhnte, ihr tat alles weh und diese verdammte Düsternis machte es auch nicht besser. Ein Schmerzenslaut entwich ihr. Blöde Wolken hatten sich wieder vor den blöden Mond geschoben. Immer diese verfickten Wolken, in dieser verfickten Welt, in der alles den Bach runter ging. Und da lag sie nun, die Prinzessin mit den Luxusproblemen.
Sie hatte übertrieben, das war ihr klar. So, wie ihr wieder vor Augen geführt worden war, dass der Söldner fast nichts über sie wusste. Und sie fast nichts über ihn oder die Welt. Nur ein Kuss. Ja, was hatte sie sich eigentlich gedacht? Dass er der Prinz war, der sie auf seinem weißen Ross retten würde, wie es in den alten Märchen der Fall war? Dies hier ein Abenteuer, an dessen Ende schon alles gut gehen würde? Das war kindisch und dumm. Jetzt, da ihre lodernde Wut verrauchte, blieb in ihrer Asche etwas anderes zurück. Tief in ihr hatte die Angst ein Versteck gefunden und sich eingenistet. Angst. Davor, dass Hoffnungen und Illusionen, wie sie viele Menschen errichteten, um weiterleben zu können, zu Staub zerfielen. Davor, mehr zu erfahren als sie ertragen konnte. Und davor, diese Reise nicht zu überleben. Sie fröstelte, dabei war es gar nicht kalt.
Rechts oben raschelte das Unterholz, sie hielt die Luft an, lag reglos. Zitterte erneut ein paar Sekunden. Erst jetzt fiel ihr auf, dass der Abhang, den sie heruntergefallen war, einen sanften Trichter bildete.
„Taïr?", flüsterte sie schließlich, schluckte hart. „Bist du das?"
Keine Antwort, nur das Rascheln von Laub.
„D...das ist nicht witzig."
Keine Antwort. Weiteres Rascheln. Kleine Steinchen rollten den Abhang herab.
Ihr Atem beschleunigte sich und das Adrenalin half ihr wieder auf die Beine.
„Wer ist da? Komm raus oder ..." Ihr fiel keine Drohung ein, war ihr Gehirn zu sehr damit beschäftigt, Reaktionen auf mögliche Gefahren abzurufen. Die Finger an der Hüfte sah sie sich um.
Keine Antwort. Kein Rascheln.
Eine Hand zog ihr die Maske weg, während sich eine andere auf ihren Mund legte. Sie zuckte zusammen, ihr schriller Schrei wurde durch die warme Haut beträchtlich gedämpft. Wie automatisch war ihr Arm nach oben geschnellt, ihre Finger drückten die Schneide des Dolchs gegen eine Kehle, spürten, wie ihr Angreifer schluckte.
„Gut gemacht. Erstichst du mich bitte nicht?" Taïr drehte sie um, gerade, als der Mond hinter den Wolken hervorkam, um sich in seinem menschlichen Auge zu spiegeln. Sein Cyborg-Auge glühte wie immer von alleine. Jetzt hielt er ihre Handgelenke fest umschlossen.
„Schrottkiste! Du bist so ein Idiot! Du hast mich zu Tode erschreckt!" Verärgert, aber auch erleichtert, dass er es war und nicht irgendein wildes Tier oder ein Verrückter, versuchte sie, sich aus seinem Griff zu winden.
„Alles in Ordnung?", fragte er.
Nach einem tiefen Atemzug gab sie es auf, von ihm wegkommen zu wollen, war zu müde und nickte schlicht. „Ja. Nichts passiert. Nur etwas schwindelig. Und meine Schulter tut weh. Aber es ist nicht so schlimm." Zum Beweis streckte sie die linke Hand in die Luft und ließ den Arm kreisen.
Seine Finger fuhren durch ihre Haare und pflückten kleine Blätter und Ästchen heraus. „Ich hätte dich niemals alleine durch den Wald gehen lassen dürfen, sorry."
Sie sah zu Boden. „Ach quatsch. Ich bin diejenige, die so kopflos herumgerannt ist. Ich war einfach nur ..."
„Eifersüchtig", half Taïr ihr aus.
„Ich ... War nicht eifersüchtig. Wir kennen uns doch kaum. Es ist nur ..."
„Schön, dich wiederzusehen." Er schmunzelte, sein Blick glitt an ihrem Körper auf und ab. „Und wiederzuhören."
Mit einem undefinierbaren Brummen sah sie zu ihm auf. „Würden Sie mich jetzt freundlicherweise wieder loslassen, Mr. Alphanychi?" Denn seine Hände waren auf ihren Schultern liegen geblieben, nachdem er die Rettung ihrer Frisur aufgegeben hatte.
„Hmmmmm. Ich weiß nicht. Ähm ... ich glaube eher nicht. Schon vergessen? Ich liebe es, mit dir zu spielen und dich zu etwas zu zwingen, das du nicht willst."
„Taïr ..."
„Warum klingst du eigentlich immer so vorwurfsvoll, wenn du meinen Namen sagst?"
Holly sank gegen den Cyborg, der zu hart war, um bequem zu sein, aber wenigstens präsent und menschlich. „Es tut mir leid. Ich hab vielleicht ein bisschen überreagiert. Aber, ganz ehrlich ..."
Sein Schnauben strich über ihre Haare. „Ich hätte nicht mit ihr geschlafen. Wenn du nicht wärst, dann ja. Und wenn sie eine wirkliche Hure gewesen wäre. Holly ... Ja, ich hatte schon ein paar Partnerinnen. Und noch mehr Huren und One-Night-Stands. Aber ich ..."
„Das war mein erster Kuss, es war nicht nichts! Für mich nicht ..." Holly lachte an seiner Brust. „Tut mir leid. Ich bin kitschig, oder? Und ich bin todmüde, wir sollten zurückgehen."
„ ... aber ich wusste bei allen, dass es nicht auf Dauer war."
„Jetzt bist du kitschig." Ein bitteres Lachen erfüllte die Luft. „Und das hier ist von Dauer?"
„Vielleicht. Vielleicht nicht. Ich will dich kennenlernen. Und ich will ..." Er überlegte kurz, sie spürte sein Nicken. „Und ich will dir helfen, etwas Spaß zu haben, bevor du wirklich für den Rest deines Lebens in 1 festhängst. Und wenn ich meinen Job erfüllt habe und wir uns am Ende dieser Reise immer noch verstehen, und du es willst, nehme ich dich einfach mit. Egal, was die Prinzessin sagt. Dann entführe ich dich eben zur Not. Wir haben beide ein Recht, unser Leben so zu gestalten, wie wir es wollen, oder?"
Als sie zu ihm aufsah, beugte er sich herunter, doch sie wich entschieden zurück.
„Es tut mir leid", murmelte sie und hörte selbst die bodenlose Trauer in ihrer Stimme.
Er kam ihr nach. „Holly, warte –"
„Nein, Taïr, ich –" Mit einem letzten Schritt trat sie zum zweiten Mal in dieser Nacht ins Leere. Nur dieses Mal war Taïr da, der sie an ihrer Jacke zu fassen bekam und an sich zog.
„Nein? Ich denke nicht, dass du das Loch da erkunden willst, eh? Komm, gehen wir."
Er war ein anständiger Mann. Auf eine andere Art, als die ganzen reichen Adeligen, die sie kannte. Würde er sie hassen, wenn er wusste, wer sie wirklich war? Würde er Holly oder Willow in einem anderen Licht sehen?
Mit gerunzelter Stirn drehte sie sich in seinen Armen, um festzustellen, dass sie am Rand einer einen Meter breiten, dunklen Öffnung im Boden stand.
Sie holte Luft, um eine Frage zu stellen, da erzitterte die Erde unter ihren Füßen und gab nach. Eine Millisekunde schwebte sie, dann fiel sie ins Nichts, durch hauchzarte, kühle Fäden, bevor sie abrupt wieder anhielt. Schmerz schoss durch ihr linkes Handgelenk den Arm hoch, wo der Cyborg sie gepackt hatte. Sie heulte auf, das Echo grub sich in die Erde. Seine metallene Linke glänzte über ihr im Mondlicht, krallte sich an einer der Wurzeln fest, die das Erdreich durchzogen. Und noch etwas war da an den Wänden: Helle Fäden.
„Kannst du an mir hochklettern?", wollte Taïr wissen. „Klettere auf meinen Rücken. Ich brauche beide Hände."
„Ich kann es versuchen." Holly bohrte ihre Schuhe in die Erde, direkt über einer breiten Wurzel, und fand tatsächlich Halt, ebenso wie ihre Hand eines der pflanzlichen Organe zu fassen bekam. Seidige Spinnweben blieben kleben, wo sie sie berührte. Zwar waren es ungewöhnlich dicke Stränge, aber nicht reißfest genug, um sie festzuhalten. Holly zog sich Stück für Stück weiter nach oben, gesichert durch Taïrs Griff. Ein Sprung zur Seite, dann umfasste sie seinen Hals und hatte ihre Beine um ihn geschlungen.
Erleichterung durchflutete sie, brachte sie zum Zittern und ihr Herz fast zum Explodieren. Die klickenden Geräusche unter ihr in der Dunkelheit ließen ihr Herz dafür fast stillstehen.
„Was ist das hier überhaupt?" Worte, die kaum hörbar ihren Mund verließen.
„Die Höhle einer Spinne", stieß er aus, während er sich behände nach oben hangelte, fast so, als wäre er selbst eines dieser Insekten, die mit Leichtigkeit Wände erklommen. „Wir sollten hier wahrscheinlich schleunigst weg."
„Ich dachte, in 9 gibt es keine Giftspinnen."
„Trotzdem willst du keiner nicht-giftigen Spinne begegnen, die einen Eingang von über einem Meter Durchmesser benötigt, oder?"
„Ist das dein Scheißernst?"
Acht handtellergroße, kugelrunde, wie Spiegel glänzende Augen unter ihnen waren Antwort genug. Unterarmdicke Kieferklauen klickten und ein haariges Bein schob sich langsam nach oben.
„T-taïr?!"
Ein weiteres Bein war zu sehen, gerade, als Taïr sie über den Rand wuchtete. Er zog die junge Frau sofort weiter, den Abhang hoch, und ließ etwas fallen, das den Weg wieder herunterkullerte. Hinter ihnen explodierte eine Blendgranate, die Druckwelle traf sie unvorbereitet und sie taumelte nach vorn. Ein schrilles Kreischen echote durch den Wald. Holly hatte zwar nicht sehr viel Erfahrung mit Spinnen, aber sie wusste, dass sie eigentlich nicht solche Geräusche ausstießen. Weiter und weiter schleifte der Cyborg sie, unnachgiebig – egal, ob ihr Äste ins Gesicht schlugen oder sie in der Dunkelheit über etwas stolperte – bis sie den Rand des Parkplatzes erreichten.
„Ist alles in Ordnung?" Taïr musterte sie von oben bis unten.
Es wäre gelogen, wenn man sagen würde, Holly brachte keinen Ton mehr heraus. Ihr nach Luft japsen vermischte sich mit Gelächter, Tränen rannen über ihr Gesicht. Langsam glitt sie zu Boden. „Was für ein Irrsinn", keuchte sie schließlich. „Bei den Arealen ... Ja. Mir geht es gut. Danke. Und dir?"
Nicht überzeugt blickte er auf sie herab, bevor er sich neben ihr niederließ. „Mir auch."
„Denkst du nicht, sie wird uns verfolgen?"
Seine Mundwinkel zuckten, er schüttelte den Kopf. „Nein", meinte er leichthin. „Das war doch nur eine mutierte Hausspinne. Die hat viel mehr Angst vor dir, als du vor ihr."
„Wieso sind wir dann geflohen? Fandest du es lustig, dass –?"
Er schnalzte mit der Zunge. „Weil man in so einer Welt eben nie weiß und ich lieber auf Nummer sicher gehe. Wenn du in ihr Loch fällst, dich in ihrem Netz verhedderst und auf dem Silbertablett servierst, wird sie auch zu dir nicht nein sagen."
Einige Zeit herrschte Stille, in der sie in den dunklen Wald lauschte und hoffte, dass ihnen dieser Albtraum wirklich nicht gefolgt war.
„Holly? Kannst du mir einen Gefallen tun?"
„Welchen?"
„Nenn mich bitte nie wieder Alphanychi. Das ist kein Name, sondern eine Nummer. Ich will mit dieser Nummer nichts mehr zu tun haben."
„Versprochen." Sie wollte mehr über ihn wissen und doch bekam sie den Mund nicht auf. Durfte jemand wie sie nach seiner Vergangenheit fragen? Sie würde es letzten Endes sowieso nicht verstehen. Es wäre so fern, wie die ganzen Grausamkeiten dieser Welt, von denen sie gleichzeitig wusste und doch nichts wusste. Ihre Schultern sackten herab.
Er gab ihr ihre Maske zurück, das Zeichen, dass es Zeit war, in ihre Welt zurückzukehren.
„Altaïr?", flüsterte sie in die Finsternis. Ihre Finger spielten mit den Nähten des waagerechten Autositzes.
„Hm?"
Sie rollte herum, bis sie nah an ihm lag. „Wenn es dir nichts ausmacht?"
„Wenn es mir ... ? Ernsthaft, ich werd' aus dir nich schlau." Er rutschte das restliche Stück heran, schlang die Arme um sie.
Egal. Egal, dass sie selbstsüchtig war. Egal, dass er einer der Gründe für ihre Zerrissenheit war. Bei ihm fühlte sie sich wohl und geborgen. Sie wusste, dass sie es ihm nicht gerade einfach machte. Und sie wusste, dass ihnen die Zeit davonlief, dass auch diese Beziehung, oder was auch immer das war, ein Verfallsdatum hatte, welches sich zwar nicht fest definieren ließ, das aber dennoch sicher feststand.
Die kleine Prinzessin mit ihren Luxusproblemen hatte sich versprochen, diese Reise zu genießen. Und das würde sie tun.
„Unser Gast aus 9 will dich sehen, meine Liebe", sprach der zweite Löwe des Hauses, der Ranghöhere.
„Ich will ihn nicht sehen."
„9 ist wichtig für uns, wir sollten es uns mit ihnen nicht verscherzen. Obwohl ich zugeben muss, dass er ein unangenehmer Mann ist. Meinte doch tatsächlich, wir müssten sowieso die Population aufstocken. Das mag zwar stimmen, aber dafür werden wir bestimmt nicht solch minderwertiges Öl wie seines benutzen. Wenn wir Omegas Geburtenplan folgen, kommen wir mit den Menschen aus, die wir hier haben und –"
Die Holztür fiel hinter ihr ins Schloss und sperrte seine Stimme im Raum ein. Wenn sie die Nacht überstehen wollte, konnte sie sich nicht auch noch sein verdrehtes Geschwafel anhören.
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