Kapitel 32 - Vermutung
Nachdem Sam und ich uns gestern ausgesprochen haben, ist der restliche Tag ebenfalls gut gelaufen. Louis habe ich leider nicht mehr gesehen. Deswegen hoffe ich, dass ich ihn heute im Deutschunterricht wieder sehe, denn ich würde gerne mit ihm sprechen.
Und als Louis tatsächlich den Kursraum betritt, kann ich nicht anders, als zu lächeln. Sein verwirrter Blick liegt auf mir, doch das kann ich nachvollziehen. Schließlich bin ich am Montag schlecht gelaunt von ihm abgehauen. Wahrscheinlich hat er damit gerechnet, dass ich ihn ignoriere.
Als Frau Dropew als nächste den Raum betritt, weiß ich, dass das Gespräch warten muss. Ich werde ihn einfach nach der Stunde abfangen, denn dann haben wir Pause.
Aus dem Grund kann ich mich die restliche Stunde nicht konzentrieren. Immer wieder hoffe ich, dass meine Theorie richtig ist.
Und als die Stunde endlich vorbei ist, laufe ich Louis schnell hinterher und hole ihn auf den Treppen ein.
»Hey.« Ich lächele ihm zu.
»Alles gut?«, hinterfragt er sicherheitshalber und schaut mich von der Seite komisch an.
Sofort muss ich schmunzeln. »Alles bestens. Hast du kurz Zeit, um zu reden?«
Louis seufzt. »Ich weiß, dass ich mich am Montag nicht richtig verhalten habe. Tut mir leid.«
»Das stimmt, aber ich habe auch übertrieben. Doch darüber will ich nicht reden«, erkläre ich, als wir den Weg zur Cafeteria ansteuern.
»Okay, worüber dann?«
»Komm wir setzen uns erstmal hin.« Ich zeige auf den kleinen freien Tisch und lasse mich dann auf dem Stuhl niederfallen.
»Weißt du, ich habe mich immer gefragt, warum du mich nicht leiden kannst. Von der ersten Minute an warst du gemein zu mir«, beginne ich und schaue mich kurz um.
Die anderen sitzen bereits alle versammelt an einem der größeren Tische. Doch zuerst möchte ich alleine mit Louis reden und die Sache zwischen uns klären. Ich möchte nicht, dass wir weiterhin mit Wörtern um uns werfen, die einen verletzen können.
»Ich weiß jetzt, warum du das getan hast.«
Seine Augen werden groß und er sieht mich ertappt an. Es gibt also tatsächlich einen Grund, sonst würde er nicht so geschockt reagieren. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich richtig liege, also spreche ich meine Vermutung einfach aus.
»Und zwar wegen Sam.«
»Woher weißt du das?«, krächzt er geschockt heraus und vermeidet plötzlich den Augenkontakt zu mir.
»Ich habe mit Sam gesprochen. Er hat mir gesagt, dass ihr schon immer sehr gute Freunde wart. Deswegen verstehe ich auch, dass du ihn nicht verlieren möchtest. Aber du solltest wissen, dass ich dir deinen besten Freund niemals wegnehmen würde«, erkläre ich sanft und hoffe, dass Louis nicht aus der Haut fährt.
»Was?« Verwirrt sieht er mich an.
»Na du weißt schon, du hast mich so gehasst, weil du dachtest, ich nehme dir deinen besten Freund weg. So ist es doch, oder etwa nicht?«
Vielleicht ist es doch nur eine Theorie meinerseits. Vielleicht stimmt es gar nicht.
»Ähh..«, stammelt er und kratzt sich verlegen am Kopf.
»Was ist denn? Stimmt das doch nicht?«, hinterfrage ich sofort verwirrt.
»Doch... äh.. also ja klar. Das... ja... das stimmt«, stammelt er herum.
Aus irgendeinem Grund kann ich ihm nicht richtig glauben. Vielleicht ist es tatsächlich eine große Lüge, die er mir auftischt. Aber warum sollte er lügen? Das macht doch keinen Sinn. Wenn das alles nämlich nur eine Vermutung ist und nicht der Wahrheit entspricht, dann kann er das doch sagen.
Trotz meiner Bedenken, lächele ich, da ich hoffe, dass ich mich mit meinem Bauchgefühl täusche. »Gut, dann weißt du jetzt, dass es nicht so ist. Übrigens ist die Sache zwischen mir und Sam sowieso vorbei, falls da überhaupt mal etwas war.«
»Echt?«, fragt Louis erstaunt. »Ich dachte, du magst ihn.«
»Ja, ich mag ihn, aber es ist nur freundschaftlich«, gestehe ich und bin froh, dass auch Louis es jetzt weiß. Vielleicht verstehen wir uns nun besser.
»Oh, ich dachte immer-«
»Ja, das dachte ich auch«, unterbreche ich ihn, weil ich genau weiß, was er sagen will. »Aber ich habe mich getäuscht. Ich hege keine Gefühle für Sam und er auch nicht für mich. Wir haben uns gestern ausgesprochen. Wir sind nur Freunde.«
»Oh, okay.« Seine dunklen Augen strahlen mich an und wieder präsentiert er das schöne Lächeln, welches ich bereits vermisst habe.
»Also, Waffenstillstand?«, grinse ich und reiche ihm meine Hand.
Louis nickt grinsend und reicht mir seine Hand. »Einverstanden.«
Und in dem Moment halte ich seine Hand für eine Weile länger, einfach weil mein Herz so schnell schlägt und ich das berauschende Gefühl für einen Augenblick länger spüren möchte.
»Ach, es gibt da noch etwas, was ich dich fragen wollte.« Louis holt sein Handy aus der Tasche und lächelt mich an. »Kannst du mir deine Nummer geben, damit wir den anderen wegen dem Aufsatz immer erreichen können?«
Ich grinse ihn an und nehme sein Handy entgegen. Kurzerhand ist meine Nummer in seinen Kontakten gespeichert und direkt danach hat Louis mir eine Nachricht geschrieben, damit ich nun auch seine Nummer habe.
Auch, wenn meine Gefühle verrückt spielen und ich am liebsten die ganze Pause mit ihm alleine verbracht hätte, so stehen wir kurze Zeit später doch auf und gesellen uns zu den anderen an den Tisch.
Wir werden mit einem Lächeln von allen begrüßt und ich sehe zufrieden zu Sam, der wahrscheinlich weiß, worüber ich mit ihm gesprochen habe. Und in dem kleinen Moment ist wirklich alles perfekt.
»Wer hätte das gedacht?«, gibt Florian erstaunt von sich. »Dass ihr zwei euch mal versteht, hätte ich nie für möglich gehalten.«
»Dann bist du wohl doch nicht so schlau, wie du immer vorgibst zu sein«, necke ich den blondhaarigen grinsend.
»Doch, dein niedriger IQ lässt es nur nicht zu, dass du es erkennst«, kontert er, böse wie er ist.
»Da verstehe ich mich eine Minute mit Louis und schon kommt der nächste, der mich ärgert«, gebe ich beleidigt von mir und verschränke die Arme vor der Brust.
»Oh, Maja, sei nicht traurig«, tröstet Florian mich und legt seinen Arm um mich. »Nicht jeder kann klug sein.«
»Dafür gibt es aber ziemlich viele Dummköpfe, die behaupten es zu sein.«
Florian zieht seinen Arm zurück. »Was soll das denn heißen?«
»Wenn du klug wärst, dann wüsstest du es«, schmunzele ich und bringe Florian damit zum lachen.
»Na schön, na schön, diese Runde geht an dich«, gibt er grinsend auf.
Ich lächele teuflisch und spüre sofort, wie das Karma mich in der nächsten Sekunde erreicht hat, als ein Papierkügelchen mitten in mein Gesicht fliegt. Ich zucke sofort erschrocken zusammen und ein Kreischen entweicht meiner Kehle, während ich jemanden lachen höre.
»Warst du das?«, frage ich an Sam gerichtet, der mich schadenfroh ansieht.
»Ich habe doch gesagt, dass meine Rache kommt, wenn du es am wenigsten erwartest«, schmunzelt er.
»Das war ja richtig unfair«, jammere ich und suche sofort nach einem Stück Papier.
»Ich habe nie behauptet, dass ich fair spiele«, gesteht er grinsend.
»Du solltest dich schämen.« Ich sehe ihn empört an, auch wenn ich nicht verhindern kann, dass sich das Lächeln auf meine Lippen schleicht.
Denn ich genieße diesen unbeschwerten Moment so sehr, wie ich nur kann.
***
Als ich nach Hause komme, weiß ich, dass die Stimmung hier nicht so gelassen sein wird. Der Grund dafür ist Ida, denn ich möchte ansprechen, was sie selber vorgeschlagen hat. Sie braucht Hilfe, das wissen wir alle.
»Ich würde euch gerne etwas fragen«, fange ich an, als ich die Küche betrete und sehe wie meine Eltern ihren Blick heben, um mich anzuschauen.
»Was ist denn los, Schatz?«, möchte meine Mutter besorgt wissen und sieht von ihrer Zeitung auf. Auch mein Vater sieht mich skeptisch an.
»Hat Ida euch erzählt, was passiert ist?«, hinterfrage ich und beide nicken sofort.
»Ja, es ist wirklich schrecklich.«
»Ich weiß nicht, was ihr von dem Vorschlag halten werdet, aber ich finde wir sollten Ida Hilfe holen. Das hat sie selber gesagt. Sie braucht einfach jemanden zum Reden, zum Beispiel einen Psychotherapeuten.«
»Ida hat das selber vorgeschlagen?«, möchte mein Papa nun wissen und ich nicke ihm zu.
»Wenn das so ist, dann würden wir sie gerne dabei unterstützen«, erwidert meine Mutter und ich sehe lächelnd zu ihr.
»Das ist super«, meine ich euphorisch. »Wir sollten Ida holen und mit ihr darüber reden.«
Meine Eltern nicken und ich sprinte die Treppen nach oben, fühle mich kurz, als wenn ich fliegen würde und weiß genau, dass Ida erleichtert sein wird. Dass alles wieder besser wird und in dem Moment freue ich mich so sehr, dass ich gleich wieder anfange zu strahlen. Endlich fängt alles an wieder gut zu werden.
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Das nächste Kapitel kommt am Mittwoch (:
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