Kapitel 2 - Auspuffbumser
Es ist Freitag Nachmittag und ich sitze hibbelig auf der Tribüne, während ich meinen Blick durch die Menge schweifen lasse.
Die Fußballsaison in unserer Stadt hat wieder angefangen. Und da ich weiß, dass Sam auch hier sein wird, kann ich mir die Chance natürlich nicht entgehen lassen.
Zwar spielt er kein Fußball, aber Jonas, einer meiner Freunde, befindet sich in der Mannschaft, weswegen meine Clique und ich heute ebenfalls anwesend sind. Sprich, Sam ist tatsächlich nicht der einzige Grund, warum ich hier bin.
Lina scheint im Gegensatz zu mir die absolute Ruhe zu bewahren, während sie mit ihren langen Nägeln gerade eine Nachricht tippt. Normalerweise beruhigt mich das Geräusch, aber jetzt macht es mich nur noch nervöser.
Hoffentlich wird Jonas heute gewinnen, denn er hat sich gestern erst bei uns beschwert, dass er so hart, wie noch nie trainiert hat. Da Louis, der beste Freund von Sam, auch in dem gleichen Team ist, erscheint Sam jedes Mal bei den Fußballspielen.
»Guck' nach rechts«, höre ich Lina neben mir flüstern und augenblicklich drehe ich meinen Kopf.
Sam setzt sich ein paar Plätze neben uns auf die Bank und schaut auf das Feld. Am liebsten würde ich ihn auch auf dem Feld sehen, allerdings spielt er kein Fußball. Was ich wirklich sehr schade finde, aber immerhin taucht er zu den Spielen auf. So habe ich wenigstens irgendwie das Gefühl ihn auch außerhalb der Schule sehen zu können.
»Es fängt an«, reißt mich die Stimme von Alex aus meinen Gedanken, welcher neben mir sitzt und einer meiner engsten Freunde ist. »Wehe der Idiot gewinnt das Ding nicht.«
Schmunzelnd sehe ich zu dem schwarzhaarigen, da ich mir genau das gleiche gedacht habe.
***
Nach 45 Minuten sieht es so aus, als wenn unsere Mannschaft gewinnen wird. Es steht 2:0 für uns und somit sind die meisten zuversichtlich gestimmt, als der Ton zur Pause erklingt.
»Also wer will ein Eis am Stiel?«, frage ich in die Runde, als ich von der Bank aufstehe und alle ansehe, die draußen auf der kleinen Tribühne sitzen.
Bei den Fußballspielen gibt es nämlich immer einen Eiswagen der das ganze Spiel über auf dem Parkplatz parkt und Eis verkauft. Wir holen uns immer ein Eis am Stiel, das hier für einen Euro verkauft wird.
Mit meiner Clique habe ich schon gerechnet, doch dass noch weitere zehn Leute aufzeigen, eher weniger.
»So viele?« Ich will gerade anfangen zu zählen, als ich unterbrochen werde.
»Ich helfe dir«, bietet Sam mir an und im ersten Moment denke ich, dass ich mir das nur eingebildet habe.
Doch er steht auf und stellt sich neben mich. Dann fängt er an die Leute zu zählen, während ich etwas sprachlos neben ihm stehe. »18«, lächelt er und dreht sich wieder zu mir.
Bevor Sam und ich uns also auf dem Weg zum Eiswagen machen, sammeln wir noch von jedem 1€ ein. Auf dem Weg zum Wagen sagt keiner ein Wort und irgendwie bin ich immer noch verwirrt darüber, dass er mir einfach so geholfen hat.
Wir schnappen uns 18 Mal das gleiche Eis für einen Euro und bezahlen dann anschließend.
»Das ist wirklich lieb von dir«, fange ich ein Gespräch an, während wir noch am Auto stehen und auf unser Eis warten.
Sam lächelt. »Das habe ich gerne gemacht.«
»Was hast du gerne gemacht?«, will Louis von ihm wissen, als er plötzlich hinter Sam auftaucht.
»Alter, was machst du hier? Solltest du nicht drinnen sein und deine Pause genießen?«, lenkt Sam vom Thema ab.
»Das tue ich auch. Ich wollte mir ein Eis holen«, erwidert er und sieht dann zu mir rüber. »Und wer ist die Kleine? Wieder eine von deinen dummen Weibern, die du nach zwei Wochen fallen lässt? Besonders hübsch ist sie ja nicht.«
Wie bitte? Eine von seinen Weibern? Und auch noch dumm und hässlich?! Was fällt dem eigentlich ein?
»Was hat der Hodenkopf gerade gesagt?«, wende ich mich beleidigt an Sam.
Wirklich unfassbar! Wie kann Sam mit so einem Typen befreundet sein?
»Alter, hat die ihre Tage?«, flüstert Louis Sam zu und schaut mich verwundert an.
»Und hast du zu viel Toilettenwasser gesoffen, sodass dein Gehirn nicht mehr funktioniert?!«
Wirklich unfassbar, dass ich vor einigen Tagen noch gedacht habe, dass ich mich mit ihm anfreunden kann, um Sam näher zu kommen.
»Was bist du denn für ein Satansbraten, alter?!« Louis sieht mich genervt an.
»Und was bist du für ein hirnamputierter Auspuffbumser!?«, schreie ich schon fast.
»Leute! Kommt mal runter!«, mischt Sam sich ein. »Louis ruh' dich mal etwas aus, bevor das Spiel weiter geht. Und wir zwei gehen jetzt und verteilen das Eis, bevor es noch schmilzt.«
Sam und ich nehmen uns das Eis vom Tresen und drehen uns um, während wir Louis mit seinen Aggressionen alleine lassen. Vollidiot.
»Was war das denn? Kennt ihr euch?«, hinterfragt Sam erstaunt.
»Nein, und jetzt will ich ihn auch ganz sicher nicht mehr kennenlernen«, gebe ich beleidigt von mir und schmolle wie ein bockiges Kind.
»Das war gerade auch irgendwie neu für mich. Eigentlich ist Louis immer ziemlich cool drauf.« Sam sieht in die Ferne und fährt sich durch die Haare, die ich unbedingt einmal anfassen möchte.
»Ah ja, verstehe.«
Ich verstehe hier absolut gar nichts.
Wie kann er mit so einem Deppen befreundet sein? Okay, ich bin vielleicht auch nicht ganz unschuldig und habe mich kindisch verhalten, aber trotzdem ist sein Freund ein dummer Abflusssäufer, der mich sofort verurteilt hat. So ein Idiot.
Da Sam die Situation anscheinend unangenehm ist, versucht er mich auf den Rückweg wieder abzulenken. Und ich muss sagen, das klappt ganz gut, denn Sekunden später habe ich den Vorfall wieder vergessen, da Sam mich zum lachen bringt. Danach kommen wir endlich bei den anderen an und verteilen das Eis noch rechtzeitig, bevor das Spiel anfängt.
»Willst du mir vielleicht Gesellschaft leisten?«, schlägt Sam vor und sieht mich abwartend an.
Ich blicke zu Lina und den anderen, die mich verwirrt anschauen und dann nicke ich ihm zu. Linas amüsierter Blick entgeht mir natürlich nicht und deswegen setze ich mich erst Recht mit einem breiten Grinsen neben Sam.
»Du heißt also Maja, richtig? Ich bin übrigens Sam.«
Ach süß. Das weiß ich schon ziemlich lange, denke ich und versuche nicht rot zu werden.
»Freut mich dich kennenzulernen, Sam.«
Ich spüre, wie laut mein Herz in meiner Brust pocht. Und da gibt es noch etwas, das ich spüre: Veränderungen. Genau das, was ich so dringend wollte. Und genau das spüre ich mit jeder Faser meines Körpers, während ich ihn ansehe und nicht glauben kann, dass er tatsächlich mit mir spricht.
»Gleichfalls«, lächelt er. »Wie läufts übrigens mit deiner Mascara?«
Ich grinse ihn verlegen an. »Du meinst die für 50 Euro?«
»Genau.« Er nickt lachend, während ihm eine seiner Locken ins Gesicht fällt. Kann jemand eigentlich noch schöner sein, als er in dem Moment?
»Ganz gut eigentlich. Bis jetzt kann ich mich nicht beschweren.«
Na schön, vielleicht war der Start mit meiner Familie ein bisschen blöd, aber was wissen die denn schön über Mascara? Anscheinend nichts. Aber ansonsten kann ich mich nicht beklagen.
»Und wieso hast du die eigentlich gekauft? Sind die immer so teuer, oder hab' ich einfach keinen Plan?«, fragt er nach und schmunzelt.
Irgendwie gefällt es mir, dass es direkt Interesse zeigt und nachfragt. Das lässt mich direkt denken, dass er sich wirklich mit mir unterhalten will. Mit mir! Und nicht mit einem anderen Mädchen.
»Du hast keinen Plan«, erwidere ich ehrlich und grinse. »Die kosten normalerweise so zwischen einem und fünfzehn Euro, in dem Bereich findet man eigentlich fast alles an Wimperntusche.«
»Und warum hast du dann so eine verdammt teure gekauft?«, will Sam wissen.
Gute Frage. Ich wollte einfach, dass meine Augen mehr strahlen. Ich wollte schöner aussehen. Und viel wichtiger: ich wollte endlich mal etwas neues ausprobieren. Seit Ewigkeiten benutze ich nur die gleichen Produkte und doch habe ich mich nie getraut aus meiner Komfortzone herauszukommen. Auch wenn es hier nur ums Make-up geht. Es ist wenigsten ein Schritt in die richtige Richtung gewesen. Doch das würde Sam wahrscheinlich nicht verstehen. Ich würde ihn bestimmt verschrecken, wenn er herausfindet, dass ich so auf mein Aussehen fixiert bin, dass ich schon 50 Euro für eine Mascara ausgebe.
»Manchmal mache ich einfach Dinge, die andere nicht verstehen«, gebe ich daher geheimnisvoll von mir und schaue dann wieder zum Spielfeld, da das Spiel in weniger als einer Minute weiter geht.
Doch ich spüre, wie Sam mich noch eine Weile lang anlächelt und das lässt mein Herz so schnell schlagen, dass es sich bis zum Ende des Spiels auch nicht mehr beruhigt.
Und auch dann nicht, als unsere Mannschaft gewonnen hat, wir alle jubelnd von unseren Plätzen aufstehen und Sam und ich uns glücklich anstrahlen.
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Seid ihr eigentlich ein Fußballfan, oder eher nicht? Wenn ja, von welcher Mannschaft? Vielleicht findet ihr ja Verbündete in den Kommentaren 😂
Ich persönlich schaue kein Fußball und interessiere mich auch nicht wirklich dafür 🤷🏻♀️
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