Anschiss von ganz oben
Ein paar Wochen waren vergangen, in denen sich die Avengers ruhig verhalten durften. Es gab einen Haufen Krisensitzungen von der UN, dem US-amerikanischen Geheimdienst und natürlich auch von uns Avengers.
Natürlich wurde ich mal wieder groß im Internet angefeindet – Cancel Culture machte ihren Job und schob mich so ab, dass ich meinen Twitter Account am Ende gelöscht hatte und unter einem anderen Namen weiter meinen Namen auf der Social Media Plattform suchte.
Aber wenigstens trendete mein Name für Tage. Yay.
Tony, der sich eine Ewigkeit nicht auf dem Campus blicken gelassen hatte, tauchte plötzlich wieder wöchentlich auf, um etwas mit Steve und Nat zu besprechen. Ich konnte nur erahnen, dass es um mich ging.
Aber um mich ging ja momentan alles. Von Fox News wurde sogar schon eine nicht von mir unterzeichnete Dokumentation über mein bisheriges „fragwürdiges“ Leben produziert, die mit dem Fazit endete, dass ich eine der größten Gefahren für die amerikanische Regierung wäre – aus irgendeinem Grund.
Es war ja schließlich nicht so, als hätte ich nun vor unseren Präsidenten zu stürzen und die Demokratie abzuschaffen.
Aber das war mir sowieso egal. Nun sahen sie, was ich seit Monaten sah.
Clint dagegen machte den Eindruck, als würde ihm gar nicht gefallen, was die Öffentlichkeit über seine Freundin dachte. Ich konnte ihm da keinen Vorwurf machen – wenn es ihm passiert wäre, hätte ich wahrscheinlich genauso reagiert.
Fast überraschend war jedoch, dass es da genügend Verrückte gab, die es auf sich nahmen, mich im Internet zu verteidigen. Jetzt stellte sich die Frage, ob ich Fans hatte, oder ob das die gleichen Leute waren, die wirklich jeden im Internet verteidigten, weil derjenige einmal eine Katze gestreichelt hatte.
Alles in allem war es der bisher größte Skandal im Internet, den ich bewusst miterlebt hatte. Mein Vater hätte die absolute Vollkrise bekommen.
„Ist bei dir alles in Ordnung?“, wollte Steve irgendwann mal von mir wissen, als würde er sich nicht sicher sein, ob ich das wirklich alles nur amüsant fand oder kurz davor war von der Klippe zu springen.
Was das angeht, hatte Steve ein wirkliches Händchen für allerlei emotionale Intelligenz. Nur half das bei jemandem wie mir nicht sehr viel, wenn man nur Witze über seine psychische Gesundheit machte, anstatt sich professionelle Hilfe zu suchen.
„Ich habe den Tod von mindestens hundert Leuten verursacht, es wird über das Einsperren von mir diskutiert und ich werde weltweit von Leuten gehasst, von denen ich noch nie im Leben gehört hatte. Ja, mir geht es prima“, hatte ich grinsend erwidert, als wäre das alles nur ein Spiel.
Allerdings wurde das alles schon bald ernster. Der Außenminister kam uns besuchen, warf mir einige weniger nette Blicke zu und ließ uns in einem Konferenzraum versammeln.
Ich saß in der Nähe des Ausgangs neben Clint, der nicht gerade erfreut über den Besuch des Außenministers Ross war – doch das war keiner hier. Politiker bedeuteten in den meisten Fällen Ärger. Unglücklicherweise.
„Vor fünf Jahren hatte ich einen Herzinfarkt“, fing er seinen Monolog an und machte mit seinen Händen die Bewegung, die man tat, um Golf zu spielen, nach. „Ich bin umgekippt, gerade als ich Schwung holen wollte.“
Sparsame Blicke kamen ihm entgegen, doch das musste Ross ja schließlich in der Regierung gewohnt sein. Ich fragte mich, was er uns mit diesem Einstieg bitte sagen wollte.
„Es erwies sich als die beste Runde meines Lebens, denn nach einer dreizehnstündigen Operation und einem dreifachen Beipass, lernte ich etwas, das ich in vierzig Jahren bei der Army nicht gelernt hatte.“ Er lächelte in die Runde, um sympathisch zu wirken.
Clint legte seine Hand auf meine – wahrscheinlich, um mir Beistand zu signalisieren.
„Den Blickwinkel zu ändern.“ Ross wurde von Tony angestarrt, als wüsste er schon, was nun folgen würde. „Die Welt schuldet den Avengers auf Ewig Dank. Sie haben für uns gekämpft, uns beschützt, ihr Leben riskiert.“
Und dann kam das „aber“. Es gab immer ein verdammtes „aber“.
„Aber während viele Menschen das als Heldentaten sehen, würden es wiederum andere als Selbstjustiz bezeichnen.“
Ich schluckte meinen Ärger herunter. Es würde nichts nützen, wenn ich jetzt austicken würde.
Doch war es nicht die Regierung, die 2012 die Insel Manhattan auslöschen wollte, weil Loki mit seinen Aliens eine Invasion verübte? Waren es nicht ebenfalls die Regierungen weltweit, die von Hydra Agenten seit Jahren infiltriert worden waren?
Seit Jahren war es doch so. Solange eine Gruppe genau das machte, was von der Regierung verlangt wurde, wurden sie als Helden betitelt, doch sobald besagte Gruppe nur eine kleine Sache falsch machte, warf die Regierung sie weg wie ein Müllbeutel. Gut, in unserem – meinem Fall – war es ein wenig mehr als eine „kleine Sache“, aber das änderte nichts daran.
Wir wussten, worauf Ross hinaus wollte: Kontrolle oder Vernichtung.
„Und welches Wort würden Sie benutzen, Mr. Secretary?“, fragte Natasha höflich.
„Wie wäre es mit gefährlich?“
Ich presste meine Zähne zusammen. Die Avengers waren eine tickende Zeitbombe und ich verstand den Hintergrund, weswegen wir demnach unter Beobachtung gestellt werden sollten – das hieß jedoch nicht, dass ich das begrüßte.
„Wie würden Sie eine in Amerika ansässige Gruppe nennen, die außergewöhnliche Fähigkeiten besitzt, die in aller Selbstverständlichkeit Staatsgrenzen missachtet, und ihren Willen durchsetzt, wo auch immer es ihnen gefällt?“
Auf meine Unterlippe beißend hielt ich mich davon ab zu erwähnen, dass die USA seit Jahrzenten als sogenannte „Weltpolizei“ genau das gleiche machte. Ich meine, weswegen hatte die Regierung noch einmal Truppen in Afghanistan positioniert? Und was war noch mal der Grund, weswegen unser Land damals in den Vietnam Krieg eingestiegen war?
„Und der offenbar gleichgültig zu sein scheint, was sie anrichtet.“
Hatte er jemals mit irgendjemandem von uns wirklich darüber gesprochen? Es kam mir nämlich so vor, als hätte er keine Ahnung, was genau hier hinter den Mauern seit dem Unfall für eine Stimmung geherrscht hatte.
Steve hatte seine berühmte Augenbraue-der-Enttäuschung hochgezogen, während Ross sich von uns wegdrehte, um den großen Bildschirm am Ende des Tisches anzuschmeißen.
„New York.“
Das erste Video zeigte die Zerstörung von Manhattan im Jahre 2012 während der Invasion von Mom. Schreiende Leute, die fliegenden Chitauri-Wale und der Hulk, der alles nacheinander zertrümmerte, um die Aliens zu stoppen.
Mir wurde bei dem Gedanken schlecht, dass ich dabei gewesen war – als die Tochter des Schuldigen. Die Erinnerung an den Tag und die folgenden Tage hatten sich abgespeichert, als wäre ich selbst nicht dabei gewesen, sondern hätte es in einem Film gesehen. Vielleicht, um mit dem daraus resultierenden Traumata besser klar kommen zu können.
„Washington DC.“
Es wurden als nächstes Videos von dem Tag, an dem SHIELD fiel, gezeigt, als die drei Helicarrier fielen. Ich hatte die Aufnahmen vor einer Weile, nach Ultron, das erste Mal gesehen, als ich nach Aufzeichnungen von Barney Barton gesucht hatte.
Mein Blick wanderte zu Natasha und Steve, die wie gebannt auf den Bildschirm starrten. Sam senkte den Kopf, um sich das nicht mehr ansehen zu müssen.
„Sokovia.“
Die fliegende Stadt erschien. Meine Hände verkrampften sich, als ich erneut zusehen musste, wie die Gebäude in einer unglaublichen Geschwindigkeit auf den Boden zurück fielen. Ich konnte meinen Blick nicht abwenden, wie bei einem Unfall.
Clint hielt meine Hand fester.
„Lagos.“
Bevor die Bilder kamen, wollte ich meinen Blick abwenden, doch ich konnte nicht. Erneut strömten die ersten Eindrücke von dem, das ich getan hatte, auf mich ein. Die Explosion, das Geschreie der Menschen dort, das Feuer in dem Haus – wenn ich es vorher gut verdrängt haben konnte, war jetzt alles wieder da.
Ich strich mir über das Gesicht – müde, und was auch immer ich noch in dem Moment fühlte. Wanda schien es da nicht unterschiedlich zu gehen.
„Genug. Das reicht“, sagte Steve beherrscht, der unsere Ausdrücke wohl mehr als deutlich bemerkt zu haben schien.
Ross machte eine Handbewegung und die nette PowerPoint Präsentation über unser Versagen wurde geschlossen.
„Seit vier Jahren agieren sie mit unbegrenzter Macht und ohne jede Aufsicht. Diese Art vorzugehen können die Regierungen der Welt nicht länger tolerieren.“ Eine kurze Pause. „Aber ich denke, wir haben eine Lösung.“
Er ließ sich etwas von seinem Bodyguard geben, das wie ein Stapel Papier aussah, und legte es dann vor Wanda auf den Tisch.
„Das Sokovia Abkommen. Befürwortet von 117 Staaten.“
Wanda schob es zu Rhodey rüber.
„Es wird darin festgelegt, dass die Avengers keine Privatorganisation mehr sein sollten.“ Ross wanderte ein wenig um unseren Tisch herum.
Und da war es, das große „aber“. Der sogenannte Kompromiss, den sie uns bieten, der jedoch kein Kompromiss war.
„Stattdessen operieren sie unter einem Gremium der Vereinten Nationen, und das auch nur, wenn das Gremium es als notwendig erachtet.“
„Die Avengers wurden gegründet, um die Welt sicherer zu machen“, meinte Steve lediglich – man sah ihm an, dass ihm gar nicht gefiel, was dieses Abkommen zu bieten hatte. „Ich denke, das haben wir erreicht.“
„Sagen Sie, Captain. Wissen Sie wo Thor und Banner jetzt gerade sind?“, entgegnete der Außenminister. „Hätte ich zwei nukleare Sprengköpfe verlegt, können Sie sicher sein, dass das Konsequenzen hätte.“
Er wusste aber schon noch, dass sowohl Thor als auch Bruce atmende, lebendige Personen waren, die ein Recht darauf hatten, unüberwacht leben zu können?
„Kompromisse, Rückversicherung – so funktioniert diese Welt. Glauben Sie mir, das ist der goldene Mittelweg.“
Ich konnte nicht anders, als das amüsierte Lächeln aufzusetzen, das dem von Loki viel zu sehr ähnelte. „Sie haben Angst.“
„Entschuldigung?“ Ross schien von mir aus dem Konzept gebracht worden zu sein.
„Angst“, wiederholte ich. „Das Abkommen spiegelt Ihre Angst wider.“
„Bella“, zischte Clint mir mahnend zu.
Den Kopf leicht schief gelegt ging er langsam auf mich zu – ein Akt von leerer Drohung.
„Sollten wir denn Angst vor Ihnen haben, Miss Lawrence?"
In meinem Kopf hüpfte ich zwischen „ja“ und „nein“ hin und her. Auf der einen Seite wollte ich, dass sie wissen mit wem sie es zu tun hatten, doch ich wollte auch nicht noch mehr Chaos erzeugen.
„Suchen Sie es sich aus“, war meine simple Antwort.
Ohne Übergang ging er direkt wieder zum Thema zurück, als wolle er nicht länger mit mir ein Einzelgespräch führen als er müsste. „In drei Tagen versammelt sich die UN in Wien und ratifiziert das Abkommen.“ Er warf mir einen letzten Blick zu. „Besprechen Sie alles.“
Den fetten Schinken von Abkommen auf unserem Tisch liegen lassend wollte er gerade den Raum mit seinen Bodyguards verlassen, als Natasha fragte:
„Und wenn wir zu einer Entscheidung kommen, die Ihnen nicht gefällt?“
„Dann gehen Sie in Rente.“
AN: Halihallo. Schon wieder fast vergessen. Das Kapitel war lang also wenigstens etwas. Ich gehe jetzt trotzdem ins Bett. Ciao.
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