#76 𝑺𝒉𝒖𝒓𝒊 ✨
Achtung, kann Spoiler zu Black Panther 2 enthalten ✨
Wieder einmal betrete ich Shuris Labor. Ihre KI begrüßt mich, während von ihr keine Reaktion erfolgt. Doch das ist für mich in Ordnung. Ich möchte sie nicht stören und so setze ich mich einfach, wie auch an all den Tagen zuvor, in eine Ecke und hole mein Buch heraus. Genauso wie eine Dose mit Essen, die ich auf ein kleines Regal stelle. Seit T'Challas Tod vergräbt Shuri sich in Arbeit und stößt alle von sich. Sie ist dünn geworden, sehr dünn und ihre einst so lebensfrohen Augen sind trüb und von Schatten untermalt. Man sieht ihr an, dass der Tod ihres Bruders sie gebrochen hat.
Und genau aus diesem Grund gebe ich sie nicht auf. Anfangs hat sie versucht, mich von sich zu stoßen, mich aus dem Labor zu vertreiben und mir einzureden, dass es ihr gut gehe, doch seit sie gemerkt hat, dass ich einfach nur schweigend in einer Ecke sitze, akzeptiert sie meine Anwesenheit. Und ich störe sie nicht.
Wie schon in all den Tagen zuvor schlage ich mein Buch auf und fange an zu lesen, als ihre Stimme an mein Ohr dringt. "Da liegt eine Decke, falls dir kalt ist."
Überrascht hebe ich den Kopf und schaue sie an, doch sie hat mir bereits wieder den Rücken zugewandt und arbeitet weiter, als wäre ich nicht da. Trotzdem kann ich mir ein kleines Lächeln nicht verkneifen, als ich mir die Decke über die Beine lege. Sofort umhüllt mich die Wärme und ich mache es mir noch etwas gemütlicher, bevor ich erneut in der Geschichte meines Buches versinke.
Erst, als ich es beendet habe, rühre ich mich wieder. Mit steifen Gliedern stehe ich auf und strecke mich, bevor ich die Decke zusammen lege und wieder an ihren angestammten Platz lege. Noch immer arbeitet Shuri völlig verbissen an ihrem neuen Projekt, weshalb ich mich besonders leise bewege- trotzdem hält sie inne, als ich mein Buch in die Tasche schiebe.
"War es gut?"
"Was?"
"Dein Buch. War es gut?" Shuri dreht sich nicht um, doch sie scheint tatsächlich auf eine Antwort zu warten.
"Ja, es war schön, sehr sogar. Ich liebe es, mich meiner Fantasie hinzugeben..." Ich halte lächelnd inne und drücke das Buch an meine Brust. "Man kann tausend verschiedene Leben leben und innerhalb weniger Sekunden an jedem Ort der Welt sein, das ist für mich immer wieder etwas besonderes."
Shuri dreht sich für einen kurzen Moment um und das, was auf ihren Lippen liegt ist der Hauch eines Lächelns, doch er verschwindet noch bevor ich mir wirklich sicher sein kann.
"Gute Nacht, y/n."
"Gute Nacht, Shuri."
Ich kann mein Lächeln nicht unterdrücken, als ich leise das Labor verlasse. So viel hat Shuri nicht mehr mit mir gesprochen, seit sie mich aus ihrem Labor werfen wollte und ich bekomme langsam das Gefühl... Ja. Das sie sich an meine Anwesenheit gewöhnt und es vielleicht sogar etwas zu schätzen weiß.
Meine Füße tragen mich durch die vertrauten Straßen in Richtung meiner Heimat, als ich eine Stimme hinter mir höre.
"Y/n."
Sofort bleibe ich stehen und drehe mich um. Für einen winzigen Moment hatte ich gedacht, es wäre Shuri... Doch es ist ihre Mutter, die auf mich zueilt.
"Königin Ramonda."
Ehrfürchtig senke ich den Blick, doch kaum, dass sie zu mir aufschließt, legt sie eine Hand auf meinen Arm.
"Wie geht es meiner Tochter?"
Ich sehe sie fragend an und ein sanftes Lächeln ist die Antwort.
"Ich weiß, dass du jeden Tag Zeit bei ihr verbringst. Wie geht es Shuri?"
"Sie leidet." Gebe ich ehrlich zu. "Ihr Herz ist gebrochen und sie versinkt so sehr in ihrer Arbeit, dass sie alles um sich herum vergisst."
"Aber du bist bei ihr." Stellt sie liebevoll fest, was mir ein leichtes Nicken entlockt. "Ich kann sie nicht alleine lassen. Auch, wenn sie am liebsten allein ist. Solange ich sie nicht störe, darf ich im Labor bleiben. Also bin ich dort, lese und leiste ihr still Gesellschaft. Sie hat sogar mittlerweile eine Decke für mich dort." Ich lächele, als meine Gedanken zu der Prinzessin wandern. Obwohl sie nur noch ein Schatten ihrer selbst ist, ist sie in meinen Augen noch immer die schönste und bewundernswerteste Frau in ganz Wakanda.
"Sie schätzt deine Anwesenheit." Ramonda lächelt.
"Sie duldet mich." Korrigiere ich meine Königin vorsichtig, doch sie schüttelt den Kopf.
"Es ist mehr als das. Würde sie dich nur dulden, würde sie dir keine Decke hinlegen. Die meisten werden von ihr sofort hinausgeschmissen."
"Das hat sie bei mir auch versucht."
"Aber du hast nicht aufgegeben. Und genau das braucht sie jetzt. Jemanden, der sie nicht aufgibt."
"Das werde ich niemals, Königin Mutter."
"Ich weiß, mein Kind. Du liebst meine Tochter."
Hilflos nicke ich, obwohl mich ihre Offenheit überrascht. Ob sie ein Problem damit hat...?
Doch sie lächelt nur und drückt sanft meine Hand.
"Pass gut auf sie auf."
"Das werde ich." Murmele ich, während sie sich auf den Weg zurück zum Sitzungssaal macht. Ich hingegen laufe weiter nach Hause, zum Stamm der Jabari. Wir leben abgeschieden in den Bergen und der Weg ist jedes Mal weit, doch für Shuri nehme ich jeden einzelnen Meter in Kauf. Alles, um bei ihr sein zu können.
Mein Bruder erwartet mich bereits.
"Du warst wieder bei ihr."
Da leugnen zwecklos ist, nicke ich nur. M'Baku kann ich nichts vormachen.
Obwohl er damals im Kampf gegen T'Challa angetreten ist, um den Thron zu besteigen, hat er bis zuletzt eine hohe Meinung von ihm gehabt. T'Challa hat ihn im Kampf am Leben gelassen und im Gegenzug haben mein Bruder und wir Jabari ihm das Leben gerettet. Auch, wenn sie keine Freunde waren, herrschte bis zum Ende immer großer, gegenseitiger Respekt.
Und genau aus dem Grund überrascht mich seine nächste Frage auch nicht besonders.
"Wie geht es ihr?"
Shuri hat einen besonderen Platz in seinem Herzen. Er würde es nie offen zugeben, aber seit T'Challas Tod fühlt er sich für sie Verantwortlich und so berichte ich ihm bereitwillig das, was ich auch schon Königin Ramonda erzählt habe.
Sein Gesicht ist von Sorge durchzogen, während er mir zuhört.
Ich weiß, dass er sie schon lange in sein Herz geschlossen hat- die rebellische Prinzessin, die nur zu gern mit jeder Tradition bricht. Doch die ist sie nicht mehr.
"Wirst du morgen wieder bei ihr sein?"
"Natürlich."
"Das ist gut. Ich denke, es ist gut für sie. Gut für euch beide."
"Für uns beide?"
"Ja."
Er nickt. "Für euch beide."
Als ich ihn fragend anschaue, deutet er auf den Platz neben sich. Also setze ich mich hin und warte auf seine Erklärung.
"Würdest du dich damit zufrieden geben, wenn dir einfach nur jemand kurz berichtet, wie es ihr geht? Weil er kurz nach ihr geschaut hat?"
"Nein... Ich würde mich schlecht fühlen, weil niemand so wirklich bei ihr war. Shuri braucht auch mal Gesellschaft..."
"Auch, wenn sie selber nicht darum bittet?"
"Bruder, ich sehe wie sie leidet. Wenn sich niemand um sie kümmert, wird ihre Einsamkeit nicht besser." Meine Stimme schwillt an und so wird auch M'Baku lauter. "Aber hat sie dich darum gebeten?"
"Nein! Aber ist das wichtig? Ich sehe, dass sie jemand braucht und ich ertrage ihre Einsamkeit nicht!" Aufgebracht springe ich auf, während er sich lachend zurücklehnt.
"Da ist deine Antwort. Du wärst selber unglücklich, wenn du nicht bei ihr wärst. Und jetzt geh, kleine Schwester. Ruh dich aus, morgen wird wieder ein langer Tag."
Erschöpft nicke ich. Die Erkenntnis lastet schwer auf meinen Schultern und doch weiß ich, dass es nichts als die Wahrheit ist. Ich kann Shuri nicht auch noch verlassen.
Genau aus diesem Grund bin ich auch schon am nächsten Tag nach meiner Arbeit wieder im Labor. Wieder störe ich sie nicht, sondern stelle ihr nur etwas zu Essen hin und setze mich dann auf die Couch. Dort verstaue ich die mittlerweile leere Dose vom Vortag in meiner Tasche, bevor ich nach einer neuen Geschichte greife. Außerhalb Wakandas würde man das kleine Gerät wohl als E-Book-Reader bezeichnen. Agent Smith hat ihn mir über Umwege aus der Welt außerhalb mitgebracht und seitdem liebe ich das kleine Gerät abgöttisch. Millionen Geschichten- einfach auf Knopfdruck.
"Ich habe ihn modifiziert."
"Was?" Beinahe erschrocken schaue ich auf und sehe Shuri an, die sich kurz zu mir umdreht. "Dein Gerät. Es an Wakandas Technik angepasst."
"Danke." Sprachlos schaue ich sie an und drücke das kleine Gerät liebevoll an meine Brust, was ihr ein kleines Lächeln entlockt. Sie wendet sich wieder ihrer Arbeit zu, doch zum ersten Mal seit langem habe ich das Gefühl, dass die Last auf ihren Schultern sie zumindest für den Moment etwas weniger erdrückt.
Und genau so ist es.
Ich verbringe auch in den weiteren Wochen jede freie Minute in ihrem Labor und mittlerweile weiß ich, dass Shuri meine Anwesenheit nicht mehr als eine Last ansieht.
Wann immer ich den Raum betrete, hält sie mittlerweile kurz inne und auch unsere Gespräche sind nicht mehr so selten. Begonnen hat es mit einem einfachen "Danke", wenn ich ihr etwas zu essen gebracht habe. Weiter ging es mit kurzen Fragen zu dem was ich lese und ob mir die Veränderungen an dem Gerät gefallen bis hin zu geteilten Mahlzeiten.
Für jede Sekunde ihrer Aufmerksamkeit bin ich unfassbar dankbar und so kann ich mein Glück kaum fassen, als sie sich eines Tages neben mich setzt. "Lies etwas vor." Bittet sie mich leise und so frage ich nicht nach, sondern beginne einfach damit, die Geschichte mit ihr zu teilen. Shuri lehnt sich zurück und hört mir zu, schließt ihre Augen und legt ihre Beine hoch und ich ahne, dass es die erste, richtige Pause ist, die sie sich gönnt, wenn man von den kurzen Mittagspausen absieht.
Beinahe eine halbe Stunde lauscht sie einfach meinen Worten, lässt ihren Kopf irgendwann gegen meine Schulter sinken und gönnt ihrem Körper die Pause, die er schon seit so langer Zeit dringend benötigt.
Irgendwann löst sie sich jedoch und steht langsam auf.
Lächelnd halte ich inne und beobachte sie dabei, während ihr Blick sanft auf mir ruht.
"Danke, y/n." Sagt sie leise und nun stehe ich auch auf, um mich vor sie zu stellen.
"Jederzeit."
"Wenn du bei mir bist, habe ich nicht das Gefühl, dass mich alle verlassen, die ich liebe..."
Ihre so ehrlichen Worte treffen mich mitten ins Herz und so kann ich nicht anders, als sie einfach in meine Arme zu ziehen. Auch, wenn sie noch immer Wakandas Prinzessin ist, sehe ich in diesem Moment nur die kleine Schwester des Königs, die seinen Verlust noch immer nicht verkraften konnte.
Shuri wehrt sich nicht gegen meine Umarmung, sondern lehnt sich noch mehr an mich und so lege ich meinen Kopf vorsichtig auf ihren.
"Ich werde dich niemals verlassen."
"Das dachte ich von meinem Bruder auch... Und doch konnte ich ihn nicht retten. Sein Leben lag in meiner Hand und ich habe versagt. Erst mein Vater, dann mein Bruder..."
Geschockt halte ich sie fester.
"Du hast getan, was du konntest Shuri."
"Aber es war nicht genug. Es ist nie genug."
"Vielleicht in deinen eigenen Augen. Aber niemand macht dir einen Vorwurf."
Liebevoll streiche ich ihr über den Rücken und merke, wie sie dabei erschaudert.
"Was habe ich schon groß getan? Für T'Challa. Für meine Mutter. Für dich."
"Du hast alles getan, was du konntest. Hast die Forschung so weit voran getrieben, wie es außer dir niemand geschafft hätte. Du hast deiner Mutter Hoffnung gegeben, als sie ihre verloren hat. Du hast ihr Halt gegeben, als sie nicht mehr konnte."
"Und was hab ich für dich getan? Nichts. Du bist jeden Tag hier und... Ich kann dir nichts zurückgeben."
Erschrocken löse ich mich von ihr.
"Das stimmt nicht Shuri, rede dir das nicht ein. Zum einen- ich erwarte nichts. Und doch gibst du mir so viel zurück..."
Da ich ihr ansehe, dass sie mir nicht glaubt, deute ich lächelnd auf die Couch.
"Allein, dass du mich im Labor akzeptierst. Die Decke. Das modifizieren von meinem Buch..."
"Das ist nichts."
Sie will sich von mir lösen, doch dieses Mal lasse ich sie nicht gehen.
"Shuri. Für mich ist es viel. Auch, wenn du es nicht glaubst. Mir hat es sehr viel bedeutet. Jede Kleinigkeit. Weil ich weiß, dass es von Herzen kam. Auch, wenn du alles in dir eingeschlossen hast, hast du mich doch Stück für Stück an dich herangelassen und das bedeutet mir mehr als alles materielle dieser Welt. Dich hier in meinen Armen zu haben."
Zum Schluss wird meine Stimme leiser, doch ich spüre Shuris Widerstand vergehen. Stattdessen schlingt sie ihre Arme um mich und so stehen wir mitten im Labor, Arm in Arm und ich spüre, dass die Wunde in ihrem Inneren zumindest ein kleines bisschen heilt.
Trotzdem muss ich eine Sache noch loswerden.
"Shuri?"
"Hm?"
Sie hebt ihren Blick leicht und so schenke ich ihr ein sanftes Lächeln.
"Ich liebe dich auch."
Es dauert einen Moment, bis meine Worte zu ihr durchdringen, doch was sie als nächstes macht, überrascht mich. Shuri löst sich ein wenig von mir, doch nur, um ihre Lippen leicht auf meine zu drücken.
"Hilfst du mir zurück ins Leben?"
"Nichts lieber als das." Mit einem Lächeln erwidere ich ihren sanften Kuss.
Ich weiß, dass wir trotz dem großen Fortschritt heute weiter kleine Schritte machen werden, doch genau so, weiß ich, dass sich jeder einzelne lohnen wird.
Vor allem, als wir einige Tage später Hand in Hand auf dem Weg zu den Jabari sind- meiner Heimat. Wo mein Bruder Shuri mit einem "Hallo, kleine Schwester" begrüßt und sie wie eine von uns behandelt. Sie hatte unrecht- nicht alle, die sie lieben, haben sie verlassen.
Bei uns- bei mir hat sie von nun an immer ein zuhause.
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