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Victoria wartete unten auf mich. Sie wollte mir ein paar Einweisungen geben, wie ich mich in der Öffentlichkeit zu verhalten hatten. Ich war so dankbar darüber, denn ich hatte wirklich keine Ahnung, wie ich mich zu verhalten hatte. Also ein bisschen natürlich schon, aber hier kam es wirklich drauf an. Jess meinte, dass man mich auseinander pflücken würde, wenn ich etwas falsch machte.
"David kommt gleich und ihr fahrt gemeinsam zur Firma. Die Pressekonferenz wird im dafür vorgesehenen Raum stattfinden. Du musst immer lächeln und freundlich sein. Stell' dich hinter David, wenn er am Pult steht, aber nicht zu weit entfernt."
Sie erzählte mir so viele Dinge, auf die ich achten musste. Ich hoffte, dass ich es alles behalten und vor allem auch umsetzen konnte.
Um 10:30 Uhr kam David dann wieder, um mich abzuholen. "Können wir los?", fragte er mich ausdruckslos. Ich nickte nur. Auch wenn ich es ungern zugab, aber David schüchterte mich schon etwas ein.
"Halt!", rief Victoria und lief die Treppe herunter, "Ihr könnt doch keine Verlobung bekannt geben ohne einen Verlobungsring." Sie hielt uns eine türkise Schachtel hin, wo Tiffany & Co. draufstand. Behutsam nahm ich sie an und öffnete sie. Wenn ich mir den Ring so ansah, wollte ich nicht wissen, wie viel der gekostet hatte. Bestimmt ein halbes Vermögen. "Los! Steck' ihn ihr an, David!", forderte Victoria.
David nahm den Ring und ich hielt ihm meine linke Hand hin. Er steckte mir den Ring an und ich konnte meine Augen einfach nicht von ihm lassen. Also von dem Ring. Er war einfach so wunderschön.
"Verlier' ihn nicht.", murmelte David, "Der ist mehr als 100.000 Euro wert." Was fiel ihm eigentlich ein? Ich würde einen so teuren Ring niemals verschlampen!
Aber warum hatten sie überhaupt einen so teureren Ring besorgt? Ich werde diese Familie wohl nie verstehen.
"Beeil' dich, wir müssen los.", brummte David. Dieser Kerl! Okay, Claire. Tief durchatmen. Du wirst gleich die glückliche Verlobte dieses Arschs spielen müssen. Das wirst du schon schaffen.
~ • ~
"Mit dieser Pressekonferenz gebe ich meine Verlobung bekannt." Plötzlich herrschte Unruhe im kompletten Saal. Von allen Seiten kamen Fragen.
"Was hat das für das Unternehmen zu bedeuten?" "Ist Ihre Verlobte die Frau hinter Ihnen?" "Wie heißt sie?"
David würde regelrecht mit Fragen bombardiert nach seinem Statement. "Das ist meine reizende Verlobte. Komm' her, Schatz." David drehte sich halb zu mir um und streckte einen Arm nach mir aus. Ich stellte mich neben ihn und lächelte die Presseleute freundlich an.
"Das ist Claire Martin.", stellte er mich vor. Würde Davids Hand nicht auf meinem Rücken liegen, würde es mir vielleicht etwas leichter fallen, zu reden. Aber das und die Fragen der Presse machten es nicht gerade einfach.
"Wann ist die Hochzeit?" "Wie haben Sie sich kennengelernt?" "Was tragen Sie dort?"
Victoria meinte, dass ich auf zu persönliche Fragen nicht antworten und immer beim Thema bleiben soll.
"Ein genaues Datum der Hochzeit steht noch nicht fest. Aber wir planen schon fleißig, da wir es kaum noch abwarten können, uns das ewige Ja-Wort zu geben.", schwärmte ich gespielt und schaute dabei träumerische zu David. Natürlich ebenfalls gespielt.
Ich kam nicht drumherum, zu bemerken, dass er einen Ansatz von einem Bart bekam. Leider musste ich zugeben, dass er damit noch viel besser aussah, als eh schon. Zugegeben ich hatte eine kleine Vorliebe für bärtige Männer.
David beantwortete noch weitere Fragen der Presse, bis die Konferenz beendet wurde. Zuletzt wurden ein paar Fotos gemacht. Victoria hatte mir aufgetragen, den Verlobungsring so unauffällig wie möglich auffällig zu zeigen.
Für diesen Auftritt sollte ich wirklich einen Oscar bekommen. Hoffentlich kam es für die Öffentlichkeit auch so überzeugend rüber, wie es sich für mich anfühlte.
Ich hatte noch nie wirklich eine Beziehung gehabt. In der Schule hatte ich einen festen Freund, aber das war nicht so wirklich ernst. Deswegen hoffte ich, dass es realistisch war, denn meine Vorlagen hatte ich nur aus Filmen.
David blieb nach der Pressekonferenz in der Firma und ich wurde von einem Fahrer nach Hause gefahren. Victoria wartete bereits auf mich, als ich ankam.
"Du warst so gut, Claire. Ihr beiden saht so süß und glücklich zusammen aus.", schwärmte sie. Wenigstens nahm sie uns die Show ab. Hoffentlich auch alle anderen.
"Da ich ja jetzt weiß, dass du öffentliche Auftritte meistern kannst, könnt ihr euch ja öfter in der Öffentlichkeit sehen lassen.", bemerkte Victoria. Und ich dachte, dass es das fürs Erste war. Mann, lag ich falsch.
"Aber warum? Ich meine, wir sind doch keine Stars oder so." Ich verstand nicht, warum ich in der Öffentlichkeit so auf mein Verhalten und mein Äußeres achten musste.
"Man kann in viele Bereichen ein Star sein, Claire. Unsere Familie ist nun mal in der wirtschaftlichen Welt hoch angesehen." Sie konnte mir nicht weismachen, dass sie wirklich so angesehen waren, dass ich dauernd auf mich achten musste. Aber ich beließ es dabei.
Am Abend rief Grace mich an. "Grace, ist irgendwas passiert?", fragte ich besorgt. "Ich hab dich nur vermisst.", murmelte sie am anderen Ende der Leitung. Wie süß.
"Ich vermisse dich doch auch, Gracie." Es war wirklich seltsam, wenn man nicht mehr permanent aufeinander hockte.
"Ich hab' die Bilder gesehen.", meinte sie plötzlich.
"Welche Bilder?"
"Die von der Konferenz da. Du sahst so schön aus. Und der Ring erst!" Wo hatte sie die Bilder gesehen? Das konnte nur im Internet sein, denn in Zeitschriften konnte das noch nicht abgedruckt sein.
"Du kleine Stalkerin.", lachte ich.
"Ich muss doch wissen, was meine große Schwester macht. Und mit wem sie schläft.", kicherte sie.
"Grace!" Sie lachte nur wegen meiner Empörung.
"Aber mal im Ernst, Claire. David sieht echt nicht schlecht aus." Sie hatte recht. Aber Aussehen alleine nützt nichts.
"Das mag sein, aber auf der sozialen Ebene fehlt es ihm sehr. Er ist einfach der knallharte Geschäftsmann ohne Anzeichen von Gefühlen."
"Warte es doch erst mal ab. Ihr steht ja noch ganz am Anfang. Vielleicht muss er noch mit dir warm werden." Seit wann hatte meine kleine Schwester solche Ratschläge auf Lager.
"Danke, Gracie. Schlaf gut, meine Süße."
David kam erst spät in der Nacht nach Hause. Ich wollte nicht wissen, wo er sich so lange rumgetrieben hat, es interessierte mich nicht. Aber es gab mir Zeit, um etwas nachzudenken, vor allem wie es jetzt weiter gehen sollte.
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Was macht ihr? Schule, Ausbildung oder Studium?
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