~ 21 ~
Meine Hände waren schwitzig. Meine Deo arbeitete auf Hochtouren. Meine Herz raste wie nie zuvor.
Wenn ich ehrlich war, war ich noch nie so nervös wie in diesem Moment. Und ich hatte schon so einige wichtige Prüfungen und Klausuren hinter mir. Aber das hier war dann doch etwas anderes. Etwas ganz anderes.
Immerhin würde ich gleich einen meterlangen Gang entlang gehen, wo mich Hunderte von Menschen anstarren würde, von denen ich mindestens 95 Prozent nicht einmal kannte. Und am Ende dieses Ganges würde ein Mann auf mich warten, den ich nicht einmal liebte.
So hatte ich mir meine Hochzeit definitiv nicht vorgestellt. Welche Person mit gesundem Menschenverstand stellte sich seine Hochzeit auch schon so vor?
Ich hatte mich wirklich bemüht, dass diese Hochzeit meine Traumhochzeit darstellen sollte. Immerhin wusste ich nicht, ob es jemals wieder zu so einem Ereignis kommen würde. Da wollte ich dann doch eine riesige Märchenhochzeit draus machen, auch ohne meinen Märchenprinzen.
Jess kümmerte sich noch um die letzten Feinheit an mir und auch an den anderen Mädels. Sie machte so einen perfekten Job. Ich könnte mir wirklich keine bessere Stylistin und Freundin vorstellen.
Das Einzige, das ich etwas traurig fand, war die Übergabe an den Bräutigam. Dafür war ja eigentlich mein Vater zuständig. Und da meine Mutter nicht im Stande war, eine gerade Linie zu gehen, war das auch keine Möglichkeit. Ich war mir nicht mal sicher, ob sie eingeladen war, geschweige denn kommen würde.
Deswegen übernahm Hannes diese Aufgabe jetzt. Ich wäre auch alleine gegangen, aber das wäre ja gar nicht gut in der Öffentlichkeit angekommen.
Eigentlich bin ich auch froh, dass ich nicht alleine gehen musste, das wäre mir dann doch auch etwas zu unangenehm gewesen. Wenigstens konnte die Presse da noch irgendeine rührselige Geschichte draus machen.
"Ich glaube, ich brauche ein Schnaps.", murmelte ich. Mir war ein wenig schwindelig und ich hatte ein komisches Gefühl im Magen. Konnte vielleicht daran liegen, dass ich noch nichts essen konnte. So blieb Hollywood schlank; die hatten einfach keine Zeit zum Essen.
"Ich auch.", stimmten mir alle drei Mädels zu. Ich sah sie mit großem Augen an. Grace war definitiv noch zu jung für Alkohol und Tove durfte nicht trinken wegen ihrer Schwangerschaft. Nur Jess und ich.
Doch dann klopfte es an der Tür und Hannes kam rein.
"Es geht gleich los, Ladys.", informierte er uns. Oh Gott. Das wars. Das waren die letzten Augenblicke vor meiner Hochzeit. Spätestens jetzt brauchte ich definitiv einen Schnaps.
Ich wollte unbedingt eine Sommerhochzeit haben, damit es keine dicken Mäntel und so gab. Und damit ich mit einer Kutsche vorfahren konnte. Mein Traum seit ich Cinderella gesehen hatte.
"Hast du alles, Claire?", fragte mich Jess, "Was Altes? Was Neues? Was Blaues? Was Geborgtes?" Verflixt!
"Das hatte ich ja ganz vergessen!", murmelte ich. Mein Atem ging plötzlich schneller. Wie konnte ich das vergessen? Alles war bis ins kleinste Detail geplant. Nur das nicht.
"Ich hab da was.", bemerkte Hannes und ging wieder aus dem Raum.
"Wie konnte ich das nur vergessen, Jess?" Ich war den Tränen nahe. Auch wenn diese Hochzeit arrangiert war, wollte ich, dass sie perfekt war. Und auch wenn diese Ehe lieblos war, so konnte es wenigstens eine gute sein.
"Beruhig dich, Claire. Das kriegen wir schon wieder hin.", meinte Grace und nahm mich in den Arm. Gerade in dieser Situation war sie mein Fels in der Brandung.
"Passt mir ja auf das Kleid auf!", warnte Jess streng. Sie bewahrte auch in solchen Situationen den Überblick über alles, was wirklich wichtig war. Und auch wenn sie ein wenig streng klang, so war ich ihr dankbar, dass sie auf so etwas achtete. Mein Kleid konnte ja schlecht dreckig sein während der Trauung und auf allen Fotos!
Mein Kleid war das Schönes an der gesamten Hochzeit. Ich war ein großer Fan von Spitze. Eigentlich wollte ich ein Cinderella-Kleid passend zur Kutsche. Aber als ich das Kleid im Meerjungfrauen-Stil gesehen hatte, war ich sofort verliebt.
Wenn schon nicht in den Mann verliebt, dann wenigstens in das Kleid.
Es hatte ebenfalls eine Schleppe, die aber nicht zu lang war. Ich wollte es ja auch nicht direkt übertreiben. Als ich mich darin das erste Mal sah, fing ich direkt an zu weinen. So wie jeder andere, der mich darin gesehen hatte.
Es war einfach mein Kleid.
Es klopfte wieder an der Tür und Hannes kam mit einer Box in der Hand rein. "Die hat meiner Großmutter gehört." Er öffnete die Holzbox vorsichtig. Darin lag eine wunderschöne Kette, bestückt mit weißen und blauen Edelsteinen in einer silbernen Verfassung. "Etwas Altes, Blaues und Geborgtes."
Er stellte die Box auf der Kommode ab und hob die Kette vorsichtig an. Ich drehte Hannes meinen Rücken zu, damit er sie mir anlegen konnte. Sie fühlte sich so kalt auf meiner Haut an, dass ich sofort Gänsehaut am ganzen Körper bekam. Als er sie fertig angelegt hatte, drehte ich mich zum Spiegel.
Es sah einfach atemberaubend aus. "Wunderschön.", hauchte ich, als ich über das glatte, kalte Material fuhr.
"Jetzt brauchen wir nur noch etwas Neues!", freute sich Jess und fing an in einer ihrer Handtaschen zu kramen. "Ich wollte dir das eigentlich erst später geben, aber da wir es jetzt mehr brauche, kann ich es dir auch jetzt schon geben."
Auch sie hielt eine Box in der Hand. Aber die war nicht aus Holz, sondern schön eingepackt in Geschenkpapier. Aber das machte ihr nichts aus, denn sie riss es einfach offen und reichte mir ein Strumpfband. Warum hatte ich so was irgendwie geahnt?
"Okay, ich warte dann mal draußen auf euch.", murmelte Hannes und fluchtete zügig aus dem Zimmer.
Ich hob mein Kleid und Fuß an, damit Jess mit das weise Strumpfband aus Spitze anziehen konnte. "Ich hatte ja eher gehofft, dass David damit später seinen Spaß haben wird. Aber so klappt das auch." Wie bitte? Ich konnte es nicht verhindern, dass mir etwas die Röte ins Gesicht stieß.
"Jess! Hier sind Minderjährige anwesend!", tadelte ich. Grace sah mich nur ausdruckslos an.
"Nur weil ich erst 13 bin, heißt das nicht, dass ich nicht weiß, wie der Hase läuft.", kommentierte Grace. Wo sie recht hatte.
"Oder rammelt.", murmelte Tove, aber wir konnten es alle hören.
"Tove!", stieß ich entsetzt hervor. Doch das Lachen der drei war einfach zu ansteckend. Vor ein paar Minuten stand ich noch kurz vor einer Panikattacke und jetzt lachte ich. Power of friendship.
~~~
Als die Krise dann endlich überwunden war, fuhren wir von der Villa zum Schloss, wo meine Hochzeit stattfand. Also mit einer wunderschönen, weißen Pferdekutsche, die mit vielen bunten Blumen geschmückt war.
Vor dem Schloss, wo die Zeremonie abgehalten wurde, warteten Hunderte Menschen, vor allem Fotografen. Wir hatten einen eigenen Fotografen angestellt, aber wenn ein Milliardärssohn heiratete, war auch die Presse da. Als wäre es DAS Event Deutschlands.
Ich hatte mir diesen Ort ausgesucht, weil ich ihn so wunderschön und altmodisch fand. Schon immer wollte ich in einem alten Gebäude heiraten, das hatte einfach etwas Nostalgisches. Die Feier würde auch hier abgehalten werden. Da war ich sehr froh drüber, so mussten wenigstens nicht alle nochmal irgendwo hinfahren.
Als alle Gäste Platz genommen hatten, fing die Musik an. Der bekannte Hochzeitsmarsch klang durch das ganze Schloss. Und ich fing an, zu zittern.
Das war es.
Meine letzten Minuten als unverheiratete Frau, als Junggesellin.
Vielleicht würde ich mich mehr freuen, wenn ich jemanden heiraten würde, den ich auch wirklich liebte. Nein, nicht nur vielleicht. Definitiv!
Ich hakte mich in Hannes' Arm ein und folgte meinen Brautjungfern durch den Saal, wo die Trauung abgehalten wurde und sich gerade alle Menschen befanden.
Wie erwartet, lag jeder Blick auf mir. Von Hunderten Menschen, die ich nicht kannte. Warum waren eigentlich schon so viele bei der Trauung dabei?
Der Gang zum Altar kam mir so endlos lang vor. Als würde es Minuten dauern, bis Hannes mich an David übergab. Dabei vergingen lediglich ein paar Sekunden.
Victoria war es wichtig, dass ich nach vorne zu David sah, während ich den Gang entlang lief. In den Proben hatte ich immer auf meinen Strauß geschaut. Ich wollte aber einfach nicht sehen, wie David mich ansah, denn er würde mich nicht ansehen, wie die schönste Frau in seinem Leben. Er würde nicht mit dem Weinen anfange, wie man es aus rührseligen Videos kannte.
Aber ich schaute lieber den Standesbeamten an, der uns trauen würde.
Und dann stand ich dort vorne. Vor so vielen Menschen. Hand in Hand mit David, einem Mann, den ich nicht liebte. Auf unserer Hochzeit, die von unseren Eltern vor Jahren arrangiert wurde.
Wir hatten die Trauung schon einige Male vorher geübt. Was super war, wenn man bedachte, dass ich wie auf Autopilot lief. Es war, als hätte ich in diesem Moment keine Gewalt über mich selbst. Vielleicht war das auch besser so. Wer wusste, was ich anstellen wurde, wenn ich wirklich alles mit Bedacht machte.
Ich blickte lediglich in Davids hellbraunen Augen, als gäbe es nur ihn in diesem Augenblick. Und es war, als würde sich die Welt etwas langsamer drehen.
Gott, wie kitschig das war! Ich liebte David noch nicht einmal! Er war die Ausgeburt des Teufels. Schon von klein auf hatte er mich schikaniert und geärgert! Und jetzt musste ich ihn heiraten. Nur wegen des Geldes. Was eine wunderschöne Vorstellung. Nicht!
Doch bevor ich mich zu sehr in meine Wut steigern konnte, unterbrach mich der Standesbeamte.
"Nehmen Sie, Claire Flora Martin, den hier anwesenden David Leopold Lippoldt zu Ihrem rechtmäßigen Ehemann? So antworten Sie mit 'Ja, ich will.'."
"Ja, ich will."
"Nehmen Sie, David Leopold Lippoldt, die hier anwesende Claire Flora Martin zu Ihrer rechtmäßigen Ehefrau? So antworten auch Sie mit 'Ja, ich will.'."
"Ja. Ich will."
"Sie dürfen die Braut jetzt küssen.", verkündigte der Standesbeamte, nachdem David und ich die Ringe ausgetauscht hatten. Dieser eine Satz holte mich aus meinem Autopiloten raus. Wir mussten uns küssen. Wir hatten uns noch nie geküsst, auch nicht in den Proben. Und dann auch noch vor so vielen Leuten.
"Beruhig' dich, Claire.", flüsterte David, nahm mein Gesicht in seine Hände und führte mein Gesicht zu seinem.
Kaum berührten sich unsere Lippen, jubelten und klatschten die ganzen Gäste um Saal. Doch das nahm ich nur nebenbei wahr.
In diesem Moment konnte ich mich nur auf Davids weiche Lippen konzentrieren, die auf meinen lagen. Ich hatte vorher schon mal einen Jungen geküsst. Aber mit David war das dann doch irgendwie etwas anderes.
Aber bevor ich einen klaren Kopf bekam, löste sich David auch schon wieder von mir und legte mir einen Arm um meine Hüfte, damit wir uns zu unseren Gästen drehten.
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Würdet ihr gerne berühmt sein? Wenn ja, wofür?
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