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Ich musste mich beeilen. Ich durfte nicht noch einmal zu spät kommen. Mein Boss machte mich fertig. Er würde mich feuern. Und ich brauchte das Geld!
Ich rannte die Straße entlang zu dem kleinen Café, in dem ich aushalf. Es war nur ein kleiner Nebenjob, weil ich sonst nicht viel Zeit hatte. Ich studierte und musste mich um meine Familie kümmern. Ich konnte diesen Job einfach nicht verlieren. Er war unsere einzige Einkommensquelle neben den Sozialhilfen.
Als ich das Café erreicht hatte, war es 8:04 Uhr. Ich war vier Minuten zu spät. Hoffentlich hatte mein Chef es nicht bemerkt. Das war nämlich bereits das dritte Mal, dass ich zu spät kam und das alleine diesen Monat. Ich band mir schnell die Schürze um und öffnete das Café.
"Claire, du bist schon wieder zu spät." Ich schreckte auf, als ich seine Stimme plötzlich hörte. Shit, er hatte es also doch bemerkt.
Ich drehte mich zu ihm und lächelte ihn entschuldigend an. "Es tut mir leid, Herr Zimmermann. Es wird auch nie wieder vorkommen. Versprochen."
"Claire, das ist das dritte Mal in diesem Monat und wir haben erst den zehnten." Ich konnte doch auch nichts dafür!
"Wirklich, das war das letzte Mal.", versprach ich ihm. Ich hatte meine Hände gefaltet vor mir und sah ihn flehend an.
"Das stimmt, denn ich muss dich entlassen. Tut mir leid, Claire." Was? Das konnte er doch nichts ernst meinen. Oder etwa doch?
"Aber ich brauche diesen Job!"
"Tut mir leid. Du bekommst deinen Lohn für die Tage, aber das war's. Ich muss dich bitten, mein Café zu verlassen." Ich zog mir die Schürze aus und stürmte aus dem Laden.
Das konnte nicht wahr sein! Wie sollte ich das meiner Mutter erklären? Sie würde mich hassen. Noch mehr, als eh schon. Und was war mit Grace?
Ich rannte die Straßen entlang, ohne eine bestimmte Richtung einzuschlagen.
Ohne drauf zu achten, überquerte ich eine Straße. Im Augenwinkel sah ich, dass ein Auto stark bremsen musste. Oh mein Gott. Was machte ich da nur? Ich hätte mich beinahe überfahren lassen.
Das schwarze Luxusauto hupte noch einmal und brauste dann auch schon wieder davon.
Etwas aufmerksamer als zuvor lief ich den restlichen Weg zu meiner Wohnung.
Früher hatten wir in einem riesigen Haus gewohnt mit vielen Zimmern. Mit mehr Zimmern, als Bewohnern. Aber jetzt lebten wir in einer kleinen 50 m² Wohnung und ich teilte mir ein kleines Zimmer und ein Bett mit meiner 13-jährigen Schwester. Und das alles nur wegen meines Vaters.
Vor unserer Wohnung stand ein schwarzer Rolls Royce. Der konnte keinem der Anwohner gehören. Keiner konnte sich den hier leisten. Das war die Gegend der Armen.
Aber ich konnte mir gut vorstellen, dass das Auto einem Drogenboss oder so gehört, denn sicher war diese Siedlung auch nicht wirklich. Man konnte ja nie wissen, wer sich hier so rumtrieb.
Nachdem ich aus dem Fahrstuhl kam, schloss ich die Wohnungstür auf und wurde von einem ungewöhnlichen Geruch empfangen. Irgendwas war faul hier. Es roch alles so sauber und rein. Normalerweise konnte man den Geruch von Alkohol nicht ignorieren. Und es sah auch sauber aus. Was war hier los?
Meine Mutter räumte nie auf. Das war eigentlich mein Job und ich hatte dafür kaum Zeit neben dem Studium und der Arbeit. Aber alles sah plötzlich so ordentlich aus.
"Das muss sie dann auch schon sein.", hörte ich meine Mutter sagen. Mit wem redete sie da? "Claire, kommst du mal bitte in die Küche?" Ich legte meine Sachen ab und ging in unsere kleine Küche. Hier hatte man gerade mal Platz für drei Leute aller höchstens. Dafür erfüllte sie aber ihren Zweck.
Zwei Männer in teuer aussehenden Anzügen standen in der kleinen Küche, die jetzt total überfüllt war. Der eine war bereits älter und hatte graue Haare. Der andere sah noch recht jung aus. Vielleicht Anfang bis Mitte 20. Wer waren diese Männer? Und warum waren sie hier?
"Was gibt es?", fragte ich meine Mutter zögerlich. Sie sah so anders aus. So nüchtern. Seit mein Vater nicht mehr bei uns war, hat sie sich immer tiefer in den Alkohol gestürzt. Sie nach all der Zeit so zu sehen, war ungewohnt. Sie hatte geduscht und sich die Haare ordentlich zurechtgemacht. Sie trug sogar ein Kleid!
"Das sind David Lippoldt und sein Vater, Hannes. Meine Herren, das ist Claire.", stellte sie uns einander vor. David? Der Name kam mir bekannt vor. Aber es gab viele Männer, die so hießen, das musste nichts bedeuten.
"Mum, ich müsste mal kurz mit dir unter vier Augen reden.", bat ich. Ich musste ihr die schlechte Nachricht noch überbringen. Und wenn gerade jetzt, schien ein guter Augenblick. Sie war nüchtern und es gab Zeugen. Da würde sie doch nichts versuchen. Oder?
"Entschuldigung Sie uns kurz.", meinte meine Mutter zu den Männern und zog uns ins Wohnzimmer. "Was willst du?!"
Und da war sie auch schon wieder. Die Furie, die sich meine Mutter schimpfte. Also irrte ich mich doch. "Ich-ich wurde entlassen. Aber ich suche mir gleich sofort einen neuen Job. Versprochen." Ihre Züge entspannten sich ein wenig. Was war hier los?
"Das ist kein Problem mehr, Schätzchen. Deswegen sind David und Hannes ja hier." Was hatte das zu bedeuten? Waren es Kredithaie oder so was? Was führte meine Mutter schon wieder im Schilde?
"Entschuldigung Sie unterbrechen zu müssen, aber wir müssten dann wieder los.", bemerkte der Ältere, Hannes, als er ins Wohnzimmer kam.
"Alles klar. Claire, pack' deine Sachen." Moment mal, was?
"Was? Warum?" Warum sollte ich meine Sachen packen?
"Du ziehst zu David und seiner Familie." WIE BITTE WAS?! War das gerade etwa ihr Ernst?! Ich sollte zu fremden Menschen ziehen? Und was war mit Grace?
"Und warum sollte ich das tun?", fragte ich misstrauisch.
"Weil du meine Frau wirst.", antwortete dieser David, der hinter Hannes auftauchte. Es war das erste Mal, dass ich seine Stimme hörte. Sie war so tief und rau. Unter anderen Umständen hätte sie mir wahrscheinlich noch besser gefallen.
"Das ist doch jetzt nicht euer Ernst, oder?" Alle drei schauten mich todernst an. "Oh nein. Nein! Vergesst es!" Ich würde doch keinen Fremden heiraten, den ich nicht mal liebte! Das war einfach gegen meine Prinzipien.
"Sorry, dich enttäuschen zu müssen, Schätzchen, aber du hast keine andere Wahl.", grinste David höhnisch. Schätzchen? Natürlich hatte ich eine andere Wahl! Man konnte mich doch nicht zu etwas zwingen, was ich überhaupt nicht wollte!
"Soll das etwas heißen, ich muss eine arrangierte Ehe führen? Hallo! Wir sind im 21. Jahrhundert! So etwas gibt es in unserer Kultur nicht mehr." Zwangsehe? Wo waren wir denn hier gelandet?!
"Claire! Pack' jetzt gefälligst deine Sachen!", fauchte meine Mutter mich an. Ich konnte es nicht fassen. Sie gab mich einfach so weg zu irgendeinem Typen, den ich noch nicht mal kannte! Was lief hier gerade ab?
"Du hast zehn Minuten, um die wichtigsten Sachen zu packen.", kommentierte David und verließ dann unsere Wohnung. Was? War das ein blöder Traum? Wenn ja, dann wollte ich bitte schnellstmöglich aufwachen.
"Worauf wartest du noch?!", fragte meine Mutter aufgebracht und schob mich in mein und Grace' Zimmer.
Meine Mutter packte alle meine Sachen, während ich ihr wie erstarrt zuschaute. Wie konnte sie mir das nur antun? Mich einfach zu einem fremden Mann schicken, von mir verlangen, ihn zu heiraten, und meine kleine Schwester allein mit ihr zurücklassen? Anscheinend hatte der Alkohol bei ihr mächtig viele Gehirnzellen abgetötet. Sie war doch verrückt!
"Alles gepackt. Und jetzt geh'!" Sie drückte mir die Tasche mit meinen Sachen in die Hand und schob mich zur Tür. Ohne eine Verabschiedung schloss sie die Wohnungstür hinter mir. Ich starrte die Tür an. Was war das? Warum war sie so zu mir?
Zögerlich lief ich zum Aufzug und fuhr ins Erdgeschoß. Mir blieb wohl nichts anderes übrig, als mit diesem David und seinem Vater mitzufahren. Sie hatte mich rausgeschmissen. Doch war das die richtige Entscheidung? Was war mit Grace? Wer würde sich jetzt um sie kümmern, wenn ich nicht mehr da war? Unsere Mutter bestimmt nicht.
Draußen lehnte David an dem schwarzem Rolls Royce, den ich eben schon gesehen hatte. Also gehörte ihm das Auto. Wie viel Geld sie wohl hatten? Erst die teure Kleidung, dann ein teures Auto. Was kam da als Nächstes? Eine riesige Villa?
"Da bist du ja endlich! Steig ein!", befahl er und stieg ins Auto ein. Was ein Gentleman!
Ich packte meine Tasche in den Kofferraum und stieg hinten ein. Hannes war der Fahrer und David saß neben ihm. Seltsam. Da besaß man schon so viel Geld für so ein Auto, aber hatte keinen Chauffeur?
"Wir fahren erst mal zu uns. Meine Frau freut sich schon, dich kennenzulernen, Claire.", bemerkte Hannes und fuhr los. Das konnte ja noch was werden!
Erstaunlich, wie sich mein ganzes Leben innerhalb weniger Augenblicke komplette ändern konnte. Und dabei hatte ich noch nicht mal ein Sagen darin gehabt.
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Mit welchen 3 Wörtern würdest du dich beschreiben?
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