🌊 Kapitel 3 🌊
Mike kauerte hinter einer Kiste kurz vor dem Tor – nur etwa zehn Meter entfernt. Er behielt die Wachen die ganze Zeit im Blick. Sie sollten ihn nicht erwischen. Nur wie er wieder rein kommen könnte, da hatte er noch keine Idee. Abwartend beobachtete er sie. Dann, als sie kurz in eine andere Richtung blickten, schlich er sich eine Kiste weiter. Sein Herz schlug vor Aufregung schneller. Er hatte keine Ahnung, wann die nächste Wachablösung war. Hoffentlich bald!
Mike blickte wieder zu den Wachen. Doch da stand nur noch der mit der Glatze, wo war der andere Mann hin? Er beugte sich ein Stück vor und lugte weiter hinter der Kiste hervor, als er plötzlich auf seiner Schulter eine schwere Hand spürte.
Mit einem erschrockenen Ausruf drehte er den Kopf und starrte der verschwundenen Wache ins Gesicht. So ein Mist! Nun war er doch noch erwischt worden. Mike zitterte am ganzen Körper, als er sich umdrehte und nun zwei Wachen vor sich stehen sah. Sein Herz raste, während er versuchte, so ruhig wie möglich zu bleiben und eine Erklärung für sein unerlaubtes Herumstreifen zu finden. Wenigstens musste er sich jetzt keine Gedanken mehr darüber machen, wie er zurück in die Stadt kam.
Die Wache, die ihm die Hand auf die Schulter gelegt hatte, betrachtete ihn mit einem strengen Blick aus stahlblauen Augen, und Mike spürte die Spannung in der Luft. Was sollte er sagen, warum er sich außerhalb der Mauer aufhielt und wie er überhaupt hier hingekommen war? Ihm fiel einfach nichts ein. Mit zitternden Knien stand er auf.
„So, wen haben wir denn da?“, sagte die Wache. „Bist du nicht Mike? Der kleine Cousin von Alex? Der hat dich doch mal mitgenommen und dir alles gezeigt.“
Mike schluckte nervös. War das gut, dass der Mann ihn direkt erkannt hatte? Oder war das eher schlecht? „Ja, der bin ich“, gab er kleinlaut zu.
„Du wirst dem Rat einiges zu erklären haben, Mike“, fuhr die Wache fort. „Wie du hier herausgekommen bist. Was du hier zu suchen hast. Und um einen Diebstahl auszuschließen, untersuchen wir gleich deinen Rucksack.“ Er streckte die Hand aus, und Mike ließ die Schultern sinken. So hatte er sich das Ende seines Abenteuers nicht vorgestellt. Niedergeschlagen reichte er der Wache den Rucksack.
„Hast du was in deinen Hosentaschen?“, mischte sich nun der zweite Wachposten in das Gespräch ein. Mike schüttelte den Kopf.
Mit einem Kopfnicken wiesen sie ihn an, zum Tor zu gehen. Die Wache mit der Glatze, die dort stehengeblieben war, wartete schon mit dem Schlüssel in der Hand. Missbilligend schüttelte der Mann den Kopf, als er Mike anblickte. Er steckte den Schlüssel in das Schloss und öffnete das Tor mit einem quietschenden Geräusch.
Die Wachen auf der anderen Seite erwarteten ihn. Anscheinend war er früher bemerkt worden, als er gedacht hatte. Von wegen leises, heimliches Anschleichen! Er hatte sich wohl maßlos überschätzt. Das kratzte erheblich an seinem Selbstbewusstsein. Hoffentlich sprach sich das nicht herum. Andererseits war das doch ein eindeutiger Beweis, dass er draußen gewesen war. Also hatte er die Wettschuld nun klar eingelöst!
Die Wache mit den stahlblauen, kalten Augen schob ihn mit den Worten: „Hier habt ihr den Ausreißer wieder. Passt bloß auf, dass er nicht noch abhaut!“, durch das Tor. Dann drückte er den Rucksack einer der Wachen in die Hand. Der Wachposten hatte schon graue Haare und war anscheinend der älteste.
Mike hörte wieder das bekannte Quietschen, als das Tor hinter ihm geschlossen wurde. Kurz überlegte er weg zu laufen, als er den Gedanken schnell wieder verwarf. Er würde schneller gefasst werden, als er schauen konnte, und dann hätte er bloß noch mehr Ärger. Außerdem wussten sie ja, wo sie ihn finden konnten. Alex würde bestimmt verraten, wo er wohnte. Nun fielen ihm seine Eltern ein. Oh Mann, das gäbe auch noch einmal richtig Ärger!
Plötzlich fühlte er ein leichtes Schütteln. Die ältere Wache blickte ihn fragend an und wartete offenbar auf eine Antwort. Doch Mike hatte gar nicht mitbekommen, was er überhaupt gefragt worden war. Er schaute ihn mit großen Augen an und versuchte den Eindruck zu vermitteln, dass er alles verstanden hatte. Aber sein verlegenes Lächeln reichte scheinbar nicht aus.
„Okay, ich sehe dir an, dass du nicht zugehört hast. Also noch mal von vorne.“ Die Wache schüttelte den Kopf. „Hast du irgendwas in deinem Rucksack mitgehen lassen, als du da draußen rumgestromert bist? Oder gehört das alles dir?“ Der Mann schaute ihn scharf an. „Und wehe dir, du lügst mich an! Dann bekommst du ein noch größeres Problem, als du schon hast.“
Unter dem Blick der Wache fühlte sich Mike winzig klein. Kurz überlegte er, von dem Buch in dem geheimnisvollen Fach im Schiff zu erzählen. Aber irgendetwas hielt ihn zurück. War da nicht wieder dieses sonderbare Kribbeln, das ihn immer wieder überfiel? Dieses Mal fühlte er es in den Fingerspitzen, so als ob er das Buch umklammern und festhalten wollte. Die Wachen durften unter keinen Umständen von diesem großen Geheimnis erfahren!
Er schüttelte den Kopf. „Nein, das gehört alles mir, wirklich.“
Die andere Wache trat nun näher heran und warf ebenfalls einen Blick in den Rucksack. Er beließ es aber nicht bei dem Blick. Er griff hinein und holte die Glaskugel heraus.
„Das gehört alles dir?”, fragte er dann misstrauisch. „So eine Kugel habe ich noch nie gesehen.” Er schüttelte sie und kniff die Augen zusammen. „Was ist da denn drin? Wasser? Wie kommt Wasser in die Kugel?”
„Zeig mal”, mischte sich der dritte Wachposten ein. Alle drei Männer beäugten die Glaskugel.
Mike war nicht sicher, ob er erleichtert sein sollte, weil niemand dem Buch Aufmerksamkeit schenkte, oder ob er Angst haben sollte, dass sie ihn wegen Diebstahl vor den Rat führten.
Sein Herz schlug heftiger, und ein Zittern durchlief seinen Körper. Der Rat. Vor den wollte er auf gar keinen Fall gebracht werden! Warum hatte er sich nur nicht mehr Gedanken gemacht, was er machen könnte, wenn er doch erwischt wurde. Er war zu sehr von sich überzeugt gewesen. Vielleicht auch ein klein wenig leichtsinnig.
Die Männer fingen an, leise miteinander zu tuscheln. Dabei warfen sie immer wieder misstrauische Blicke zu Mike hinüber. Dem wurde immer unwohler. Er traute sich kaum noch zu schlucken. Steif stand er da. Fluchtgedanken hatte er absolut nicht mehr. Er verwünschte diese dumme Wette. Was wie ein Spaß geklungen hatte, entpuppte sich jetzt als riesengroße Dummheit!
Mit großen Augen blickte er die Wachen an. Leider sprachen sie zu leise. Er wüsste wirklich gern, was sie da besprachen. Vielleicht ließen sie ihn laufen, wenn er gestand, dass er die Kugel auf dem alten Schiff mit dem Namen Marevita gefunden hatte? Gerade, als er sich entschlossen hatte, alles zu erzählen, drehte sich der Mann mit den grauen Haaren zu ihm.
„Die Kugel hast du niemals von zu Hause mitgebracht. Die musst du da draußen gefunden haben. Ich habe dich gewarnt, dass du ein richtiges Problem bekommst, wenn du mich anlügst.”
Mikes Herz machte einen angstvollen Hüpfer. Er malte sich die schrecklichsten Dinge aus. Würde er in eine Arrestzelle kommen? „I-ich habe ...”, begann er stotternd.
„Spar dir deine Lügen für jemand anderen auf”, unterbrach ihn der alte Mann. Er tauschte einen Blick mit seinen Kollegen, und sie nickten einander zu. Danach gaben sie ihm den Rucksack zurück - natürlich ohne die Glaskugel. Damit war sein Beweis für die Jungs weg. Aber wenn er jetzt vor den Rat gebracht wurde, hatte er sowieso Beweis genug. Das würde sich in der ganzen Stadt herumsprechen: Mike, ein Teenager, war bei einem nächtlichen Raubzug jenseits der Mauer erwischt worden!
Er ließ die Schultern sinken. Wenn er erst mal aus der Arrestzelle raus war, bekam er sicher anschließend Hausarrest von seinen Eltern aufgebrummt. Seine Freiheit konnte er vorerst vergessen.
Die Wache packte ihn am Arm. „Komm mit.” Mehr sagte er nicht, als er losging und Mike mit sich zog. Halb stolpernd folgte er dem Mann.
Mike schluckte einmal. Er hatte einen dicken Kloß im Hals. Und warum fühlte sich sein Mund so trocken an? Sollte er die Wache fragen, was genau passieren würde? Seine Gedanken drehten sich im Kreis. Er machte sich riesige Vorwürfe und hatte Angst. Immer schrecklicher waren die Strafen, die ihm einfielen. Zehn Tage in der Arrestzelle bei Brot und nur einem Becher Wasser am Tag. Vielleicht sogar nur ein halber Becher Wasser! Warum sollte man an einen Lügner und Dieb kostbares Wasser verschwenden? Oder der Ausschluss vom Programm, er würde niemals auf die Bootschule gehen dürfen! Vielleicht schickten sie ihn mit einem Forschungsschiff los und ließen ihn irgendwo auf den Weiten des Ozeans auf einem Floß treiben, bis er vor Hunger und Durst halb wahnsinnig war ...
Tränen glitzerten in seinen Augen, während er von der Wache mitgeschleift wurde. Stumm eilten sie voran. Und er hatte keine Ahnung, was ihn erwartete.
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🌊 Wörter 1.454
🌊 Wörter insgesamt 5.273
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