Kapitel Neun - Zigarren (Till)
Schon oft stand ich kurz davor, wahnsinnig zu werden. Etwas so sehr zu begehren, dass man regelrecht durchdrehte. Sehnsucht.
Ich konnte spüren wie mir das Blut die Lippe runter floss. Zu fest draufgebissen. Dabei fühlte ich den eindringlichen Blick von einem Paar eisblaue Augen.
Ich sah auf und blickte in den prüfenden Blick Richards. Manchmal bereute ich es, mich ihm nie wirklich geöffnet zu haben. Nicht nur, dass er mir wichtig war, sondern auch, dass ich einst weit mehr empfunden habe als nur freundschaftliche Gefühle. Ich hätte so viele Chancen gehabt. Aber nun war mir bewusst, dass er an Pauls Seite gehörte.
„Um ehrlich zu sein überrascht mich das nicht. Du hast ihn ja schon ziemlich auffällig gemustert nach eurer ersten Begegnung", meinte er, strich sich dabei durch sein schwarzes Haar. „Ich würde dranbleiben. Der Kleine mag dich." Etwas schmunzelte Richard, was zwei Reihen perfekter Zähne entblößte. Ich fragte mich, wie oft sich mein Kumpel die Zähne bleichen ließ.
„Ich will ihn." Es war eine grauenvolle Anspannung, die ich seit Tagen hatte. Alles wegen diesem verdammten, kleinen Italiener mit diesen runden Rehaugen, die mich regelrecht verrückt machten. Mir war bewusst, dass ich jeden haben konnte. Wirklich jeden, oder jede. Aber ich wollte ihn und ich war mir sicher, dass er mich auch wollte.
Ein leises Lachen ertönte aus Richard Kehle, weswegen ich mich zu ihm umdrehte. „Wieso lachst du?", fragte ich, zog die Augenbraue hoch. Dabei griff ich beinahe schon automatisch nach der Bierflasche, welche vor mir stand und nahm einen ordentlichen Schluck.
Richard grinste breit, sah zu mir hoch. „Ich will mit dir etwas wetten. Wir haben ja den Kleinen im Fitnessstudio gesehen, nicht wahr?" Seine blauen Augen funkelten wie das Meer während er sprach.
Langsam nickte ich, auch wenn ich keine Ahnung hatte, worauf er hinauswollte. „Sprich weiter", forderte ich ihn auf. Das könnte vielleicht noch interessant werden.
„Ich finde ja, dass er ein ziemliches Kraftpaket ist. Vielleicht solltest du ihn übertrumpfen, alter Herr", meinte er grinsend. Ich verstand zwar nicht den Sinn hinter der ganzen Sache, aber ich vertraute ihm mal. Gespannt sah ihn an, wartete darauf, dass er noch etwas hinzufügte, aber Richard nahm nur einen Schluck des Biers, zog die Augenbraue hoch.
Schließlich schien er irgendwann zu verstehen, was ich wollte, weswegen ihm ein leises Seufzen entwich. „Nun, ich würde sagen, dass wir eine Wette abschließen. Wenn du, sagen wir mal in ungefähr zwei Wochen, es nicht schaffst, ihn zu wenigstens einem richtigen Date zu überreden und mehr Gewichte zu heben als er, dann musst du die Hochzeitsrede halten." Breit grinste er, sah mich mit funkelnden, blauen Augen an.
„Hochzeitsrede? Wer heiratet denn?", fragte ich etwas irritiert, lehnte mich weiter in der alten Ledercouch zurück. An seinem Blick konnte ich erkennen, dass es vermutlich die dämlichste Frage des Jahrhunderts gewesen ist.
„Till Schweiger", sagte er sarkastisch, rollte mit den Augen. „Ich habe vor, Paulchen einen Antrag zu machen und ich gehe mal davon aus, dass er ja sagen wird", erklärte Richard dann, woraufhin ich schmunzeln musste. Ich freute mich für die Beiden, aber betete, dass diese Ehe ohne Komplikationen bestehen würde. Würden sich die beiden streiten könnte dies problematisch für die Band werden. Doch ich sagte nichts dazu, da ich Richard ungerne verärgern wollte.
„Einverstanden. Wenn ich es aber schaffen sollte, ihn zu überreden, dann möchte ich deine Ledercouch, denn die ist echt bequem", meinte ich grinsend. Etwas anderes könnte ich eh kaum verlangen, da ich sowieso alles hatte, was ich wollte.
„Wo ist denn Heiko überhaupt?", fragte ich, legte den Kopf schief.
„Der ist gerade beim Einkaufen", antwortete Richard, gab mir mit einem Kopfnicken zu verstehen, dass er scheinbar mit meinem Vorschlag einverstanden war.
„Darf ich dich eins fragen, Till? Was gefällt dir denn so sehr an dem Kleinen? Du kannst jeden haben auf dieser Welt. Es wird auch niemanden überraschen, wenn Sexskandale mit dir und einem Mann in der Bild auftauchen. Nimm es nicht persönlich, aber es denkt eh fast niemand, dass du hetero bist. Also, warum ausgerechnet er? Sobald man ihn auch nur erwähnt funkeln deine Augen ganz komisch. Wie ein Hund, dem Fressen versprochen wurde."
Ich biss mir auf die Unterlippe. Tatsächlich hatte ich keine Ahnung, weshalb ich beinahe schon besessen von Anthony war. „Er hat so wunderschöne Rehaugen, ich könnte in ihnen versinken. Er bringt mich zum Lachen und bei ihm fühle ich mich so, als ob ich einfach nur Till wäre und er lässt mich besonders fühlen. Nicht als Sänger, oder als sexueller Liebhaber, sondern weil ich einfach nur Till bin." Für ein paar Momente schloss ich die Augen, dachte an seine zarten Lippen, sowie diese sanfte Engelsstimme, die mir eine Gänsehaut bereitete.
„Ich will das nicht, Richard. Er soll weggehen, auch wenn ich andererseits will, dass er bei mir bleibt. Es ist fast wie mit einem Diamanten. Du willst ihn unbedingt haben, dieser glänzende, strahlende Diamant, auch wenn er nur ein Stein ist."
„Ein sehr teurer und wertvoller Stein, mein Guter", murmelte Richard, nahm einen weiteren Schluck. „Aber ich weiß, was du damit sagen willst. Ich denke einfach, dass du anfangen solltest, wieder zu fühlen. Ich weiß, dass du Orgien genießt, sowie die Abwechslung, aber hast du schonmal überlegt, wie das weitergehen soll? Ich glaube, du sehnst dich auch irgendwie nach Zuneigung." Er legte den Kopf schief, musterte mich intensiv.
Leise seufzte ich auf, fuhr durch mein Gesicht. Nachdenklich biss ich mir auf die Unterlippe, bis ich erneut Blut schmecken konnte. Als Antwort entgegnete ich einfach nichts, was für Richard so etwas wie eine stumme Zustimmung war. Laut zugeben, dass er Recht hatte würde ich nur über meine Leiche. Ich war einfach zu stolz, um diese Fakten auszusprechen, was er sowieso schon getan hat. Doch Richard verstand meinen stolz, da er auch selbst stolz war. Vielleicht hätte es genau deshalb nicht mit uns beiden funktioniert. Unser Stolz, sowie leichte Selbstarroganz wäre uns im Weg gestanden. Richard passte so gut zu Paul, weil Paul stets guter Dinge war und auch zuhörte, wenn man seine Probleme von der Seele sprach.
Automatisch musste ich an Anthony denken. Dieser Mann faszinierte mich einfach und ich wollte soviel mehr von ihm. Mehr von diesen zärtlichen, sanften Bambiaugen. Vermutlich war dies das Interessante. Diese Unschuld in seinen Augen, sowie andererseits seine heißen Küsse und leidenschaftlichen Berührungen seiner schlanken Finger auf meiner Brust. Mein Herz raste, als ich an den Vorfall vor wenigen Stunden dachte. Dieser verdammte Kerl. Wusste er denn nicht, was er mir antat? Wie sehr es mich verwirrte, sowie wahnsinnig machte?! Frustriert brummte ich, nahm einen weiteren Schluck von dem Bier.
Richard grinste amüsiert, legte den Kopf schief. „Du kriegst ihn echt nicht mehr aus dem Kopf, hm?", fragte er, lehnte sich zurück. Seine blauen Augen musterten mich erneut, schienen bis in meine Seele vorzudringen. Richard war einer der sehr wenigen, welche ihn gut genug kannten. „Vielleicht solltest du irgendwann wieder zu ihm, aber sei nicht zu aufdringlich. Sowas kann echt Angst machen, vor allem wenn so ein Tier wie du jemanden bedrängt." Er zwinkerte mir zu, was ich nur mit einem weiteren Brummen kommentierte. Ich wusste, dass er Recht hatte. Aber am liebsten würde ich sofort zu ihm rennen, ihn packen und wieder küssen. Seine Lippen waren mir noch frisch im Gedächtnis, wollte von diesen süßen Rosen kosten. Seine Haut ist so weich gewesen, als ob er noch ein Kind wäre. Dieses Wesen schien mir nicht menschlich zu sein. Ein verdammter Engel, anders als ich mir einen Engel vorgestellt habe. Niemals hätte ich gedacht, dass es sich bei meinem Engel um einen gebräunten Italiener mit Rehaugen handelte. Noch immer spürte ich seine Finger auf mir, sein Becken auf meinem Schoß. Es schien beinahe schon eine Sucht zu sein. Die Sehnsucht nach ihm.
Mit bebenden Händen griff ich nach der Schachtel Zigarren, welche auf dem Tisch lagen. Schweigend zündete ich mir eine an, seufzte kurz auf. Der Rauch beruhigte meine Nerven für wenigstens eine kurze Zeit. Ich musste klar denken, durfte mich nicht zu sehr von ihm ablenken lassen. Von ihm, mit seinen Bambiaugen.
„Till, du enttäuscht mich. Du bist so leicht zu durchschauen gerade." Ein leises Lachen ertönte von Richard, weswegen ich ihm nur ein leises Brummen zurückgab.
„Wie meinst du das?", gab ich zurück. Automatisch spannte sich mein Körper an. Es gab fast nichts Schlimmeres, als zu wissen, dass man durchschaut wurde. Auch wenn Richard und ich uns schon ewig kannten behielt ich meine Gedanken lieber für mich.
Ein wenig zuckten seine Mundwinkel. „Du weißt, was ich meine. Deine Gedanken an den jungen Mann, die du hast. Du wirkst ziemlich abwesend." Richard lehnte sich ein wenig zurück, betrachtete mich wieder intensiv. So, als ob er ein Psychologe wäre und ich sein Patient. Stur erwiderte ich den Blick, aber reagierte nicht wirklich auf seine Behauptungen.
Es machte mir etwas Sorgen, dass ich meine Obsession scheinbar so offen zeigte. Vielleicht hatte ich Glück und die anderen würden nicht merken, dass meine Gedanken eigentlich einer bestimmten Person galten und würden mich darauf nicht ansprechen.
Erneut griff ich nach der Flasche, nahm einen ordentlichen Schluck Bier. „Kann sein", gab ich schließlich leise zu, immerhin wollte ich nicht lügen. Fairness war mir wichtig, besonders wenn es auch Richard betraf. Ein treuer Freund und eine gute Seele.
„Dachte ich mir schon. Du hast entweder zwei Möglichkeiten. Entweder du versuchst es, oder du lässt es. Aber unsere Wette gilt." Er zwinkerte, zog an seiner Zigarre, bevor er den Rauch aus seinem Mund aufsteigen ließ. „Aber ein anderes Thema. Weißt du, was mit Schneider los ist? Er wirkt noch abwesender als du in letzter Zeit." Richard zog die Augenbraue hoch.
Als Antwort schüttelte ich den Kopf. Auch ich hatte absolut keine Ahnung, was mit Christoph zurzeit vor sich ging, aber es spielte doch jeder früher oder später mal verrückt. Ich musste mich sowieso erstmal um den kleinen Italiener kümmern.
Nach 100 Jahren endlich das versprochene Kapitel aus Tills Sicht. Bitte Feedback geben.
Ja, ich habe ein Demi Lovato Lied verlinkt. Verklagt mich.
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