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Ich hatte keine Zeit zu protestieren. Minho griff einfach nach meiner Hand und zog mich mit sich, als wäre das hier das Normalste auf der Welt. Seine Finger waren warm, sein Griff fest, aber nicht grob – als wollte er wirklich, dass es so aussah, als gehörten wir zusammen.
Mein Magen drehte sich.
Das war absolut surreal.
Wir betraten das Schulgebäude, und schon nach den ersten Schritten wurde mir klar, dass wir nicht unbemerkt geblieben waren.
Tuscheln.
Blicke.
Jemand stieß den anderen mit dem Ellbogen an, ein paar Mädchen vor ihren Spinden sahen uns mit großen Augen an. Eine von ihnen kicherte, dann drehte sie sich zu ihrer Freundin und flüsterte ihr etwas zu.
Ich wollte im Boden versinken.
Minho schien sich von alldem nicht stören zu lassen. Er ging einfach weiter, zog mich mit sich, als wäre nichts. Erst als wir das Klassenzimmer erreichten, ließ er meine Hand los – aber es war zu spät.
Das Gerücht hatte längst seine Runden gedreht.
„Ey, habt ihr das gehört?“
„Jemand hat die beiden vor der Schule gesehen!“
„Minho und Jisung?!“
„Ich dachte, Minho steht auf Frauen?“
„Vielleicht hat er’s sich anders überlegt.“
Ich biss mir auf die Lippe, während ich an meinem Platz saß.
Felix war heute mit einer anderen Klasse auf einem Ausflug, weil er den Termin in unserer Klasse verpasst hatte, also hatte ich niemanden, der mir zur Seite stand. Ich war allein.
Und Minho …
Minho sah so unbeteiligt aus, als ginge ihn das alles nichts an.
Ich starrte auf die Tischplatte und versuchte, die Blicke zu ignorieren.
Die erste Pause kam schneller, als mir lieb war.
Ich wollte mich irgendwo verstecken, irgendwohin verschwinden, wo mich niemand anstarrte. Doch Minho hatte offensichtlich andere Pläne.
Er tauchte neben mir auf, bevor ich überhaupt daran denken konnte zu flüchten.
„Komm mit.“
Ich funkelte ihn an. „Warum—“
„Weil wir es überzeugend rüberbringen müssen, Prinzessin.“
Bevor ich widersprechen konnte, legte er einen Arm um meine Schultern und zog mich mit sich.
Ich zuckte zusammen. Sein Griff war nicht unangenehm – das machte es nur noch schlimmer.
Wir liefen über den Schulhof, und ich spürte, wie die Blicke uns folgten. Manche Leute taten so, als würden sie nicht hinschauen, aber sie hörten trotzdem nicht auf zu flüstern.
Minho schien das nichts auszumachen.
Dann, wie aus dem Nichts, griff er nach meiner Hand.
Ich versteifte mich sofort. „Was zur—?“
„Entspann dich“, murmelte er leise. „Es ist nur für die Show.“
Nur für die Show.
Mein Herz raste, aber ich tat mein Bestes, mir nichts anmerken zu lassen.
Minho ließ meine Hand nicht los. Ganz im Gegenteil – er verschränkte sogar unsere Finger, als wäre das hier wirklich echt. Und er tat es mit einer Selbstverständlichkeit, die mich wahnsinnig machte.
„Tu nicht so, als würdest du gleich umkippen“, raunte er mir leise zu, während wir über den Hof liefen. „Wir sind jetzt ein Paar, schon vergessen?“
Ich biss die Zähne zusammen. „Ich hasse dich.“
„Ich weiß.“
Er grinste – dieses selbstgefällige, überhebliche Grinsen, das mich seit Jahren in den Wahnsinn trieb. Und dann setzte er noch einen drauf.
Mit der freien Hand strich er mir plötzlich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
Ich riss die Augen auf.
„Was zur—?“
„Shh“, machte Minho. Seine Stimme war so süßlich, dass es mir fast übel wurde. „Die gucken alle zu. Sei ein braves Kätzchen und spiel mit.“
Ein braves Kätzchen?!
Ich wollte ihn umbringen.
Aber ich konnte nicht. Ich konnte nicht, weil die halbe Schule uns bereits beobachtete. Weil jeder, der bisher nicht wusste, was passiert war, jetzt ganz sicher mitbekam, was für eine Show Minho hier abzog.
Ich konnte das Getuschel hören, konnte die Blicke spüren.
„Wow, Minho ist echt süß zu ihm …“
„Hätte ich nicht gedacht. Aber irgendwie … die zwei passen schon zusammen, oder?“
Ich fühlte mich, als wäre ich in eine verdammte Parallelwelt geraten.
Und dann – als wäre das hier nicht schon schlimm genug – setzte Minho die Kirsche auf die verdammte Torte.
Er ließ meine Hand los, legte stattdessen seine Finger an mein Kinn … und neigte seinen Kopf leicht zu mir runter.
Mein Atem stockte.
„Mach. Das. Nicht“, zischte ich so leise, dass nur er es hören konnte.
„Wieso nicht?“ Seine Lippen verzogen sich zu einem kleinen Lächeln.
„Du willst doch nicht, dass unser kleines Spiel auffliegt, oder?“
Ich wollte ihm am liebsten ins Gesicht schlagen.
Doch bevor ich auch nur reagieren konnte, drückte er mir einen Kuss auf die Stirn.
Das Schulgelände explodierte.
Ich hörte, wie jemand entsetzt nach Luft schnappte, ein paar Mädchen kreischten sogar leise.
Ein paar Jungs pfiffen anerkennend, während andere laut auflachten.
Minho ließ mich endlich los. „Na dann, bis später, Babe.“
Und mit diesen Worten ließ er mich einfach stehen.
Ich stand mitten auf dem Hof, meine Hände zu Fäusten geballt, mein Gesicht glühend vor Scham.
Ich hätte es wissen müssen.
-
Der Englischlehrer betrat den Raum, schob seine Brille auf die Nase und klatschte zweimal in die Hände, um die Klasse zur Ruhe zu bringen.
„Heute arbeiten wir an einer Partneraufgabe“, begann er und ließ seinen Blick durch den Raum schweifen.
„Ihr werdet eine kurze Präsentation über einen US-Bundesstaat vorbereiten. Partnerwahl ist euch überlassen – also los.“
Ich seufzte leise und griff nach meinem Stift, doch bevor ich mich überhaupt umsehen konnte, spürte ich eine Hand, die sich um mein Handgelenk schloss.
„Schon vergeben“, murmelte Minho mit einem selbstgefälligen Grinsen, während er mich näher zu sich zog.
Ich zog meine Hand ruckartig weg und funkelte ihn an. „Kannst du mich einmal in Ruhe lassen?“
„Nope“, sagte er und lehnte sich entspannt in seinem Stuhl zurück. „Wir sind doch ein Paar, oder nicht? Da wäre es ja seltsam, wenn wir mit jemand anderem arbeiten.“
Mein Magen zog sich zusammen.
Ich hätte lieber mit jemand anderem gearbeitet. Mit irgendjemand anderem. Aber Minho ließ mir gar keine Wahl.
Ich warf einen kurzen Blick durch den Raum und stellte fest, dass bereits fast alle in Zweiergruppen saßen. Nur noch Changbin stand allein da, mit finsterem Blick und verschränkten Armen.
Der Lehrer hob eine Augenbraue. „Changbin, du hast noch keinen Partner?“
Changbin schüttelte nur den Kopf.
„Dann arbeitest du mit…“ Der Lehrer ließ seinen Blick weiterwandern.
Keine Rettung in Sicht.
„Felix ist heute nicht da, also machst du mit ihm die Präsentation, sobald er wiederkommt“, entschied der Lehrer schließlich. „Und jetzt sucht euch einen Staat aus.“
Ich atmete tief durch und zwang mich, Minho nicht anzusehen.
Aber natürlich konnte er es nicht lassen.
„Also“, sagte er leise, während er ein Blatt aus seinem Notizheft riss, „wann kommst du zu mir?“
Ich blinzelte. „Was?“
„Na, um das hier zu machen“, erklärte er und wedelte mit dem Blatt.
„Ich komme nicht zu dir.“
Minho verzog kaum merklich das Gesicht, fing sich aber sofort wieder. Sein Blick wurde herausfordernd.
„Okay“, sagte er langsam. „Dann komme ich halt zu dir.“
Ich schüttelte den Kopf. „Ich will auch nicht, dass du zu mir kommst.“
Minho tat, als würde er beleidigt seufzen. „Jisung, Jisung… Das ist keine Art, mit deinem Freund zu reden.“
Ich verdrehte die Augen und ignorierte ihn.
Aber Minho war noch nicht fertig.
Er lehnte sich ein Stück näher zu mir, seine Stimme wurde leise und fast… schmeichelnd.
„Was ist los? Hast du Angst, dass ich in deinem Zimmer irgendwas finde, das mir gefällt?“
Ich schnaubte. „Halt die Klappe.“
Er grinste nur. „Wann passt es dir also?“
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