𝐓𝐞𝐢𝐥 𝟒: 𝐌𝐎𝐑𝐃 𝐔𝐍𝐃 𝐌𝐀𝐑𝐌𝐄𝐋𝐀𝐃𝐄
„Was schreiben wir jetzt auf?", fragte Trevor neugierig.
„Den Zeitplan. Wir müssen herausfinden, wann Mareille starb um zu überprüfen, wer es wohl gewesen ist.", antwortete ich. „Wir gingen um circa dreizehn Uhr in den Speisesaal, um etwas zu essen und fanden Mareilla dort. Korrekt?"
„Wieso fragst du, ob das richtig ist, wenn du es doch selbst gesehen hast?", fragte Trevor.
„Weil man sich beim Ermitteln nicht einmal selbst komplett vertrauen sollte. Ich möchte nicht zu subjektiv arbeiten, also brauche ich mehrere Sichtweisen."
„Wie kann man eine Uhrzeit subjektiv wahrnehmen?"
„Trevor; bestätige einfach meine Beobachtung, oder widersprich ihr. Bitte!", unterbrach ich ihn und er räusperte sich und verzog sein Gesicht tatsächlich wieder zu einer ernsteren Grimasse: „Ich bestätige."
„Dankeschön. Das Frühstück endete um neun Uhr. Mareilla und Carter verließen den Speisesaal zusammen um genau viertel vor neun. Ist das korrekt?"
„Ich habe keine Ahnung, weil ich zu dem Zeitpunkt gerade absolut nicht darauf geachtet habe, was Mareilla und Carter jetzt schon wieder machen."
„Okay, dann müssen wir mir in dem Punkt einfach vertrauen. Wir haben eine Zeitspanne von neun Uhr bis dreizehn Uhr. Das sind vier Stunden und eine Menge Zeit."
„Aber wir vergessen die Säuberung!", bemerkte Trevor. „Die Küchenhilfen haben die Tische vor dem Mittagessen geputzt. Juliette hat nämlich Marmelade auf den Tisch fallen gelassen und ihren Teller drauf gestellt, damit man das nicht sieht. Als wir aber wieder in den Speisesaal gingen, waren alle Tische sauber. Wow, bilde ich mir das nur ein, oder würdest du mich gerade am liebsten küssen?"
„Trevor, du hast gerade vermutlich die schlauste Bemerkung deines Lebens abgegeben. Wir müssen also herausfinden, wann die Küchenhilfe kam, um die Tische zu säubern, denn entweder war Mareilla zu dem Zeitpunkt noch nicht tot im Speisesaal, oder die Küchenhilfe hat sie selbst umgebracht, denn ich traue es Mareilla absolut zu, auch die Küchenhilfen irgendwie gegen sich aufgebracht zu haben."
„Heißt das, wir müssen zurück in die Schule?", fragte Trevor und sah traurig nach draußen, wo Schnee gegen die Fenster schlug.
„Wir müssen zu der Küchenhelferin. Also, ja, wir müssen zurück in die Schule.", sagte ich und fröstelte schon bei Gedanken an die Temperaturen dort draußen. Trevor seufzte: „Aber dann nehmen wir alle Sachen mit, die wir zum ermitteln brauchen. Denn so wie ich das sehe sind unsere Chancen ganz gut, dass der Schnee uns in der Schule dann irgendwie gefangen hält."
„Trevor Ericsen, ich bin begeistert von deinen Denkfähigkeiten.", sagte ich und fing an, meinen Rucksack zu packen mit all den Dingen, die wir brauchen könnten, unter anderem auch der Morddrohung und den Bittermandeln, die ich selbstverständlich aufbewahrt hatte, während Trevor etwas Schnee von seiner Mütze wischte.
***
Als wir zurück im Hauptgebäude ankamen, bewies der Schnee, dass er aus Wasser bestand und nicht aus zusammengeklebtem Glitzer. Die weißen Schneeflocken in unseren Haaren schmolzen innerhalb weniger Sekunden und wir sahen kurz darauf aus, als wären wir ins Meer gefallen.
„Okay, wo finden wir jetzt die Küchenhilfe?", fragte der tropfende Trevor bibbernd.
„Ich würde in der Küche nachsehen.", schlug ich vor.
„Da wäre ich nie darauf gekommen.", meinte Trevor trocken, folgte mir aber in Richtung Küche.
Die Küche der Schule war in dem Raum hinter der Mensa und sie war unglaublich sauber, was beruhigend war, denn wir hatten in Biologie gerade erst die Gefahr von Salmonellen durchgenommen. Die Messer blitzen wie silberne Sterne und waren in etwa genauso lebendig wie die meisten Sterne dort oben im Himmel.
„Hallo?", rief Trevor laut und neben uns öffnete sich eine Tür und eine erschrockene Küchenhilfe stolperte heraus. Als sie uns sah entspannte sie sich sichtlich: „Ach, gut. Ich dachte schon, ihr wärt die Mörder."
„Sie heißen Miss Kenny, oder?", fragte ich und Miss Kenny sah sichtlich verblüfft aus: „Nein, also ... doch, ja. Ja, ich heiße Miss Kenny!"
„Haben sie die Tische im Speisesaal geputzt?", fragte Trevor.
„Ja?"
„Und um wie viel Uhr war das?", fragte ich.
„Ich putze die Tische immer direkt nach dem Frühstück ab. Aber heute blieben zwei Mädchen sehr lange sitzen, weil ja kein Unterricht stattfindet, also konnte ich die Tische erst um elf oder so abwischen."
„Um elf? Da war das Frühstück schon zwei Stunden vorbei!", rief Trevor und ich sah ihn warnend an.
„Ich wollte sie nicht herausschicken!", meinte Miss Kenny entrüstet. „Ihre Eltern müssten nur schnipsen und ich wäre gefeuert!"
„Also keine Stipendiatinnen.", murmelte Trevor leise.
„Dann kann Tara es nicht gewesen sein. Also waren es Florence und Juliette.", erwiderte ich ebenso leise und lächelte Miss Kenny an, woraufhin sie das Gesicht etwas verzog: „Wenn sie mich entschuldigen würden, ich habe noch viel zu tun, ich -"
„Vielleicht sollten sie noch einmal über die Tische wischen. Sie haben etwas Marmelade übersehen.", sagte ich beiläufig. Miss Kenny erstarrte kurz: „Wie bitte?"
„Jemand muss gekleckert haben. Oder haben sie keine Marmelade gesehen, als sie gewischt haben?" Ich betete inständig, dass Trevor den Mund hielt und tatsächlich schaffte er es, die Zähne nicht auseinander zu ziehen.
„Nein, als ich gewischt habe waren die Tische sauber. Sie sind immer sehr sauber, sie alle haben ausgesprochen gute Manieren! Natürlich gibt es immer ein paar Einzelfälle, aber die machen das dann vermutlich absichtlich.", meinte Miss Kenny und ich dachte an all meine Mitschülerinnen und Mitschüler und das Wasser, das sie beim Lachen über den Tisch spuckten und all die Erbsen, die ihnen schon von den Gabeln gefallen waren.
„Vielen Dank, Miss Kenny. Noch einen schönen Tag.", sagte ich, weil Miss Kenny etwas nervös aussah. Natürlich war sie nervös.
„Ja, ja. Gleichfalls.", verabschiedete sie uns etwas fahrig und verließ die Küche. Ich drehte mich triumphierend zu Trevor um, der mich wieder mit dem absolut beschreibbaren Blick ansah, den ich nicht beschreiben möchte. „Sie hat die Tische nicht gewischt. Sie hat uns angelogen, Miss Kenny hat uns angelogen!"
„Nur, weil sie die Marmelade nicht gesehen hat?", fragte Trevor stirnrunzelnd. „Aber ich meine, wer erinnert sich schon an Marmelade?!"
„Trevor, sie hat uns angelogen! Miss Kenny hat etwas zu verbergen, und wir müssen herausfinden, was es ist. Soweit wir wissen, hat sie kein Alibi und sie könnte ohne Probleme frei in der Schule herumlaufen. Ich meine, wir haben keine Ahnung wo sie überall war, nachdem sie uns die Suppe in die Bibliothek gebracht hat, in der Essen übrigens eigentlich verboten ist!"
„Warte kurz.", sagte Trevor und schloss die Augen. Ich wartete halbwegs geduldig. Dann öffnete er die Augen wieder, als hätte er sich soeben neu gestartet: „Okay. Nehmen wir an, Miss Kenny hätte uns angelogen, womit sie uns erstens nicht hilft und sich zweitens selbst ein kleines Grab schaufelt – was machen wir mit der Information? Wir haben keine Ansätze!"
„Wir haben sehr wohl Ansätze. Wir müssen nur herausfinden, wer Mareilla am meisten hasste.", erwiderte ich und zog unsere Verdächtigenliste heraus.
„Kannst du uns da bitte endlich von wegstreichen?", bat Trevor.
„Kannst du ein absolut wasserdichtes Alibi vorweisen?"
Trevor seufzte: „Nein?"
„Dann bleibst du auf der Liste. Weißt du, was wir jetzt machen?"
„Nein, denn genau das habe ich dich eben erst gefragt!"
„Wir reden mit all den anderen. Wir finden heraus, ob sie irgendwelche geheimen Aufzeichnungen oder Mordwaffen horten."
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