Prolog
Prolog
Das Sternenlicht spiegelte sich in einem kleinen See. Wellen schwappten träge ans Ufer und umspülten die Pfoten einer dunkelroten Kätzin, die dort kauerte. Das lange Fell hing fast bis an den Boden und die bernsteinfarbenen Augen funkelten. Den Kopf nach vorne gestreckt, berührte sie mit der Nase die Oberfläche des glänzenden Wassers und leckte ein paar Tropfen auf. Sie waren eiskalt und die dunkelrote Kätzin schauderte, als sie sie schluckte. Dann trottete sie ein paar Schritte vom Ufer weg, rollte sich in der Nähe des Gebüschs zusammen und fiel in einen tiefen Schlaf.
Als die dunkelrote Kätzin die Augen wieder öffnete, fand sie sich an einem hellen Ort. Sonnenlicht schien durch die Baumwipfel und das Moos unter ihren Pfoten war angenehm weich. Wo bin ich?, fragte die Kätzin sich und rappelte sich auf. Dann schaute sie sich neugierig um. Es gab viel Unterholz und Brombeerbüsche. Ihr kam der Ort bekannt vor, mit den Ranken und den Bäumen und den Sonnenstrahlen, die zwischen den Zweigen den Wald erhellten. »Willkommen, Rosenherz«, erklang plötzlich eine tiefe Stimme, die ihr dennoch bekannt vorkam. Mit gesträubtem Fell wirbelte Rosenherz herum, entspannte sich jedoch wieder, als sie einen dunkelgrauen Kater mit blauen Augen und struppigem Fell vor ihr erkannte. »Krähenschweif!«, rief sie erfreut und gleichzeitig besorgt aus. »Wie geht es dir? Bist du wohlauf im SternenClan?« »Meine Schülerin«, schnurrte Krähenschweif stolz und seine blauen Augen glänzten. »Mir geht es perfekt. Die Katzen sind freundlich, ich sehe endlich meine Schwester Drosselflug wieder und es gibt genügend Beute.« »Sehr gut«, meinte Rosenherz. »Du siehst auch gepflegt aus.« »Aus dir ist eine gute Heilerin geworden«, meinte Krähenschweif. Rosenherz zögerte. »Findest du? I-ich habe ständig das Gefühl, nicht gut genug zu sein.« Trotzdem leckte sie sich das Brustfell, um ihre Verlegenheit zu überspielen. »Oh doch, bist du. Vertrau einfach auf dich«, miaute Krähenschweif. Er trat einen Schritt vor und leckte seiner Schülerin das Ohr. »Danke«, miaute Rosenherz, allerdings nur wenig überzeugt. Dann runzelte sie jedoch die Stirn. »Wieso bin ich eigentlich hier? Bin ich etwa tot? Aber ich war doch nur am Mondsee!« Sie stockte. »Oder bin ich hier, weil ich einfach so zum Mondsee aufgebrochen bin, weil ich dem Clan nichts gesagt habe? Oder, weil es noch gar nicht Halbmond ist?« Belustigt schnurrte Krähenschweif. »Nein, keine Sorge, Rosenherz, du bist nicht tot. Und du wirst auch nicht bestraft, weil du hier bist, ohne dem DonnerClan etwas zu sagen. Du bist hier, um eine Prophezeiung zu erhalten.« »Eine Prophezeiung?«, wiederholte Rosenherz erstaunt. »Wirklich? I-ich bin doch...« Sie senkte den Blick auf die Pfoten. »Ich bin doch noch gar nicht lange genug Heilerin!« Vor ihrem inneren Auge sah sie ihren Mentor vor ein paar Monden, wie er in seinem Moosnest lag, das dichte Fell am Hals blutrot gefärbt. Diese Wunde hatte ihm ein Fuchs zugefügt, als er Katzenminze sammeln war. Rosenherz war über den Verlust ihres Mentors immer noch nicht ganz hinweggekommen. »Doch, bist du«, sagte Krähenschweif sanft. »Du bist die beste Heilerin, die der DonnerClan sich wünschen könnte.« Plötzlich wurden seine Augen glasig, sein Blick abwesend, und er miaute mit gefühlsloser Stimme: »Die junge Birke wird dem Donner etwas bringen, was nicht zu ihm gehört.« »Junge Birke? Welcher Donner? Was gehört nicht zu ihm?« Rosenherz war verwirrt. »Bitte, sag doch noch mehr!« Doch Krähenschweif schüttelte den Kopf. Seine Fröhlichkeit war wie weggeblasen.»Ich kann nicht. Selbst wenn ich wollte.« »Bitte!«, flehte Rosenherz. »Bitte! Ich verstehe das einfach nicht!« Doch Krähenschweif schüttelte ein letztes Mal seinen Kopf und verblasste dann. »Nein! Krähenschweif!«, jaulte Rosenherz. »Sag doch noch etwas! Bitte!« Doch anstatt dem lichtdurchfluteten Wald war um sie plötzlich nur noch Dunkelheit. »Krähenschweif? Wo bist du?«, miaute Rosenherz verzweifelt. Doch es kam keine Antwort, bis auf ihr eigenes Echo. Im selben Moment spürte sie, wie die Kälte in ihre Glieder kroch. Ein eisiger Wind kam auf und trug ihr einen vertrauten Geruch zu. »Krähenschweif?«, fragte Rosenherz hoffnungsvoll. »Bist du da?« Vor ihr erschien eine leuchtende Silhouette, es war unverkennbar Krähenschweif. Seine blauen Augen leuchteten, und von irgendwo wurden ein paar Worte an ihr Ohr getragen. »Junge Birke... Donner... gehört nicht zu ihm...« Zuerst hörte Rosenherz es nur ganz schwach, dann wurde es immer lauter, bis sie schließlich den vollständigen Satz verstand. »Die junge Birke wird dem Donner etwas bringen, was nicht zu ihm gehört...« Die Prophezeiung wurde immer wieder wiederholt, bis sie schließlich so laut wurde, dass Rosenherz das Gefühl hatte, ihr Trommelfell würde zerplatzen. Dann wurden die Stimmen immer leiser und plötzlich fand sie sich wieder am Ufer des Mondsees. Langsam hievte sie sich auf die Pfoten, schüttelte den Sand aus dem langen Fell und dachte über ihren Traum nach. »Die junge Birke wird dem Donner etwas bringen, was nicht zu ihm gehört...«, wiederholte sie gedankenverloren die Prophezeiung, während sie den Pfad zum Lager des DonnerClans einschlug. Als sie am Dornentunnel stehen blieb, hörte sie schmerzerfüllte Schreie aus der Kinderstube. Holunderblatts Junge kommen! Obwohl Rosenherz' Pfoten brannten wie Feuer, sprintete sie los zum Heilerbau, griff nach Borretsch und rannte weiter zum Brombeerstrauch, in dem die Königinnen und ihre Jungen untergebracht waren. Sie zwängte sich durch den engen Eingang und schaute sich um. Holunderblatts Augen waren weit aufgerissen vor Schreck und sie gab wimmernde Laute von sich. Neben ihr stand Birkenstern, der Vater der Jungen, und versuchte, seine Gefährtin zu beruhigen, mit dem er so ziemlich das Gegenteil bewirkte. »Holunderblatt, ich komme!«, miaute Rosenherz und sprang auf die goldbraune Kätzin zu. »Press!«, befahl sie ihr und massierte den Bauch der Königin. Während sie dies tat, wehte plötzlich ein kalter Wind um sie. Rosenherz sah vor ihren Augen nur noch dichter, schwarzer Nebel. Wie am Mondsee tauchte Krähenschweifs leuchtende Silhouette mit den blauen Augen auf, und er flüsterte: »Die junge Birke wird dem Donner etwas bringen, was nicht zu ihm gehört...« Nach diesen Worten schwand der Nebel und Holunderblatt und ihre Jungen rückten wieder in den Vordergrund. Als Rosenherz zu der goldbraunen Kätzin blickte, waren die Jungen bereits auf der Welt: Ein dunkelgraues Kätzchen mit goldbraunen Flecken und ein goldbraunes mit einem buschigen Schweif. Rosenherz wurde schwindelig, als sie die Junge sah. Mit einem Mal war alles klar: Diese Jungen waren die Jungen der Prophezeiung. Mit der jungen Birke waren Birkensterns Junge gemeint. Und der Donner war der DonnerClan. Sie taumelte. »Hier dein Borretsch, Holunderblatt«, miaute sie schnell und legte die Blätter vor die Pfoten der goldbraunen Kätzin. Dann verließ sie in schnellen Schritten die Kinderstube. Niemand außer ihr wusste, dass eins dieser Jungen großes Unglück über den DonnerClan bringen würde.
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