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Und wieder Weihnachten

Camilla schaute mich mit großen Augen an. Dann lachte sie zynisch auf und deutete auf die Reihe leerer Schnapsgläser. „Darauf brauche ich erst einmal einen Drink! Hast du schon mal über eine Karriere als Schnulzenschreiberin nachgedacht, Schnepfe?"

„Oh ja. Aber dass ich damit zu Ruhm käme, wäre genauso unrealistisch, wie diese Geschichte!", erwiderte ich blinzelnd und schenkte nach.

„Nun, ich sitze hier doch und bin so real, wie der Stinker, der alles verpestet mit seinem Balzduft. Und deine wunderschöne Freundin. Bin ich froh, dass ihr Schnepfen hier seid und nicht in London!"

Ich lächelte und strich über ihre runzelige  Wange. Sie gähnte und schaute mich traurig an. „Ich wünschte aber, ihr hättet mehr Glück in der Liebe, als ich. Ich verstehe das nicht, ihr seid so tolle Mädchen!"

„So ist das Leben, hm? Ich habe doch Glück. Ich liebe meinen Sohn, meine Mom und Jade."

„Was ist denn aus diesem Tanaka geworden?"

Ich seufzte. „Der ist natürlich nie wieder aufgetaucht. Nach dem Moment im Kaufhaus auch kein Wunder, ich denke, es war ihm peinlich. Der Name ist nur ausgedacht. Ich weiß weder, wie er heißt, wer er wirklich ist oder was er gemacht hat. Und natürlich hat Jade in London keinen Schauspieler getroffen, aber sie ist tatsächlich jemanden in die Arme gefallen!", endete ich lächelnd.

„Nicht nur das!", murrte Camilla. „Denkst du, es ist schon soweit?"

Ich guckte automatisch auf mein Telefon. Nein, keine Nachricht von Mary. Wie gut. Ern würde mich eh nicht gehen lassen, auch, wenn es mal wieder ziemlich leer in der Bar war.

„Nun sag mal, Schnepfe. Wer ist der Vater?"

Ich lächelte. „Willst du nicht lieber mein Weihnachtsmärchen im Kopf behalten, als die schnöde Wirklichkeit?"

„Verrate es mir morgen. Ich kann mir eh nichts mehr merken. Und danke, es war mir ein Vergnügen, dir zuzuhören. Aber wenn du über mich schreibst, erwähne das mit dem Tipp bitte nicht!"

Als wäre das das Schlimmste! Camilla zahlte und gab mir Trinkgeld. Nicht soviel, wie letztes Jahr- sie hatte sich endlich scheiden lassen, war aber trotzdem nicht arm, jedoch hatte sie Angst, ihr Geld zu verlieren. Der Tipp kam genau richtig, ich musste unbedingt noch etwas zur bevorstehenden Geburt meines Patenkindes kaufen! Ich hatte es noch nicht gemacht, aus verschiedenen Gründen.

In meiner winzigen Wohnung, die tatsächlich nun im Dachgeschoss des Hauses war, in dem meine Mutter lebte, war es eisig kalt. Es hatte tüchtig geschneit und da den ganzen Tag niemand zuhause gewesen war, hatte ich die Heizung ausgelassen, denn Bas hatte gefragt, ob er noch ein weiteres Jahr in England bleiben könne, was mich wieder in Nöte brachte. Ich überlegte, auch diese Wohnung zu kündigen und runter zu Mom zu ziehen, ich war eh dauernd dort und half ihr nach dem Schlaganfall. Die graue Realität! Ich schrieb also eine Kündigung an den Hausverwalter, dann schaute ich nach weiteren Jobs, obwohl ich kaum noch Zeit dafür erübrigen konnte. Gerade war Mom im Krankenhaus, weil sie eine Lungenentzündung hatte. Kaum hatte ich mich endlich hin gelegt, in den frühen Morgenstunden, klingelte das Telefon. Das Krankenhaus wollte, dass ich sie abholte. Sie bräuchten Platz und hätten sowieso kein Personal, ich könne ja auch mit ihr inhalieren. Immerhin bezahlten sie den Transport, denn ihre Kasse hatte für den ganzen Tag die Pflegekosten übernommen. Mom war mal wieder aufgebracht und schimpfte immerzu herum. Ich inhalierte mit ihr, dann gab ich ihr die Tabletten und irgendwann war sie eingeschlafen. Hieß, ich kam auch heute nicht zum shoppen! Wieder nickte ich weg, als eine Stunde später Mary O'Shea anrief und fröhlich verkündete, dass Ellie O'Shea Bouvier das Licht der Welt erblickt hätte!

„Wie schön!", rief ich. „Geht es ihnen gut? Ich kann leider nicht weg, Mary."

„Das ist schade. Kannst du nicht jemanden fragen, wenigstens für eine Stunde einzuhüten?"

„Leider nicht. Moms tolle Freundinnen haben sich ja von ihr vergraulen lassen. Und die Pflegerin kann erst heute Abend und ist auch zu teuer. Ich hoffe, dass die Versicherung bald mal zahlt und ich Vollzeit bei ihr bleiben kann."

„Ach, Kelly. Was ist mit dem Nachbarn von oben?"

„Ich weiß nicht...aber ja, ich versuche es. Ich melde mich."

Ich zog mir mein hübschestes Kleid an, schminkte die Krater unter den Augen über und lief in den zweiten Stock, der in meiner Geschichte ja auch von uns bewohnt worden war. Die Wohnung gehörte in Wirklichkeit einem alten Herren, der mich immer anzüglich angrinste, wenn wir uns begegneten. Jade sagte, er sei ein Serienkiller, weil man ihn sonst nie sah. Er war sehr rüstig und schaffte es locker die Treppen hinauf. Er öffnete die Tür nur einen Spalt und schaute mich genervt an, dann erkannte er mich und lächelte. Mir quoll Pfeifengeruch und Chormusik entgegen. Er sah fast so übernächtigt aus, wie ich!

„Miss Johnson! Frohe Weihnachten."

„Ihnen auch, Mr. Atkins. Ich habe eine sehr ungewöhnliche Bitte..."

Ich rieb meine kalten Hände, er guckte mir neugierig ins Gesicht und öffnete dann. Ich dachte an Jade, als ich ihm in die dunkle Wohnung folgte. Etwas stupste weich gegen meine Beine und ich lächelte, streichelte die hübsche Perserkatze. Und sah, dass er gleich mehrere hatte, Crazy Cat Man, dachte ich. Überall hingen alte Fotos von einer wunderschönen Frau, auf einem war er als junger Mann mit drauf, sein Hochzeitsfoto. Auf einem anderen entdeckte ich Moms Freundin, die Broadway- Schauspielerin.

„Sie kennen Annabelle Bois?", fragte ich verwundert.

Er schaute mich nicht an und murmelte: „Woher kennen sie sie?"

„Sie ist mit meiner Mom befreundet... gewesen. Vor dem Schlaganfall. Und...sie?"

„Die Dame neben ihr ist meine verstorbene Frau Emma. Das war das erste und letzte Mal, dass Emmi am Broadway aufgetreten ist. Aber...deswegen sind sie nicht hier, oder?"

„Meine beste Freundin hat gerade ein Baby bekommen und ich kann Mom nicht alleine lassen. Sie hat eine abklingende Lungenentzündung und bekommt manchmal Luftnot, dann muss sie schnell..."

Er nickte und nahm ein Buch vom Tisch, in dem er wohl gerade gelesen hatte. „Ich habe lange meine Frau gepflegt. Das mache ich doch gerne."

„Ich habe noch gar nicht gefragt?"

„Gehen sie aus, husch. Sie sind jung und sollten nicht hier versauern. Warum haben sie nicht schon eher um Hilfe gebeten?"

„Es schien immer so, als wollten sie ihre Ruhe."

„Oh, ja, stimmt. Und ihre Mutter war genau das Gegenteil von mir, immerzu unterwegs. Eine bemerkenswerte Frau."

„Es macht sie wahnsinnig, dass sie jetzt so eingeschränkt ist. Ich bin in einer Stunde zurück, rufen sie mich jederzeit an, ich schreibe ihnen meine Nummer auf."

Er lachte leise. „Bleiben sie solange fort, wie sie möchten. Ich kenne mich mit schimpfenden Damen aus."

Ich umarmte ihn, hatte Tränen in den Augen. Der ältere Mann schaute sich in Moms Wohnung um. „Als ich das letzte Mal hier war, war noch siebziger Tapete drauf."

„Sie kennen sich? Mom hat nie was erzählt..."

„Wahrscheinlich wegen Annabelle. Während die Freundin ihrer Mutter Karriere gemacht hat, wurde meine Frau krank und hat sich schließlich umgebracht. Aber es ist in Ordnung für mich. Es ist doch so lange her...", sinnierte er.

„Wie alt war ihre Frau?"

„Fünfundzwanzig. Wir kannten uns, seit wir fünf Jahre alt waren. Sie wollte ein Star werden und ich habe sie ermutigt, alles getan, um ihr zu helfen, aber das Schicksal wollte es anders. Sie hat eine Infektion bekommen, die Rheuma ausgelöst hat, zum Schluss konnte sie sich kaum noch bewegen und hat eine Überdosis Tabletten geschluckt. Das war genau vor fünfundvierzig Jahren. Ihre Mom hat mich telefonieren lassen...sie waren damals noch ein Baby."

Ich umarmte ihn noch einmal, er saß mittlerweile am Küchentisch, war bei der Erzählung ins Wanken gekommen. „Und ausgerechnet heute muss ich bei ihnen Klopfen, um sie zu bitten, auf Mom aufzupassen!"

„Nein, nein, das ist in Ordnung. Wir hatten eh nichts vor."

„Wir?"

„Die Katzen und ich. Wir hätten uns nur zum millionsten Male „Ist das Leben nicht schön?" angesehen und uns Pudding geteilt. Zum Friedhof kann ich heute nicht, wegen der Schneekatastrophe, passen sie nur auf sich auf, Miss."

Ich nickte und drückte ihn noch einmal. Schrieb meine Nummer auf und alles, was er wissen musste- Medikation, ihre Essensgewohnheiten und zum Glück hatte sie noch einen Katheter, sodass er nicht mit ihr auf Toilette musste. Er scheuchte mich förmlich hinaus und auf dem Weg zur Bahn weinte ich schon wieder. Kaum bei der Mall angekommen, wurde mir übel.

***

Kein Tag war vergangen, an dem ich nicht an Santa gedacht hatte, an das schönste Lächeln der Welt und diesen faszinierenden Mann. Ich war tatsächlich total versackt, vor einem Jahr, aber alleine. Und hatte ihn nie wieder gesehen... Die Mall war nicht so voll, wie letztes Jahr, oder nein, ich war früher dran, fiel mir auf. Während ich durch die Babyabteilung lief, dachte ich an Bas. Wir wollten später videochatten, ein Flug über Weihnachten wäre zu teuer gewesen. Er jobbte zwar, aber es reichte einfach hinten und vorne nicht. Ich wollte jedoch Jade damit nicht behelligen, die hatten auch nicht so viel Geld, weil Frank mal wieder arbeitslos war. Aber sie liebten sich tatsächlich. Mein Ex war damals im Pinter aufgekreuzt, hatte meine Beste aufgefangen und ihr gestanden, dass er sie immer noch liebe. Endlich begriffen hätte, was es bedeute, zu lieben, er hatte sich sogar bei mir entschuldigt. Hatte eine zeitlang Unterhalt für Bas gezahlt, aber nun war es wieder vorbei. Trotzdem war mein Ärger auf ihn verraucht, denn er bewies allen mit Jade und dem Baby, dass Männer sich ändern konnten! 

Eine schwangere Frau kam mir entgegen, die ein Kind an der Hand hatte, das aufgeregt von Santa erzählte. Ich seufzte und wandte mich wieder den Babysachen zu, hielt einen Strampler hoch. Nein, zu brav. Ich suchte etwas cooles! Schließlich fand ich einen schrillen Jumpsuit, den es auch für die Muttis gab, ich kaufte das Set, obwohl es wirklich überteuert war. Dann ging ich rüber in die Spielzeugabteilung, als mir einfiel, das Bas ja gar nicht da war und außerdem kein Fake- Geschenk von seinem Vater brauchte, weil er wieder Teil unseres Lebens war. Ich blieb stehen und schaute zu Santa, der gerade Pause hatte und las. Dieses mal wirklich ein Student, dachte ich, er machte sich eifrig Notizen. Ein Engel brachte ihm ein Bier, nun guckte er zu ihm hoch und tippte an die Stirn, ich lachte auf und er schaute zu mir. Winkte mich heran. Ich holte tief Luft und stieg auf das mit rotem Samt ausgelegte Treppchen.

„Ich habe auf dich gewartet und hoffe, dass du dieses Jahr artig warst?", begrüßte Santa mich fröhlich. Sein Akzent war verschwunden, aber die Stimme immer noch so schön, wie ich sie in Erinnerung hatte!

Mein Herz sackte in die Hose. Ehrlich? Wieso arbeitete er immer noch hier? Er lachte, weil ich wohl so verdutzt guckte, und klopfte auf seinen Schoß. Ich schüttelte den Kopf. Spürte, wie mir alles entglitt und stammelte: „Tut...tut mir leid."

„Was ist passiert?", fragte er nun erschüttert.

Ich drehte mich um und lief davon. Wollte nicht, dass er sah, wie ich wiederholt in Tränen ausbrach. Ich hörte Schritte hinter mir, Kinder, die nach Santa riefen und blickte mich panisch nach einer Fluchtmöglichkeit um, sah eine unscheinbare Tür und öffnete sie, nun war ich im Treppenhaus. Ich roch, dass es hier zu den Toiletten ging und rümpfte die Nase. Ich hörte die Tür nicht zufallen, statt dessen seine Stimme: „Noch einmal mache ich den Fehler nicht und lasse sie einfach entwischen!"

Er hatte seine Kapuze abgenommen und die schreckliche Maske. Lächelte mich an, dann guckte er bestürzt und umarmte mich ungefragt. Ich weinte bitterlich.

„Hey...Es wird alles gut."

„Wie können sie das sagen? Warum sind sie nie mehr bei uns aufgekreuzt?", fragte ich schniefend.

Er lachte leise. „Bedeutet das, dass sie mich gerne wieder gesehen hätten?"

Ich nickte in seine Schulter, besser gesagt, in den künstlich riechenden Filzstoff des Mantels. Er murmelte: „Lange Geschichte und ich muss noch ein paar Kinder beglücken. Geben sie mir bitte ihre Nummer?"

Ich bejahte natürlich! Schrieb sie ihm in sein Buch, sah, dass es ein Theaterstück war, welches er las.  Wir verließen den Flur und er verabschiedete sich, nun musste ich schnell ins Krankenhaus! Kaum war ich draußen, klingelte schon mein Telefon.

„Ja?"

„Sie kennen meinen Namen noch nicht, Mrs. Bouvier."

„Ich heiße wieder Johnson. Lange Geschichte..."

Er lachte. „Mein Name ist Yūsuke.  Sagen sie Yu. Wollen wir heute Abend essen gehen und uns die langen Geschichten erzählen?"

„Ich muss ab acht arbeiten."

„Wo arbeiten sie jetzt?"

Ich war irritiert. "Immer noch im Blue Star?"

 "Oh. Ja, ich werde dort sein. Sie wissen ja, wie ich den Sake mag."

„Natürlich, das habe ich nicht vergessen! Bis dann."

Ich speicherte die Nummer ab und stieg in die Bahn.

Ein bisschen schräg war es schon, meinem Ex zum Baby zu gratulieren, das er mit der Frau gezeugt hatte, mit der er mich betrogen hatte. Aber wie gesagt war mein Groll verflogen und Ellie zu süß. Das Zimmer war voll, selbst Niamh und Becca waren gekommen, Rick, Mary natürlich, mein Ex- Mann und die Partner von Jades Schwestern. Die Männer beweihräucherten sich und Jade schaukelte liebevoll das kleine Wesen. Ich umarmte sie stumm, brachte kaum ein Wort heraus, weil ich schon wieder heulen könnte. Vor Freude! Und Jade guckte mich traurig an.

„Püppi, es tut mir so leid. Ich hab gehört, dass Lynn wieder zuhause ist und du wenig Zeit hast, was für ein Weihnachten!"

„Ach, ich habe endlich den Nachbarn angesprochen und er passt auf Mom auf."

„Mr. Serial?"

Ich lachte. „Er ist ein Guter, ganz bestimmt. Guck, er hat mir...oh."

Ich wollte ihr ein Foto von ihm zeigen, welches er mir gesendet hatte, als ich in der Bahn war. Mom und er beim Inhalieren. Sie hätte ihn erkannt, schrieb er, und geweint, wegen Emma. Doch auch Yu hatte ein Foto geschickt, von seinem Bier trinkenden Engel und er schrieb: „Was soll ich mit dem machen? Dagegen sind sie brav!"

„Oh, mein Gott! Mr. Tanaka!", rief Jade.

Ich kicherte. Wir hatten ihn einfach so genannt.

„Er heißt Yūsuke. Keine Ahnung, ob Vor- oder Nachname."

„Du musst mir alles erzählen!"

„Ich weiß nicht, ob ich Mr. Atkins so lange alleine lassen kann. Aber soviel gibt es nicht zu sagen...ich bin in die Spielzeugabteilung und er war wieder da, als Weihnachtsmann. Er hat mich erkannt und mich heran gewunken, wollte, dass ich..." -ich senkte die Stimme- „...mich setze, aber natürlich habe ich es nicht getan. War mir peinlich und ich bin weg gelaufen, er kam hinterher und meinte, noch einmal lasse er mich nicht einfach so verschwinden."

„Hallo? Er wusste, wo er dich finden kann!"

Ich schaute mich alarmiert zu Jades Schwestern um, die guckten interessiert. Legte den Finger auf die Lippen und Jade nickte. Dann gab ich ihr das Geschenk und sie rastete fast aus, weil sie es liebte, anscheinend! Ich atmete auf. Wir umarmten uns und ich verschwand schnell wieder, es war noch voller geworden, keine Ahnung, wer das alles war. Vielleicht Franks Freunde? Zu viele Menschen...Mr. Atkins saß im Wohnzimmer, als ich heimkam, Mom hatte er auf die Couch verfrachtet und sie guckten einen Weihnachtsfilm. Mom schlief und hatte Pudding im Mundwinkel.

„Danke, Mr. Atkins. Ich kann das gar nicht wieder gut machen!"

„Ich danke ihnen, dass sie sich getraut haben. So bin ich heute nicht alleine, wie gesagt. Nun, es hat getaut, ich werde doch noch zum Friedhof fahren. Wenn sie mich wieder brauchen, weil sie feiern wollen oder so, sagen sie Bescheid."

„Das werde ich."

Nicht. Ich würde niemals seine Gutmütigkeit ausnutzen, um mich amüsieren zu gehen! Mom war heute tatsächlich schon besser drauf. Sie konnte sich alleine bewegen, wenn es ihr gut ging, hieß, sie keinen Infekt hatte. Der Arzt hatte gemeint, dass ich damit rechnen müsse, dass sie nicht mehr so mobil wäre danach, aber sie wollte unbedingt mit mir spazieren gehen. Ich wusch sie und half ihr beim Anziehen, als wir vor die Tür traten, wollte Mr. Atkins gerade in seinen Wagen steigen.

„Soll ich sie mitnehmen?", fragte er, ich zögerte.

„Wo wollen sie hin?", murmelte Mom.

„Zum Friedhof. Ist ja nur um die Ecke, aber bei dem Wetter laufen..."

„Ich möchte dort spazieren, Kelly."

Ich seufzte und half ihr einsteigen, dann setzte ich mich neben sie. Es war, als würde sie durch Mr. Atkins wieder aufleben. Sie sprach fast normal, langsam, aber deutlich, und schimpfte nicht ein einziges Mal, selbst nicht, als sie stolperte. Er hatte sie untergehakt und ich ging hinter ihnen, wie das Kind, dachte ich. Der Tag endete damit, dass Mom die Pflegerin weg scheuchte und Mr. Atkins- Rufus- seine Katzen runter holte, damit die nicht alleine waren. Mom und er spielten Karten, als ich los musste. 

Ich war nicht bereit, den Mann wieder zu sehen, an den ich so viel gedacht hatte, dass es mir vorkam, als wäre wirklich etwas zwischen uns gewesen. Und doch hatte er mein Herz gebrochen, irgendwie. Ohne es zu wissen. Zum Glück war Ern gut drauf und verzieh mir, dass ich zu spät war. Ich zeigte ihm Fotos von Ellie, er machte blöde Witze und ein junger Gast lachte. Ich seufzte und brachte meine Sachen nach hinten, Camilla war schon da und sie freute sich über die Bilder. Dann fragte sie: „Kriege ich heute den Rest der Story?"

„Welchen Rest? Sie war doch zu Ende."

Jedesmal, wenn sich der Vorhang bewegte, hielt ich die Luft an. Bisher waren ein paar Freunde von Ernesto, die Veronique lauschten, zwei junge Paare und Camilla da. Nun kamen noch ein paar minderjährige Jungs herein, die Diego wohl entwischt waren, er schoss hinterher und warf sie wieder raus. Camilla war kurz abgelenkt, aber nun schaute sie mich wieder an und tippte auf die Reihe Gläser. Ich schenkte nach. „Die Geschichte mit der schwangeren Schnepfe. Das Baby ist süß. Aber ich denke nicht, dass es durch den heiligen Geist entstanden ist?"

„Amen!", rief Ernesto und stellte sich hinter mich. „Bring meinen Boys noch eine Runde, Moppelchen. Und du, Jeanie, halte mein Mädchen nicht von der Arbeit ab."

„Ich bin gerade die Einzige, die gut zahlt, Mr. Ernesto. Dann kann ich auch ihre Mädchen beanspruchen, wie mir beliebt."

Sie hatte recht, die Freunde waren eingeladen und die Pärchen tranken schon seit einer Stunde an einer Flasche Sekt. „Oh, ich muss mich korrigieren, da kommt tatsächlich noch ein Gast."

Mein Herz machte einen Satz. Der Japaner lächelte uns schüchtern an und setzte sich zu Camilla an die Bar, während ich die johlenden Männer bediente. Als ich zurück kam, hatte Ernesto ihm eine ganze Flasche Sake hingestellt und er schenkte gerade Camilla ein. „Wir teilen uns meine Reihe, Schnepfe. Der junge Mann kann sich nur ein einziges Gläschen leisten!"

Ich nickte und räumte Gläser weg. Spürte, dass Yu mich ansah. Meine Hände zitterten. „Und er will auch wissen, wer der Vater ist!", hakte die ältere Frau nach.

Yu erwiderte: „Hab ich nicht gesagt."

„Heißen sie zufällig Tanaka?"

„Jetzt ist Schluss!", murmelte ich und schaute sie durchdringend an.

„Och, Schnepfe. Warum willst du ihm die Geschichte vorenthalten, sie ist eine sehr schöne Weihnachtsgeschichte?"

„Ich heiße Mr. Ito und ja, ich würde sie gerne hören."

„Mrs. Lansing, sie wissen, was mein Boss davon hält, wenn ich..."

Sie zeigte auf die Paare, die gerade die Bar verließen. Ja, es sah nicht so aus, als wäre ich sehr beschäftigt. Yu schenkte auf ihr Wedeln hin nach und sie alberten herum, wie Kinder, als sie um die Wette die Kurzen kippten und er schneller war. Ich hatte Camilla noch nie so fröhlich gesehen! Ich dachte an Mom und schaute auf mein Telefon. Sie schlief, Rufus hatte wieder ein Foto geschickt. Zwei seiner Katzen lagen auf ihr. Ich spürte, dass mir Tränen in die Augen schossen.

„Hey, Schnepfe, der Sake ist alle."

Ich blickte auf, der Japaner machte komische Zeichen hinter Camillas Rücken. Ich zog die Augenbrauen zusammen, sie drehte sich zu ihm und er grinste. „Was heckt ihr aus? Isser doch Tanaka?"

„Wer ist Mr. Tanaka? Der, dem sie schreiben?", fragte Yu und ich seufzte, schüttelte den Kopf. „Sie sind das. Ich habe sie so genannt, weil ich ja ihren Namen nicht kannte. Okay, eine Reihe noch, Camilla, und eine Geschichte. Wenn sie ausgetrunken ist, höre ich auf, zu erzählen."

Yu nickte anerkennend, Camilla schimpfte, machte aber mit. Ich begann wieder bei dem Abend vor einem Jahr und einem Tag, während ich nachfüllte. Der Japaner stöhnte leise. Camilla schaute ihn an, als ich davon berichtete, dass ich auf seine Hand geguckt hätte, und er nickte.

„Nun wollen sie sicher meine Geschichte hören, oder?"

"Na, klar, Tanaka."

Er kicherte. Dann begann er, zu erzählen: "Ich kam in diese Bar, um etwas auszuprobieren. Ich bin Theaterregisseur und Produzent in Japan, auch Schauspieler und sollte hier eine Produktion begleiten. Kennen sie das Stanislawski- System?"

"Hat das was mit Aktien zu tun?", lallte Camilla.

Er lachte. "Oh, nein, gar nicht. Außer, sie sollen einen Broker spielen. Nun, vielleicht sagt ihnen Method Acting etwas?"

Ich nickte eifrig. "Natürlich. Ich liebe Theater und Film...aber sie..."

"Ich fange besser von vorne an. Vor anderthalb Jahren ist meine Frau plötzlich gestorben und ich wollte  nicht mehr in meinem alten Umfeld bleiben. Nachdem ich bei einer internationalen Produktion gearbeitet hatte, haben sie mich nach New York eingeladen. Der andere Produzent mochte meine Herangehensweise nicht, aber er wollte mir die Hauptrolle geben, dazu musste ich ein wenig ihre Kultur kennenlernen und sie erspüren,  mich als verheirateter Amerikaner, der gekündigt worden ist, zu fühlen und einen Billig- Job annehmen, um über die Runden zu kommen. Und als sie mich...am nächsten Tag, als Weihnachtsmann, wieder erkannt haben, bin ich ganz schön in Bredouille gekommen, denn damals war das ja nur ein Spiel. Warum denken sie, dass ich nicht wiedergekommen bin?"

Camilla erwiderte: „Aus dem Grunde, sie hielt sie immer noch für echt. Ein verheirateter, arbeitsloser Mann, aber dann wurde plötzlich ein Stararchitekt daraus."

Yusuke guckte so verwirrt, dass ich lachen musste. Also redete ich weiter und erklärte ihm alles, was ich ihm angedichtet hatte. Camilla knurrte ungeduldig, bis ich zu der Story im Pinter Theater kam, aber Yu unterbrach: „Ich war im März hier! Ich wollte mich verabschieden, denn die Spielzeit war vorbei. Sie waren nicht da..."

Ich guckte ihn überrascht an. Er fuhr fort: „Aber ich konnte sie nicht vergessen und hatte ein schlechtes Gewissen. Als ich wieder eine Rolle hier angeboten bekam, flog ich also  zurück. Der Vertrag mit dem Theater ging aber nur bis Oktober, so habe ich mir eine Wohnung gesucht und schlage mich seit dem irgendwie durch. Ich mag New York."

Camilla stöhnte ungeduldig. „Ja, ja, junger Mann, ich auch, aber wer ist nun der Vater?"

Ich lächelte sie an und raunte: „Mr. Bouvier."

„Nein!", rief sie so laut, dass alle her guckten und Yu lachte. „Mr. Bouvier? Ihr Mann? Nein, sie heißen wieder Johnson, sagten sie?"

„Das soll sie ihnen mal in Ruhe verklickern. Hier, Rest ist für euch. Frohe Weihnachten."

Sie haute einen Schein auf den Tisch, hatte kein Glas mehr angerührt und ich rief ihr hinterher: „Danke und ihnen auch!"

„Lansing, ist das nicht...?", murmelte Yu, ich nickte. „Seine Ex. Und Mr. Bouvier ist mein Ex- Mann, der vor zehn Jahren eine Affäre mit Jade hatte, so haben wir uns kennen gelernt. Sie hat ihn schnell wieder verlassen, aber wir blieben Freunde. Er hat wohl doch mehr für sie empfunden und nun sind sie verheiratet und seit heute morgen Eltern einer süßen Tochter."

„Wow. Und sie haben...warum haben sie Mrs. Lansing diese Geschichte erzählt?"

„Weil sie schöner klingt, als das, was wirklich passiert ist. Dass ich depressiv war, dass meine Mom einen schweren Schlaganfall hatte und nun Pflege braucht und dass ich kaum noch meine Miete bezahlen kann. Wer will denn so eine Geschichte zu Weihnachten hören?"

„Sie haben recht. Ihre Geschichte ist wunderschön. Sie sollten sie aufschreiben."

Ich lächelte ihn verträumt an. „Und ihre Geschichte?"

„Meine? Die, des mäßig erfolgreichen, ausländischen Schauspielers? Der zu Weihnachten Studentenjobs annimmt, um im teuren New York überleben zu können? Ich denke, ich hätte die des Stararchitekten auch lieber gehabt. Aber am Besten gefällt mir der Teil, als ich ihnen wieder begegnet bin. Also, heute vormittag!"

Ich wurde rot, er fragte: „Was ist?"

„Ich habe Mrs. Lansing nicht alles erzählt, was ich mir über uns ausgedacht habe."

Er beugte sich vor und raunte: „Erzählen sie es mir?"

Sein Atem roch nach Sake. Ich wollte gerade antworten, als Ernesto wieder nach mir brüllte.

„Später."

Nun wurde es zum Spießrutenlauf, je angetrunkener seine "Boys" waren, desto aufdringlicher wurden sie und Ernesto duldete es. Als ich zurück hinter der Bar war, sagte Yu: „Ich wünschte, ich wäre der Stararchitekt und könnte sie von dem hier erlösen."

„Irgendwann ist auch bei Ernesto Schluss, passen sie auf."

Ich tippte alles, was Erns Freunde getrunken hatten, in die Kasse, druckte einen Beleg und stornierte alles wieder. Als mein Boss das nächste Mal zu mir hinter die Bar kam, fiel sein Blick darauf, denn ich musste ja Buch führen. Er räusperte sich. Stellte die Flasche Bourbon zurück und sagte: „Ich denke, wir schließen heute eher. Hast du deinen Gast schon abkassiert?"

„Camilla hat ihn eingeladen."

„Gut. Dann kümmere dich um ihn, ich sage den Jungs Bescheid, dass wir noch woanders einkehren."

Yu hatte schon verstanden. Ich fragte, ob er warten wolle, und als alle weg waren, holte ich ihn wieder rein und er half mir aufräumen. Das wollte ich eigentlich nicht, aber er war unerbittlich und meinte, so wären wir schneller und könnten noch irgendwo essen gehen. Ganz so arm sei er nun auch nicht. Ich schrieb Rufus, der erwiderte, ich könne ruhig noch ausgehen.

„Ich habe immer wieder darüber nachgedacht, warum sie es getan haben", murmelte Yu, als wir nebeneinander her zur Bahn gingen. „Wie passend, dass es auch eine Art Aufgabe war. Und wir beide haben sie so gut gemeistert, dass wir beide daran geglaubt haben. Ehrlich gesagt, war ich im ersten Moment wütend auf sie, jemanden so in Bredouille zu bringen und meine Meinung über sie fiel ein wenig ab. Andererseits ließ es mich nicht los... deshalb habe ich bis März gebraucht, sie wiedersehen zu wollen. Und war froh, dass sie nicht da waren, irgendwie. Nicht lange, wie gesagt."

„Ich habe mich geschämt, das ist richtig. Aber es war ja die Aufgabe!", erwiderte ich amüsiert. „Und ich dachte, sie wären irgendein unbekannter Student, der es vielleicht auch lustig findet. Merkwürdiges Karma, oder?"

„Nein, was merkwürdig ist, ist, dass wir uns heute in der gleichen Lage befunden haben, nahezu. Wenn mir dieser Türsteher im März nicht gesagt hätte, dass sie nicht mehr hier arbeiten, wäre ich schon eher wieder gekommen."

„Diego?", fragte ich irritiert.

„Es war ein anderer. Alle waren anders, bis auf die Sängerin und ihr Boss."

„Ich war sogar eher aus London zurück, wegen Moms Schlaganfall. Mein Sohn wollte erst mitkommen, aber es war ja alles bezahlt. Und sein Vater war plötzlich wieder da und hat sich auch so benommen. Ich...wußte nicht, was ich davon halten sollte. Und ich konnte sie nicht vergessen und hoffte, dass sie irgendwann hereinkommen und es mir besser geht. Weil ich gerne mit ihnen rede."

„Mir geht es genauso. Ich werde sie nicht mehr warten lassen, das verspreche ich. Vielleicht war das  aber Jahr ganz gut, um zu schauen, ob wir immer noch so empfinden?"

Ich lächelte ihn an.

„Immerhin brauchten wir nicht so lange, wie mein Ex und Jade. Apropos, stört es sie, wenn ich noch einmal bei ihr anrufe? Sie macht sich sicher Gedanken, dass ich wieder abknicke."

„Nein, gar nicht. Grüßen sie sie schön."

Er machte es selbst, wir telefonierten nur kurz, weil Ellie schlief. 

Dann gingen wir in ein asiatisches Restaurant und der Abend endete mit einer langen Umarmung vor meiner Haustür.

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