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„Als ich noch ein kleines Mädchen war, hat meine Mom immer gesagt, ich würde bestimmt mal einen Engländer heiraten...", murmelte Kelly schläfrig.
Die Sonne war noch nicht aufgegangen, aber der Wecker war erbarmungslos gewesen. Ryu, der in ihrem Rücken lag, zog sie noch fester an sich und knurrte: „Ich werde dich doch ans Bett fesseln und nicht mehr raus lassen. Und glaube mir, Japaner sind die besseren Liebhaber..."
Kelly spürte seinen heißen Atem im Nacken, seinen sehnigen Körper und seufzte selig. Sie schloß die Augen und genoß einen Moment seine feuchten Küsse, die er über ihren Nacken verteilte, und überlegte, ob sich ihr Schatz auf eine letzte Nummer vor der Abreise einlassen würde. Dann fiel ihr etwas ein, was ihre Ruhe gleich wieder zunichte machte. Sie drehte sich auf den Rücken und Ryu murrte, hörte aber nicht auf, ihren Hals zu küssen.
„Weißt du, viel mehr Sorgen mache ich mir darum, dass der alte Tiger wieder zum Sprung ansetzt, sobald ich weg bin...", erklärte sie leise und Ryu schaute auf.
Er legte seine weichen Finger unter ihr Kinn, strich sanft darüber und schaute ihr ernst in die Augen.
„Glaubst du wirklich, dass meine Ex auch nur die geringste Chance gegen dich hat? Du bist das Beste, was mir in den letzten zehn Jahren passiert ist, Schatz. Dich gebe ich nie wieder her", raunte er und Kelly schluckte.
„Ich weiß...", flüsterte sie. „Aber ich befürchte, dass sie dir zu sehr zusetzt. Sie wird sicherlich bald wieder raushaben, wo wir hingezogen sind."
Ryu stöhnte.
„Willst du die letzten Minuten vorm Abschied wirklich mit dem Thema Himiko verbringen?"
„Nein!", hauchte Kelly entschieden und küsste Ryu zärtlich.
Natürlich hatten seine Liebkosungen schon für ein feuchtes Unterhöschen gesorgt, denn nach seinem lauen Einstieg- der Weihnachtsnacht, in der er eingeschlafen war- hatte er Kelly bewiesen, dass er auch anders konnte, wenn er nicht müde war. Und sie konnte nicht genug von ihm kriegen, auch jetzt probierte sie einen dezenten Angriff und schob ihre Hände in seine Schlafanzughose, knetete seinen festen Hintern, während sie von unten ihren Oberschenkel gegen seine weiche Männlichkeit schob. Ryu stöhnte in ihren Mund, dann löste er sich aus dem Kuss.
„Ich muss los...", murrte er.
„Du hast doch Gleitzeit!", hauchte Kelly, die spürte, dass ihre Arbeit Erfolg zeigte.
„Aber ich...hab keine Zeit, um...dich zu verwöhnen." Ryu stöhnte, denn Kelly hatte nun seine Erektion in der Hand und rieb ihn.
„Das musst du nicht", flüsterte sie in sein Ohr und knabberte dann an seinem Ohrläppchen.
Sie spürte seine leicht kratzige Haut an ihrer Wange und seufzte erregt. Sein nun angeregtes Atmen, seine Wärme...das alles reichte, um sie in Fahrt zu bringen. Der Gedanke an seine Lust, an seine Schilderung des Momentes aus der Mall:
Ich hätte dich am Liebsten dort genommen. Nein, ich wäre dir gefolgt und hätte dich in einen Abstellraum gezogen, dir den Rock hochgeschoben, deine Strumpfhose runter gerissen und dich gekostet.
Kelly stöhnte, als Ryu in sie eindrang. Er schaute sie an und sie dachte an ihren Gedanken- der ist jemand, der fragt, ob er kommen darf- ja, damit hatte er sie ebenfalls Lügen gestraft. Er beobachtete Kelly genau und ließ nicht eher los, bevor sie gekommen war. Meistens. Manchmal war er auch ganz eigennützig, doch dann half er ihr hinterher mit der Hand. Aber jetzt wartete er, das wußte sie. Er würde sie nicht mit einem halbguten Fick nach England schicken! Sie schnappte nach seiner niedlichen Oberlippe und er knurrte, kreiste sein Becken und sie spürte es schon aufwallen. Schlang ihre Beine um seine Hüften, sodass er tief in ihr war. Seine Laute wurden gepresster und Kelly wußte, dass er nun kämpfen musste, sie flüsterte: „Himiko!"
Ryu zischte genervt und biss ihr sanft in den Hals. Stieß kräftiger zu und Kelly dachte an die Besenkammer in der Mall, an seine Zunge an ihrer Klit und sie kam. Er packte ihren Hintern, zog ihn hoch und ließ sie noch einmal kommen, bevor er sich in sie hineindrückte und sie spürte, wie sich die Wärme in ihr ausbreitete.
„Ich liebe dich", flüsterte sie keuchend in sein Ohr, er hielt sie fest umklammert.
„Ich kann dich nicht gehen lassen", knurrte er.
„Du musst. Es ist alles arrangiert! Die Familie O'Shea zählt auf mich!"
Ryu stöhnte und ließ sich auf sie sinken. Kelly hustete und japste nach Luft.
„Nein, keine Chance", brummte der nicht ganz so schwere Mann und drückte sich gegen sie.
Kelly schloß die Augen. Er war noch in ihr, sein warmer Atem streifte ihren Hals.
„Ich liebe dich auch. Aber lieben heißt loslassen können, oder? Na dann, dein Flieger wartet nicht!", schloß er amüsiert und sprang auf.
Kelly beneidete ihn oft um seine Vitalität. Nun, er war genauso alt, wie sie, aber ging regelmäßig Walken, manchmal liefen sie auch zusammen, doch meist war sie zu kaputt, denn sie hatte trotz Ryus Hammerjob nicht aufgegeben, in der Bar zu arbeiten. Das Schicksal hatte es gut mit Ryu (und ihr) gemeint und gleich am 2. Januar hatte die Baubehörde angerufen und gemeint, dass sie seinen Jahresbericht noch einmal durchgegangen wären und es ein Missverständnis gegeben hätte. Mit einer der Baufirmen, mit denen Ryu sich angelegt hätte, aber nun hätten sie begriffen, dass er im Recht gewesen war und Stadtgelder sparen wollte, und so jemanden könne man nicht gehen lassen. Sie entschuldigten sich in aller Form und boten ihm eine Aufstockung des Gehaltes an. Ryu hatte ein wenig gezögert, die hatten ihm eine Woche Bedenkzeit gegeben, die er als Urlaub bezahlt bekommen würde, wenn er sich für den Job entscheiden würde. Natürlich hatte er dem zugestimmt.
Kelly duschte, während sie Ryus Rasierer lauschte. Es hatte kaum einen Tag gegeben, seit Weihnachten, an dem sie nicht zusammen aufgewacht waren- aus dem Hotel war er zunächst zu ihr gezogen, dann hatte der Terror begonnen. Himiko Tanaka hatte heraus bekommen, dass Ryu seinen alten Job wieder hatte und noch mehr verdiente, als vorher. Nun hatte sie begonnen, um die Ehe zu kämpfen, die von Ryus Seite längst Geschichte war. Sein Anwalt hatte alle Papiere fertig, doch Himiko weigerte sich, einzuwilligen und stellte die irrwitzigsten Forderungen. Wartete ständig vor Kellys Haustür, belästigte selbst Bas, bis Ryu eine einstweilige Verfügung stellte. Seine Eigentumswohnung, in der Himiko lebte, war verkauft worden, sie bekam die Hälfte, sah es aber nicht ein, auszuziehen, sodass auch noch ständig die Polizei bei Ryu war, die ihn bat, auf seine Frau einzureden. Doch Ryu hatte ihnen erklärt, dass sie sie einfach ins Loch stecken sollten. Er hatte eine neue Wohnung für seine kleine Familie gekauft, in dem Haus, in dem Lynn lebte, dort wohnten sie jetzt und versuchten, zur Ruhe zu kommen. Die letzten zwei Monate waren Horror gewesen!
Und nun würde Kelly sich in England erholen können, Ryu aber nicht, denn Himiko wußte ja, wo er arbeitete und würde ihm nur folgen müssen. Und sich nicht erwischen lassen! Aber bei so vielen Menschen in New York würde es nicht auffallen.
„Schatz, was machst du? Es wird Zeit!", mahnte Ryu.
Kelly bibberte. Sie schaute ihn mit großen Augen an und sein Blick wurde weich.
„Na, komm her", raunte er und wickelte sie in den Bademantel. „Mach dir keine Gedanken, hm? Ich bin schlauer, als Himiko."
Ryu rubbelte Kelly trocken und sie nickte.
„Ich weiß. Aber..."
„Shhht. Kein Aber. Ich werde dir jeden Tag berichten. Und außerdem...haben wir doch den Wachhund im Parterre!" Ryu kicherte.
Kelly lachte leise. Als hätte Lynn ihren Namen gehört, klingelte es. Kelly hörte, dass Bas, der normalerweise bis in die Puppen schlief und jetzt „das coolste Dachzimmer ever" besaß, zur Wohnungstür stürmte.
„Gran. Mom ist noch nicht fertig", hörte sie ihn sagen und stöhnte.
Ryu nickte schmunzelnd.
„Dann gehe ich mal Schwiegermama begrüßen."
Zum Glück hatte Lynn Ryu akzeptiert, nachdem sie zuerst ausgeflippt war, als sie gehört hatte, dass er Japaner wäre. Die Amerikaner verband keine gute Vergangenheit mit ihnen und sie setzte ihn mit den Deutschen gleich. Doch Bas hatte sofort seinen Satz an den Mann gebracht, den er auch schon Kelly gesagt hatte, und Lynn hatte sich schließlich selbst überzeugen können. Nun waren sie und Ryu ein Herz und eine Seele, das einzige, was sie ihm vorwarf, war, jemanden wie Himiko geheiratet zu haben. Und dann noch so lange mit ihr verheiratet gewesen zu sein! Lynn plante schon die Hochzeit, obwohl Ryu Kelly nicht mal einen Antrag gemacht hatte, auf den sie im Moment auch wenig wert legte.
Als Kelly in das Wohnzimmer kam, war Ryu schon fort. Sie seufzte, aber wußte, dass es besser so war, denn sie hätte Rotz und Wasser geheult, wenn er mit zum Flughafen gekommen wäre. Jade schrieb ihr bereits seit vier Uhr morgens. Kelly lachte leise und antwortete, dass sie gleich da wären. Bas trug schon seine Koffer und Taschen zum Fahrstuhl, doch der Chauffeur, den Ryu geschickt hatte, schimpfte, dass es seine Aufgabe wäre. Kelly nahm einen Schluck Kaffee, doch er blieb sofort im Hals stecken. Nein, für Frühstück war sie zu aufgeregt! Sie ging im Geiste nochmal ihr Gepäck durch, checkte, ob sie die Karten alle dabei hatte, die sie benötigte und dann nickte sie dem Chauffeur zu.
Er nahm ihren Koffer, den sie von Ryu „geborgt" hatte, damit sie wenigstens etwas von ihm in England hatte. Außerdem symbolisierte dieser Koffer den Beginn ihrer Beziehung und bedeutete Kelly viel. Sie schnappte sich den kleineren Koffer und ihre Handtasche und folgte Lynn, die irgendwie stiller war, als sonst.
„Mom, es wird alles gut gehen", versicherte sie ihrer Mutter. „In zwei Wochen bin ich wieder da."
„Aber mein Junge...", erwiderte diese. „So lange wird er fort sein!"
„Ich weiß."
Die riesige Limo sah aus, als würde sie nicht drei Amerikaner aus der Mittelschicht befördern, sondern Hollywoodstars. Kelly stöhnte und zückte ihr Telefon, um sich bei Ryu zu beschweren, doch er saß wohl noch in der U-Bahn. Sie lächelte. So typisch Ryu, selbst immer bescheiden, aber für seine Liebsten nur das Beste! Sie stieg ein und hörte Bas aufgeregt schnattern.
„Yo, Tim, ich weiß, dass es für dich nix aufregendes ist...aber guck, hier gibt's ne Bar und..."
Bas hielt sein iPhone hoch, anscheinend redete er mit seinem Besten über Facetime.
Lynn schien sich unwohl zu fühlen und schnallte sich wortlos an. Kelly schüttelte den Kopf.
„Das brauchst du nicht, wir..."
Der Blick ihrer Mutter traf sie und sie verstummte. Okay, wenn es ihr hilft...dachte Kelly. Am JFK angekommen, gab der Chauffeur sogar die Koffer auf, während Kelly Jade entgegen stürmte und Bas Tim suchte.
„Wah! Püppi! Es geht los!", rief Jade aufgeregt. „Bis heute hab ich immer geglaubt, dass bestimmt noch was dazwischen kommt."
„Ich auch", erwiderte Kelly schmunzelnd. „Aber nun sind wir hier! Ernesto ist zwar am Boden zerstört, aber zwei Wochen wird er wohl überleben."
„Diego hat mich heute Nacht angerufen", erklärte Jade nun ernst. „Total betrunken, er hat geweint, ich dürfe nicht fahren. Er liebe mich doch und wolle mich heiraten."
„Oh, je!", murmelte Kelly. „Du brichst ihm das Herz, wenn du tatsächlich deinen Robert findest, wie Mom zu sagen pflegt!"
„Also mein Bruder wird es nicht sein, der ist schwul. Verdammt, warum hat er sich erst jetzt geoutet?", überlegte Jade.
„Weil Aidan und Patrick wohl gestänkert hätten, meinst du nicht?"
Jade nickte.
„Niamh ist durchgedreht, hat Mom erzählt. Sie hätte sofort gebetet. Becca scheint es zu ignorieren, wie alles andere auch. Sie haben es nicht einmal geschafft, Mom zu besuchen, wie sie vor Weihnachten versprochen hatten."
„Kinder, der Flug wird aufgerufen", mahnte Lynn. „Mach's gut, Schatz."
Sie umarmte Kelly und auch Jade, dann ging sie rüber zu Bas, der mit Tim herum kasperte.
„Wo ist deine Mom?", fragte Kelly Jade, obwohl sie die Antwort kannte.
„Die musste heute einspringen. Ich war gestern Abend noch in Jersey", entgegnete die Rothaarige und Kelly klopfte ihr auf die Schulter. „Was? Ist gut so, dass sie hier nicht herum heult!", fügte Jade energisch hinzu.
Kelly nickte.
„Bas, nun komm!", rief sie dann.
Junior konnte nicht los, weil Tims Mom ihren Sohn umklammert hielt. Er zuckte mit den Schultern. Lynn saß wohl bereits wieder in der Limo, oder sie hatte den Chauffeur fortgescheucht und sich ein ordinäres Taxi genommen. Kelly schmunzelte.
Als sie im Flieger saßen, hatte die Aufregung bei Kelly etwas abgenommen und so auch bei Jade, die noch einmal „Betrayal" las, während Kelly versuchte, noch etwas Schlaf nach zu holen. Wenn sie die Augen schloß, sah sie Ryus Blick und sie seufzte leise.
„Och, Püppi!", murmelte Jade. „Warum ist er nicht mitgekommen?"
„Weil das Bauprojekt gerade in der Endphase ist und er da sein muss", entgegnete Kelly. „Und es soll doch unser Urlaub sein!"
„Ja, schon. Aber für mich wäre es okay gewesen- ich weiß ja, dass ihr nicht so ein Pärchen seid, das ständig aneinander klebt."
Kelly nickte. Sie lehnte ihren Kopf an Jades Schulter und probierte einen erneuten Anlauf, in den Schlaf zu finden. Dieses Mal glückte es. Als sie wieder wach wurde, schlief Jade. Sie war gerade mal bis zur Hälfte des Buches gekommen!
Kaum gelandet, spürten die Frauen schon das verrückte Zeitphänomen. Um 9 waren sie los geflogen und acht Stunden geflogen, da es aber in New York acht Stunden früher war, kamen sie auch um 9 Uhr des nächsten Tages an. Richtig ausgeruht waren sie nicht, als ihnen die halbe Familie O'Shea entgegen stürmte.
Nun ja, Agrippa erkannte man an ihrem elegantem Aufzug und sie folgte ihren Neffen ruhig. Fionn begrüßte Bas, Tim war schon von einem Chauffeur abgeholt worden. Robert und Aidan knuddelten Jade, Patrick schien etwas zurückhaltender zu sein und begrüßte Kelly. Neben ihm stand eine zarte Blondine, die er als seine Frau Lara vorstellte. Dann gingen Kelly und Bas zu Agrippa, die begeistert von Bas' Schreibkunst sei, betonte sie. Warum er denn in die Wirtschaft gehen wolle? Bas erklärte es ihr auf dem Weg nach draußen, im Freien spürte Kelly erst recht den Jetlag. Sie trennten sich zunächst, Patrick fuhr die Frauen ins Hotel und die anderen mit Bas zu Agrippa. Später, als sie bei Agrippa zusammen saßen, aßen und plauderten, zog Robert Kelly beiseite.
„Und, ahnt sie schon was?", raunte er der kleineren Frau zu.
Sie schüttelte den Kopf.
„Das ist gut", erwiderte der dunkelhaarigehaarige Ire. „Wir haben alles besorgt. Ich habe mit der Crew gesprochen, für die ist es okay. Hauptsache, es geht rechtzeitig los."
Kelly nickte und erwiderte: „Ich kriege es irgendwie hin. Nur noch zwei Tage, Himmel, bin ich aufgeregt!"
Jade warf einen kurzen Blick zu den beiden, während Aidan sie gerade zu textete, und fragte sich, warum Robert und Kelly so vertraut waren. Nun ja, vielleicht hatte es auch bei ihnen sofort geklickt, so, wie bei Jade und Kelly. Robert war der Bruder, der Jade vom Typ her am ähnlichsten war. Er legte Kelly die Hand auf die Schulter und Jade bedauerte es, dass aus den Beiden nie etwas werden würde. Doch dann schalt sie sich dafür und dachte, dass Ryu doch Kellys Neujahrswunsch gewesen war und es so gut war, wie es war!
Die nächsten Stunden vergingen, wie im Fluge. Die Frauen waren bei Madame Tussaud's, im Harry Potter Studio, schauten sich aber auch die älteren Sehenswürdigkeiten an, sodass ihnen Abends immer die Füße und oft genug auch der Kopf qualmte und sie sofort einschliefen. Jade hatte es vermieden, mit Kelly darüber zu sprechen, was sie an ihrem Geburtstag außer dem Theaterstück noch unternehmen würden, sie umging dieses Thema, weil sie befürchtete, dass Kelly bereits etwas plante. Obwohl sie ihr tausend Mal gesagt hatte, dass dieser Tag so zu behandeln wäre, wie jeder andere! Sie wollte kein Bamburium um ihren Dreißigsten, hoffte, da sie es nie erwähnt hatte, dass das Theaterstück ausgerechnet an dem Geburtstag stattfinden würde, dass ihre Brüder es vergessen hätten.
Die Sonne schien durch das Hotelzimmerfenster und Jade blinzelte. Irgendwas roch merkwürdig. Und dann das piepende Geräusch, das so gar nicht nach ihrem Wecker klang. Sie hörte Kelly fluchen und dann klopfte es. Wie der geölte Blitz sprang Jade auf und lief ins Bad, schloß sich dort ein, während sie Kelly draußen diskutieren hörte.
„Entschuldigen sie...ja. Ich weiß! Hab nicht an den Rauchmelder gedacht! Meine Freundin hat doch Geburtstag und..."
Na, der fängt ja prima an, dachte Jade. Sie wickelte sich in den flauschigen Bademantel, hörte, dass der Alarm verstummte, kämmte sich die Haare und öffnete dann die Tür- dort standen nun an vorderster Front Kelly, mit einer Torte, auf der 30 Kerzen waren, dahinter der Hotelsicherheitsdienst und der Manager persönlich, und alle begannen, zu singen! Jade hätte im Boden versinken mögen. Der Hotelmanager strahlte sie an, er malte sich bestimmt schon aus, dass er sie gleich küssen dürfe.
„Youuuuu!", schmetterte Kelly extra quietschig und Jade lachte.
„Na, das ist mal n Geburtstagsmorgen!", erklärte sie amüsiert und umarmte die Kleine.
Küßte sie auf die Stirn.
„Aber danke."
Der schmächtige Manager breitete die Arme aus.
„Wenn das so ist, werden wir mal davon absehen, ihnen die Kosten für den Feuerwehreinsatz zu berechnen", sagte er und Jade seufzte.
Ließ sich von ihm drücken und Wangenküsse geben. Dann der Sicherheitstyp, der sie an Diego erinnerte. Auch er herzte sie und wünschte ihr ein gesegnetes neues Lebensjahr. Dann pustete sie die Kerzen aus und wünschte sich- nein, keinen Mann, den auch, aber in erster Linie wollte sie von Ernesto weg und ihr eigenes Café aufmachen. In den letzten Jahren war jedoch immer etwas dazwischen gekommen, was ihre Ersparnisse dezimiert hatten, sei es die Krebserkrankung ihrer Mutter gewesen, die sie zum Glück gut überstanden hatte oder finanzielle Engpässe bei ihrem Boss, in denen er ihnen nur die Hälfte des Lohnes hatte zahlen können, womit sie nicht mal ihre Miete abgedeckt bekam. Und Kelly war es in der Zeit noch schlechter gegangen, so hatte sie ihr mit Lebensmitteln ausgeholfen. Zwar hatte Ernesto das Geld nach gezahlt, aber das hatte sie dann wieder für andere Dinge gebraucht. Jade seufzte, als Kelly sie sanft von hinten in den Arm nahm.
„Ich wünsche ich dir, dass alle deine Träume dieses Jahr wahr werden", raunte sie der Großen zu.
„Ah, so ist das! Da haben wir wohl keine Chance!", alberte der Manager und klopfte dem Sicherheitstypen auf die Schulter. „Ladies, sagen sie Bescheid, wenn sie mit dem Lüften fertig sind, damit Jack den Alarm wieder einschalten kann", schloß er und ging.
Der Schrank folgte ihm mit dem Feuerlöscher, den er wohl angeschleppt hatte. Jade legte ihre Hände auf Kellys und seufzte.
„Bisschen wild alles, heute morgen. Aber trotzdem danke, Püppi. Hab dich mega lieb!"
„Ich dich auch", hauchte Kelly. „Und nun Fenster auf!", tönte sie dann und ließ Jade los.
Die guckte die Torte an.
„Ja, ich weiß...", murmelte Kelly. „Ist Industrieware. Nicht zu vergleichen, mit deinen!"
„Die ist super, aber ich überlege, ob ich Appetit drauf habe oder eher auf Eier und Toast?"
„Alles, was du möchtest. Heute bekommen wir das Frühstück auf's Zimmer geliefert!"
Dann rief sie beim Service an und bestellte. Eine Viertelstunde später saßen sie auf dem Balkon, es war ein warmer Märzmorgen, schwatzen und futterten. Sodass Jade sich wieder ein wenig beruhigte, denn mehr würde heute wohl nicht kommen. Außer, dass sie dieses tolle Theaterstück sehen würde, sie hatte sich extra dafür ein wunderschönes Abendkleid gekauft. Die Frauen beschlossen, an diesem Tag etwas ruhiger vorzugehen und machten einen Bummel durch die Innenstadt. Kelly sagte, dass sie, dadurch, dass Robert im Theater als Bühnenbildner arbeitete, früher da sein dürften, er würde ihnen das Gebäude von 1881 zeigen wollen. Jade spürte langsam doch wieder Unruhe, besonders, als sie das Abendkleid nicht fand. Kelly steckte bereits in einem Traum aus mauvefarbenem, fließendem Stoff, sie schminkte sich gerade.
„Das kann nicht sein, ich weiß genau, dass ich es hier aufgehangen habe, damit es nicht knittert!", schimpfte Jade.
„Zieh doch das Blaue an, das ist doch auch schick", schlug Kelly ruhig vor.
Jade warf ihr einen genervten Blick zu. Nein, da war etwas ganz und gar nicht in Ordnung! Trotzdem tat sie es, was blieb ihr anderes übrig? Sie versuchte, wenigstens mit einer Frisur etwas mehr Klasse heraus zu holen, obwohl Kelly ihr tausendmal beteuerte, dass sie einfach wunderschön aussähe. Im Taxi verhielt sich Jade still, was absolut untypisch war, die Frauen schwiegen sich an. Dann fiel Jade die Kinnlade runter, als sie das Pinter Theatre erblickte. Wow! Kelly sprach es aus. Der Taxifahrer fuhr jedoch zum Hintereingang, dort war es voller, als vorne!
„Himmel, warten die auf mich?", fragte Jade belustigt.
„Keine Ahnung...", murmelte Kelly beiläufig und Jade dachte: Doch, das hast du, Freundin, und ich glaube, ich weiß, was kommt!
Robert winkte die Frauen heran, die sich mühevoll durch die kreischende Menge schoben. Jade sah, dass einige von ihnen Fotos mit einem dunkelhaarigen Kerl mit gehörntem Helm bei sich hatten. Jade mochte Actionfilme nicht besonders, sie stand, wie Kelly, auf anspruchsvolle Filme und hatte keine Ahnung, wer der gehörnte Typ war, aber anscheinend würde er sich in diesem Gebäude befinden, denn die Menge war erst ausgerastet, als Robert die Tür geöffnet hatte.
„Seid ihr Schauspielerinnen? Könnt ihr Tom was ausrichten?", riefen einige der Umstehenden und schließlich kam ein Sicherheitstyp aus dem Gebäude und bat, von der Stage Door Abstand zu nehmen, ansonsten würde er die Polizei holen.
Schließlich wich die Menge zurück und ließ die Frauen durch. Kelly fluchte, weil ihr jemand auf den Saum ihres Kleides gelatscht war. Jade kicherte leise und murmelte: „Karma is a Bitch."
„Wie meinst du das?", murrte Kelly.
„Du weißt schon, wie ich das meine", gab Jade zurück und Rob zog die Frauen herein.
Er drückte die Tür zu. Jade blickte sich um, dann schaute sie Kelly an und zog die Augenbrauen hoch.
Die grinste und tönte mit der fast kompletten O'Shea Sippe im Chor: „Happy Birthday!"
Ja, was Jade sah, nahm ihr den Atem. Ihre Mom war da, in dieser Art Vorraum. Ohne ihren Liebhaber, aber dafür war ihr Onkel Alan da, Tante Agrippa, Aidan und Fionn, Patrick und Lara und die fünfjährige Tochter Kate, Robert und zig Cousins und Cousinen, die sie nicht mal kannte. Natürlich, ihre Schwestern nicht! Bas war auch gekommen und alle sangen:
„She's a jolly good fellow", und dann noch ein irisches Geburtstaglied.
Dann schob Robert Jade in einen kleinen Raum, der wie eine Garderobe war. Kelly kam mit und Jade musste sich ein albernes, quietschrosa Mädchenkleid anziehen, Kelly machte ihren mühevoll gefertigten Zopf auf und flocht ihre Haare zu zwei Zöpfen, während Robert ihr Make up auf's Gesicht klatschte, ohne, dass Jade sehen konnte, was er tat. Dann schoben sie die große Frau vor den Spiegel. Jade überlegte, wie sie Kelly töten sollte, während sie das Grauen betrachtete. Das Make up viel zu grell, rosa Kreise auf den Wangen, gut, der Glitzer war ganz hübsch. Aber rosa stand ihr überhaupt nicht!
„Ich hätte es wissen müssen", knurrte sie. „Kelly, ich..."
„Sorry, aber ich bin überstimmt worden. Ich hab gesagt, nehmen wir lieber das grüne Kleid, Jade wird das Pinke nicht gefallen!", entgegnete Kelly grinsend.
„Du...!", zischte Jade und ging einen Schritt auf Kelly zu, doch Robert packte Jade und schob sie zur Tür.
„Nein, dass könnt ihr vergessen!", schnaufte Jade. „So gehe ich da nicht raus!"
„Oh, doch. Wenn du brav mitmachst...", erwiderte Kelly. „Gibt es später dieses hier!"
Sie hielt Jades Abendkleid hoch, dass in einem durchsichtigen Kleidersack steckte und wohl extra noch mal geglättet worden war. Jade stöhnte und Kelly sagte: „Komm, sei kein Spielverderber. Wir sind doch unter uns."
Jade brummte: „Das glaube ich nicht. Rennen hier nicht noch Schauspieler herum?"
„Keine Sorge. Die sind noch nicht da", versicherte Kelly.
Jade atmete tief durch und verließ den Raum. Mary hatte Sektgläser verteilt und zuerst stießen sie an. Alle umarmten Jade und ein Cousin besonders hartnäckig. Dann drückte Kelly ihr eine Zahnbürste in die Hand und deutete auf eine der vielen Türen, die den Bereich auszeichneten, in dem sich wohl die Garderoben der Schauspieler befanden. Die Klinke der Tür war mit Zahncreme beschmiert. Ihre Familie begann, die Rothaarige laut anzufeuern und sie kniete sich hin, alle johlten, bevor sie überhaupt angefangen hatte, über die Klinke zu reiben. Sie schrubbte und zischte: „Ehrlich, dass ist der schlimmste Geburtstag meines Lebens! Von wegen, dass Gebäude anschauen! Wäre ich bloß nie darauf rein-„ sie schrubbte energischer-„ge- fallen!"
Die Zahncreme verteilte sich nur noch mehr. War nun schaumig und Jade drehte sich zu Bas um. Der grinste sie breit an.
„Cooles Outfit, Tante Jade!"
„Vielen Dank, Kleiner. So, nun wäre der Augenblick gekommen, an dem du dich dankbar für alles zeigen solltest, was ich in deinem mikrigen Leben für dich getan habe!", zischte sie zurück. „Ich zähle auf dich!"
Bas zuckte mit den Schultern.
„Tut mir leid, ich kann dir nicht helfen. Letztes Jahr, im Ferienlager, da war so eine Aufseherin...", begann er schwärmend und Kelly hielt ihm den Mund zu, während die Männer der Truppe los grölten.
„Das will ich nicht hören!", keifte Kelly.
Jade schüttelte den Kopf und machte weiter, während hinter ihr gescherzt und getrunken wurde.
„Was ist mit dir, Fionn?", fragte Jade dann.
Nun, Tante Agrippas Haus musste doch wie ein Mönchskloster sein! Vielleicht hatte sie Glück. Der Junge verzog das Gesicht und Aidan schlug ihm auf den Hinterkopf. Alle lachten wieder, nur Agrippa rümpfte die Nase. Sie hielt Jade einen Eimer mit Wasser hin.
„Beantworte mir eine Frage und du bekommst Wasser", erklärte sie.
Alle verstummten ehrfürchtig. Jade seufzte und nickte dann.
„Warum hat man Cinderella aus der Fußballmannschaft ausgeschlossen?", fragte Agrippa nun gequält, man sah ihr an, dass sie lieber etwas weniger Blödsinniges gefragt hätte.
Jade lachte.
„Weil sie vom Ball geflüchtet ist!", antwortete sie.
Agrippa gab ihr Wasser, doch nun schäumte die Zahncreme nur noch mehr. Weil die Antwort aber so schnell gewesen wäre, meinte Agrippa, dürfe Jade noch mehr Wasser nehmen und ihren Rockzipfel benutzen, um alles abzubekommen. Doch die nächste Klinke, die mit Senf beschmiert war, wartete schon. Zur Stärkung bekam Jade einen Kurzen angeboten, den sie dankend annahm. Auch der Senf ließ sich nicht mit der Zahnbürste, die Jade blöderweise nicht hatte im Wasser abspülen dürfen, entfernen. Dieses Mal kam Kelly mit einem Lappen, den sie Jade verkaufen würde, wenn diese einen Angler imitieren würde, der einen dicken Fisch an der Angel hätte. Schließlich wären sie in einem Theater! Jade knurrte genervt, rappelte sich aber auf und tat so, als wäre die Zahnbürste eine Angel. Sie sinnierte einen Moment, pfiff ein kleines Liedchen, während ihre Familie gebannt zuschaute. Jemand filmte, doch das musste sie wohl auch ertragen. Dann zuckte sie zusammen, machte ein „Oho"- Gesicht und betätigte eine unsichtbare Kurbel. Wich zurück, wurde wieder vorgezogen, riß die Zahnbürste hoch und kam beim erneuten zurückweichen ins Schleudern, stolperte und prallte rückwärts gegen einen weichen Körper.
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