Kapitel 8
Der Saal ist hell erleuchtet. Alles strahlt in Gold, Diamanten funkeln. Unzählige bunte Kleider drehen sich im Takt, werden von schwarzen Punkten dirigiert. „Überlass alles einfach mir." Wieder ist seine Stimme in meinem Kopf. Ich nicke nur. Atme tief ein und wieder aus. Dann trage ich mein lieblichstes Lächeln und die Menge steht still. Sie alle sehen nur noch uns. Und wir schreiten langsam bis ans Ende der Treppe über ein kleines Podest hinweg ins Zentrum. Wir bleiben stehen. Statt dem Zauber zu entrinnen, statt dem Wunsch nachzugeben mehr Abstand zwischen uns zu bringen, komme ich ihm noch dichter. Meine ganze Haltung ruft förmlich: „Ich bin stolz an seiner Seite zu sein!" So eine billige Lüge.
Plötzlich ertönt Askyells Stimme in unser aller Köpfen: „Werte Gäste, liebe Ratsmitglieder, liebe Freunde und Familie. Wir begrüßen euch alle herzlichst zu unserer Verlobungsfeier. Wir freuen uns auf einen angenehmen Abend und danken für euer Erscheinen." Mr. Warden reicht jedem von uns ein Glas und wir stoßen an. Ich nippe an dem Champagner und schlucke den bitteren Beigeschmack seiner Eröffnungsrede hinunter. Eine metallene Maske in Form eines Adlers bedeckt Askyells Augenpartie. „Traditionen", hatte er dazu nur gesagt und mir die einer weißen Eule gereicht. Aber ich denke, es steckt mehr dahinter. Schon früher hatte man als Normalsterblicher nie das Gesicht eines amtierenden Großmagiers zu Gesicht bekommen.
Der Maskenball ist bereits in vollem Gange und ich bin froh, dass wir nicht die Tanzfläche eröffnet haben. Askyell führt mich an Lady Chastain und Mr. Warden vorbei in die Menschenmenge. Ich muss den Impuls unterdrücken mich nach ihnen umzudrehen. Einfach mitspielen. Ich bin nicht so dumm mir einzubilden, dass ich ihm etwas vormachen könnte, aber ich will wenigstens nicht seinen Zorn heraufbeschwören. Zumindest nicht jetzt.
Wir bleiben stehen. Sofort umkreisen sie uns wie die Geier: dickliche Männer mit ihren schwitzigen Händen und den schleimenden Worten. Freundlich begrüßt Askyell einen jeden einzelnen. Diese Masken sind so lächerlich, wenn man doch trotzdem jedes Gesicht erkennt. Ich spüre einen leichten Druck. Askyell hat seine Hand auf meine gelegt. Anhand des grinsenden Mannes erkenne ich, dass ich wohl gerade angesprochen wurde. So ein Mist! Fifty-fifty-Chance.
„Danke sehr."
„Sie müssen den Designer definitiv meiner Frau weiterempfehlen."
Ich lächle freundlich und bin heil froh, dass meine Antwort plausibel gewesen ist. Wir verabschieden uns und ziehen weiter. „Cathalea, konzentrier dich", knurrt Askyell zwischen zusammengebissenen Zähnen. Ich möchte ihn am liebsten schlagen. Mein Blick wandert immer wieder zu dem grünen Ungetüm auf seiner Brust. Gleichzeitig kann ich nicht ignorieren, dass ich es genieße, wenn er meinen Namen ausspricht.
Wir wandern zwischen den Tischen. In einiger Entfernung werden Karten und Billiard gespielt. Die Bar ist gut besucht, obwohl fleißig Kellner den Gästen immer wieder nachschenken. Beim Anblick des Buffets läuft mir das Wasser im Mund zusammen. Erst jetzt bemerke ich, wie groß mein Hunger ist. Mein Magen knurrt. Laut. Ich spüre wie Askyell sich versteift. Ohne überhaupt hin zu sehen, weiß ich, dass er gerade die Augen verdreht. Glücklicherweise führt er mich trotzdem zum Essen. Ehrlich gesagt,kann ich bei der Hälfte nicht einmal erkennen, was es ist und die exotischen Namen helfen mir da auch nicht weiter. Um nicht negativ aufzufallen, orientiere ich mich einfach an meinem Verlobten, der zu meinem Leidwesen nur das Mindeste auf seinem Teller platziert.
Wir steuern auf ein älteres Paar zu. Sie müssen irgendwie prominent sein, denn selbst ich habe das Gefühl sie irgendwoher zukennen. „Lady Gusten, Lord Gusten, dürfen wir uns zu Ihnen gesellen?" Der Herr nickt eifrig und macht uns ein wenig Platz. Zuerst habe ich mich über die Standtische gewundert, aber mittlerweile verstehe ich, dass sie dazu dienen schneller seine Gesprächspartner zu wechseln. Askyell hat wirklich an alles gedacht.
„Ms. Lindgren, ich habe gehört, sie führten ein Antiquariat für magische Artefakte?"
„Ja genau, ich habe mich vor sechs Jahren mit der Untersuchung und Kategorisierung selbstständig gemacht."
„Ein spannendes Feld, vor allem unter Betrachtung der aktuellen Lage."
„Wir bedauern sehr das Verschwinden ihrer Kollegen, daher ist es mir eine Herzensangelegenheit die Ursache schnell zufinden, Lady Gusten."
Ich lächle und verkneife mir einen sarkastischen Kommentar. Wie wichtig ihm das ganze ist, hat man bei der Ratssitzung ja gesehen. Aber der Dame scheint es sichtlich unangenehm zu sein, dass Askyell sich so energisch in unser Gespräch eingebracht hat. Sie tut mir fast leid.
„Haben Sie in Ägypten spannende Entdeckungen gemacht?" Ich bin total verwirrt. So einen extremen Themenwechsel erlebt man nicht jeden Tag. Vor allem, wie kam die gute Frau drauf, dass ich in Ägypten war? Um ihre Frage zu unterstreichen deutet sie hinter meinen Rücken. Erst jetzt bemerke ich die permanent laufende Diashow. Mir bleibt fast der Bissen im Halse stecken, als ich zusehe, wie Askyell und ich auf einem Kamel der Sonne entgegenreiten. Oder sollte ich lieber sagen Askyell und ein Double! Beide natürlich nur von hinten zu sehen. Selbst an manipulierte Fotos hat er gedacht! Aber das ist einfach zu viel für mich. Erst die Lügen und jetzt auch noch das. „Entschuldigen Sie bitte, ich muss kurz austreten." Ohne Askyells Reaktion abzuwarten, verschwinde ich in der Menge.
Ich brauche dringend frische Luft. Aber daraus wird nichts. Seine kalte Hand hält mich bereits am Arm und zieht mich abseits.
„Was war das gerade eben?"
„Das sollte wohl besser ich dich fragen!" Dabei zeigte ich in Richtung der Präsentation. „Irgendwie muss man unsere Beziehung wohl glaubwürdig präsentieren. Und du trägst gerade nicht wirklich dazu bei!"
„Oh entschuldige bitte, was hätte ich ihr denn sagen sollen?"
„Keine Ahnung, denk dir was aus."
„Schön!", erwidere ich genervt.
Er schüttelt frustriert den Kopf und am liebsten hätte ich losgelacht. Wie kann man nur so ignorant sein? So von sichselbst eingenommen?
Er schleift mich wieder in die Menge. Unter anderen Umständen hätte ich ihm vielleicht gesagt, dass das keine gute Idee ist, aber irgendwie will ich ihn mittlerweile einfach nur blamieren. Ihn auffliegen lassen! Die Gelegenheit lässt nicht lange auf sich warten. Ein kleiner Mann mittleren Alters mit Halbglatze und rotfleckiger Haut kriecht Askyell ordentlich in den Hintern!
„Oh Großmagier", säuselt er immer wieder. Dann richtet er plötzlich das Wort an mich. „Und meine Dame, was gefällt Ihnen am besten an Stockholm? Außer unser Großmagier natürlich." Er kichert, findet diese Aussage wohl unglaublich witzig.
„Einfach alles", erwidere ich, „die Türen aus Nussbaum, die lederne Couch, mein kleines Fenster! Wenn es überall so schön in Stockholm ist wie im Haus des Großmagiers, dann möchte ich für immer bleiben."
Askyell will mich unterbrechen, aber ich ignoriere ihn gekonnt. Das hier hat erdefinitiv verdient. „Wissen Sie, mein Verlobter sperrt mich gerne in meinem Zimmer ein, aber ich bin mir sicher, dass ich bald auch mal in den Garten darf und dann etwas von der Stadt sehen kann."
Der Mann starrt mich entsetzt an, bricht dann aber in schallendes Gelächter aus. „Sie sind so witzig! Meine Güte, fast hatten Sie mich!"
Ich lächle und merke zufrieden, wie sich Askyells Griff um meinen Arm verstärkt. Wir verabschieden uns und endlich darf ich nachdraußen.
Ich inhaliere die kalte Luft förmlich.
„Hast du den Verstand verloren?"
„Wieso? Ich habe ihm doch nur die Wahrheit gesagt."
Er ist fassungslos, ringt nach Worten. „Was stimmte denn nicht mit dir?"
Die Frage ist komplett ernst gemeint. Die vorherige Genugtuung verwandelt sich wieder inpulsierende Wut.
„Was mit mir nicht stimmt?", wiederhole ich gereizt, „Das musst du gerade sagen! Wer stolziert denn hier herum und erzählt nur Lügen?"
„Als würde das kein anderer machen!"
„Vielleicht, aber die ziehen andere da wenigstens nicht mit rein oder sind am Tod von tausenden Menschen schuld!"
„Kinder, man verlangt nach euch." Hitzig starre ich Lady Chastain an. Weiß sie überhaupt, was ihr Enkel abzieht? Askyell brummt etwas. Ich drehe mich wiederzu ihm und bemerke erst jetzt, wie dicht wir uns in der Auseinandersetzung gekommen sind. Ich kann seinen Atem spüren. Fast schon verlegen macht er einen Schritt zurück. Ein Außenstehender würde wohl vermuten, dass wir uns gerade haben küssen wollen.
„Die Tanzfläche wartet", beschwört Lady Chastain. Ich habe gerade überhaupt keine Lust zu tanzen und erst recht nicht mit dem Arsch. Aber zu meinem Entsetzen, schnappt Askyell sich schon wieder meine Hand und zieht mich energisch auf die Tanzfläche. Er platziert sich mir gegenüber, korrigiert den Abstand. Seine Größe ist schwindelerregend. Ich will ihm nicht so nah sein. Ich will nicht meine Hand in seine legen. Ich will nicht, dass er mich an der Hüfte berührt. „Kriegst du nen Walzer hin?"
„Ja!", blaffe ich zurück. Was für eine Frage! Wenn er nur ein bisschen über mich recherchiert hätte, wüsste er, dass ich zehn Jahre lang sogar an Wettbewerben teilgenommen habe.
Die Musik setzt ein und zu meinem Bedauern verringert Askyell noch einmal den Abstand zu mir. „Zu dicht", zische ich, aber er ignoriert die Ansage einfach. Langsam drehen wir uns.
„Was ist dein Problem?"
Mein Mund lächlet, aber meine Augen funkeln ihn böse an. „Das habe ich dir bereits gesagt." „Nein, du hast mich nur angeschrien."
„Das Amulett ist eine Fälschung." Ich erwarte irgendeine Reaktion, aber stattdessen folgt ein Schritt dem nächsten.
„Und jetzt dichtest du mir das Verschwinden der Artefaktspezialisten an?"
„Das ist eine logische Schlussfolgerung."
„Klar, weil so ein offensichtlicher Zusammenhang auch immer der Realität entspricht."
„Oder Größenwahnsinnige immer meinen, dass sie unantastbar sind."
„Wenn du mich für einen Mörder halten willst, dann bitteschön." Es ist nur ein Flüstern. Aber sofort ist mir die Gewichtung seiner Worte bewusst. Ein wunder Punkt und für den Bruchteil einer Sekunde habe ich Mitleid mit ihm. Also schweigen wir wieder.
Die Intensität unserer Bewegung lässt nach und ich bin froh, als die Musik verstummt. Askyell führt mich wieder von der Tanzfläche hinunter direkt zu Lady Chastain. Dann verschwindet er.„Schätzchen, was hast du dem armen Kerl nur angetan?" Ich ignoriere ihre Frage und beschäftige mich lieber mit dem Teller voller Weintrauben. Es tut mir leid, dass ich sie so vor den Kopf stoße, aber ich bin einfach nur noch müde und möchte ins Bett. Auf eine weitere Nachfrage schiebe ich Kopfschmerzen vor und Mr. Warden führt mich nach kurzer Zeit raus aus dem Saal. Askyell lässt nicht lange auf sich warten. Ich vermute, dass er mich einfach zum Anwesen schicken wird. Wahrscheinlich sagt er mir wieder, wie sehr er enttäuscht ist. Aber nein, er erklärt, dass er mich begleiten wird. Und die Tatsache, dass er mir ein Glas Wasser mit Kopfschmerztablette reicht, macht die Sache nicht besser. Ich bin unglaublich frustriert.
Natürlich ist mein Ärger über ihn berechtigt. Aber auf der anderen Seite hätte es ein schöner Abend werden können. Langsam werden die schweigsamen Autofahrten wirklich zur Gewohnheit. Ein furchtbarer Tag folgt dem nächsten. Vor ein paar Stunden hatte ich noch Askyells Hand nicht loslassen wollen und jetzt kämpfe ich um jeden Millimeter Abstand. Und dann reicht er mir auch noch sein Jackett! Ja, mir ist kalt, aber er muss trotzdem nicht plötzlich einen auf führsorglich machen! Ich bin wirklich erschöpft und will nur nochschlafen.
Plötzlich leuchtet Mana auf. Mein Körper ist schneller als mein Kopf. Ich schreie, sehe noch die Verblüffung in Askyells Augen! Der Wagen überschlägt sich. Und das Licht geht aus.
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