Kapitel 23
Frustriert liege ich auf der Couch. Meine frisch gewaschenen Haare sind in ein weißes Handtuch gewickelt, meine Füße stecken in Stricksocken. Nachdem ich mich beinahe verrenkt hatte, um aus diesem blöden Kleid raus zu kommen, wollte ich einfach nur noch ein Entspannungsbad nehmen und in meine Jogginghose schlüpfen.
Im Nebenzimmer lasse ich den Fernseher etwas vor sich hin dudeln. Ich habe gerade wirklich keine Lust mich mit irgendetwas zu beschäftigen, aber das leise Brabbeln im Hintergrund tut gut. Unruhig starre ich an die Decke hinaus auf den Sternenhimmel. Mein Gott, dass muss total romantisch sein hier zu zweit zu liegen, ein Glas Champagner trinkend. Zum Brechen!
Ich rolle mich auf die Seite, fixiere die elfenbeinfarbene Tür. Wie lange will der Herr noch auf sich warten lassen? Stöhnend drehe ich mich auf den Bauch und schreie in die Polster. Ich kann mich gerade selber überhaupt nicht leiden. Typisch Frau. Zu stolz um mitzugehen, aber schafft es trotzdem keine Sekunde, sich gelassen mit anderen Dingen zu beschäftigen!
Wie gerne würde ich die Zeit nutzen um ein Buch zu lesen. Oder noch besser, ich hätte mir Paris angucken können! Aber nein, stattdessen liege ich lieber hier rum und frage mich, was die beiden gerade treiben. Was für ein Reinfall! Ich hatte es mir so schön ausgemalt. Mein Magen verkrampft sich wieder. Ich rolle mich zusammen. Heule schon wieder.
Also tue ich das einzig Vernünftige. Hole mein Handy raus. Wähle die Nummer.
„Na Süße, alles gut bei dir?"
„Mama." Meine Stimme bricht. Ich höre wie meine Mutter sich versteift.
„Was ist passiert?" Und dann erzähle ich ihr alles. Ich erzähle ihr von meinem unfreiwilligen Umzug nach Stockholm, von dem Rat der Magier, dem Vampir, dem Unfall, die Entführung. Alles sprudelt einfach nur so aus mir heraus. Dann Shanghai. Selbst die Szene mit dem Rock, wie peinlich berührt ich war. Und von Askyell. All die angestauten Gedanken und Gefühle. Stille.
„Warum hast du mir das nicht schon viel früher erzählt?" Ich kann verstehen, dass sie verletzt ist.
„Es tut mir leid. Ich wollte dich einfach nicht beunruhigen. Das irgendwie selbst in den Griff kriegen."
„Du weißt doch, du kannst mir immer alles erzählen. Ich bin für dich da."
„Ich weiß." Ich weine wieder.
„Was ist los?" Dann gibt es kein Halten mehr. Schluchzend erzähle ich ihr von meinem grauenvollen Tag. Gebe die Spitzen von Lady Chastain wieder. Beschreibe ihr Askyells kühle Art. Komme zu Colette. Wie sie tanzen. Meine Mutter immer nur so: „Nein! Das hat sie nicht gemacht?"
Und ich ganz kleinlaut: „Doch." Und dann komme ich zum Höhepunkt. Askyell, wie er sagt: „Ach, sie kommt klar."
„Dieser Mistkerl!", donnert meine Mutter los. Schluchzend höre ich ihr bei der Hasstirade zu. Irgendwann beruhigt sie sich, fragt mich, was ich gerade mache.
Niedergeschlagen gebe ich zu: „Wie eine blöde Kuh hier auf der Couch rumliegen und warten, dass er wieder da ist. Und beten, dass das alles ein riesiger Irrtum ist!"
„Ach Spätzchen." Die Stimme meiner Mutter wird ganz sanft. Ich weiß, dass sie mir lieber sagen würde, dass ich diesen Idioten in den Wind schießen muss, dass ich nach Hause kommen soll. Dass sie an meinen Vater und die dämliche Pilates-Trainerin denkt. Aber stattdessen schweigt sie. Wartet bis ich mich ausgeheult habe. „Ich kann dich gut verstehen. Ich mag ihn auch."
„Du kennst ihn doch gar nicht", brumme ich.
„Er hat öfter bei mir angerufen, als du."
„Was?", rufe ich hellhörig.
„Ja, hat sich nach meinem Rücken erkundigt, gefragt, was ich so mache. Hat mir auch angeboten euch besuchen zu kommen. Mir erzählt, was ihr so Schönes macht – oder eher nicht gemacht habt."
„Das hat er mir nie erzählt."
Sie macht eine kurze Pause. „Du solltest ihn nicht gleich abschreiben. Ich meine, es kann ja immer noch sein, dass sie einfach nur eine Freundin der Familie ist. Ja, die Bemerkung mit der Zukünftigen war schon komisch, aber vielleicht auch nur ein Insider, den du nicht verstehst. Warte noch ein wenig ab. Die nächsten Tage werden schon zeigen, was los ist. Und dann kannst du ihn immer noch damit konfrontieren." Ich stimme ihr zu. Vielleicht übertreibe ich wirklich. Fühle mich nur so angegriffen, weil ich andere Erwartungen an diesen Abend hatte.
Etwas beruhigter legen wir auf. Ich spaziere ein wenig durch die Räume der Suite. Jeder einzelne kitschig überladen. Verweile vor einem gigantischen Gemälde. Hämisch lacht der portraitierte Amor auf mich herab. Wie kann man sowas nur schön finden? Sanft streiche ich mit den Fingern über den kühlen, weißen Stein des Kamins. Umgehe den dunkelroten Fellvorleger davor. Ich fühle mich erdrückt von diesen Räumen. Muss an die frische Luft! Fliehe auf die Dachterrasse.
Es ist noch immer so lauwarm, dass ich nicht mal eine Jacke brauche. Hier oben ist es ganz still, obwohl unter mir die Stadt pulsiert. Ich traue mich nicht direkt an den Rand der Terrasse. Dafür ist es viel zu hoch. Klatsche mir beide Hände gegen die Wangen. Immer wieder wandern meine Gedanken zu Askyell. Das darf doch wohl nicht wahr sein?
Plötzlich vibriert mein Handy. Eine Nachricht von meiner Mutter. Nur ein Kotzsmiley und dazu ein Link. Mit flauem Magen öffne ich ihn, lande auf dem Facebook-Profil von Ms. Perfect. „The boys are back!" steht oben in ihrer Chronik. Dazu noch ein paar Party-Emojis und ein Foto. Colette grinst mich fröhlich an, die Arme eng um den Hals eines großgewachsenen Mannes geschlungen, der sich natürlich nur im Profil zeigt. Der Mund zu einem Lächeln verzogen, eine Hand an ihrer Hüfte. Askyell.
Ich scrolle weiter runter. Noch ein Bild. Sie scheinen in einem Club zu sein. Mir bleibt das Herz stehen. Der Großmagier, wie er die Schleife ihrer High-Heels erneuert und sie geschickt ihr Kleid rafft. Die unendlich langen Beine preis gibt. Gepostet von einer Fremden mit dem Hashtag „Couplegoals".
Angewidert drehe ich mich um, renne ins Wohnzimmer. Pfeffere mein Handy auf den Sessel. Stürme wütend in das Schlafzimmer. Schüttle das dumme Herz aus Rosenblättern auf den Boden und zertrample die Blüten. Zertrete die Spur auf dem Teppich. Kippe Askyells Koffer auf dem Boden aus und kicke seine fein säuberlich gerollten Hemden durch die Gegend.
Ich schnaufe. Wische mir die Tränen weg. Klemme mir Decke und Kopfkissen unter den Arm und marschiere ins Wohnzimmer. Schicke meiner Mutter nur noch die Nachricht: „Morgen, bin ich hier weg!" Lasse mich auf die Couch fallen und rolle mich zusammen. Bin total erschöpft und schlafe weinend ein.
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Müde reibe ich mir die Augen. Mein Kopf dröhnt, mir ist speiübel. Ich habe das Gefühl, als hätte ich einen furchtbaren Kater. Langsam stehe ich auf, drücke erstmal meinen Rücken durch und Knackse mit den Gelenken. Auf dem kleinen Sofa vor dem Fernseher zu schlafen, war alles andere als intelligent. Mein Blick fällt auf das schwarze Jackett, welches so unschuldig über dem Stuhl neben der Tür hängt. Sofort verkrampft sich mein Magen. Ich zittere. Das wird ein verdammt unangenehmes Gespräch.
Lustlos öffne ich die Tür zum runden Raum mit der Glaskuppel. Mir bleibt die Luft weg. Auf dem Boden liegen schwarze High-Heels. Nicht meine. Mechanisch gehe ich um die Couchgarnitur herum. Presse mir die Hände auf den Mund um meinen Aufschrei zu unterdrücken. Colettes Kleid liegt auf dem Fußboden. Entsetzt starre ich die Schlafzimmertür an. Das kann nicht sein. Er wird doch nicht? Immer wieder wandert mein Blick von einem Beweis zum nächsten. In unserer Suite? Wie schamlos ist der denn? Ich muss mich setzen. Mir ist so schlecht, ich befürchte jeden Moment umzukippen.
Die Schlafzimmertür geht auf. Es ist wie ein Autounfall. Man kann einfach nicht wegsehen. Ms. Perfect kommt in einem weißen, kurzen Bademantel heraus gehüpft. Selbst ungeschminkt nach einer durchzechten Nacht sieht sie aus wie ein Engel. „Guten Morgen", trällert sie gutgelaunt. Hüpft aus meinem Sichtfeld. Denn ich kann nicht anders, als diese Tür anzustarren. Askyell sieht mich nicht einmal an, kneift benommen die Augen zusammen. Nur mit einer engen Boxershorts bekleidet. Ignorier das!
„Cat." Ein raues Flüstern. Mein Herz hört auf zu schlagen. Kommt jetzt eine billige Entschuldigung? „Kaffee!", krächzt der Großmagier. Ich bin so überrascht, dass ich in diesem Moment nicht einmal wütend werde. Spüre nur wie mir die Röte ins Gesicht schießt. Ich fange mich wieder. Wünsche mir nichts sehnlicher, als ihn mit kochendem Wasser zu übergießen!
Werde von dem leckeren Duft von frisch gebrühtem Kaffee abgelenkt. „Schon längst erledigt!" Colette schiebt einen kleinen Wagen mit Croissants, Marmelade und einer großen Kanne in den Raum. Ich glaube, ich bin im falschen Film. Während Askyell sich die erste Tasse genehmigt, präsentiert mir Colette einen Teller mit süßem Gebäck. „Oh, die musst du probieren! Die Himbeerkonfitüre ist himmlisch!" Ich kann nicht mehr. Also tue ich das einzig Richtige in diesem Moment: Kommentarlos drehe ich mich um, marschiere auf das Badezimmer zu. Ich brauche jetzt eine kalte Dusche, ansonsten gibt's hier gleich Tote!
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Ich weiß wirklich nicht, was demütigender ist. Die Tatsache, dass ich wegen diesem Idioten immer noch weine oder dass ich die Dusche nicht wieder ausbekomme? Kann es denn noch schlimmer werden? Bedrückt starre ich auf meine Füße. Die Haut ist schon ganz schrumpelig. Also trockne ich mich seufzend ab, am ganzen Körper bebend, während in der Duschkabine immer noch das Wasser läuft.
Mein Blick fällt auf den leeren Haken. Natürlich trägt sie meinen Bademantel, blöde Kuh! Resigniert stelle ich fest, dass der zweite natürlich viel zu groß ist, also wickle ich mich einfach in das Badetuch. Wie demütigend ist das Ganze hier bitte? Ich bete dafür, dass Colette mittlerweile einfach gegangen ist, oder sie sich zumindest in einem anderen Zimmer aufhalten. Ich will wenigstens mit erhobenem Haupte dieses Hotel verlassen können!
Widerwillig öffne ich die Tür. Mir rutscht das Herz in die Hose. Bin absolut sprachlos. Vor mir steht Askyell in Polohemd und Leinenhose und neben ihm Colette – in einem übergroßen weißen Hemd! Seinem Hemd! Die Ärmel hochgekrempelt, ein Gürtel um die zarte Taille gebunden. Sie stemmt die Hände in die Hüfte. „Geht das so? Ich will nicht in dem Kleid von gestern Abend das Hotel verlassen. Nicht dass die Leute noch irgendwas Komisches denken!" Oh ja, die Leute! Was ich denke, ist ihr egal.
Ich würde ihr am liebsten das Hemd vom Leibe reißen! Aber stattdessen murre ich bloß: „Klar, warum nicht." Colette streicht sich eine Strähne ihrer blonden Locken hinters Ohr.
„Wie wäre es mit einer kleinen Spritztour? Askyell meinte, dass du noch nie in Paris warst? Das wird sicher aufregend!"
„Ja, ich dachte wir können die Arbeit einfach auf den Nachmittag verschieben", ergänzt Askyell ihr Anliegen. Seit wann lässt sich denn der Herr Obergroßmagier für's Sightseeing begeistern?
Ich weiß, es wäre das Beste jetzt einfach zu gehen, aber auf der anderen Seite...Wann würde ich noch einmal die Chance haben Paris zu erkunden? Und vielleicht bin ich auch ein wenig masochistisch veranlagt. Also schmeiße ich mich extra in mein rotes Sommerkleid mit den schönen Perlmuttknöpfen - um mir ein gutes Gefühl zu geben oder auch wegen meinem verletzten Stolz. Schlüpfe dazu in die cremefarbenen Keilabsatz-Sandaletten. Flechte mir die Haare in Ruhe zu einem eleganten Seitenzopf. Ich fühle mich wohl! Ich fühle mich schön! Ich werde mit erhobenem Haupt dieses Hotelzimmer verlassen! Ich werde diesem Idioten nicht zeigen, wie sehr mich sein Verhalten verletzt hat. Das gönn ich ihm nicht!
Und das Drama geht weiter ;) Freue mich schon auf eure Reaktionen.
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