Kapitel 17
„Dieser Rotzlöffel!" Unsanft werde ich von dem Toben des Großmagiers geweckt. Müde reibe ich mir die Augen.
„Dir auch einen schönen guten Morgen", stöhne ich. Askyell kommt drohend auf mich zu.
„Er hat mein ganzes Bargeld und die Kreditkarte mitgenommen! Selbst meine Uhren!" Erst jetzt realisiere ich, dass unser Gast verschwunden ist. Panisch springe ich auf. Trotz des Schwindelgefühls angle ich nach meinem Portemonnaie. Erleichtert stelle ich fest, dass meine Sachen unberührt sind. Askyell grunzt nur unzufrieden.
Unsicher frage ich: „Und jetzt? Wir sollten ihn suchen. Er ist doch ganz allein!" Wenn Blicke töten könnten.
„Ich denke, er kommt auch gut ohne uns zurecht", stellt Askyell sarkastisch fest. Dann ruft er offenbar Mr. Warden an. Die Wangen des Großmagiers sind feuerrot, als er seinen Onkel um Geld und das Bezahlen der Hotelrechnung bitten muss.
„Tut mir leid, ich hätte nie gedacht, dass der Kleine uns so übers Ohr hauen würde." Dafür ernte ich auch wieder einen giftigen Blick.
Zur Strafe fällt leider das Frühstück aus. Aber wenigstens darf ich zur Abwechslung heute in meinen Klamotten starten. Ich hätte nie gedacht, dass man sich so über ein Paar Jeans freuen könnte! Asykell trägt wie immer Jackett, aber wenigstens nicht ganz so steif mit einer beigen Stoffhose. Etwas, was ich später definitiv an ihm ändern werde. Ich stolpere über meinen eigenen Gedanken. Zum ersten Mal habe ich an unsere Zukunft gedacht. Es ist ein komisches Gefühl, wirkt total surreal. Ich versuche die Vorstellung abzuschütteln: Askyell und ich, unsere Hochzeit.
Autsch! „Hast du mir gerade gegen die Stirn geschnipst?" Er sieht mich schadenfroh an.
„Ich habe es dir doch schon einmal gesagt. Ich will nur sichergehen, dass ich deine Aufmerksamkeit habe." Die hat er jetzt gewiss. Er hält mir einen Zettel direkt vor die Nase. Genervt schaue ich ihn mir genauer an und erkenne meine eigene Handschrift. „Du bist dir zu 100 Prozent sicher, dass das die Botschaft ist, richtig?"
„Ja!", bluffe ich ihn an. Diese Frage hatte er mir gestern bereits unzählige Male gestellt.
„Gut, dann brechen wir jetzt auf."
Unten in der Eingangshalle geht Askyell zielstrebig auf die Rezeption zu. Verwundert folge ich ihm. Er nimmt einen Autoschlüssel entgegen. „Du fährst heute?", frage ich neugierig. Er schenkt mir bloß ein schelmisches Grinsen, scheint plötzlich sehr viel besser gelaunt. Draußen steuert Askyell auf ein futuristisches Gebilde zu. Streicht sanft über die schwarze, matte Oberfläche. Mir schlottern die Knie! „Ein Motorrad?"
„Oh ja, so ein Teil will ich schon länger ausprobieren." Und da ist wieder dieses Bild von Askyell, mit Zigarette und nun auch noch Bikerjacke. Ich weiß, ich weiß. Für viele Frauen würde hier gerade ein Traum in Erfüllung gehen, aber ich habe einen riesigen Respekt vor diesen Maschinen!
„Kannst du das nicht ein andermal machen?"
„Hast du etwa Angst?", gurrt Askyell. Sein Blick erinnert mich wieder an einen Falken. Beleidigt verschränke ich die Arme vor der Brust.
„Na und?"
„Dann solltest du dich lieber gut festhalten." Er steigt auf.
„Kann ich nicht hierbleiben?"
„Keine Sorge, wenn du fällst..." Ich sehe ihn mit großen Augen an. „... dann geht es ganz schnell." Arsch!
Meine Finger krallen sich fest in den Stoff seines Kaschmir-Shirts. Ich kneife die Augen zusammen. Meine Haare flattern um meinen Kopf. Das Haargummi hatte ich bereits nach der ersten Kurve verloren. Mir ist speiübel. Ich werde das Gefühl nicht los, dass Askyell sich absichtlich so in die Kurven legt, viel zu abrupt bremst und gerne mit hoher Beschleunigung startet. Während ich hier gerade tausend Tode sterbe, scheint der Großmagier den Höllenritt zu genießen. Kaum lassen wir die Zivilisation hinter uns, breitet er beide Arme aus. Rast freihändig über die Straßen.
Aber das reicht ihm nicht. Finger für Finger löst er meinen Halt. „Vertrau mir Cat! Das musst du genießen!" Mein Puls ist auf 180. Meine Oberschenkel pressen sich so fest an das Motorrad, dass ich morgen bestimmt riesige blaue Flecken haben werde! Rücklings umfasst Askyell meine Handgelenke und breitet meine Arme aus. Ich kann nicht anders, schreie los. Er macht es mir nach! Wir jubeln. So muss sich Fliegen anfühlen! Ich bin überwältigt, dankbar, dass ich wegen ihm meine Angst überwunden habe. Es ist nicht gerade so, dass ich nie wieder von diesem Ding runter möchte, aber dieses kurze Gefühl von Freiheit ist berauschend.
Ich drücke mich wieder an Askyells Rücken. Dieses Mal aber nicht so krampfhaft und schaffe die Umgebung zu erfassen. Vor uns ragen majestätische Berge in den Himmel. Steile Felssäulen brechen aus dem Nebelmeer hervor. Bäume kämpfen sich an dem Hang entlang. Die Vegetation wird immer dichter. China ist wirklich wunderschön!
Wir halten in einem kleinen Dorf. Hier stehen gerade mal 5 Häuser, darunter ein kleiner Imbiss mit Souvenirladen für allmöglichen Schnickschnack. „Ab hier müssen wir wohl zu Fuß weiter", stellt Askyell missmutig mit einem Blick auf die Karte fest. „Dann sollten wir definitiv vorher etwas essen!" Tatsächlich hält selbst Askyell das nicht für eine schlechte Idee und so genießen wir schweigend ein Pilzgericht mit reichlich Bambussprossen. Heute habe ich wirklich das Gefühl, wir würden eher Urlaub machen, statt auf eine gefährliche Mission zu gehen. „Was macht dein Arm?" Verdutzt schaue ich Askyell an. Ich brauche tatsächlich ein paar Sekunden, um zu verstehen, worauf er hinauswill. Wieder einmal bin ich über mein eigenes Talent überrascht, Dinge sehr erfolgreich zu verdrängen. „Nichts, also es geht mir gut. Juckt nicht oder sowas." Er nimmt die Stäbchen in die Linke und fährt mit dem Daumen über das Fluchmal. Ich halte die Luft an und versuche nicht gleich wieder rot anzulaufen. „Wir sollten trotzdem mal einen Profi drüber gucken lassen, wenn wir wieder in Stockholm sind." Ich nicke nur. Wir. So ein kleines Wort und doch lässt es mein Herz höherschlagen.
Nachdem wir uns mit Getränken eingedeckt haben, machen wir uns an den Aufstieg. Die hohe Luftfeuchtigkeit kombiniert mit der Hitze treiben mir bereits nach kurzer Zeit den Schweiß auf die Stirn. Askyell zieht das Jackett aus. Sein Rücken zeichnet sich unter dem dünnen Shirt ab. Wenigstens schützen die ausladenden Baumkronen vor den Sonnenstrahlen. Der Weg wird immer schmaler und steiler, geht langsam in eine Treppe über. „Ich hoffe, du bist schwindelfrei!" Mit wackligen Knien schlucke ich schwer. Trete dichter heran. Neben dem brüstungsfreien Klippenpfad geht es steil nach unten! Ich kann den Boden nur erahnen. „Na komm." Er reicht mir eine Hand und ich frage mich, wie er nur so furchtlos sein kann. Aufgrund der Feuchtigkeit ist der Stein verdammt rutschig! Und so kämpfe ich mich Stufe um Stufe weiter nach oben. Die eine Hand an der Felswand, die andere klammert krampfhaft an Askyell. Ihn scheint das Ganze zu amüsieren.
„Du wolltest doch ein wenig Sightseeing machen", stichelt er.
„Du kannst mich mal!"
Endlich wieder ebene Fläche! Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie glücklich ich bin. Vor Freude falle ich auf die Knie und streiche sanft über das Gras, weine fast vor Glück. Askyell sinkt ebenfalls zu Boden. Er kippt sich erstmal den Rest seiner Wasserflasche über den Kopf. Der Stoff wird leicht transparent. Wie auf Kommando fixieren mich seine Augen. Jetzt bloß nicht rot werden! Er setzt sein selbstgefälliges schiefes Grinsen auf.
„Findet hier ein Wet-T-Shirt-Contest statt, von dem ich nichts weiß?", versuche ich ihn aufzuziehen.
Er zieht nur eine Augenbraue hoch und erwidert trocken: „Du kannst gerne noch dran teilnehmen."
„Ich denke, ich passe lieber."
„Wieso? Heute keine Spitze oder gerade deswegen?" Mein Mund klappt einfach immer wieder auf und zu. Die Hitze schießt mir in die Wangen. Starre ihn erschrocken an. Er lacht, hebt unschuldig die Hände. „Okay, ich gebe zu, der war fies." Wütend springe ich auf. Trete einen Stein nach ihm und stapfe wütend los.
Immer noch schmunzelnd folgt er mir. Manchmal wüsste ich nur zu gern, was in seinem Kopf vor sich geht! Aber grad wünsche ich mir nur, dass ihn ein Steinschlag trifft. Ich rede nie wieder mit ihm! „Cat, pass auf!" Zu spät. Der Boden bricht unter meinen Füßen weg. Meine Hände greifen ins Leere. Ich pralle auf harten Stein, rutschte mit ihm einige Meter tiefer. Bin wie benommen. Mein Kopf dröhnt. „Cat?" Askyell lässt sich hektisch heruntergleiten. Vorsichtig setze ich mich auf, starre auf das imposante Tor vor mir. Der Großmagier kommt schlitternd neben mir zum Stehen. „Alles okay?" Ich ignoriere seine Frage. Sie erscheint so nichtig im Gegensatz zu der wirbelnden Essenz direkt vor uns.
Beim letzten Kapitel habe ich mich noch über 400 Leser gefreut. Und nun sind schon die 500 geknackt :) Vielen Dank für eure liebe Unterstützung. Vor neun Kapitel habe ich die ersten 50 Leser mit einer kleinen Illustration gefeiert. Traditionen müssen ja bekanntlich erhalten werden. Also von daher, hier ein neues kleines Bild. Nur ne colorierte Skizze, aber ich mag sie ;)
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