Kapitel 44
Kapitel 44
Zwei Tage später traten sie die Rückreise an. Diese verlief schneller, als die Hinreise und trotzdem waren sie recht lange unterwegs.
Nanami sprach kaum, verbrachte die meiste Zeit im Zimmer oder damit allein durch die Stadt zu streifen, ohne sich an deren Schönheit zu erfreuen.
Sie aß, weil das Kind es brauchte, aber weniger, weil sie sich darauf freute. Im Grunde war ihr der Geschmack vollkommen egal.
Obwohl sie auch einige Zeit ritt, verbrachte sie mehr Zeit in der Kusche. Es sorgte für regelmäßige Übelkeitsanfälle, doch es war ihr im Grunde egal. Auch, dass sie sich mehrere Male auf der Reise erbrach, schob sie auf die Schwangerschaft. Ob es ihrem Kind gut ging oder nicht konnte sie nicht einmal sagen, weil sie es noch immer nicht spürte. Ihr Bauch wurde jedoch immer größer.
Wie Victor gesagt hatte, überließ er sich ganz ihr selbst. Auch die Entscheidungen, die sie traf. Allerdings hatte er sein Wort wahr gemacht. Clarissa war gegangen. Wann, das wusste Nanami nicht. Es war auch nicht wichtig. Jetzt lebten sie wieder nebeneinander anstatt miteinander. Er erkundigte sich zwar morgens, wie es ihr geht, aber sonst sagte er nichts mehr.
"Wenn wir wieder zurück sind, möchte ich in das Schloss am See ziehen", sagte sie mit versucht ruhiger Stimme, während sich ihre Hände in die Zügel krallten. Sie ritt neben Victor her, obwohl sie eigentlich lieber in der Kutsche gewesen wäre, während er ritt. Aktuell versuchte sie alles, um nicht mit ihm interagieren zu müssen. Sie wollte sich nur noch auf ihr Kind konzentrieren. Zudem freute sie sich darauf, Eric endlich wiederzusehen.
"Deine Entscheidung", meinte Victor schulterzuckend, doch sie hörte, wie er mit den Zähnen knirschte.
"Ich habe dich nicht um Erlaubnis gefragt, sondern dir meine Entscheidung mitgeteilt", sagte sie betont ruhig. "Ich habe begriffen, dass wir nie so etwas wie eine halbwegs normale Familie sein werden. Das heißt aber nicht, dass ich nicht alles dafür tun werde, dass es meinem Kind gut geht", sagte sie und versuchte mühsam so ruhig wie möglich zu bleiben.
"Von mir aus. Wie gesagt, ich mische mich in deine Entscheidungen nicht mehr ein", erwiderte er genauso ruhig.
"Du wolltest das Kind sowieso nie. Genau so wie du mich nie wolltest. Vielleicht hast du es nicht so gemeint, aber ich fühle mich von dir abgeschoben. Ich kann dieses Gefühl nicht länger ertragen, also ziehe ich mich zurück." Sie erklärte es ihm, wusste jedoch sehr genau, dass er es sowieso nicht verstehen würde. Es gab eine Zeit, da hatte er versucht sie nachzuvollziehen, doch die war wohl vorbei. "Die Reise hat mir gezeigt, was wir haben könnten, aber wir sind beide wahrscheinlich zu kaputt dafür."
"Wahrscheinlich hast du Recht", gab er zu. "Dabei habe ich tatsächlich versucht, mich besser mit dir zu verstehen. Aber ich höre von dir immer nur ich ich ich", sprach er, noch immer ruhig, weiter. "Tatsächlich habe ich mit meinen Entscheidungen gehofft, dir jemanden zur Seite zu stellen, wenn ich nicht kann oder wenn ich etwas nicht verstehe. Du hingegen denkst immer, ich will dir etwas aufzwingen. Du gibst nicht einmal die Chance, etwas Neues zu versuchen, dabei zwingst du mir immer deinen Willen auf. Egal, bei was. Nur merkst du es nicht. Ist auch in Ordnung so. Schade, dass ich mich sogar mittlerweile auf das Kind gefreut habe. Sonst hätte ich dir nicht das Armband machen lassen."
"Es liegt einfach zu nah an dem, was ich kenne. Sobald ich anstrengend werde, soll sich jemand anderes um mich kümmern. So war es schon immer", flüsterte sie und Tränen traten ihr in die Augen. "Selbst mein Vater ist einfach gegangen, als ich ihm zu anstrengend geworden bin. Auch er tarnt es unter dem Mantel, dass er es gut meint. Ich habe wirklich versucht es zu verstehen. Vielleicht kann ich es auch ein bisschen. Trotzdem tut es weh und mit diesem Schmerz, den ich fühle setzt sich niemand auseinander. Sobald ich nicht reagiere, wie es die Leute erwarten, gehen sie, statt zu bleiben und den Grund zu erfahren", flüsterte sie. Doch damit hatte sie sich abgefunden. Sie wollte keine Leute um sich haben, die bei der ersten Mauer, die sie um sich aufbaute, verschwanden. Daher war sie auch so sehr gegen Clarissas Gegenwart. Hätte sie die Frau einfach im Bad zu ihr gesetzt und ihr Gesellschaft geleistet, ohne ihr das Gefühl zu geben sie zu irgendwas zu drängen oder ihre Gefühle einfach abzutun, hätte sie vielleicht mit ihr klarkommen können. Doch das hatte sie nicht. Stattdessen war sie, als Nanami ihren Unwillen darüber kundgetan hatte, wie die Frau mit ihr sprach, einfach gegangen. Wie jeder in ihrem Leben. Und Victor machte die gleichen Anstalten. Daher wollte sie zuerst gehen, um nicht selbst wieder dieses Gefühl zu spüren. Sie wusste, dass sie Victor damit wehtun würde, doch im Moment konnte sie darauf keine Rücksicht nehmen.
Als sie von ihrem Spaziergang zurückgekehrt war, war sie gewillt gewesen, seine Befehle und seinem Weg zu folgen, doch er hatte es schon aufgegeben. Hatte ihr klargemacht, dass er sich aus ihren Dingen heraushalten würde. Das hatte ihr gezeigt, dass er nicht bereit war, bei Schwierigkeiten einen Kompromiss zu schließen.
"Ich habe Clarissa zurückgeschickt, weil du sie nicht als Vertraute wolltest. Mein Fehler. Wie immer. Du hast deinen Willen, finde die Leute, mit denen du dich umgeben willst, aber beklage dich am Ende nicht, wenn sie nicht so sind, wie du es gerne hättest", sagte Victor. "Ich wollte dich verstehen und mich um dich kümmern. Aber wie soll ich es, wenn ich keine Ahnung habe? Darf ich niemanden zur Hilfe holen, wenn ich mich überfordert fühle?", fragte er nach. "Es ist mir egal, wie du reagierst, aber du denkst nur darüber nach, dass du verletzt wirst, dabei bemerkst du einfach nicht, dass du mit deinen Worten und Taten auch andere verletzt. Bisher habe ich es stillschweigend zugelassen. Aber ich möchte das nicht mehr. Du sagst ständig, ich verstehe dich nicht. Ja, vielleicht verstehe ich dich nicht, wie du es willst. Aber ist es falsch? Nein. Du verstehst mich ebenso wenig."
"Ich habe auch niemanden, den ich zu Hilfe holen kann, wenn ich dich nicht verstehe", flüsterte sie. "Und ich schicke nicht andere vor, um sich an meiner Stelle mit dir zu unterhalten. Wie oft hätte ich dir Madeleine auf den Hals schicken können? Aber ich habe es nicht getan, weil ich ganz genau weiß, dass du ihre Gegenwart nicht erträgst. Stattdessen habe ich versucht es mit dir zu klären. Du hast mich so oft von dir geschoben und trotzdem bin ich immer wiedergekommen, weil du mir wichtig bist", sagte sie und wurde immer leise. "Aber ich habe verstanden, dass ich nicht wichtig genug bin, dass man mich direkt mit mir auseinandersetzt. Zudem habe ich dich nicht gebeten sie wegzuschicken", sagte sie, bevor sie ihr Pferd dazu brachte, zurück zur Kutsche zu gehen. Da sie das recht regelmäßig tat, war sofort jemand da, der das Pferd für sie nahm, sodass sie in die Kutsche steigen konnte.
Wie erwartet, folgte Victor ihr auch nicht. Das war sie bereits gewohnt, weshalb sie sich in die Kutsche zurückziehen konnte.
Es war genau, wie sie erwartet hatte. Sie war es nicht wert, dass er um sie kämpfte.
Traten Probleme auf, hoffte er, dass andere sie für ihn lösten, statt sich selbst mit ihr zu befassen.
Nanami zog ihre Beine an sich. Eine Zeit lang hatte er ihr das Gefühl gegeben, dass sie ihm wirklich wichtig war und sie hatte es auch geglaubt. Daher tat es so unglaublich weh, dass er einfach andere Leute vorgeschickt hatte, als sie sich nicht einig geworden waren. Als hätte es keine Lösung gegeben.
Ihr war klar, dass er nicht gut mit Gefühlen und Worten umgehen konnte. Vielleicht hatte er das auch nur getan, damit er nicht explodierte. Sie wusste, dass er unberechenbar werden konnte und sie, aber auch ihr Kind verletzen konnte. Doch das war ihr egal. Das war der Mann, dem sie Ewigkeiten nachgelaufen war. Sie wollte, dass er Gefühle ihr gegenüber hatte und damit mussten sie sich auseinandersetzen. Nein, stattdessen rannte er vor eben jenen Gefühlen weg, wie er es immer tat.
Die Stunden vergingen, indem die Kutsche weiterfuhr. Da sich das Wetter verschlechtert hatte, kamen sie langsamer voran.
Plötzlich hielt die Kutsche an und Victor stieg einfach ein. Müde ließ er sich neben Nanami nieder und gab mit der Hand zu verstehen, dass sie weiterfahren sollten. "Wollen wir nun ewig so weitermachen? Oder es noch einmal versuchen?", fragte er.
Sie richteten ihren Blick auf ihn. Dieses Gespräch hatte sie zwar erst im Schloss mit ihm führen wollen, doch wenn er es jetzt ansprach, war das für sie auch in Ordnung. "Wenn du mir versprichst, dass du dich mit mir auseinandersetzen wirst, ohne bei den ersten Anzeichen von Problemen jemand anderen vorzuschicken, ja. Ich habe keine Probleme mit deiner Wut und deinem Ärger mir gegenüber zurechtzukommen. Vielleicht werde ich weinen und schmollen, aber du wirst mich damit nicht so sehr verletzen, wie du es mit Clarissa getan hast", antwortete sie ruhig und erschöpft. "Selbst wenn du mich mit deiner Magie dazu bringst die Dinge zu tun, die du willst, werde ich vielleicht meckern und zetern, aber es wird mich nicht verletzen. Ich bin nicht immer einfach und habe einen starken Willen, wenn ich etwas möchte, aber das heißt nicht, dass ich keine Kompromisse schließen kann. Das einzige mit dem ich nicht umgehen kann sind Leute, die sich in meine Beziehung oder mein Leben einmischen. Leute, die nichts in meiner Beziehung und meinem Leben zu suchen haben. Du bist ein Teil davon, genau wie dein Vater. Vielleicht wird es Lilly, Tanan oder Clarissa irgendwann sein, doch im Moment sind sie es nicht", erklärte sie und hoffte sehr, dass er verstand.
"Niemand hat sich in die Beziehung eingemischt", sagte er ernst. "Ich habe Clarissa gebeten, mit dir zu sprechen, damit ihr zusammen Übungen macht und dir hilft, weil ich es nicht kann. Es war ein Fehler, genau wie alles zuvor. Daher: Du entscheidest, was du tun wirst. Ich wollte dir ein Versprechen abnehmen, dass du zumindest etwas Neues versuchst, anstatt gleich nein zu sagen. Aber das hat sich erledigt."
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