Kapitel 43.7
Kapitel 43.7
„Spazierengehen ist auch eine Art von Sport. Ein ruhiger, ungefährlicher. Auch reiten, weil deine Muskeln aktiviert werden. Da du ja sowieso alles besser weißt: Was ist denn ein geeigneter Sport für Schwangere?", wollte er wissen.
"Schwangerschaftssport", sagte sie noch einmal, da sie das Thema bereits angesprochen hatte. "Es sind für Schwangere entwickelte Bewegungsabläufe, um die Rückenschmerzen zu mildern und den Körper auf eine Geburt vorzubereiten", erklärte sie. "Ich kenne mich damit aber nicht aus und es klingt nicht so, als wäre das hier irgendwie bekannt."
Victor räusperte sich. „Du hast scheinbar Clarissa nicht zugehört, oder? Sie weiß genau, welcher Sport geeignet ist. Und ich bin mir sicher, dass das, was du tun willst, nicht dazugehört. Gegen Schwangerschaftssport hab ich nichts", erklärte er.
"Ich habe gar nicht mit ihr gesprochen", meinte Nanami nüchtern. Sie hatte auch kein Interesse mit ihr zu sprechen. Victor hatte mehr oder weniger entschieden, dass sie die Amme des Kindes war und ihr bei der Geburt helfen sollte, doch im Grunde wollte sie beides nicht. Sie hatte nichts gegen Clarissa, aber eine Amme war bei ihnen nicht üblich. Zudem hatte sie keine Ahnung von dem, was die Frau konnte. Sie vertraute ihr einfach nicht genug, um sie das Leben ihres Kindes in ihre Hände zu legen.
Allerdings sollte sie ihr vertrauen, denn sie wusste, dass Victor nur ausgewählte Personen an sie ran ließ. Wenn er jemanden vertraute, konnte sie es eigentlich auch.
"Nein, du warst so sehr mit deiner Stimmungsschwankung beschäftigt, dass du gar nicht reden wolltest", bemerkte Victor trocken. "Was meinst du, warum ich sie zu dir geschickt habe? Weil sie dich unterstützen soll. Vor der Geburt, während der Geburt und nach der Geburt. Aber hey, wenn es dir nicht passt, schicke ich sie wieder zurück. Dir kann man sowieso absolut nichts recht machen", knurrte er und wirkte noch verstimmter als vor wenigen Minuten.
"Ich rede nicht mit mir fremden Menschen über meine Probleme", antwortete Nanami ernst. "Du vertraust ihr, aber ich habe keinen Grund dazu. Außerdem sollte es meine Entscheidung sein, ob ich reden möchte oder nicht und vor allem mit wem. Mir einen Vortrag über Dinge anzuhören, die ich weiß, lässt mich nur fühlen wie ein Kleinkind. Sie kann vielleicht gut mit Kindern umgehen, aber mit einer Frau, die weitaus mehr als sie in Sachen Heilung weiß, kann sie nicht umgehen. Ich hasse es, dass meine Meinung absolut unwichtig zu sein scheint, obwohl ich jahrelang im Heilen ausgebildet sind. Dazu gehören nicht nur Grundkurse zum Thema Geburt, ich habe auch schon dabei geholfen zehn Kinder auf die Welt zu bringen", sagte sie zähneknirschend. "Ich sage dir doch auch nicht, wie du deine Dokumente bearbeiten sollst."
Sie redete sich schon wieder in Rage und konnte es nicht verhindern. Allerdings gab sie sich auch keine Mühe.
"Okay", sagte er schulterzuckend. "Dann kannst du deine Geburt und die Zeit davor allein verbringen. Du nimmst keine Tipps an. Wie gesagt, du bist eine Besserwisserin. Wenn du alles weißt, warum weißt du dann nicht, warum du eine Fehlgeburt hattest? Meinst du, nur weil du zehn Kindern auf die Welt geholfen hast und eine Heilmagierin bist, weißt du alles?", fragte er und ließ sich auf einer nassen Bank nieder.
"Nein, aber ich möchte trotzdem niemanden, der mich hinstellt, als wäre ich dumm", knurrte sie. "Ich bin kein Kind mehr, dem man die Welt erklären muss. Für dich mag sie eine Vertraute sein und dir ist sie auch wichtig, aber für mich ist sie eine fremde Frau, die mir sagt, wie ich meine Arbeit zu machen habe."
"Sie ist dir fremd, weil du niemanden in dein Leben lässt", meinte er schulterzuckend und kühl. "Du hast dich in der gesamten Zeit, seit sie hier war, nicht dafür interessiert. Lass uns gehen. Ich habe was zu erledigen."
"Ich habe genug Leute in mein Leben gelassen, die mir weh getan haben. Noch mehr brauche ich nicht", murrte sie. Schon gar keine Leute, die andere ihr zur Seite stellten.
Sie hatte die alte Dame in der Stadt sehr gern gehabt und auch Miruim mochte sie. Für sie reichte das. Neben Victor, Eric und Kaze waren das genug Leute.
"Dein Pech. Clarissa hätte dir nicht weh getan, sondern dir geholfen", winkte er ab und schien damit fertig zu sein. "Allerdings stellst du damit auch mein Vertrauen infrage. Du willst ständig, dass ich da bin, auf dich aufpasse und was weiß ich. Das kann ich nicht, also stelle ich dir, genau wie Tanan, jemanden zur Seite, dem ich vertraue. Du verletzt mich mit deinen Aktionen ziemlich und ich sehe keinen Grund mehr, dir noch weiterhin zu helfen oder anderes", sagte er ernst. "Ich weiß, dass ich dich oft verletzt habe und trotzdem rennst du mir hinterher. Das werde ich nicht mehr tun. Du wirst dein Leben leben, ich meines. Ohne, dass ich mich bei dir noch einmische."
Nanami blieb stehen und starrte ihn einfach nur an. Meinte er das ernst?
Statt etwas zu sagen, wandte sie sich um und rannte einfach los.
Damit verletzte er sie mehr, als jemals zuvor. Er verstand sie einfach nicht und wollte sie nicht verstehen. Er wollte ihr lediglich seinen Willen aufdrängen, ohne dabei Interesse daran zu zeigen, ob es ihr gefiel oder nicht. Selbst, wenn er so nett un fürsorglich war, schien er Hintergedanken zu haben.
Niemand folgte ihr auch, was ihr zeigte, dass er mittlerweile so weit war, sie wirklich einfach zu lassen. Scheinbar war er wirklich verletzt von ihrem Verhalten, wobei sie gar nicht daran dachte, dass sie etwas falsch gemacht haben könnte.
Er hatte ihr in der Zeit sehr viele Dinge eingeräumt und immer versucht, zu helfen. Das wusste sie auch. Doch richtige Hilfe hatte sie nie angenommen. Einfach, weil sie bisher zu sehr enttäuscht worden war. Vielleicht verstand er das auch, aber er wollte sie dazu bringen, dass sie es erneut versuchte, jemanden, den er vertraute, ins Leben zu lassen.
Sie wollte jedoch nicht und er hatte sie auch nicht danach gefragt. Er hatte es einfach entschieden. Genau, wie es früher immer gewesen war. Sie hatte sie nur mit Leuten umgeben dürfen, die andere für sie ausgesucht hatten. Die, die sie mochte, hatten nie Teil ihres Lebens sein dürfen und jetzt war sie genau wieder auf diesen Weg.
Bei Lilly hatte sie nachgegeben, weil sie ein Dienstmädchen war, das ihre Arbeit gut machte. Auch bei Tanan hatte sie widerwillig nachgegeben und sich mit diesem arrangiert, aber Victor hörte einfach nicht auf. Er schien zu versuchen alles, was Nanami betraf, auf andere abzuschieben. Jetzt schickte er schon Clarissa, dass diese mit ihr sprach, wenn sie Streit mit Victor hatte. Sie schickte ihm doch auch nicht einfach andere Leute auf den Hals!
Nanami wurde langsamer und kämpfte gegen die Tränen an. Sie konnte ihm gar keine Leute schicken, weil sie keine hatte. Hier war niemand, den sie selbst wirklich als Vertrauten bezeichnen würde. Victor und sein Vater zählten nicht. Kaze auch nicht, denn auch der war ihr von Victor an die Seite gestellt wurde, ohne dass sie dabei mitreden durfte.
Ihr Weg führte sie direkt zum Friedhof, wie sie ziellos über das Gras wanderte.
Dabei hörte sie die Geister, die sie am Vortag gesehen hatte, tuscheln.
Es war ihr egal. Nicht einmal die Geister waren auf ihrer Seite und sie fühlte sich noch einsamer, als sie es vorher gewesen war. Dabei hatte es sich gerade in eine Richtung entwickelt, die ihr eine blühende Zukunft versprochen hatte. Scheinbar wollte Victor das jedoch nicht. Vielleicht sollte sie seinem Wunsch einfach nachkommen. Zumindest hatte sie dann das Kind, das sie mit ihrer Liebe überschütten konnte.
Irgendwann ließ sie sich versteckt hinter einer größeren Gruft an der Wand zu Boden gleiten und blieb sitzen.
"Nanami?", erklang plötzlich die Stimme ihres Vaters. "Was machst du hier?", fragte er.
"Mich ... ausruhen", murmelte sie leise, sah aber nicht auf. Dass ihr Vater jetzt da war, machte die Gefühle nur noch schlimmer, dabei versuchte sie diese gerade wieder unter Kontrolle zu bringen.
"Glaube ich dir nicht. Du weinst", sagte er und ließ sich neben ihr nieder. "Willst du darüber sprechen?"
"Ich weiß es nicht", flüsterte sie leise und wischte sich stur die Tränen weg.
"Ich bin für dich da", sagte ihr Vater sanft.
"Ich weiß einfach nicht, was ich tun soll", flüsterte sie leise. "Ich weiß, dass Victor sich Sorgen macht, aber ich habe das Gefühl, dass ihm meine Meinung und mein Wissen egal ist. Er beharrt auf seinem Standpunkt und will unbedingt, dass ich auf seine alte Kinderfrau höre. Sie behandelt mich wie ein Kind und kennt mich überhaupt nicht. Ich habe zugelassen, dass er das Dienstmädchen für mich aussucht, dass er mir einen Wächter an die Seite stellt und jetzt hat er sogar noch das spätere Kindermädchen ausgesucht. Ich will kein Kindermädchen für mein Kind. Ich will keine Hebamme, die ich nicht kenne und der ich nicht vertraue. Wenn ich das Kind zur Welt bringe, will ich Menschen um mich, denen ich mein Leben in die Hand legen kann, die mich verstehen und für mich da sind und mich nicht behandel, als wäre ich ein kleines Kind, das keine Ahnung von der Welt hat und der man die grundlegenden Dinge erst mit einem Kopftätscheln erklären muss." Sie redete sich in Rage und wurde dabei immer trauriger. "Ich möchte einfach keine Fehlgeburt erleiden, weil ich darauf vertraue, dass die Kriegsmagier wissen, wie sie mit Schwangerschaften von Heilmagiern umgehen müssen. Sie wissen es offensichtlich nicht, lassen sich aber auch nichts sagen. Nein, stattdessen sagen sie immer wieder zu mir, ich weiß es ja alles nur besser. Ja verdammt! Ich weiß es besser, ich bin immerhin bei Heilmagiern aufgewachsen. Unsere Schwangerschaft und Geburt ist nicht wie bei denen der Kriegsmagier, aber das interessiert niemanden. Wenn ich nur ansatzweise darauf eingehe heißt es nur, dass ich alles besser weis und er ist beleidigt."
Schweigend hörte ihr Vater zu und seufzte dann. Er legte eine Hand auf Nanamis Kopf. "Ich verstehe deinen Punkt. Aber du lebst doch jetzt hier. Willst du dich nicht ein bisschen anpassen und dich zumindest einlassen und sehen, wie weit es geht?", schlug er vor. "Ich sage nicht, dass es dir gefallen muss, aber sieh doch einfach, wohin es läuft. Du kannst danach immer noch sagen, du willst nicht. Aber ausprobieren kann man es schon", sagte ihr Vater. "Das habe ich von deiner Mutter gelernt. Sie hat mir beigebracht, mich auf Neues einzulassen. Leider war es keine gute Entscheidung gewesen. Zumindest nicht immer."
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