Dämonenblut, Magie und Kidnapping- ein ganz gewöhnliches Weihnachten
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Mika'il saß in dem kleinen Arbeitszimmer und starrte einen roten Fleck auf einem Taschentuch an. Er gab einen festlichen Kontrast zu dem dekorativen Tannengrün oder den leise flackernden Kerzen ab, die gemeinsam einen Brandschutztechnischen Albtraum darstellten. Vor allem weil der Raum kein Fenster hatte. Aber LED war in Anderthal noch nicht erfunden worden, genauso wenig wie Feuerlöscher oder Fingerabdruckerkennung.
Dämonenblut aber schon.
Jemand brüllte auf dem Flur vor der Tür und irgendetwas Schweres wurde über den steinernen Boden geschleift.
Mika'ils Blick flackerte zu dem Schreibtisch, auf dem mehrere Krümel eines blassen Steins beinahe unscheinbar auf einem weiteren Taschentuch warteten.
Noch nie hatte er so wenig bereut, einem Mann die Nase zu brechen, wie in diesem Moment.
Hinter ihm erzitterte die einzige Tür in den Raum unter einer neuen Flut an Fausthieben und wütenden Rufen, die ihn mehr an vorangegangene Weihnachten erinnerte, als die bunten Wollfäden, die jemand durch die Äste gewoben hatten.
Michael grinste und erhob sich aus seiner ausgestreckten Position vom Stuhl. Das würde das beste Weihachten jemals werden. Mit einem Knöchel pochte er zurück an die Tür, als sie für einen winzigen Moment Ruhe gab.
„MIKA'IL!" Die nasale Stimme gehörte zu dem Besitzer des Blutes, das im Augenblick auf dem Taschentuch zu einer dicken Kruste trocknete. „Mach die Tür auf!"
Der Weltenwandler wartete geduldig, bis eine weitere Welle wütender Fausthiebe abebbte.
„Ich wollte euch nur für euer wundervolles Weihnachtsgeschenk danken", erwiderte er zuckersüß und musste ein Stück zurückweichen, als die Tür in ihren Angeln ächzte.
„Jetzt aber", tadelte er, sein Grinsen unerschütterlich, als er sich zu dem Schreibtisch umdrehte, „Ihr werdet die Feiertage auch ohne mich überstehen und schließlich...", mit spitzen Fingern ließ er die kleinen Steinbrocken in seine Jackentasche gleiten, „...werde ich zurücksein, bevor ihr mich vermissen könnt."
Außerdem hielt er technisch gesehen sogar sein Versprechen: Er rettete diese dämliche Welt.
Es war nur noch drei Tage bis Weihnachten und es gab wirklich nur eine Person, die ihn so wenig störte, dass er sie an den Feiertagen sehen wollte. Leider war sie in einer Verkettung unglücklicher Ereignisse in einem anderen Universum. Aber wozu war man ein Weltenwandler, wenn man das nicht ändern konnte?
Alles, was er brauchte, war in seinen Händen. Er kannte sich selbst nach all den Jahren nicht mit der Chemie aus, aber das Ergebnis war das Einzige von Bedeutung. Das Dimensions-instabile Blut von Dämonen reagierte mit der polarisierenden Oberfläche des Gesteins und schon hatte man einen Kompass, der einen von einer parallelen Welt in die andere steigen ließ.
Mit einem Fingernagel kratzte Mika'il ein klein wenig von dem Blut ab und ließ es auf die Tischoberfläche rieseln. Dann nahm er den Kleinsten der Steinbrocken. Jetzt brauchte er nur noch Konzentrat-...
So vornüber gebeugt, die Brauen in Konzentration zusammengezogen, gab hinter ihm das Schloss der Tür einem finalen Schlag nach. Überrascht ließ Mika'il den Stein fallen. Er fluchte. Hinter ihm brüllte jemand.
Der Stein begann erst zu pulsieren, dann zu flackern. Noch während sich seine Gedanken um mögliche Katastrophen und die Nutzlosigkeit von Magie drehten, packte Mika'il die durchsichtig werdenden Kanten des Brockens.
Sein letzter Blick fand die versammelte Trägergilde im Türrahmen und ihre unterschiedlich schockierten Gesichter, während die Welt um ihn eine neue Achse fand und kippte. Er winkte freundlich zum Abschied, sehr zufrieden mit sich und dem Verlauf der Festtage.
Dann fiel ihm ein, dass er sich auf sein Ziel hätte konzentrieren sollen. Und er fluchte erneut.
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Schnee fiel sanft zu Boden, als Mika'il erneut blinzelte. Der Duft von Tannenwäldern und weit entferntem süßen Gebäck empfing ihn, wie eine warme Umarmung in der scharfen Kälte.
Mika'il seufzte erleichtert. Er hatte es geschafft.
Kurz hatte er sich Sorgen gemacht. Aber was hatte er erwartet? Er war ein Profi. Profis konnten auch mit Komplikationen umgehen. Und anscheinend war er nicht zu weit in der Zeit gesprungen, dem Frost auf seinem Mantel nach zu Urteilen. Mit einem kleinen Lächeln wischte er die Kristalle weg und hob den Kopf. Hohe Tannen ragten um ihn herum auf, ihre Äste schwer von Frost bedeckt. Der Wald war unheimlich still, abgesehen von gelegentlichem Rascheln des Windes.
Mika'il schüttelte eine weitere Ladung Schneeflocken ab und setzte sich in Bewegung.
„Bevor ich Ana Frostbeulen als Souvenir mitbringe..."
Bevor er einen Schritt machen konnte, prallte etwas – oder jemand – gegen ihn und warf ihn mit dem Gesicht voran in den Schnee. Eine behandschuhte Hand legte sich über seinen Mund, während sein Kopf nach unten gedrückt wurde.
„Sei still!", zischte eine Stimme in sein Ohr.
Mika'il zappelte instinktiv, aber der Griff war eisenhart. Er drehte seinen Kopf so weit, dass er einen Blick auf seinen Angreifer erhaschen konnte: eine junge Frau mit kurzen braunen Locken, die unter ihrer Fell-Kapuze hervorstanden. Sie starrte ihn mit einer Intensität an, die sagte: Ich habe keine Zeit für deinen Unsinn.
Na den Blick kannte er zumindest zu gut.
Sie war klein, kaum größer als anderthalb Meter, aber bis an die Zähne bewaffnet – Dolche an den Oberschenkeln geschnallt, ein Schwert an der Hüfte und eine Armbrust auf dem Rücken. Mika'ils Überlebensinstinkte setzten ein: Das war nicht Anas Welt! Sh*t!
SH*T!
„Klappe", flüsterte die Frau, während sie ihn tiefer in den Schnee drückte.
Mika'il ließ sein Gesicht zurück in den Schnee fallen. Wo bei all den Welten war er gelandet?
Das Knirschen von Stiefeln ließ ihn dann doch den Kopf heben. Mühsam drehte er ihn und sah eine Gruppe Männer, in sowas von definitiv-nicht-modernen Rüstungen und dunklen Umhängen durch den Wald marschierten. In ihrer Mitte war ein gefesselter Mann mit verbundenen Augen, der stolperte, während sie ihn mit sich zogen.
Mika'il gab ein selbstmitleidiges Wimmern von sich und wurde abrupt tiefer in den Schnee gedrückt.
Sie liefen direkt an ihrem Versteck vorbei, nur einzelne Bäume zwischen ihnen und den Soldaten. Einer der Wachen murmelte: „Weitergehen. Wir wollen nicht zu lange hier draußen sein."
Ein anderer lachte. „Ich möchte sehen, wie jemand versucht, uns aufzuhalten."
Mika'il gefror in der Bewegung, kaum fähig, zu atmen, während die Gruppe wenige Meter an ihnen vorbeizog. Die Frau über ihm blieb vollkommen still, ihre Hand bereit, den Dolch an ihrer Seite zu ziehen.
Als die Wachen schließlich in den Bäumen verschwanden und ihre Stimmen verklangen, zog die Frau Mika'il mit überraschender Kraft auf die Füße.
„Was zur Hölle war das?!" keuchte Mika'il, während er sich den Schnee aus dem Gesicht wischte.
„Das sollte ich dich fragen", zischte sie, ihre Stimme scharf.
„Was? Ich? Du bist diejenige, die mich aus dem Nichts umgeworfen hat!"
„Du bist aus dem Nichts aufgetaucht!" sagte sie, ihre Augen verengt. „Warum? Wer bist du, und was machst du hier?"
Er sollte hier verschwinden.
Mika'il hob die Hände. „Ich bin nur ein Typ! Auf der Durchreise! Und ich würde gerne gleich wieder verschwinden, also wenn ich in meine Hosentaschen greifen dürfte-..."
„Auf der Durchreise?" wiederholte sie, ihr Ton triefte vor Skepsis. Ihre Hand zuckte zu einem ihrer Dolche und Mika'il riss seine Arme wieder hoch, „Hier 'reist' niemand einfach nur durch. Bist du mit ihnen?" Sie deutete in die Richtung, in die die Wachen gegangen waren.
„Was? Nein!" rief Mika'il. „Ich weiß nicht mal, wer die sind!"
Ihre Augen verengten sich noch weiter, und sie trat näher, eine Hand jetzt fest um einen ihrer Dolche geschlossen. „Wie praktisch. Du tauchst einfach so auf, genau in dem Moment, in dem diese Männer meinen Bruder irgendwohin verschleppen."
„Deinen Bruder?" So langsam er konnte, versuchte Mika'il seine Hände wieder sinken zu lassen. Wenn er nur schnell genug war, um an das Taschentuch und die Steinbrösel zu kommen-... „Okay, hör zu", sagte Mika'il und zwang seine Stimme ruhig zu bleiben. „Ich weiß, ich sehe nicht unbedingt unschuldig aus-..."
„Untertreibung des Jahres", murmelte sie.
„-... und ganz generell würde ich das auch unterschreiben. Aber ich gehöre nicht zu denen! Ich habe mich...", Hilfesuchend sah er zum Himmel, „...verlaufen?"
Ihr Blick blieb unverändert. „Du hast dich in einen der abgelengsten Wälder verlaufen, der so dicht ist, dass ich zwei Tage gebraucht habe, um mich durch das Dickicht zu schlagen?"
Oh. „Jeder hat seine eigenen Feiertags-Hobbies", versuchte Mika'il abzuwiegeln, sein breitestes Grinsen schmerzhaft in seinem Gesicht.
„Gut", ließ sie plötzlich ihren Dolch sinken in einer Geste, die alles andere sagte als ‚Ich glaube dir', „Beweise es."
„Dass ich mich verlaufen habe?"
„Dass du nicht zu ihnen gehörst."
Mika'il stöhnte. „Oh, komm schon."
„Du wirst mir helfen, meinen Bruder zurückzuholen", sagte sie entschlossen.
„Was? Nein!" Mika'il ließ seine Arme fallen. „Ich kenne dich nicht mal!"
„Und ich vertraue dir nicht", entgegnete sie. „Also wirst du beweisen, dass du nicht zu ihnen gehörst, indem du mir hilfst."
„Das ergibt überhaupt keinen Sinn!"
„Das ergibt perfekten Sinn", sagte sie und verschränkte die Arme.
Mika'il stieß ein gequältes Lachen aus. „Okay Lady. Ich bin nicht gerade Helden-Material-..."
Sie warf ihm einen ausdruckslosen Blick zu, ihre Hand ruhte auf dem Griff ihres Dolches. „Du bist es jetzt. Oder ich nehme an, dass du mit denen unter einer Decke steckst und werde mich dementsprechend um dich kümmern."
Mika'il starrte sie entsetzt an. „Das ist Erpressung."
„Nenn es, wie du willst", sagte sie mit einem Achselzucken. „Du kommst mit mir."
Er warf den Kopf zurück und stöhnte übertrieben. „Warum gerate ich immer in so etwas?!"
„Los, geh", sagte sie und stupste ihn mit der Spitze ihres Stiefels an.
Mika'il stapfte unter Grummeln vor sich hin. „Weißt du, das wäre viel einfacher, wenn du mir einfach deinen Namen sagen würdest. Für den Teamgeist."
„Nein."
Mika'il warf ihr einen Blick über die Schulter zu. „Was, schämst du dich? Ist es irgendwas Komisches wie Brunhilde?"
„Weitergehen", sagte sie unbeeindruckt.
„Gut", murmelte er. „Aber ich nenne dich Dolch. Du scheinst eindeutig eine Vorliebe für sie zu haben."
Ihre Lippen zuckten leicht, aber sie antwortete nicht.
Während sie weitergingen, murmelte Mika'il vor sich hin: „Ana, du solltest das wirklich wert sein. Denn das hier habe ich nicht unterschrieben."
Hinter ihm schmunzelte die Frau—Dolch—schwach.
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"Drückt das Sternchen und vielleicht nehme ich euch mal mit, wenn ich das nächste Mal wieder gekidnapt werde!" - Ida, winkt ganz wild aus dem Schneewald heraus :D
Weihnachts-Countdown Party-People!
Wozu hat man einen Weltenwandler erfunden, wenn er nicht andere Leute mal besuchen kann? :D (Ich wollte das schon so lange machen xD)
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