Kapitel 6
,,Du siehst wirklich aus wie eine Prinzessin.", schmeichelt mir Noah. ,,Danke.", erwidere ich kurz, bevor ich mich noch einmal um mich selbst drehe, um mein Kleid anzuschauen. Es ist hellblau mit gelben und grünen Punkten. An meinen Füßen zieren sich schöne schwarze Schnürstiefel. Außerdem sind meine Haare nun nicht mehr mit einem Zopfgummi zurückgebunden, sondern fallen mir über die Schultern. Sie sind irgendwie länger und welliger als sonst. Noch nie habe ich mich so schön gefühlt.
Das ist meine Gestalt, ich bin die Königin der guten Magie und somit eine der mächtigsten magischen Wesen. So etwas wie Einhörner, Feen und Meerjungfrauen gibt es ebenfalls wirklich. Das glaube ich Noah jetzt, nachdem er mir erklärt hat, wie ich mich verwandeln und unsichtbar machen kann. Es ist so cool! Ich bin einfach die Anführerin einer Gruppe magischer Wesen.
,,Erzähl weiter! Was gibt es noch für magische Wesen? Was weiß ich noch nicht? Und haben meine Eltern echt was mit dieser abgefahrenen Sache zu tun?", verlange ich übermütig. Bereits jetzt weiß ich schon so viel, dass ich mich der ganzen Welt überlegen fühle. Das krasseste ist, dass ich einen Zauberstab aus meiner Hand schießen lassen kann und aus diesem kommt dann ein greller Lichtstrahl, welcher nichts anderes als meine Magie ist. Gleich probiere ich das nochmal aus, weil Noah immer noch still ist. Er braucht wahrscheinlich nur eine Pause vom Erzählen.
Magie schießt durch meinen Körper. Ich spüre, wie es durch meine Blutadern fließt. Mein Herz pumpt es an jede Stelle meines Körpers. Es fühlt sich wunderbar an. Es ist wie ein Rausch. Ich kann nicht mehr damit aufhören. Ich schieße mit meinem Zauberstab gegen eine Mauer der Brücke und die Magie fliegt mir entgegen. Ich breite meine Arme aus, um sie zu empfangen und noch mehr von diesem entzückendem Gefühl zu kriegen.
Doch plötzlich springt Noah vor mich, gibt einen Schrei von sich und wird zu einem Meerjungmann mit blauer Flosse, die von oben bis unten immer heller wird. Begeistert quicke ich auf. Das schaut mega aus! Wieso hat er mir nicht gleich erzählt oder sogar gezeigt, dass er kein normaler Mensch ist?
Er streckt seine Hand nach vorne und aus ihr kommt ein hellblauer Lichtstrahl, welcher ebenso grell ist, wie der meiner Magie. Sie stoßen aufeinander und zwischen ihnen entsteht ein feuerwerkähnliches Gebilde, welches so hell ist, dass ich nicht mal hinschauen kann, ohne meine Augen zusammen zu kneifen. Noah lenkt mit seiner Magie die meine ins Wasser, wo schließlich beide erlöschen. Sein Gesichtsausdruck ist verkrampft und er ist komplett verschwitzt. Anscheinend hat ihn das hier ziemlich angestrengt.
Tja, mich nicht. Ich bin nun mal viel besser und stärker. Ich bin die Königin. Ich darf alles bestimmen und jeder andere ist wie mein persönlicher Sklave, weil ich mehr Macht habe. Fast hätte ich einen erneuten Strahl meiner Magie freigelassen, doch Noah unterbricht mich. ,,Spinnst du? Willst du uns beide töten?". schreit er entsetzt. Dabei keucht er immer noch sehr stark. Hat er sich wirklich so sehr angestrengt?
,,Du bist zu schwach, verwandele dich zurück. Sei du selbst und lass deine Magie nicht über deinen Körper herrschen.", weißt Noah an. ,,Ich bin nicht schwach, ich bin stark! Ich bin die stärkste!", brülle ich selbstsicher. ,,Kämpf dagegen an Emi! Sei du selbst! Das bist nicht du!", stöhnt Noah hilflos und hält sich bereits schützend eine Hand vor den Kopf, aus Angst, dass ich erneut schieße.
Und da merke ich endlich, was ich getan habe. Schnell verwandele ich mich wieder zurück in meine normale Gestalt. ,,Sorry!", entschuldige ich mich bei Noah. ,,Was war mit mir los?", frage ich gleich darauf. Noah erklärt: ,,Deine Magie ist sehr stark, aber du bist nicht stark genug, um sie zu kotrollieren. Aber lass den Kopf nicht hängen, dass kann man trainieren." ,,Hm.", brumme ich. Irgendwie verstehe ich gar nichts mehr. Was zum Teufel war gerade mit mir los? Kann meine Magie wirklich so sehr die Kontrolle über mich übernehmen?
Tausend Fragen jagen durch meinen Kopf, aber durch Nachdenken werde ich ja auch nicht viel schlauer, also spreche ich sie aus: ,,Was wäre passiert, wenn du den Magiestrahl nicht abgelenkt hättest?" ,,Dann wären wir beide jetzt vermutlich tot. Magie ist nicht zum Spaß da, wie du wahrscheinlich denkst. Setz dich erstmal hin, dann erzähle ich dir alles." Ich lasse mich neben Noah plumpsen und schaue ihn erwartungsvoll an.
Er beginnt: ,,Es gibt neben guter Magie auch böse Magie. Es ist die Bestimmung, dass diese beiden Gruppen sich hassen und bekämpfen. Alle tausend Jahre gibt es eine Königin je Magieart, welche die Aufgabe hat ihre Verbündeten zu sammeln und einen Krieg gegen die anderen zu führen. Verstehst du? Es ist nichts Gutes daran, gar nichts. In diesem Krieg sterben unzählige Menschen, aber dennoch bleibt er im Geheimen, dass nicht einmal die Regierung etwas davon mitkriegt."
Meine Augen weiten sich und ich halte mir völlig überwältigt die Hand vor den Mund. Wie kann es so etwas überhaupt geben? Bin ich wirklich eine Anführerin, welche andere Magiewesen in einen Krieg führen soll? Warum ich? Empört beschwere ich mich: ,,Das kann niemand von mir verlangen! Das kann doch gar nicht sein!"
Noah versucht mich zu beruhigen: ,,Ich weiß. Ich verstehe dich. Das macht uns allen Angst. Aber das Erschreckendste daran ist, dass deine Mutter schon eine Königin der guten Magie war. Es sind keine tausend Jahre vergangen, sondern nur so um die dreißig. Das hier ist eigentlich unmöglich. Du bist unmöglich."
Mein Mund fällt vor Fassungslosigkeit immer weiter auf. Ich kann es einfach nicht glauben. Wie kommt es dazu, dass ich auch eine Königin der guten Magie bin? Und wieso war meine Mutter eine, sie lebt doch noch? Ich frage das eben Gedachte Noah.
,,Also, es ist alles ein bisschen kompliziert. Kinder kriegen mit drei oder vier Jahre ihre Magie von einem oder sogar von beiden Elternteilen geerbt. Die Eltern verlieren ab dem Moment, wo ihr Kind die Magie kriegt, ihre. Nun sind sie wieder normale Menschen."
Ich lasse die Worte durch meinen Kopf gehen. Das hier sind grad alles sehr viele Informationen, die ich verarbeiten muss. Ich hatte meine Magie angeblich schon früher. ,,Wenn ich meine Magie schon mit drei oder vier Jahren hatte, wie du gesagt hast, wieso habe ich mich jetzt gerade erst verwandeln können? Es wäre mir sicher selbst aufgefallen, wie das geht. Deine Erklärung war doch nicht ausschlaggebend dafür, oder?" Ich bin komplett verwirrt.
,,Du hast aber viele Fragen.", seufzt Noah, ,,Es gibt in fast jedem Land eine Stadt der Magie. Nur in dieser ist diese auch anwendbar. Licorne ist die Stadt der Magie von Deutschland. Frag mal deinen Vater, er kennt die Städte der Magie auswendig. Als Logan uns die Karte gegeben hat, hat er sich hingesetzt und alle wie Vokabeln gelernt. Du hat einen schlauen Vater."
,,Das mit der Stadt der Magie erklärt einiges. Deshalb sind wir als ich klein war nach München umgezogen. Vermutlich dachten meine Eltern sie könnten mich so vor dem Ganzen beschützen. Ehrlich gesagt wäre ich aber lieber damit aufgewachsen. Endlich weiß ich den Grund, warum ich nie nach Licorne durfte. Das alles ist einfach verrückt. Und wer bitte ist Logan und was für eine Karte?"
,,Logan ist ein Freund, welcher eine Karte hatte, auf der alle Städte der Magie eingezeichnet waren.", erklärt Noah. Ich verstehe. Wenn meine Eltern die gleiche Mission hatten, wie ich jetzt, müssten sie von dieser Karte ziemlich begeistert gewesen sein. Jetzt ergibt endlich alles Sinn für mich. Die größte aller Fragen, die sich mir jetzt jedoch stellt, ist, ob meine Eltern einen Krieg geführt haben? Und wenn ja, war dieser in Licorne? Ist hier deshalb alles so zerstört? Es wäre eine logische Erklärung.
Nachdem ich Noah gefragt habe, bezeugt er, dass ich mit meiner Theorie Recht hatte. Aber irgendwie kann ich mir das alles gar nicht vorstellen. Meine Eltern in einem Krieg wirken genauso unrealistisch, wie Aliens, die die Welt einnehmen. Wobei ich heute schon so viel gehört habe, dass ich kurz davor bin auch an ihre Existenz zu glauben. Ich flüstere voller Angst: ,,Noah, haben meine Eltern einen Krieg gestartet und Menschen ermordet?"
Er schenkt mir einen traurigen Blick und antwortet: ,,Ja."
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