Kapitel 50
Als wir aufgegessen haben, erheben wir uns und verlassen das Haus. Auf dem Weg zu den Kriegsschauplätzen sammeln wir einige Waffen ein, die früher mal denen gehört haben, die jetzt tot am Boden liegen. Ich nehme mir ein Schwert auf dessen Heft wunderschöne Diamanten glänzen. Mit Schwertern kann ich von allen Waffen am besten kämpfen und außerdem ist es so schön, dass ich es einfach nehmen muss. Logan entscheidet sich für einen Bogen und sammelt so viele Pfeile ein, wie er finden kann. Diese steckt er sich in einen Köcher, welchen er ebenfalls gefunden hat. Katharina greift auch nach einem Schwert.
Milan und Alan suchen keine Waffen. Milan pfeift einfach kurz und dann kommt eine Gruppe Einhörner und Pferde angetrabt. Ich finde es total cool, dass man so viele von ihnen nur mit einem einzigen Pfif anlocken kann. Milan erklärt: ,,Das ist meine Gruppe von Pferden und Einhörnern. Ich und die anderen Einhornanführer haben beschlossen getrennt zu kämpfen. Wenn wir aneinander brauchen, werden wir auch zueinander finden." Er schwingt sich auf Tornado, auf wessen Sattel bereits eine Lanze befestigt ist. Diese nimmt Milan in die Hand. Alan steigt wieder auf das gleiche Pferd, auf dem er gestern gekämpft hat. Seines hat, genauso wie alle anderen Pferde und Einhörner, auch eine Lanze an der Seite des Sattels befestigt. Er nimmt sie und wiegt sie in der Hand.
Um zu den Kämpfen zu gelagen, setzen ich und Katharina uns hinter Milan und Logan setzt sich hinter Alan. So werden wir schneller sein. Ich ummarme Milan und lege meinen Kopf an seinen Rücken, während Katharina ihre Hände an meine Schultern legt, um sich festzuhalten. Während ich Milans Wärme genieße, gehe ich in meinem Kopf nochmal alle Kampftechniken durch, die wir auf unseren Reisen durch die Städte der Magie gelernt haben.
Nach einem kurzen Ritt, hören wir die Schüsse und Schreie immer lauter. Katharina, Logan und ich steigen von den Pferden ab und gehen zu Fuß weiter. Milan und Alan reiten neben uns her. Alle anderen Einhörner und Pferde folgen uns. Und schon sind wir im Kampf. Ein Werwolf der sich von hinten anschleichen wollte, geht zu Fall, bevor ich es schaffe mich umzudrehen. Eines der Einhörner hat ihn tot getreten.
Wir kämpfen den ganzen Tag und am Abend gehen wir wieder in das verlassene Haus, welches unsere Unterkunft ist. So läuft es auch die weiteren Tage. Ich bleibe immer mit Milan, Alan, Logan, Moritz und der Gruppe von Pferden und Einhörnern zusammen. Langsam werden diese Kämpfe, der kurze tiefe Schlaf, die verzweifelte Suche nach Essen und die nicht enden wollende Trauer über die Menschen, die mir etwas bedeutet haben und jetzt tot sind, zur Tagesroutine. Ich werde im Kampf, genauso wie auch die anderen immer stärker und geschickter. Leider sehen wir Clara, Shadow, Noah, Aaron, Emma und Emily nicht wieder, aber ich gebe nie die Hoffnung auf, dass es ihnen gut geht.
Einen Monat später: Ein Geruch von Verwesung weckt mich. Die Leichen auf den Straßen haben begonnen sich zu zersetzen, stinken jetzt und schauen noch viel ekeliger aus, als zuvor. Ungeziefer und Aasgeier ernähren sich von den toten Körpern. Ich fahre mit meiner Hand durch meine verklumpten Haare. Einst waren sie lang, blond, schön und glänzend, jetzt sind sie verfilzt, dreckig und mit Blut überklebt. Meine Kleidung und mein Körper schauen ähnlich aus, aber wir können uns nicht waschen. Dafür gibt es einfach keine Zeit und keine Möglichkeit.
Weil ich als erste wach bin, gehe ich nach draußen und mache mich auf den Weg zum Edeka. Alle Fenster sind bereits eingeschlagen, alle Türen eingetreten und es ist fast nichts mehr zu essen übrig, aber es ist das einzige Geschäft, das auf der Seite der guten Magie ist. Mittlerweile ist die Stadt zweigeteilt und in der Mitte beschießen sich die beiden Teile gegenseitig. Mit der Lebensmittelversorgung haben wir den kürzeren gezogen.
Ich trete durch das Fenster ein und stürme in die Lagerhalle. Sie ist komplett ausgeleert, also gehe ich weiter in den Kühlraum. Hier ist zum Glück noch etwas übrig. Die Lebensmittel sind zwar schon fast alle abgelaufen, aber trotzdem finde ich eine Packung mit Grillwürstchen, welche noch ziemlich lecker aussehen. Es war die letzte Packung. Ich habe Glück, dass ich so früh dran bin, sonst wäre sie bestimmt schon weg gewesen. Als ich wieder das Geschäft verlasse, kommen immer mehr Leute. Mir tut es ein bisschen Leid, die letzte Packung genommen zu haben, aber ich verdränge dieses Gefühl wieder. Wir brauchen die Würstchen. Sie sind unsere heutige Tagesnahrung. Ich bin sowieso schon total abgemagert, was ich daran merke, dass meine Rippen rausstehen. Auch die anderen verwandeln sich immer mehr zu Skeletten.
Ich mache mich also auf den Weg zu ihnen und wir verschlingen schnell die Würstchen. Vor ein paar Wochen wäre es mir wahrscheinlich ekelig vorgekommen rohe Grillwürstchen zu essen, aber jetzt ist es das beste, was ich diese Woche kriege.
Nach der Mahlzeit machen wir uns auf den direkten Weg in den Krieg hinein. Wie jeden Tag pocht mein Herz immer schneller, als wir uns dem Gemetzel nähern. Wie jeden Tag könnte heute ich oder einer meiner Freunde sterben. Wie jeden Tag habe ich Angst davor, die Königin der bösen Magie kennenzulernen. Alles ist wie immer, aber heute habe ich irgendwie ein komisches Gefühl.
Nach einer Stunde erklärt sich das auch. Vor mir steht plötzlich Lina in voller Gestalt. Wir halten beide kurz inne, als wir uns gegenüber stehen. Ich überlege irgendwas zu sagen, doch mir fällt nichts ein. Die anderen sind irgendwie viel weiter von uns entfernt. Hier sind nur wir zwei.
Schon seit Wochen habe ich Angst vor diesem Moment gehabt. Ich habe tausendmal gehofft, dass Lina schon tot ist und wir uns niemals gegenüber stehen. Aber das Schicksal hat es so bestimmt. Ich werde gegen meine eigene Schwester kämpfen und es wird eine von uns sterben. Mein Herz bildet sich bei diesem Gedanken zu einem Knoten. Ich kann sie doch nicht einfach umbringen, oder etwa doch? Sie ist eine meiner größten Feinde, aber wir sind Geschwister. Wir sind zusammen aufgewachsen. Was soll ich tun?
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