
14. Dezember
Alle Männer eilen auf ihre Plätze. Machen sich bereit für einen bitteren Kampf. Richtem die Kanonen. Warten angespannt.
Clane ist nicht da. Die Stille ist erdrückend. Ich spühre ihre schwere Last auf mir. Wie sie mich niederdrück und mich vom aufatmen abhält.
Vorsichtig stehe ich auf. Von dem Aufprall schmerzt mein Rücken höllisch. Wenn er Cassaian kommt, werde ich ihn suchen. Ich will nicht, dass er unwissend unten in seiner Kajüte schläft, inwährend wir einen tödlichen Kampf durchleben. Denn wenn er erstmal schläft, dann wie ein Stein. Nichts und niemand kann ihn wecken.
Also steuere ich auf unsere Tür zu. Sie ist schon zum greifen nahe, als ein lauter Schrei erklingt. Kein menschlicher Schrei. Direkt vor mir baut sich das Seeungeheuer aus dem Wasser auf. Ich kann nichts weiter tun, als nur noch die Hand nach der Türklinge auszustrecken. Doch sie wird mir entrissen. Mit einer enormen Wucht landet die obere Hälfte des Monsters auf dem Schiff. Auf meiner Kajüte. Und Cassaians.
"NEIN!" Schreie ich verzweifelt. Der Wurm gleitet zurück ins Wasser und macht sich bereit für den nächsten Angriff. Zurück lässt er nur Verwüstung. Irgendwo darunter ist Cassaian. Um mich herum höre ich laute Befehle und Schreie. Doch ich blende alles aus. Falle auf die Knie und breche in Tränen aus. Das hier darf nicht real sein! Ich schreie und weine. Meine Stimme ist ganz heiser. Ich drehe durch. Jemand packt mich an der Schulter und zieht mich weg. Doch ich strample und weigere mich, ihn zu verlassen. Ich weigere mich diesen schrecklichen Ort zu verlassen. Die Person reisst mich mit sich und redet auf mich ein. Ich höre sie nich einmal. Ich klappe nur schreiend wieder und wieder zusammen, so dass mich die Person festhalten muss.
"Bitte, bitte! Nein!" Ich schluchze und klammere mich schliesslich doch an die Person. Meine Beine lassen erneut unter mir nach.
Cassaian Clane ist tot. Er ist tot.
Dieser Gedanke verschwindet nicht aus meinem Gehirn. Am liebsten würde ich die Zeit zurückdrehen und ihn retten. Ihm sagen, dass ich ihn liebe. Und dass alles gut kommt. Doch das kann ich jetzt nicht mehr.
Um mich herum tobt der Kampf. Das Seeungeheuer versucht immer wieder das Schiff zum kentern zu bringen. Die Mannschaft versucht es davon abzuhalten. Kanonen knallen. Wütende Schreie erklingen und mittendrin stehe ich. Schreiend und weinend. Trauernd. Ich will nicht, dass er mich verlässt. Es ist viel zu früh dafür. Ich kenne ihn noch viel zu wenig. Will ihn noch genauer kennenlernen und aus ihm schlau werden.
"Zu den Rettungsboten, allesamt!" Höre ich den Captain rufen. Das Schiff ist bereits gekippt und zur Hälfte vom Wasser verschluckt. Der Teil, in dem Cassaian sich befand steht bereits unterwasser. Die Rettungsbote auf der anderen Seite sind unsere einzige Chance.
"Lady Clane! Lady Clane!" Der Mann, der mich festhält rüttelt mich heftig.
"Kommen Sie, schnell. Wir müssen auf die Rettumgsbote, sonst sterben wir hier!"
Er zieht mich nur hinter sich her und ich lasse es zu.
Doch was ist, wenn Clain noch lebt? Wenn er am ertrinken ist, dort drüben und wir ihm einfach dem Tod überlassen?
Ich reisse mich los und stürze zurück richtung Cassaian. Wenn ich schon abhaue wie ein Feigling, muss ich mich vergewissern, dass er wirklich tod ist. Der Matrose will mich aufhalten, doch ich weiche ihm aus und renne. In mein Verderben. Ich hoffe so fest. Zu viel. Ich fürchte meine Hoffnung wird entäuscht werden.
Mit einem letzten Funken Magie lege ich die Strecke bis in die Kajüte zurück. Als ich den sicheren Boden des Schiffes verlasse, bin ich kurz darauf umhült von Wasser. Es ist dunkel und ich fürchte mich vor dem, was ich gleich sehen werde. Der Raum ist vollgefüllt mit Wasser. Überall treiben Dinge herum und ich verhacke mich an ihnen.
Ich tauche so weit nach oben wie möglich. Und tatsächlich... Ganz oben an der Decke des Zimmers ist noch etwas Luft. Etschöpft atme ich ein letztes Mal.
Doch dann vernehme ich ein Keuchen.
Ich taste mich vorwärts und ertaste etwas weiches, durchnässtes. Ich will aufschreien, weil ich vermute, das es der Leichnam ist. Doch der Gegenstand bewegt sich. Es ist ein deftiges Zittern.
"Marina?"
Der heisere Klang seiner Stimme erweckt mich zum Leben. Eine Welle Glück flutet mich, wie die Welle vorhin auf dem Schiff.
Es ist Cassaian. Und er lebt.
Fest packe ich ihn an den Schultern weil ich fürchte, ihn wieder zu verlieren.
"Halte durch, wir schaffen das!"
Heisse Tränen laufen über meine Wange. Der Raum füllt sich immer mehr mit Wasser. Es gibt keinen Ausweg. Ich verzweifle.
Als er aufstöhnt versetzt das mir einen Messerstich im Herzen. Er ist verwundet. Sehr stark. Ich weiss, dass es hier um Minuten geht. Die Rettungsboote werden fliehen, auch ohne uns...
Also drücke ich ihn an mich. Meine ganze Kraft und all meinen Willen stecke ich in den Versuch, dem Spiegel mindestens noch einen kleinen Funken Magie zu entziehen. Nur einen munzigen. Ich schlottere. Mir ist eiskalt und ich kann mich nicht konzentrieren.
Die schönen Stunden mit ihm. Unter dem wunderschönen Sternenhimmel, am warmen Feuer. Unsere kleinen Sticheleien. Das Training.
Ich versuche an all das schöne zu denken, was ich mit ihm erlebt habe. Doch meine Kraft nimmt ab. Ich drohe ohnmächtig zu werden. Aber dann sind wir beide verloren.
"Ich liebe dich. Ich liebe dich so unendlich..." Flüstert er mir plötzlich ins Ohr. "Danke, dass du gekommen bist, um mich zu retten."
Magie umgibt uns. Eiskalte Magie. Seine Magie. Er rafft alles zusammen, was er hat, um unsere Leben zu retten. Die kalten Eissplitter unterscheiden sich kaum von dem eiskalten Wasser.
Doch dann verschwindet der Raum um uns herum. Die Kälte verschwindet und wird zu einer angenehmen Wärme. Es kribbelt mich am ganzen Körper und ich weiss nicht, was geschieht. Ich bin plötzlich so hilflos.
Das einzige was ich weiss, dass Cassaian mit seinem Leben kämpft. Er zittert neben mir und stöhnt schmerzerfüllt. Ich drücke ihn noch enger an mich. Schliesse meine Augen und hoffe, wenn ich sie wieder öffne erwache ich aus dem schlimmsten Albtraum meines Lebens.
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