13. Dezember
Ich stehe abschätzend auf der Relling. Hat Clane überhaupt eine Chance gegen mich?
Um ums herum versammeln sich schaulustige Matrosen, ehe sie der Captain auffordert wieder an ihre Arbeit zu gehen. Er geht des sicheren Trittes auf und ab. Dabei schwingt er sein Schwert geschickt. Dann, mit einem schiefen Seitenblick fragt er mich, ob ich bereit sei. Und wie ich bereit bin!
Cass kommt einige Schritte auf mich zu und startet den ersten kleinen Angriff. Einpaar Male stösst er mit dem Schwert nach mir. Doch jedem Stoss kann ich ausweichen. Eigentlich ist das ein sehr gefährliches Spiel. Doch heute Morgen hatte ich Cassaian wirklich nicht wiederstehen können. Und ich weiss, das er das genauso wenig gekonnt hätte. Also hatten wir unseren Spass. Schön. Aber dafür musste ich mir jetzt einen Kampf mit ihm leisten. Wie gut ist er, wenn er nicht bei vollen Kräften ist? Kann ich ihn aus versehen verletzen? Diese Fragen schleichen sich immer wieder in meinen sonst leeren Kopf. In meinen Gedanken versunken erkenne ich erst in letzter Sekunde das Schwert, welches auf mich zurast. Blitzschnell blocke ich es ab. Sekunden später holt Cassaian jedoch schon wieder zu einem neuen Schlag aus. Erstaunt stöhne ich auf. Seine Kraft ist immer noch überwältigend.
"Ich lasse mich doch nicht von einer kleinen Seekrankheit kleinkriegen!" Ruft er mir zu, als wir in ein Gefecht zwischen unseren Schwertern vertieft sind. 'Kleine Seekrankheit' so viel sage ich mal dazu... Er hatte zwei Tage flachgelegen und konnte nichts anderes mehr zun, als sich zu übergeben.
Plötzlich werde ich nach vorne geschleudert und brutal zu Boden gedrückt. Er hat mir in die Kniekehlen gekickt. Na super!
Jetzt liege ich auf dem Boden. Spüre stechende Schmerzen an meinem ganzen Körper und ein Schuh drückt sich in mein Kreuz. Dann spüre ich ein leichtes Kitzeln an meinem Nacken. Das muss sein Schwert sein.
"Dein Schwachpunkt sind deine Beine. Du kontrollierst sie zu wenig beim kämpfen."
"Bist du jetzt mein Lehrer?!" Pruste ich.
"Ich gebe dir nur nette Tipps und jetzt ergeben Sie sich Lady Lune." Er lacht, das höre ich. Doch das Schwert bleibt, wo es ist.
"Sehr nett'." Flüstere ich genug laut, dass er es hören kann.
"Was haben Sie gesagt?" Er kommt mit seinem Gesicht ganz nah an meines.
"Ich habe gesagt, küssen Sie mich Clane." Ein Schmunzeln bildet sich auf meinen Lippen. Irgendwie bin ich gemein.
"Das musst du nicht zweimal sagen..." Plötzlich fängt er an, an meinem Ohr zu knabbern. Dann dreht er mich in einer ruckartigen Bewegung auf den Rücken und küsst mich. Sollte uns jemand so sehen, verstärkt das nur noch die Glaubenswürdigkeit unserer Lügengeschichte.
Maja Clane. Marina Clane. Irgendwie kann ich mir keines von beiden vorstellen zu sein. Doch für die zwei Tage muss ich wohl Maja sein. Die Ehefrau von Cassaian Clane.
Ich packe Cassaian urplötzlich an seinem Shirt, drehe ihn auf den Rücken und ziehe in der selben Bewegung mein Schwert. Das halte ich ihm an die Kehle. Erschrocken sieht er mich an.
"Lass dich nicht ablenken." Keuche ich.
Er schiebt nur das Schwert an seiner Kehle zur Seite und küsst mich.
So geht das weiter und weiter. Wir segeln. Kämpfen. Schlafen. Segeln. Kämpfen und schlafen. Es ist ein unendlicher Zyklus.
Jetzt sind wir schon drei Tage unterwegs. Morgen sollten wir ankommen. Ich bin noch nie zuvor in dieser Wüste gewesen. Aber ich habe Geschichten gehört. Viele. Fantasievolle und reale. Über fleischfressende Pflanzen und unreale Fata morganas. Bald wird sich herausstellen, welche ihren Ursprung nicht in einer Lüge finden.
Es ist still und dunkel. Das Schiff ächzt laut und schaukelt heftig. Ich höre die schlagenden Wellen und den pfeifenden Wind. Doch da ist nich etwas. Etwas lautes, das mich aus dem Schlaf gerissen hat. Jetzt ist es nur noch ein leichtes Summen, doch bis vor kurzem war es noch ein jämmerlicher Schrei. Wie, wenn er von dem Meeresgrund her gekommen wäre. So tief und ergreifend. Wir sind in sicherem Gewässer. Wir sind in sicherem Gewässer. Das versuche ich mir einzureden, als ich an die alten Geschichten von Meerjungfrauen und Seeungeheuern denken muss. Seeungeheuer so gross, wie ein Tsunami, die alles verschluckten und die Segelschiffe und ihre Mannschaft in ihr kaltes Grab, tief auf dem Meeresgrund führten.
Ein Schauer durchläuft mich. Erschauert mich bis in die Zehen- und Fingerspitzen. Ich verspüre den Drang Cassaian zu wecken, doch ich will ihm seinen Schlaf nicht rauben. Friedlich und langsam atmend liegt er da in seiner Hängematte. Also schleiche ich im Nachthemd auf Zehenspitzen richtung Tür. Als ich sie öffne, stelle ich fest, dass es mitten in der Nacht ist. Der Mond bringt das Wasser zum schimmern. Eine kalte Brise weht. Zum Glück befinden wir uns hier in sicheren Gewässern. Denn sonst würde ich mich ernsthaft fürchten. Von den Märchen und alten Legenden dieses Meeres.
Doch trotzdem stimmt etwas nicht. Ich spüre es an meinem beschleunigten Puls und dem Adrenalin, das mein Körper plötzlich ausschüttet.
Da rammt uns plötzlich etwas von der Seite. Das ganze Boot wird nach links gerammt und ich stürze. Lande unsanft auf dem Boden und kann mich gerade noch an einem Fass festhalten. Was zum Henker ist das? Es ist wie, als habe unser Boot einen Felsen gerammt. Doch in einem so tiefen Meer gibt es keine so hohen Felsen. Mit entsetzen stelle ich fest, was uns da gerammt hat. Und im selben Moment kann ich es auch sehen. Mit einer riesigen Kraft taucht es aus der schwärze des Sydarus. Ein Wesen, das ich noch nie zuvor gesehen habe. Mit einem schrillen Schrei stürzt es sich zurück ins Wasser. Es sieht aus wie ein Drache. Nur viel grösser und mit vielen Schuppen und Kiemen besetzt. Wie ein riesiger Wurm, der sich im Wasser windet. Durch die Wucht des auf dem Wasser aufprallenden Wesens entsteht eine enorme Wasserwelle. Ich schreie, doch mein Schrei erstick unter der Welle, die mich trifft. Sie reisst mich mit sich und schleudert mich gegen das Deck. Als das Wasser kurz darauf abläuft, pruste ich würgend. Ich habe bestimmt einen ganzen Liter Salzwasser geschluckt. Jetzt kommen die Matrosen und der Captain aus ihren Kabinen und sehen sich erstaunt um. Als Fanda mich sieht eilt sie sofort zu mir.
"Was ist geschehen Lady Clane?"
Ich huste Wasser und versuche mein Erlebnis in Worte zu fassen.
"Richtet Eure Kanonen. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen, Captain...Es wird wiederkommen."
"Was haben Sie gesehen?"
"Ein Seeungeheuer."
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