1. Aufgabe - I will make you proud
Der Zug ratterte über die Schienen.
Thalia saß am Fenster und starrte nach draussen. Große Regentropfen prasselten gegen die Scheiben. Der Himmel war grau und trostlos, nur ab und zu blitzte ein Sonnenstrahl durch die dichte Wolkendecke.
Im Allgemeinen passte das schlechte, und doch für England so typische Wetter, ganz und gar zu Thalias Stimmung.
Sie kuschelte sich in ihre Wolljacke, die so sehr nach Zuhause roch. Sie hatte Heimweh und zwar so sehr, dass es schon beinahe weh tat.
Ein Schmatzen ließ sie zu Jonas blicken, welcher schlafend gegenüber von ihr saß und leicht sabberte.
Thalia musste schmunzeln, doch dieses Lächeln verging ihr rasch wieder.
Wie gerne hätte sie ihre Eltern dabei, doch es ging nicht.
,,Nächster Halt: Kings Cross",kündigte eine Lautsprecherdurchsage an.
Thalia durchfuhr ein Gefühl der Aufregung. Schnell stand sie auf und rüttelte ihrem sechs Jahre älteren Bruder an der Schulter. Er grummelte und schlug die Augen auf.
,,Wir sind gleich da!",teilte sie ihm mit. Seufzend richtete er sich auf und streckte sich.
Dann half er seiner kleinen Schwester, die zwei Koffer von der Gepäckablage hinunter zu heben.
Als der Zug mit quietschenden Bremsen in den Bahnhof einfuhr und langsam anhielt, quetschten sich die Geschwister durch die ganzen ein- und aussteigenden Menschen raus.
Nachdem sie die Menge hinter sich gelassen hatten, blickten sie sich erstmal kurz um und holten ihre Regenschirme aus den Koffern.
,,Gut",begann Jonas schließlich. ,,Dann gehen wir mal, oder?"
Ohne eine Antwort abzuwarten, lief er los.
Hastig folgte ihm Thalia, sie hatte keine Lust ihren Bruder in den Menschenmassen Londons zu verlieren.
Während sie sich mit ihrem schweren Koffer abmühte, zog Jonas sein Gepäck einfach und ohne Schwierigkeiten hinter sich her.
Neugierig musterte Thalia die Gegend um sie herum.
Sie war zwar nicht zum ersten Mal in der Hauptstadt Englands, jedoch entdeckte sie immer wieder etwas neues.
Außerdem war es ihr erster Besuch ohne ein Elternteil, weshalb sie sich, etwas ängstlich, immer an Jonas hielt.
,,Und? Aufgeregt? Nervös?",brach dieser schließlich die Stille.
Zögernd nickte Thalia. Mit einem Lächeln legte ihr Bruder ihr einen Arm um die Schultern.
,,Das war ich damals auch, aber glaube mir, das musst du nicht. Hogwarts ist einer der schönsten Orte, die ich kenne. Du fühlst dich eigentlich sofort aufgenommen und fast wie... Zuhause.
Die Freundschaften von dort halten eigentlich ein Leben lang und dein Haus wird beinahe eine zweite Familie für dich werden.
Und ich bin doch auch noch da.",versuchte er sie zu beruhigen und verwuschelte ihr die blonden Haare.
Sie zuckte mit den Schultern. ,,Kann schon sein..."
,,Was ist?",fragte er mitfühlend. ,,Ich kenne dich, Thalia. Ich weiß doch, dass irgendwas los ist."
Die Angesprochene verdrängte die Tränen in ihren Augen. ,,Ich finde es einfach schade, dass Mum und Dad nicht dabei sind."
Ihre Stimme klang belegt.
Jonas seufzte.
,,Ich finde es doch auch doof, aber du weißt, dass es einfach nicht geht, dass Mum mitkommt. Dads Tod hat ihr zu sehr zugesetzt, sie hätte nicht die Kraft gehabt mitzukommen. Das wichtigste ist jetzt, dass die Therapie bei ihr hilft und sie ihre Depressionen los wird. Und Dads Tod können wir auch nicht rückgängig machen.
Die verantwortlichen Todesser wurden zur Rechenschaft gezogen und sitzen lebenslänglich in Askaban, Du-weißt-schon-wer ist seit fast einem Jahr tot. Es gibt nichts, dass uns daran hindert sorglos zu sein. Wir können gut in der Schule abschließen um unsere Eltern stolz zu machen. Mum ist es das Wichtigste, dass wir glücklich sind, also geniesse einfach die Zeit in Hogwarts."
Er umarmte seine kleine Schwester und zog sie dann weiter durch die überfüllten, nassen Straßen Londons.
Schon bald standen sie vor dem Tropfenden Kessel.
Der Anblick des schäbigen Pubs weckte in Thalia alte Erinnerungen. Jonas ging es nicht anders.
,,Weißt du noch als Dad damals zum ersten Mal mit uns hierher gekommen ist?",fragte er leise.
Stumm nickte Thalia.
Sie erinnerte sich genau.
Damals war an diesem Tag strahlender Sonnenschein gewesen. Es war heiß und der Großteil der Menschen lief mit Eis herum. Sie und ihr Bruder wollten damals ebenfalls unbedingt eine Kugel der kalten Speise haben und bettelten so lange ihre Eltern an, bis diese es lachend erlaubten.
Die Geschwister wollten schon zu einer Eisdiele auf der anderen Straßenseite rennen, als ihr Vater verschmitzt lächelnd meinte, dass er eine viel bessere kennen würde. Sie besuchten zum ersten Mal die Winkelgasse und aßen das weltbeste Eis, wie Thalia fand. Seitdem bestellte sie bei jedem Besuch die gleiche Sorte wie damals.
So in Gedanken versunken bemerkte Thalia gar nicht, wie Jonas den Wirt begrüßte und ihn bat, ihr Gepäck doch bitte schonmal auf ihr Zimmer zu bringen.
Kurz darauf standen die Geschwister schon vor der altbekannten Backsteinmauer standen.
Jonas zog seinen Zauberstab aus der Jackentasche und tippte die Steine an.
Die Wand öffnete sich langsam und gab den Blick auf die Winkelgasse frei. Hexen und Zauberer eilten hin und her, unterhielten sich fröhlich und betrachteten die Schaufenster.
Obwohl sie schon so viele Male hier war, in diesem Ort voller Magie, bewunderte Thalia immer wieder, wie schön und mysteriös alles doch war.
Seite an Seite schlenderten die Geschwister an den vielen Gebäuden entlang.
,,Also? Was wollen wir zuerst besorgen?",fragte Jonas irgendwann und riss Thalia aus ihren Gedanken.
Sie wandte ihren Blick von einem Schaufenster ab, in dem viele verschiedene Umjänge ausgestellt waren und sah zu ihrem Bruder.
,,Keine Ahnung...",gab sie schulterzuckend zu.
Er überlegte kurz.
,,Wie wäre es, wenn wir zuerst deinen Zauberstab holen? Dann hätten wir schonmal eine Sache. Danach essen wir noch zu Abend, schauen nach einem Haustier und den Rest können wir dann morgen kaufen."
Thalia nickte, erleichtert darüber, dass ihr Bruder die Kontrolle und Planung übernahm.
Sie bahnten sich ihren Weg durch Menge und standen schlussendlich vor Ollivanders.
Der alte Laden mit den verstaubten Fenstern strahlte beinahe eine uralte Magie aus.
Thalia war schon einmal hier gewesen, damals, als ihr Bruder seinen Zauberstab bekommen hatte.
Jonas drückte die Tür auf und sie traten in den Raum.
Wie beim letzten Mal musste sie niesen als ihr die staubige Luft in die Nase geriet. Schnell zog sie ein Taschentuch aus ihrer Jackentasche und putzte sich die Nase.
,,Ah, Mr Cooper!", ertönte wie aus dem Nichts die Stimme von Garrick Ollivander. Vor Schreck zuckte Thalia leicht zusammen.
,,Buche, elf Zoll, unbiegsam, Kern aus Phönixfeder? Sie haben ihn vor sechs Jahren bekommen."
Bei seinen Worten trat der Zauberer aus den Schatten in das von den Fenstern aus hereinströmende Licht und sah die ganze Zeit Jonas an. Dieser nickte.
Mr Ollivanders wandte seinen Blick zu dem Mädchen hinter dem hochgewachsenen Jungen.
,,Und Sie sind also Thalia Cooper!"
Er lächelte leicht. ,,Als ich Sie das letzte Mal gesehen habe, waren Sie noch viel kleiner. Und jetzt suchen Sie vermutlich ihren ersten Zauberstab. Aber denken Sie daran; der Zauberstab sucht den Zauberer, nicht andersrum."
Folgsam nickte Thalia, das hatte ihr Vater ihr auch immer erzählt.
,,Mein Beileid zu dem Tod Ihres Vaters.",fuhr der Zauberstabmacher fort. Thalia verkrampfte sich und auch Jonas sah aus, als würde er sich unbehaglich fühlen. Es war immer ein heikles Thema.
Viele Leute sagten, es würde ihnen leid tun, doch diese Worte machten Thalia eher sauer und traurig als glücklich. Die meisten sagten es doch schließlich einfach so, weil es zum Anstand und gutem Benehmen gehörte, doch sie meinten es nicht ernst.
Und dies machte Thalia wütend.
Keiner würde je verstehen, wie sehr ihr Vater ihr fehlte.
Doch Mr Ollivander klang wirklich so, als würde er es ehrlich meinen.
,,Kannten Sie ihn?",traute sich das Mädchen zu fragen.
Er nickte. ,,Ja, Brandon, Ihr Vater, war oft bei mir. Ich habe irgendwann aufgehört zu zählen, wie viele Zauberstäbe er zerstört hat. Ihr Bruder kommt zum Glück eher nach ihrer Mutter Grace und hat immer noch seinen ersten Zauberstab. Hoffen wir, dass Sie auch nach ihr kommen.",schmunzelte er.
Er klatschte vorfreudig in die Hände. ,,Nun, suchen wir mal Ihren Zauberstab."
Mit diesen Worten verschwand er hinter einem Regal. Währenddessen kam ein Maßband zu Thalia geflogen um sie auszumessen.
Nervös sah sie zu ihrem Bruder, der seine Schwester nur beruhigend anlächelte.
Schon kam Mr Ollivander zurück. Der alte Holzboden knarrte leise unter seinen Schritten.
In den Händen hielt er einen Stapel Kartons. Thalia durchfuhr ein Gefühl der Aufregung. In einer dieser Schachteln könnte ihr erster Zauberstab sein.
Vorsichtig öffnete der Zauberer den ersten Karton und reichte ihr einen hübschen Zauberstab. Am Griff war er leicht verziert, ansonsten relativ schlicht gehalten.
Ehrfürchtig nahm sie ihn entgegen.
,,Wacholder, Einhornhaar, elf Zoll, federnd. Probieren Sie ihn aus",meinte Mr Ollivander lächelnd.
Zögernd bewegte Thalia den Zauberstab. Sie fühlte eine Art Energie, doch irgendwie passte es nicht. Im Nachhinein konnte sie das Gefühl nicht mehr beschreiben, so seltsam war es.
Klirrend zersprang eine alte, verstaubte Blumenvase. Das Wasser floss durch die Scherben, die Blumen fielen auf den Tisch.
Schuldbewusst zuckte Thalia zusammen.
,,Der war es wohl nicht.",rief Mr Ollivander nur munter und ließ mit einem Schwenker seines Zauberstabes die Überreste der Vase verschwinden. Dann reichte er ihr den nächsten Zauberstab.
,,Eiche, Veelahaar, zehn Zoll, leicht federnd. Hier, bitteschön."
Auch dieses Mal war es nicht der Richtige. Mit einem lauten Poltern fiel der Kartonstapel in sich zusammen.
,,Und der war es wohl auch nicht.",kicherte der Zauberstabmacher und reichte ihr den nächsten Stab.
Doch auch dieser, bestehend aus Buche und Drachenherzfasern, neun Zoll, biegsam, passte nicht zu ihr und brannte die Vorhänge an. Dann reichte ihr Mr Ollivander lächelnd einen anderen Zauberstab.
Den Typen brachte auch wirklich fast gar nichts aus der Fassung, dachte Thalia schmunzelnd.
Sie nahm das Holz entgegen. Der Griff schmiegte sich angenehm in ihre Handfläche.
Pure Freude durchfuhr sie. Es fühlte sich an, als wäre gerade eben eine Meeresbrise durch den Raum geweht.
Glücklich erinnerte sich Thalia an die vielen Tage, die sie mit ihrer Familie am Strand verbracht hatte. Sie fühlte sich geborgen und sicher, es war beinahe so, als würde ein Teil von ihr zu ihr finden.
Aus reinem Bauchgefühl heraus bewegte sie den Zauberstab und schrieb eine Schleife in der Luft.
Goldene Lichtfäden brachen aus der Spitze ihres Zauberstabes, schwebten durch den Raum und verbreiteten ein Gefühl der Sicherheit und Wärme. All ihre schlechte Laune und Traurigkeit, die fast das ganze Jahr geherrscht hatten, schienen sich in Luft aufzulösen.
Staunend betrachtete Thalia das Geschehen.
Langsam verblassten die sanften Goldstrahlen und ließen einen grinsenden Jonas, eine verblüffte Thalia und einen zufriedenen Mr Ollivander zurück.
,,Ahorn, Phönixfeder, elf Zoll, unbiegsam."
Der alte Zauberer nahm ihr behutsam den Zauberstab aus der Hand.
,,Steht für Harmonie, Ruhe und Gelassenheit und die Vereinung von Gegensätzen. Passen Sie gut auf ihn auf, Miss Cooper."
Er reichte ihr die Schachtel und Thalia nahm diese so vorsichtig entgegen, als hätte sie Angst irgendetwas kaputt zu machen.
,,Haben Sie noch einen schönen Tag!",wünschte ihnen Mr Ollivander. ,,Und passen Sie gut auf sich auf."
Die Geschwister lächelten und verabschiedeten sich ebenfalls. Dann verließen sie den Laden. Es hatte aufgehört zu regnen und Sonnenstrahlen krochen durch die Wolkendecke.
Thalia blinzelte in das helle Tageslicht nach dem dunklen Zauberstabladen.
,,Eis?",fragte Jonas verschmitzt grinsend.
Sie nickte und die beiden machten sich auf den Weg zu einem Eisladen.
Kurze Zeit später saßen sie an einem Tisch, jeder mit einem riesigen Eisbecher vor sich und aßen genüsslich die heiße Köstlichkeit.
Thalia wusste noch, wie es sie damals gewundert hatte, dass das Eis warm war und doch nicht schmolz, doch als Kind zweier Magier, entdeckte man öfters neues.
Sie schob sich einen weiteren Löffel in den Mund. Jonas klaute ihr eine Erdbeere aus dem Becher. Böse funkelte sie ihn an.
Schnell leerten sie die Becher. ,,Zeig nochmal deinen Zauberstab!",bat ihr Bruder sie.
Stolz holte Thalia die Box aus ihrer Tasche und stellte sie auf den Tisch, öffnete sie und holte den glänzenden Stab aus der Schachtel. Bei der Berührung kribbelten ihre Fingerspitzen.
Jetzt in der Sonne konnte sie ihn noch besser betrachten.
Das helle Ahornholz färbte sich an manchen Stellen dunkel und sah eigentlich aus wie ein hübsches, glatt poliertes Stück Treibholz. Er war schlicht gehalten, hatte nur ein paar Risse im Holz, doch sie hatte keine Angst ihn zu zerbrechen, denn das Holz fühlte sich sehr stabil und stark an.
Sie gab ihn Jonas, der ihn interessiert betrachtete.
Dann gab er ihn ihr wieder zurück. ,,Also? Wollen wir jetzt nach deinem Haustier suchen?"
Freudig bejahte Thalia und sprang auf. Jonas folgte ihr lachend.
Abends saß sie auf ihrem Bett im Tropfenden Kessel und betrachtete erneut ihren Zauberstab. Es war ein ganz besonderes Gefühl ihn in der Hand zu halten. Eine unbeschreibliche Wärme kroch von ihren Händen bis zu ihrem Herzen und ließ das Mädchen lächeln.
Gwen, ihre neue, kleine Kreischeule, knabberte genüsslich an einem Keks.
Beim Anblick ihrer Schulsachen, Gwen und dem Zauberstab freute sich Thalia riesig auf Hogwarts.
Sie war fest dazu entschlossen, ihr erstes Jahr zu genießen. Sie würde eine große Hexe werden, Freunde finden und stark bleiben, nahm sie sich vor.
,,Ich werde euch stolz machen, Mum und Dad, das verspreche ich euch",flüsterte Thalia noch leise in die Dunkelheit, bevor sie sich neben Jonas legte und ebenfalls einschlief.
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