Das größte Abenteuer von allen
Mein erster Gedanke war: ,,Wow!"
Während die letzten Rauchschwaden aus meinem Blickfeld glitten, erfassten meine Augen die große, rote Lock, welche sich auf den Gleisen vor mir erstreckte. Der Hogwarts-Express.
Mein Herz klopfte wie wild. Nicht nur, weil ich soeben ungebremst auf eine Wand zugelaufen war, sondern auch weil ich nun immer mehr realisierte, was da eigentlich auf mich zukam. Schüler und Eltern tummelten sich auf dem Bahnsteig. Einige Gesichter kamen mir sogar bekannt vor, wie zum Beispiel Lucius Malfoy, der mit seinem Sohn und seiner Frau neben einem weiteren Jungen standen. Auf den zweiten Blick erkannte ich, dass es Blaise Zabini war. Ich hatte ihn vor einiger Zeit bei einer Familienfeier kennen gelernt und ich hatte mich auf Anhieb gut mit ihm verstanden. Ganz im Gegensatz zu meinem Bruder.
Apropos, wo war der eigentlich?
Mein Blick schweifte über die Menge und suchte nach dem blonden Schopf von ihm. Jace war nur zwei Jahre älter als ich und ging bereits nach Hogwarts.
,,Mensch Maggie! Beeil dich mal! Sonst sind alle Plätze weg!", spielerisch boxte mein Bruder mir auf die Schulter und rannte mitsamt seinem Koffer auf den Zug zu.
,,Jace, willst du dich gar nicht verabschieden?", rief ihm meine Mutter hinterher. Sie und Jace hatten wohl die ganze Zeit hinter mir gestanden.
Murrend kam mein Bruder zurück: ,,Mum, wir sehen uns doch Weihnachten schon wieder!"
Unsere Mutter drückte ihn an sich und platzierte einen dicken Schmatzer auf seiner Stirn. Reflexartig wischte ihn Jace mit dem Handrücken wieder weg und sah sich um, dass auch ja niemand diese peinliche Geste von Mum bemerkt hatte.
Schadenfreudig grinste ich ihn an, doch auch ich hatte mich zu früh gefreut, denn auch auf meiner Stirn landete kurz darauf ein feuchter Kuss. ,,Mum!", nuschelte ich mahnend, aber sie ignorierte mein Genörgel und strich mir eine kürzere, blonde Strähne hinters Ohr.
,,Ach, ich werde dich so vermissen Maggie! Jetzt sind weder dein Bruder, noch du da! Was soll ich da nur mit meiner Zeit anfangen?!", wollte sie wissen und knuddelte mich fest.
Erneut gab ich ein genervtes ,,Mum!" von mir. Ich strich mir durch die Haare und ließ die kurze Strähne wieder in mein Gesicht fallen.
Jace blickte mich ironisch mitleidig an und antwortete - frech wie immer - auf Mums Frage: ,,Du könntest deine Kochkünste verbessern."
Sie warf ihm einen warnenden Blick zu und wuschelte auch ihm durch die Haare.
,,Hach meine beiden Kleinen, ich richte eurem Dad liebe Grüße aus. Und Jace, pass etwas auf Maggie auf!", meinte meine Mutter lächelnd.
,,Ich brauche keinen Babysitter!", protestierte ich, während ich meinen Bruder anfunkelte, ,,Mir wird schon nichts passieren."
Mum nickte und für einen Moment konnte ich Tränen in ihren Augen sehen. ,,Wiedersehen, Mum", verabschiedete ich mich und drückte sie nochmal kurz.
Zusammen mit Jace wandte ich mich wieder dem Hogwarts-Express zu. ,,Na dann wollen wir mal", sagte mein Bruder und trat auf die Lock zu.
Ja... dann wollen wir mal. Wiederholte ich für mich, atmete einmal tief durch und machte mich auf in den Zug.
,,Pass doch auf, du Idiot!", rief ich aufgebracht, aber der rothaarige Junge, der mich soeben umgeworfen hatte, schenkte mir keine Beachtung. Entnervt versuchte ich meinen umgeworfenen Koffer wieder hoch zu hieven. Ein aufgebrachtes Mauzen war aus dem braunen Katzenkorb in meiner Hand zu hören.
,,Hey, ich kann auch nichts dafür, dass Jace sich einfach so aus dem Staub gemacht hat und mir mit dem Zeug hier nicht hilft, also meckre gefälligst nicht, okay?!", fauchte ich meiner Katze zu und balancierte meinen Koffer aus, damit er nicht wieder umfiel.
,,Darf ich dir helfen?", erklang plötzlich eine Stimme hinter mir. Gestresst wollte ich die Person gerade anmotzen, dass sie sich nicht über mich lustig machen solle und selbst einmal mit einer maulenden Katze, einem übertrieben schweren Koffer und einem asozialen Bruder zurecht kommen sollte, als ich bemerkte, dass es Blaise war.
,,Oh, hey. Ja gerne", entgegnete ich und im Handumdrehen hatte er meinen Koffer richtig positioniert und trug ihn für mich weiter. Dabei drehte er sich noch (dafür, dass er einen mega schweren Koffer in der Hand hatte, viel zu locker) um und begann mit mir zu reden: ,,Ich hatte gedacht, dass du erst nächstes Jahr nach Hogwarts kommst. Du sahst so jung aus."
,,Hoffen wir, dass das lange anhält", antwortete ich und dachte dabei an meine Mutter, die immer wieder sagte, wie alt sie nach ihrer Meinung nach aussah.
Blaise grinste: ,,Hey, magst du vielleicht mit zu Draco und mir? Wir haben noch Platz in unserem Abteil."
,,Nein danke", antwortete ich, ,,Ich sitze lieber bei meinem Bruder um ihn a) zu nerven, weil er mir nicht mit diesem verdammten Koffer geholfen hat und b) glaube ich nicht, dass Malfoy jr. sich nicht so gut mit einer Jackson verstehen würde. Sieh dir nur meinen und seinen Vater zusammen an. Ich will nicht, dass diese Zugfahrt mit einer Prügelei und zerschlagenen Fenstern endet."
Lachend schob Blaise mir noch meinen Koffer ein Stück weiter: ,,Wenn du meinst. Aber du weißt: bei mir bist du immer willkommen."
,,Mal sehen, wie du darüber denkst, wenn ich nach Gryffindor komme", entgegnete ich.
,,Das wirst du nicht", beteuerte Blaise, ,,du bist einfach zu fies. Ich wette mit dir, du kommst nach Slytherin."
Augenverdrehend stoppte ich beim nächsten Abteil: ,,So, hier dürfte er sein. Danke nochmal, fürs Helfen."
Nickend verabschiedete sich Blaise wieder und machte sich auf die Suche nach seinem Freund.
Ein kurzer unangenehmer Gedanke überkam mich. Was wenn ich tatsächlich nach Gryffindor kommen würde? Würde unsere Freundschaft weiter bestehen?
Kopfschüttelnd schob ich die Abteiltür auf. Ich würde an so einem tollen Tag keine Gedanken über die Zukunft hegen. Schließlich hatte ich jetzt erstmal einen Bruder zu nerven.
,,Sieh mal einer an, will der Slytherin-Schnösel Zabini doch nicht mit dir abhängen?", empfing mich Jace gleich im Abteil. Seine Freunde lachten.
,,Immerhin besitzt er den Anstand, einer Person zu helfen, wenn ihr inkompetenter Bruder sie stehen gelassen hat", begann ich um meinen Freund zu verteidigen , ,,Und außerdem ist noch nicht einmal klar, ob er nach Slytherin kommen wird."
Seine Freunde feixten. Tja... er mochte zwar älter sein, aber momentan hatte ich seine Freunde auf meiner Seite. Ich nutzte den Moment der Stille und hievte meinen Koffer auf die Gepäckablade. Oder versuchte es zumindest. Nach dem vierten missglückten Versuch, erbarmte sich Jace' bester Freund Cedric und half mir. Außer ihm waren noch ein Junge mit dunkler Haut und dunklen Augen im Alter meines Bruders im Abteil und -
,,Hey, du bist doch der Typ, der mich vorhin umgerannt hat!", rief ich und starrte den rothaarigen Jungen mit den unzähligen Sommersprossen im Gesicht an. Dieser tat ganz verwirrt und guckte ahnungslos zurück: ,,Ich habe gar nichts gemacht! Ich war die ganze Zeit über hier und-", ,,Ich war es!"
Ein Typ, der genauso aussah, wie der, der gerade mit mir geredet hatte, trat in das Abteil. Mit hochgezogener Augenbraue blickte ich zwischen den beiden hin und her: ,,Zwillinge?"
,,Sieht man das nicht?", entgegnete der erste.
,,Ich bin Fred", stellte sich der zweite vor und reichte mir die Hand. ,,Und ich bin George", antwortete der erste, ,,Wir haben schon viel von dir gehört."
,,Ja, Jace erzählt ständig von dir."
,,Ich hab das Gefühl, dass ich mehr über dich weiß, als über meine eigene Schwester."
,,Die ist aber auch wirklich verschlossen."
,,Ja stimmt, da ist das kein Wunder."
,,Fred, George, es reicht", beschwichtigte der dunklere Junge die beiden von ihrem Redefluss.
Hilfesuchend drehte ich mich zu Cedric: ,,Sind die immer so?"
,,Ja, aber man gewöhnt sich dran", antwortete er mir.
Schnaufend ließ ich mich auf meinen Platz fallen.
,,Tja...", begann mein Bruder schadenfroh, ,,Niemand hat dich gezwungen, hier zu sitzen."
Ich funkelte ihn an und schaute dann aus dem Fenster. Mum war schon verschwunden, als sich der Zug in Bewegung setzte und alle noch einmal ihren Familien winkten.
Diese Fahrt würde mit so einer Gesellschaft sicher ,,lustig" werden.
Mit der Zeit erfuhr ich auch den Namen des dunklen Jungen. Er lautete Lee Jordan. Wie ich erwartet hatte, waren er und die Zwillinge gleich alt wie mein Bruder. Cedric hingegen war bereits vierte Klasse und somit schon 14 Jahre alt.
Er war immer noch ein gutaussehender Typ und ich konnte verstehen, dass sich die Mädchen um ihn rissen.
Als Cedic vor zwei Jahren im Sommer bei uns zu Besuch war, waren bei mir schon erste Schwärmereien aufgekommen. Aber ,,Hey!" damals war ich neun!
Die Jungs und vor allem Fred und George erzählten von Hogwarts und ihren letzten zwei Jahren dort.
Die Zwillinge waren zwei der sieben Kinder des Weasley-Clans. Ich kannte diese Familie nicht, doch bei meinem Vater und seinen Kollegen im Ministerium war sie nicht sonderlich beliebt. Es gingen Gerüchte um, dass Mr. Weasley in seiner Freizeit gern diverse Sachen von Muggeln sammelte. Vor allem Lucius Malfoy war der Ansicht, dass sich so etwas für Reinblütige Zauberer nicht gehören würde.
Mir war dieser ganze Trubel um reinblütige und muggelgeborene Zauberer gleich. Meine Cousinen waren halbblütige Hexen, da mein Onkel damals eine Muggel geheiratet hatte. Manche der Zauberer wie eben die Malfoys waren gegen Muggel und hießen es nicht gut, dass nicht-magische-Leute in unsere Gesellschaft eingeführt wurden.
,,Und, in welches Haus denkst du, kommst du?", wollte Cedric interessiert wissen und unterbrach so die chaotischen Berichte der Weasley-Zwillinge.
Etwas überrumpelt antwortete ich ihm: ,,Vielleicht nach Gryffindor oder so..."
,,Solange du nicht in mein Haus kommst, ist alles gut", fügte Jace hinzu.
Ehrlich gesagt wäre mir das auch am Liebsten. Dann würden wir uns gegenseitig wenigstens nicht auf die Nerven gehen.
Fred oder George - ich konnte beide immer noch nicht unterscheiden- lieferte noch einen weiteren Kommentar hinzu: ,,Also kein Hufflepuff für unsere Maggie."
,,Apropos", setzte George - oder Fred - naja, jedenfalls der andere Zwilling, an, ,,Heißt du wirklich Maggie Jackson oder ist das nur eine Abkürzung?"
Ich wurde etwas rot. Mein eigentlicher Name war mir etwas peinlich, weshalb ich mich selbst und alle anderen immer Maggie nannten. Außer meine Eltern, wenn sie wütend waren oder eben mein Bruder, wenn er mich auf die Palme bringen wollte. Genau wie in diesem Moment, denn natürlich musste er dem Weasley antworten: ,,Sie heißt Magret."
Mit einem verhassten Blick in Jace' Richtung, wartete ich die Reaktion der anderen ab. Zu meinem Verblüffen, waren diese aber anders, als erwartet. ,,Immer noch besser, als Ginevra, wie unsere kleine Schwester", stellte der eine Weasley klar. Daraufhin war ich etwas beruhigt. Immerhin machten sie sich nicht über mich lustig.
Wir unterhielten uns noch eine ganze Weile über Themen wie Quidditch, Lehrer und ihre Fächer und in welches Haus ich denn jetzt kommen würde.
,,Hattest du nicht irgendwas mit diesem Zabini zu schaffen? Er kommt doch bestimmt nach Slytherin", überlegte Cedric, während er in seiner Jacke nach etwas kramte.
Mein Bruder, der soeben auch in seiner Tasche wühlte, schaute kurz auf: ,,Also wenn du zu den Schlangen kommst, rede ich kein einziges Wort mehr mit dir."
Jetzt sprangen auch die Zwillinge auf und steckten die Hände in ihre Taschen.
,,Außerdem sind nicht alle Slytherins schlecht und...", versuchte ich das Gespräch auf zu erhalten, ,,Könnt ihr mal bitte aufhören, alle wie verrückt in eurem Zeug zu wühlen?! Das macht mich ganz wuschig! Was sucht ihr da überhaupt?!"
In diesem Moment glitt die Tür auf und eine etwas ältere Hexe trat herein: ,,Darf es etwas Süßes für euch sein, meine Lieben?"
Sie hatte einen großen Wagen dabei, auf dem unzählige Leckereichen und Süßkram lagen. Kürbispasteten, Bertie Bott's Bohnen und natürlich Schokofrösche.
Die Jungs kauften sich etwas und nachdem sie alle wieder kauend auf ihre Plätze zurück gefallen waren, öffnete sich die Abteiltür und ein älterer Junge mit roten Haaren trat herein: ,,Hallo, Fred, George ihr und eure Freunde solltet euch langsam umziehen. Es wird nicht mehr lange dauern, bis wir da sind."
,,Na klar, Percy", sprach der erste angesprochene. Der andere nickte beiläufig und begann etwas zu schleimen: ,,Wenn unserer allerliebstes Brüderherzchen so will."
Augenverdrehend verließ Percy das Abteil.
Fragend sah ich einen der Zwillinge an.
,,Ja, unser verehrter Bruder ist Vertrauensschüler", antwortete einer. Lee, der auf einer Gummischlange herumkaute, fügte noch hinzu: ,,Und er hält es jedem unter die Nase."
,,Na dann wollen wir mal", verkündete Cedric und zog seinen Pullover aus.
Überrascht blieb mir kurz die Sprache weg, was aber nicht schlimm war, da mein Bruder für mich übernahm: ,,Äh... Cedric."
,,Was denn?", kam als Antwort von dem Hufflepuff.
Ich räusperte mich kaum hörbar.
,,Na gut", willigte Cedric ein uns schlüpfte wieder in seinen Pullover, ,,Ladies first."
Die Jungs verließen das Abteil und gaben mir genug Zeit um mich umzuziehen.
Lächelnd strich ich über das Hogwartswappen an meiner Krawatte. In meinem Katzenkorb miaute es.
,,Du hast Recht, Lima", sprach ich zu der Katze und auch ein bisschen zu mir selbst, ,,Das wird das größte Abenteuer von allen"...
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