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"Ich kenne meinen eigenen Sohn nicht", wiederholt sie.
"Deswegen habe ich es doch getan, verstehst du nicht?", schluchze ich. "Ich weiß, dass ich alles bin, was dir nach ... nach Dads Tod geblieben ist. Und ich habe es nicht übers Herz gebracht, dir in die Augen zu schauen und zu sagen ... dass ich schwul bin."
Diese vier Worte über die Lippen zu bekommen, gehört immer noch zu den schwierigsten Dingen überhaupt.
Ich bin so daran gewöhnt, mich zu verstecken, dass sich das hier nach einem Regelbruch, einem schweren Verstoß meiner Überzeugung anfühlt.
"Ihr habt mich immer anders gewollt. Dad hatte immer etwas gegen ... Menschen wie mich. Wann hätte ich es dir sagen können, Mom? Wann wäre nicht 'zu spät' gewesen?"
Verzweiflung spricht aus mir.
Ich hocke mich in den Schatten der Hauswand und betrachte die toten Grashalme unter mir.
"Bradyn. Ist dir klar, dass du mich Jahre lang belogen hast, dass du mein Vertrauen missbraucht hast? Ich dachte, du bist glücklich! Ich dachte, dein Leben ist gut! Tiffany dachte das! Wir alle dachten das! Weil du es uns so verkauft hast!"
Ich kneife die Augen zusammen und wünschte, ich könnte aus meiner Haut fahren und noch mal ganz von vorne anfangen.
Ich bin nicht stark genug hierfür.
"Es gab doch einmal eine Zeit, in der du mir alles gesagt hast. Was ist aus diesem Bradyn geworden? Glaubst du wirklich, ich oder dein Dad hätten dich verstoßen, nur weil du dich zu Männern hingezogen fühlst?"
Sie kann nicht wissen, dass dieser Bradyn nach und nach verblast ist, bis nichts mehr von ihm übriggeblieben ist. Weil das Leben ihn geraubt hat. Vorstellungen haben seinen Charakter überschrieben und er hat gelernt, dass einige Meinungen schlichtweg nicht akzeptiert werden. Dass Liebe für viele eben nicht einfach nur Liebe ist, dass es nicht selbstverständlich ist, dass sie akzeptiert wird und unkommentiert bleibt. Und das es einfacher ist - dass das Überleben einfacher wird - wenn man sich anpasst, in einer Stadt wie Schenectady.
"Es - Es hat sich so angefühlt", presse ich hervor.
Meine Mutter schnaubt.
"Das denkt also mein eigener Sohn von mir", murmelt sie, mehr zu sich selbst als zu mir.
"Es tut mir leid", flehe ich.
Aus diesem Grund hatte ich hiervor Angst. Ich hatte Angst missverstanden zu werden, mit all meinen Fehlern und Lügen auf einmal konfrontiert zu werden.
Wenn ich nur wüsste, wo das alles angefangen hat, wo die erste Lebenslüge gefallen ist.
Ich würde zurückgehen und alles rückgängig machen. Ich würde versuchen, nicht ganz so viel zu verbocken, wie ich es nun einmal getan habe.
"Bist du noch dran?", frage ich nach einer Weile.
Sie brummt.
"Die ganze Stadt ist missgestimmt", dringt dann ihre Stimme zu mir. "Die ganze Stadt ist bestürzt über meinen missratenen Sohn."
"Diese verdammte Stadt ist der Vorhof zur Hölle", stoße ich aus.
Ruckartig erhebe ich mich und wische mir die Tränen von den Wangen.
Ich habe lange genug wachgelegen und mir Nächte um die Ohren geschlagen, um meine Überzeugung zu formen.
Jetzt, wo die Wut wieder in mir aufkocht, fühle ich mich zum ersten Mal stark genug, diese Überzeugung auch wirklich auszuleben.
Ich werde diese Aussage nicht an mich heranlassen. Diese Stadt und ich, das ist nicht dasselbe. Ich und Mica, wir gehören dort nicht hin. Wir passen nicht in ihre Verhaltensmuster. Und es ist mir egal, was über uns gesagt wird.
"Ich habe Fehler gemacht, Mom. Und ich entschuldige mich vielleicht für Dinge, die sich nicht entschuldigen lassen ... aber ich versuche es wenigstens. Ich weiß, ich hätte vieles besser machen müssen."
Ich schlucke hart und reiße mich zusammen, nicht gleich wieder in Tränen auszubrechen.
Ich habe Mica an meiner Seite. Schritt für Schritt werde ich es schaffen, mir ein Leben aufzubauen.
Mit meiner Mutter oder ohne sie.
Es bricht mir das Herz, jenes zu denken, aber es ist die einzige Lösung, die ich habe. Und es liegt an ihr. Nicht mehr an mir.
"Du bist egoistisch."
"Vielleicht bin ich das, Mom. Aber ich bin auch verzweifelt und habe mich so lange hilflos gefühlt. Der Abstand zu euch und Schenectady hat mir gut getan. Wenn ich ändern könnte, wie ich mich dir und Dad und Tiffany gegenüber verhalten habe ... ich würde es tun."
Ich trete in die Sonne. Abgase steigen in meine Nase. Es brennt, aber ich atme trotzdem weiter. Weil ich muss. Ich muss atmen und trotz dieser Abgase in der Luft fällt es mir hier auf diesem verbrannten Stück Rasen so viel leichter zu atmen, als es mir jemals in dieser Stadt im Bundesstaat New York gefallen ist.
Meine Mutter schweigt. Wenn ich sie doch nur umarmen könnte.
Ich hasse die Distanz zwischen uns. Die mentale und die physikalische.
Sie ist alles, was ich noch an Familie habe und egal, was sie sagen würde, sie wird für immer meine Mutter bleiben und ich liebe sie.
Ich presse die Lippen zusammen.
"Ich brauche einfach Zeit, Bradyn."
"Du hast alle Zeit der Welt."
Meine Stimme klingt trocken, als ich das sage. Aber ich meine es. Sie ist meine Mutter und ich werde ihr alle Zeit geben, die sie benötigt, um zu verstehen, was in mir vorgeht.
Ich lasse meine Hand mit dem Handy darin sinken und starre einfach geradeaus.
Ich weiß nicht, wie ich mich fühle.
Eigentlich fühle ich gar nichts. Die Zeit, vor der ich mich am meisten gefürchtet habe, ist angebrochen. Und ich kann nicht mehr zurück. Keine Lüge, kein Ausweichen, würde mich jetzt zurück in mein sicheres Versteck katapultieren.
Als ich das nächste Mal einen Blick auf den Bildschirm werfe, ist dieser schwarz. Sie hat aufgelegt.
"Gut", seufze ich.
Jetzt wird sich entscheiden, wen ich verliere, wer mich versteht und wie viel Schaden ich wirklich angerichtet habe.
Es ist, als hätte man mir einen Schraubstock um die Brust angelegt.
Apathisch drehe ich mich zum Bungalow und gehe auf die angelehnte Tür zu.
Mica und Amanda stehen im Flur, ihre Gesichter sehen so aus, wie ich mich fühle.
Sie nehmen mich in ihre Arme, ohne ein Wort zu sagen. Ich kann ihre tröstende Umarmung nicht erwidern.
Mica und ich gehen. Ich nehme alles, wie betäubt wahr, wie in Trance.
Ich steige in Micas SUV. Er dreht das Radio laut, bevor er mir einen prüfenden Seitenblick zuwirft und abfährt.
Er versteht.
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Song: anchor - novo amor
Ich habe heute eine Mathearbeit geschrieben. Meine Antworten umfassten 11 handgeschriebene Seiten. Hilfe!
Ich weiß nicht, wie's bei euch aussah, aber bei mir hat es heute wieder RICHTIG geschneit xD
Reicht dann aber mal auch, also echt.
Sommer bitte. Danke.
Ich habe gestern die Serie "Ginny & Georgia" beendet. Und vielleicht habe ich jetzt eine neue Lieblings Serie ... Ja. Ja. Habe ich. Damn. Und ich brauche Season 2. NOW.
In diesem Sinne,
all my lav (as Georgia would say)
Lisa xoxo
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