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Die Welt scheint still zu stehen.
Ich kauere mittlerweile auf dem Boden hinter meiner Wohnungstür. Meine Beine sind plötzlich nicht mehr in der Lage mich zurück in die Küche zu tragen, wo mein Tee bestimmt ungenießbar geworden ist.
Ich weiß nicht, ob Bradyn immer noch vor dieser Tür steht, aber ich bilde mir ein, ihn zu spüren.
Entkräftet lege ich meinen Kopf auf meine Knie.
Warum bin ich heute Morgen überhaupt aufgestanden?
Ich belasse es gerne bei den unerwünschten Fantasien, in denen Bradyn eine viel zu große Rolle spielt.
Aber ich möchte diese Fantasien nicht mehr wahr werden lassen. Das hier führt zu nichts, es ist zu spät.
Er wird mich wieder fallen lassen, wenn ich ihn jetzt hereinlasse - ihn in meine Wohnung, meinen Kopf und mein Herz lasse.
Ich wünschte, ich könnte ihn einfach durch die Tür anschreien und ihm befehlen, zu gehen. Aber mein Hals ist so trocken, dass ich keinen Ton herausbekomme.
Ein merkwürdiges Geräusch erklingt hinter mir.
Bradyn muss an der Tür heruntergerutscht sein.
"Ich werde nicht weggehen", dringt seine dumpfe Stimme zu mir durch.
Eine Gänsehaut läuft mir den Rücken hinunter, doch ich schüttele den Kopf.
"Wenn du mich reinlassen würdest, könnte ich dir sagen, was los ist", fährt er fort.
Ich schließe die Augen. Die Dunkelheit um mich herum beruhigt mich für eine Sekunde.
Das dünne Holz der Tür wackelt.
Ich lache auf.
"Hast du gerade deinen Kopf gegen die Tür geschlagen?"
"Wenn du mich reinlässt, verrate ich es dir."
Ich überlege.
Und in diesem Moment weiß ich eigentlich schon, dass Bradyn gewonnen hat. Mal wieder.
Aber ich lasse ihn schmoren.
Ich strecke die Beine auf und schaue an meine Decke.
Der Flur hat keine Fenster und das Dämmerlicht drückt auf meine Augen, da ich in der gesamten Wohnung die Rollläden zur Hälfte heruntergelassen habe.
Ich betrachte das Bild mir gegenüber. Amanda hat es mir vorletztes Weihnachten geschenkt und es zeigt uns auf einem der Hügel außerhalb LAs, untere Arme zeigen in den Himmel, unsere Gesichter glänzen vor Schweiß.
Und genau diesen Schnappschuss musste sie um das Fünffache vergrößern, rahmen lassen und mir schenken.
Wenn Bradyn es gleich sehen würde, was wird er denken?
Das auch ich eine Freundin habe?
Ich seufze tief und stehe auf.
Mit einem leisen Stöhnen halte ich mich an der kleinen Kommode neben dem Eingang fest. Mein Bein ist eingeschlafen.
"Alles okay da drin?", fragt Bradyn von draußen.
"Ja."
Doch meine Stimme wackelt und ein weiterer kehliger Laut entkommt mir, als ich den rechten Fuß erneut aufsetze.
Meine Hand verweilt auf dem Türgriff.
Wie lange haben wir jetzt hier gesessen?
Das ganze kommt mir vor, wie eine Szene aus einem schlechten Liebesfilm.
Das Arschloch kommt zurück, bittet um Verzeihung, hat sich geändert und alles ist auf magische Art und Weise in Ordnung und der Abspann wird eingeblendet.
Aber das hier ist nicht so eine Geschichte. Bradyn wird sich nicht geändert haben, er spielt einfach weiter sein Spiel mit mir und ich bin schwach und falle zurück in seine Arme. Bis zur nächsten Katastrophe.
Ich presse erneut die Augen zusammen. Nein! Ich werde ihm nicht verfallen.
Wir werden ein Gespräch führen und dann werde ich ihn bitten zu gehen. Wir sind keine Kinder mehr.
Ich drehe den Schlüssel und öffne ruckartig die Tür.
Bradyn fällt rückwärts in meinen Flur. Er schafft es leider gerade noch seinen Kopf abzufangen, sodass dieser nicht auf meinem Parkett aufknallt.
Ein Lächeln schleicht sich auf seine Lippen und ich würde ihm am liebsten meinen Fuß ins Gesicht drücken.
Aber ich beherrsche mich, lasse den Türknauf los und trete zurück.
"Bradyn", sage ich knapp und lasse ihn allein.
Er rappelt sich schnell auf und folgt mir in die Küche. Allerdings nicht ohne seinen Koffer herein zu rollen und die Tür hinter sich zu schließen.
Unsicher steht er mitten im Raum und beobachtet mich dabei, wie ich meinen Tee ausgieße.
"Danke."
Verwirrt sehe ich ihn an.
"Na, für's reinlassen."
Ich gebe ein Lachen von mir und wende ihm wieder den Rücken zu.
"Bilde dir ja nicht ein, dass das was bedeutet. Ich wollte meinen Nachbarn nur diesen Anblick ersparen."
Als ich mich Bradyn wieder zudrehe, nickt er mit zusammengepressten Lippen.
"Darf ich?", fragt er und deutet auf einen der Stühle.
"Bitte."
Die ganze Situation ist irgendwie total unangenehme.
Wenn man dann noch bedenkt, dass wir uns vor fünf Monaten die Klamotten vom Leib gerissen haben, ohne davor groß miteinander geredet zu haben, könnte einem regelrecht schlecht werden.
"Willst du was trinken?"
"Das wäre super! Ich verdurste."
"Eigentlich sollte ich dich verdursten lassen", sage ich leise.
"Verdient habe ich es wohl", murmelt mein Gast.
Mit einem Glas Wasser setzte ich mich ihm gegenüber an meinen wackligen Küchentisch.
"Warum bist du hier?"
Ich will nicht lange um den heißen Brei herumreden. Ich habe genug. Ich kann nicht mehr.
Ihn jetzt hier an meinem Küchentisch zu sehen, macht mich fertig.
Er wird mich für immer in meinen vier Wänden verfolgen, jetzt wo ich weiß, wie es aussieht, ihn hier zu haben.
"Ich wollte mich entschuldigen, ich wollte dir sagen, wie sehr -"
"Ich meine den wirklichen Grund. Wenn du dich einfach nur entschuldigen willst, reicht ein Anruf - und komm mir jetzt nicht mit; das wäre dir zu unpersönlich! Nachdem, was du mir an den Kopf geworfen und wie du mich behandelt hast, zieht das echt nicht."
Bradyn schließt seinen Mund und senkt den Kopf.
"Und wenn du es mir wirklich persönlich ins Gesicht sagen wolltest, muss ich dir sagen; es ist nicht gerade die feine Art mit einem Koffer vor meiner Tür aufzutauchen."
Das laut auszusprechen, zeigt mir erst richtig auf, wie absurd diese Situation eigentlich ist.
"Ich weiß. Das sieht alles nicht gut aus. Aber Mica ... siehst du nicht, dass du mir mehr bedeutest, als ich es wahrhaben will? Ich versuche dir gerade zu sagen, dass ich dich will, dass ich dich brauche. Ich habe einen riesen Fehler gemacht und als ich dir hinterhergelaufen bin, bei deiner Abfahrt, da ..."
Er bricht ab und sucht nach Worten.
Ich lege den Kopf schlief und versuche mein Kichern zurückzuhalten. Glaubt er sich das gerade wirklich selbst?
"Ich finde nie die richtigen Worte! Und dann siehst du mich so an."
Er zeigt in mein Gesicht und ich schmunzle.
"Und ich erinnere mich an all die Dinge, die ich falsch gemacht habe und halte am Ende doch die Klappe, weil ich mir sage, dass du besser ohne mich dran bist."
"Das bin ich wohl auch", entgegne ich schlicht.
Bradyns Augen weiten sich, bevor er den Blick niederschlägt und seine Hände zu Fäusten ballt.
"Ich weiß, dass ich verkorkst bin. Und ich weiß auch, dass ich dich nicht verdient habe. Aber ich wollte dir all das sagen und eigentlich noch viel mehr. Aber ich kann es nicht in Worte fassen, was ich für dich empfinde und wie es sich hier drin anfühlt."
Mit diesen Worten zeigt er auf seine Brust.
Ich stoße die Luft aus, die ich unbemerkt während der letzten Sekunden angehalten habe, und schaue weg.
Ich kann nicht in seine flehenden grünen Augen blicken. Seine gequälten Gesichtszüge sind wie Schläge in meine Magengrube.
Wieso sagt Bradyn indirekt, dass ich ihn verletze, wenn er es doch ist, der mir jedes Mal das Herz aus der Brust reißt?
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Song: Half-Light - Rostam
Hello bebis!
Hattet ihr eigentlich schon mal so ein deepes Gespräch mit jemandem, der euch verletzt hat?
Ich nicht wirklich.
Entweder die Personen und ich reden gar nicht mehr miteinander und vergessen, dass wir existieren (das bezieht sich jetzt aber mehr auf verlorene Freunde..) oder wir überspielen das geschehene und einfach nur noch Unbekannte.
Wie dem auch sein, ich hoffe euch geht's gut! 4 days left until the weekend! wupwuppp
All my Love,
Lisa xoxo
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