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"Ach, Mica, wie schön. Danke!"
Vom Zeigefinger meiner Mutter baumelt die grün-glänzende Gurke für den Tannenbaum.
"Da ist noch mehr", sage ich und zwinge auf die sorgfältig verpackten Duftkerzen - die sündhaft teuren Duftkerzen. Ich habe noch nie in meinem Leben mehr als 50$ für eine Kerze ausgegeben.
Eifrig reißt meine Mutter ihr nächstes Geschenk auf und stößt einen kleinen Schrei aus.
Ich sitze im Schneidersitz mit Emil vor unserem Tannenbaum und versuche nicht an den Laden in New York zu denken, wo ich diese Gurke ausgesucht habe. Glücklich und voller falschen Hoffnungen.
Im Halbkreis vor uns Mom in ihrem roten Schlafanzug, Ben im Ohrensessel daneben mit Laura auf seinem Schoß.
Laura hat von meinen Eltern eines dieser Hochzeitsplanungs-Bücher bekommen und die kleine Blondine ist beinahe ausgerastet.
Manchmal vergesse ich, wie jung sie eigentlich ist.
Mein Dad hat mir die größte Weihnachtsüberraschung überhaupt beschert: Er ist zu uns gekommen und sitzt jetzt zwischen meinen Brüdern.
Er hat noch kein Wort mit mir gesprochen, aber er ist hier und von außen sehen wir wie eine intakte Familie aus.
Jonny ist noch zu müde, um an diesem Morgen die Augen offenzuhalten, aber Mila gibt sich wie immer alle Mühe, die Stimmung oben zu halten.
Sie hat mir einen gecropten Pullover geschenkt. Normalerweise hätte ich ihn sofort angezogen, aber mit einem dankbaren Blick gab ich ihr zu verstehen, dass ich Dad nicht verscheuchen will.
Emil ist wieder genauso laut und schrill und aufdringlich wie zuvor.
Er ist völlig aus dem Häuschen gewesen, als er seine neue Schürze ausgepackt hat. Die Schürze meiner Mutter. Die mit den Rentieren.
Ich habe sie nur fragend angesehen und sie zuckte mit den Achseln, ein seliges Lächeln auf den Lippen.
Und jetzt sitzen wir in einem Berg aus Geschenkpapier und meine Mutter inhaliert den Duft ihrer neuen Vanille-Champagner-Kerze.
Ben zwinkert mir zu. Ohne ihn hätte ich wirklich etwas verloren mit meiner Geschenkauswahl dagestanden.
Emil zupft an meinem Ärmel und legt mir ein grünes Päckchen in den Schoß.
Perplex sehe ich auf.
"Was? A-Aber ich dachte, wir schenken uns nichts."
Sein Lächeln verrutscht für den Bruchteil einer Sekunde, dann straft er seine Schultern und lacht.
"Egal. Dein Geschenkt war die Einladung. Jetzt packt aus!"
Es fühlt sich an, als ob man mir ein Messer ins Herz rammen würde und es einmal um 360° dreht.
Wie konnte ich Emil vergessen? Wie ...
Meine Finger streichen vorsichtig über das glatte Papier. Emil wippt neben mir ungeduldig mit dem Fuß.
Ich spüre die Augen meines Vaters auf mir.
Langsam hebe ich meinen Blick. Die dunklen Augen meines Vaters huschen sofort zum Weihnachtsbaum hinter mir und dann zu Ben und Laura.
Schon klar. Ein Paar, das man sich wenigstens ansehen konnte.
Ich ziehe am grünen Papier und zum Vorschein kommt eine Geschenkbox. Emil lehnt sich vor und schaut auf meine Hände, fast so, als ob er selbst nicht wüsste, was sich darin befindet.
Mein Herz setzt einen Schlag aus.
"Emil. Das ... das ist süß von dir. D-Danke."
Meine Augen finden seine.
Ich hoffe, dass er mich nicht küssen wird, dass er versteht, dass ich und meine Familie eine Eingewöhnungszeit brauchen, dass das hier alles neu ist. Aber Emil denkt an so etwas nicht. Er beugt sich zu mir und drückt meinen Kopf in seine Richtung.
Als seine Zunge an meine Oberlippe stößt, ziehe ich mich schnell zurück.
Mila kichert, Jonny scheint plötzlich hellwach zu sein.
Wenn mein Dad jetzt aufsteht und geht, werde ich Emil höchstpersönlich dafür verantwortlich machen!
Aber mein Vater bleibt sitzen. Ich schaue nur auf seine Füße, die sich keinen Millimeter bewegen. Auch nicht nachdem eine Minute verstrichen ist.
Verlegen ziehe ich den Kopf ein und halte mein Geschenk in die Höhe, sodass es alle sehen können.
Es handelt sich um ein goldenes Armband. Die groben Glieder sind geriffelt und fangen das Licht des Weihnachtsbaumes ein. Ich wusste sofort, wo Emil es gekauft hat; bei dem Juwelier am Santa Monica Pier, vor dessen Schaufenster ich mir regelmäßig die Augen auf dem Kopf gucke.
"Jetzt fühle ich mich richtige schlecht", sage ich unter einem tiefen Seufzen.
Meine Familie konzentriert sich gerade ganz auf Laura und ihren Planer.
"Sollst du auch", kichert er und wirft seine schwarzen Haare zurück.
Mila spricht Emil an. Ich höre ihnen nicht zu. Mit meinem Armband in der Hand starre ich auf das zusammengeknüllte, grüne Geschenkpapier vor meinen Füßen.
Es schimmert wie ein grüner Regenbogen. In den Knicken und Dellen des Papiers wirkt das Grün dunkler. Es hat fast die Farbe von Bradyns Augen.
Ich verfluche mein Gehirn dafür, mir solche Tricks zu spielen. Warum kann ich mich nicht einfach auf die Bescherung mit meiner Familie konzentrieren? Auf Emil neben mir?
Warum starre ich dieses Geschenkpapier an und nicht das sündhaft teure Goldarmband zwischen meinen Fingern?!
Ich bin Bradnys Kali-Boy. Und er? Er ist mein Bastard!
Ein Fluch, der auf mich losgelassen wurde und dem ich nicht entkommen kann.
Und ich verfluche diesen Bastard für alles, was er mir angetan hat. Er ist in meinem Kopf.
Wie es wohl wäre, mit ihm hier unter dem Tannenbaum zu sitzen. Würden sich seine magischen Finger um meine Wade legen und sie leicht massieren? Nur als ein Zeichen, dass er da war, während wir uns mit meinen Eltern unterhielten.
Ich kann ihn förmlich spüren, wenn ich die Augen schließe. Seine langen Finger und sein fester Griff.
Ich rieche sein Aftershave, das sich mit dem Geruch der Tanne mischt.
Verdammt.
Eine tiefe Stimme reißt mich aus meinen Fantasien.
Augenblicklich bin ich wieder im Hier und Jetzt, Bradyn zerfällt zu Staub und ich kicke das grüne Geschenkpapier weit weg von mir.
Mein Vater hat sich aufrechter hingesetzt und blick in die Runde. Dieses Mal gleiten seine Augen nicht einfach nur über mich.
"In diesem Sinne möchte ich allen ein frohes Weihnachtsfest wünschen! Und auch noch einmal ganz herzlich unseren Gast begrüßen."
Er nickt Emil zu, der rote Ohren bekommt.
In mir breitet sich ein wohliges, warmes Gefühl aus.
Doch der Blick, den meine Mutter und mein Vater austauschen, entgeht mir nicht.
Immerhin; es ist ein Anfang. Ob ein erzwungener oder gewollter ist doch egal.
Langsam verlassen wir alle unsere Plätze, nachdem meine Mutter in die Küche gestürmt ist; den Braten wenden.
Das Beste des Tages steht uns allen noch bevor. Der Abend.
Und dann wird mich kein Geschenkpapier an Bradyns Gegenwart erinnern. Bradyn selbst wird es tun. Mit jeder einzelnen Sekunde, die wir gemeinsam an einem Tisch sitzen müssen.
Ich helfe Mila, den Geschenkabfall aufzusammeln und nach draußen in die Mülltonne zubringen.
Ich stelle sicher, dass sich das grüne Papier von Emil ganz unten befindet.
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Song: K - CigarettesAfterSex
Ich schwöre, dass mit dem Geschenkpapier war nicht geplant! Ich habe einfach irgendeine Farbe genommen und beim Schreiben dann gemerkt: "Hey! Da lass mal was draus machen!"
Ich hoffe, euch allen geht es gut.
Ach ja und Frohe Weihnachten! Hahhaaaaa, ja ich weiß, mein Humor!
Next chapter is going to be a Bradyn P.O.V.!!!!!!! :)
Hört ihr CigarettesAfterSex?
I do, but not thaaat often.
All my Love!
Lisa xoxo
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