Wie Holger den Troll ertränkte
Es war einmal an einem schönen Tag, da kam Holger Hinrann, ein Taugenichts aus Goldenthal, nach einer langen Wanderung durch den Traumfängerwald nach Himmelsruh. Er war müde und hungrig von der langen Reise und kehrte bei der quiekenden Henne ein, um sich zu stärken. Wie er da so saß und seinen quälenden Hunger stillte, dachte er bei sich: Auf meiner Wanderung lief mir so viel Wild über den Weg. Wäre ich selbst des Kochens mächtig, ich hätte nicht tagelang mit leerem Magen durch die Gegend ziehen müssen.
Da fragte er den Wirt, wo er wohl das Kochen lernen könnte.
„Wenn du möchtest, kannst du gerne bei mir in die Lehre gehen. Ich will dir zeigen, wie man eine deftige Suppe kocht, ein Wildbret anbrät und einen süßen Kuchen backt."
„Nun, wenn ich mir schon die Mühe mache, so will ich auch beim besten Koch des Landes lernen", erwiderte Holger. „Die Frage ist nur, wie finde ich den?"
Da verzog der Wirt den Mund und meinte: „Ein Feinschmecker, wie du einer bist, der wird den besten Koch schon finden, wenn er nur seiner Nase folgt."
„Hab Dank für deinen Rat", sagte Holger, packte sein Ränzlein und zog sogleich los. Und wie er zur Tür hinaus war, da zeigte seine Nase Richtung Osten und eilig trugen ihn seine Füße voran.
Alsbald erreichte er weite Äcker und als ihn seine Nase zur Tür eines Bauernhofs führte, klopfte er kräftig an, bis eine stämmige Bauersfrau ihm die Tür öffnete.
„Sonnigen Tag, Holger Hinrann mein Name, ich wollte fragen, ob hier wohl der beste Koch des Landes wohnt?"
Die Frau errötete und schüttelte den Kopf. „Ich mag zwar für meinen lieben Mann gut genug kochen, aber die beste bin ich bei Weitem nicht."
„Dann bin ich noch nicht weit genug gegangen", schlussfolgerte Holger und zog weiter.
„In diese Richtung kommst du nur ins Hügelland!", warnte sie ihn, doch er ließ sich nicht abbringen.
Bald darauf stieg das Gelände an und fiel gleich darauf wieder ab. Holger wanderte über hohe Wiesen und durch schmale Täler. Die Sonne brannte ihm ins Gesicht und irgendwann kam ihm eine Gruppe Lichtelben entgegen, die wollten gerade nach Himmelsruh, um ihre Lieder zu singen.
„Sonnigen Tag, Holger Hinrann mein Name", stellte Holger sich vor. „Sagt, gute Elben, seid Ihr die besten Köche des Landes?"
Da lachten die Elben und schüttelten entschieden den Kopf. „Unser Zuhause ist karg und bietet nur wenig Nahrhaftes, was sich verkochen ließe. Darum fehlt es uns auch an Erfahrung."
„Dann muss ich noch ein Stückchen weiter", sagte Holger entschlossen.
„Halte ein, in diese Richtung kommst du ins Land der Steintrolle!", riefen sie ihm nach, aber auch dieses Mal wollte Holger nicht hören.
Er verfolgte weiter seinen Weg, durchquerte einen Wald voller Schmetterlinge, wo er die Nacht verbrachte, und am nächsten Morgen ging er gleich weiter, bis die Sonne hoch am Himmel stand. Mittlerweile knurrte ihm ordentlich der Magen und er freute sich umso mehr darauf, bald den besten Koch des Landes zu finden.
Endlich erreichte er die Ausläufer der Elfenberge. Als er ein Stück bergauf ging, löste sich plötzlich ein Felsen aus dem Hang neben ihm und ein gewaltiger Steintroll versperrte ihm den Weg.
„Sonnigen Tag, Holger Hinrann mein Name", sagte Holger unbekümmert und hob grüßend die Hand.
„Mir ist egal, wie du heißt, du sollst heute meine Mahlzeit werden", grollte der Troll und packte ihn.
„Dann habe ich also endlich den besten Koch des Landes gefunden?"
„Wovon redest du da, kleiner Mann?"
„Nun, ein Gastwirt aus Himmelsruh meinte, wenn ich nur immer meiner Nase folgte, dann würde ich den besten Koch schon finden. Nun bin ich bis an den östlichsten Zipfel gelangt, den ich zu Fuß wohl erreichen kann, also musst du der Gesuchte sein."
Der Troll lachte herzhaft. „Ich soll der beste Koch sein?"
„Dein Ruf scheint dir vorauszueilen, großer Troll. So will ich dich bitten, wenn du mich schon verzehrst, dass du mir zumindest die Ehre erweist, an deiner Kunst teilzuhaben."
Der Troll setzte Holger ab und fuhr sich nachdenklich übers Kinn. Er hatte immer gedacht, er wäre dafür bekannt, der schrecklichste aller Trolle zu sein. Doch wenn er für seine Kochkünste bekannt war, so wollte er diesen gerecht werden. „Diesen Wunsch will ich dir gewähren", sagte er. „So werde ich ein Feuer errichten und dich darauf schön saftig braten."
Da türmte der Troll einen kleinen Haufen Holz zusammen und richtete einen Spieß her, der noch länger war als Holger selbst und positionierte diesen auf einem Holzgestell. Doch wie er Holger aufspießen wollte, hob dieser abwehrend die Hände. „Moment mal. Das ist doch viel zu wenig Feuerholz. Da werde ich kaum gar werden."
Der Troll sah ihn mit gerunzelter Stirn an. „Woher willst du das denn wissen?"
„Ich mache regelmäßig Feuer, um mich über Nacht zu wärmen, und dieses dünne Geäst hier wird so schnell abgebrannt sein, dass nicht einmal meine Haut knusprig würde."
„Du willst mich austricksen. Wenn ich jetzt Holz sammeln gehe, werde ich müde und wenn ich müde werde, so schlafe ich ein und werde wieder zu Felsgestein und dann wirst du fliehen."
Holger schüttelte vehement den Kopf. „Ich schwöre dir bei meiner Ehre: solltest du ermüden, will ich dich gleich wecken."
Und weil Holger so überzeugend sprach, zog der Troll los und schlug eine große Menge Holz über viele Stunden hinweg und schwitzend und schnaufend türmte er es neben Holger auf. Er war über die Arbeit so erschöpft, dass er sich einen Moment gegen die Felswand lehnte und einzudösen begann.
Da patschte Holger ihm kräftig auf die Wange. „He! Nicht einschlafen. Du wolltest mir doch zeigen, wie der beste Koche des Landes sein Werk verrichtet!"
Der Troll richtete sich schwerfällig auf. „Recht so, recht so. Dann will ich dich einmal auf den Spieß stecken und endlich braten."
„Moment!", wandte Holger ein. „Wäre es nicht bei Weitem besser, du schneidest dein Mahl in kleine Stücke, sodass es knusprig wird wie Speckwürfelchen in der Pfanne?"
Der Troll schleckte sich über die Lippen. „Das klingt wahrlich schmackhaft, aber ich habe kein Messer und eines herzustellen, kostet mich viel Zeit. Da werde ich noch müder sein und mit Sicherheit einschlafen."
„Sorge dich nicht, auch dieses Mal kannst du dich darauf verlassen, dass ich dich aufwecke."
Der Troll war einverstanden, brach einen großen Stein, sodass er eine scharfe Kante behielt, und wetzte diese über einige Stunden an einem Felsen, bis er eine Klinge hatte, die so scharf war, dass man damit hätte einen Bart trimmen können. Darüber war er so müde, dass er sich nur kurz gegen eine Wand lehnte, zu Stein wurde und sofort eindöste.
Holger trat ihm kräftig gegen das Bein und der Troll erwachte schlagartig. „He! So war das nicht ausgemacht. Du bist noch nicht fertig mit deinem Werk."
Der Troll rieb sich über die Augen. „Danke, dass du Wort hieltest." Er gähnte herzhaft. „Jetzt will ich dich in kleine Stücke schneiden und dann über dem Feuer braten."
„Halte ein!", rief Holger. „Willst du mich nicht erst ordentlich würzen, damit ich auch nicht fade schmecke?"
„Was erwartest du denn noch alles von mir? Langsam dunkelt es schon und mir knurrt der Magen. Bald sehe ich die Hand vor Augen nicht mehr und komme gar nicht mehr zum Kochen. Woher soll ich denn jetzt Gewürze beschaffen?"
„Gar kein Problem. Zumindest etwas Salz wirst du leicht bekommen." Holger deutete nach Osten, wo sich der Fadenschlängler ins Meer ergoss. „Das Meerwasser ist voller Salz. Schöpfe mit den Händen etwas Wasser heraus, derweil ich das Feuer errichte. Wir wollen das Wasser kochen, bis nur noch das Salz zurückbleibt."
Der Troll war einverstanden und während Holger ein großes Feuer schürte, schöpfte der Troll Wasser aus dem Meer. Doch jedes Mal war es Holger zu wenig und er schickte ihn aufs Neue los. Der Troll aber war fürchterlich müde und jeder Schritt fiel ihm schwer. Als er beim dritten Mal am Wasser angelangt war, da hielt er beim Schöpfen inne, um kurz seine Augen auszuruhen. Kaum versah er sich, war er eingeschlafen und wieder ein grober Felsen. Sein eigenes Gewicht ließ ihn vornüberkippen und er versank in der tiefen See.
Holger, der schon ahnte, dass sein Koch wieder einmal eingeschlafen war, lief los, um nach ihm zu sehen, konnte ihn aber nirgends ausmachen.
„Welch eine Enttäuschung. Nun habe ich den besten Koch gefunden, doch er macht sich aus dem Staub, noch ehe er mir seine Kunst beibrachte. Mir scheint, das Kochen ist eine mühselige Angelegenheit. Vielleicht probiere ich es doch mit etwas anderem."
Da packte er sein Ränzlein und zog munter Richtung Westen. Der Troll aber kehrte nie wieder aus den eisigen Tiefen zurück.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro