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7. noceur

noceur: jemand, der lang wachbleibt

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Samstag, April

Sebastian hatte nicht gut geschlafen. Was zum Teil wohl auch daran lag, dass er einen Großteil der Nacht unterwegs gewesen war. Als er sich an den Frühstückstisch setzte, warf seine Mutter ihm einen besorgten Blick zu, aber sie fragte nicht nach, vermutlich, da sie wusste, dass Sebastian ihr keine ehrliche Antwort geben würde.

„Wann kommst du morgen wieder?", fragte sie stattdessen.

Sebastian würgte einen Bissen seines Brötchens herunter und starrte dann nachdenklich auf die Butter. „Ich weiß nicht. Eliza und Joseph sagten, sie wären am frühen Nachmittag wieder da. Keine Ahnung, wie sie das definieren, aber ich schätze, zum Tee bin ich wieder hier."

Er hatte gestern mit Eliza telefoniert, die Sebastian darum gebeten hatte, ausnahmsweise mal samstags im Haus der Moriartys zu übernachten, weil sie übers Wochenende Bekannte besuchen gingen. Anscheinend konnte niemand ihrer Söhne diese leiden, weshalb sie allein zu Hause blieben, aber da Eliza wollte, dass das Haus noch stand, wenn sie zurückkamen, hatte sie Sebastian gefragt, ob er zumindest von Samstag bis zu ihrer Rückkehr am Sonntag die Dinge im Auge behalten konnte. Da das bedeutete, dass Sebastian mehr Stunden bezahlt bekommen würde und er eine Ausrede hatte, nicht für die anstehenden Prüfungen zu lernen, hatte er zugestimmt. Auch, wenn er das Gefühl hatte, dass das gar nicht gut ausgehen konnte.

„Und du bist dir sicher, dass ich dich nicht fahren soll?" Seine Mutter hatte diese Angewohnheit, erst von ihrem Brötchen abzubeißen und dann zu sprechen und weil Sebastian das hasste und sie nur äußerst schwer verstand, versuchte sie, damit aufzuhören. Allerdings vergaß sie diesen guten Vorsatz immer wieder und bemerkte es erst, wenn Sebastian das Gesicht verzog.

Heute bemerkte sie es nicht, weil sie immer wieder gestresst auf die Uhr blickte. Sie hatte ein Treffen mit jemanden von ihrer Bank und sie trug einen Blazer und einen schwarzen Rock. Damit wirkte sie sehr fremdartig auf Sebastian, der sie zu Hause beinahe immer in grauer Schlabber-Jogginghose und übergroßen T-Shirt sah. Selbst, wenn sie ihren Arbeitstag an der Uni antrat, trug sie nur helle Jeans und Blusen, die selbst Farbspritzer aufzuweisen schienen, wenn Dorothea Moran sie vorher noch nie getragen hatte.

Sebastian kaute, anders als seine Mutter, auf, ehe er auf ihre Frage antwortete: „Ich bin mir ganz sicher. Ich bin nämlich siebzehn und weiß, wo die Tube liegt."

„Nicht frech werden, mo chroí", erwiderte seine Mutter ironisch und zwinkerte ihm zu. Dabei stand sie auf und stellte ihren leeren Teller in das Waschbecken.

Sebastian verdrehte die Augen, aber ein leichtes Grinsen zupfte an seinen Lippen. Seine Mutter könnte nicht einmal streng sein, wenn sie es versuchte.

„Ach, Sebastian?" Sie hielt auf dem Weg aus der Küche noch einmal inne und drehte sich zu ihm um. Sebastian blickte sie fragend an. „Du weißt, dass du immer mit mir reden kannst, nicht wahr?"

Sebastian blinzelte kurz und blickte dann auf seinen Frühstücksteller. „Sicher, Má. Wenn ich etwas zu erzählen habe, gebe ich dir Bescheid." Er wusste so gut wie sie, dass sie ihn nicht darauf angesprochen hatte. Viel mehr auf seine dunklen Augenringen und die Art, wie er manchmal zu lang in Gedanken versank, als dass man es noch versinken nennen konnte; vielmehr war es ein beinahe-ertrinken und dann nach-Luft-schnappend-durch-die-Oberfläche-brechen. Er konnte nichts dafür. So war das manchmal. Sein Geist schloss sich ein und ließ sich selbst erst heraus, wenn er sich sicher war, dass Sebastian sich an jede Einzelheit der Fehler, die er gemacht hatte, erinnerte. Was beträchtlich viele waren.

„Okay." Seine Mutter blickte ihn noch einen Moment länger an und schien etwas sagen zu wollen. Vermutlich etwas Aufbauendes oder Inspirierendes (sie zitiere sehr gern Emily Dickinson und Nikita Gill), aber schließlich merkte sie nur an: „Im unteren rechten Fach sind noch Marshmallows, nimm sie doch mit. Die Jungs freuen sich sicher."

„Ja, danke."

„Auf Wiedersehen!" Nun war sie bereits im Flur - Sebastian hatte sie kaum weggehen sehen.

„Bis morgen!", rief er, aber da war sie schon aus der Tür. So war seine Mutter immer, wenn sie gestresst war: zu schnell und etwas weiter voraus als nötig.

Sobald sie fort war, lag die Wohnung wieder verlassen da und Sebastian konnte sich wieder seinen Gedanken hingeben. Er knirschte mit den Zähnen und kratzte sich abwesend ein wenig orangene Farbe vom Arm. Hoffentlich würde das Wochenende bei den Moriartys nicht zu anstrengend werden. Er hatte nicht das Gefühl, dass er so etwas wie Hektik zurzeit ertragen könnte.

Diese Stille ertrug er auch nicht, also räumte er den Tisch ab und machte sich etwas früher auf den Weg Richtung Chiswick.

Harpers Anruf drückte er wie letzte Nacht weg, sprang auf sein Skateboard und fuhr damit zur Tube-Station, nur wachgehalten durch eine gehörige Dosis Koffein.

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Zwei Wochen. Zwei Wochen schien Jim es ihm bereits übel zu nehmen, dass Sebastian hatte nett sein wollen.

Nachdem Dorian, der mittlerweile wieder gesund war, ihn hereingelassen und sofort über ein Spiel aufgeklärt hatte, dass er mit seinen Freunden immer spielte (die Regeln waren Sebastian auch nach dem Erklären schleierhaft, aber offenbar ging es darum, dem anderen so viel Erde wie möglich in die Kapuze zu stecken; wer keine Kapuze hatte, durfte auch nicht mitspielen), lief Sebastian mit seinem Rucksack ins Wohnzimmer. Jim saß dort auf der Couch und sah ihn schon wütend an, bevor er überhaupt den Mund aufgemacht hatte.

Sebastian schluckte die Begrüßung herunter.

„Du bist ja wirklich hier", stellte Jim fest und Sebastian drehte sich gar nicht erst zu dem Jüngeren um, da er die Grimasse, die der zog, auch aus seinen Worten heraushören konnte. „Ich hatte gehofft, meine Eltern hätten nur plötzlich Humor entwickelt und es nicht ernstgemeint, dass gerade du herkommst."

Sebastian ließ unerwähnt, dass gerade er schon seit knapp über einem Monat hierherkam. Er ignorierte auch Jims Kommentare bezüglich der Wahrscheinlichkeit, mit der er das Haus anzünden oder einen von den drei Brüdern versehentlich umbringen würde (Sebastian wusste genau, welchen er nicht versehentlich umbringen würde).

Jim unterbrach seine Tirade (sein Selbstgespräch?) erst, als Andrew hereingestürmt kam, Sebastians Namen rief und diesen überraschend umarmte. Da der das sonst nur von dem jüngsten Moriarty kannte, war er ein wenig überfordert, lachte aber darüber hinweg. „Hey, Kumpel."

„Ich muss dir zeigen, was ich von Dotty gelernt habe!" Und schon war er wieder die Treppen hochgerannt.

Sebastian blickte fragend zu Dorian, der nur leicht die Schulter hob. „Er hat einen Zaubertrick gelernt. Ich find den gar nicht so toll." Seine beleidigte Miene sagte etwas anderes; vielleicht war er eifersüchtig, weil sein Bruder den Trick konnte und er nicht.

Als Jim bemerkte, dass niemand ihm mehr zuhörte, stand er von der Couch auf und schnaubte verächtlich. Dann stolzierte er aus dem Wohnzimmer und kurze Zeit später hörte man oben eine Tür laut zufallen.

Sebastian hatte kein Problem damit, wenn Jim ihn für ein paar Minuten, vielleicht sogar Stunden, nicht versuchte, fertigzumachen.

Wenig später stapfte Andrew wieder die Treppen herunter. Er hielt mit wichtigtuerischer Miene einen Stapel Karten in der Hand und begann diesen, als er vor seinem kleinen Bruder und Sebastian stand, zu mischen, was wohl professioneller ausgesehen hätte, wären ihm dabei nicht immer wieder Karten heruntergefallen. Sebastian unterdrückte das Grinsen und beobachtete Andrew nur erwartungsvoll.

Nachdem der Junge die Karten als genügend vermischt erachtet hatte, hielt er sie Sebastian gefächert hin. „Nimm dir eine Karte und merk sie dir. Ich darf sie nicht sehen."

Sebastian zog eine Karte aus der Mitte. Ass, Kreuz. Er legte sie wieder zurück und Andrew begann erneut die Karten zu mischen, wobei er ohne System vorzugehen schien, diesmal jedoch wenigstens keine Karten fallen ließ.

Nach zwei oder drei Minuten, begann er in dem Stapel nach etwas zu suchen, wobei er über jede einzelne Karte, seine Hand schweben ließ, als könnte er so erspüren, welches Bild auf dieser gedruckt war. Schließlich zog er eine Karte hervor und hielt sie Sebastian vor die Nase. „Ist das deine Karte?"

Es war seine Karte. Dorian, der ihm über die Schulter gesehen hatte, verschränkte eingeschnappt die Arme, während Sebastian lächelnd nickte und dann applaudierte. Andrew strahlte und verbeugte sich. Er ließ dabei beinahe seine Karten fallen, schaffte es jedoch gerade rechtzeitig, sie an seine Brust zu drücken.

Als er sich aufrichtete, wirkte er noch immer ziemlich aufgeregt. „Soll ich dir zeigen, wie der Trick geht? Es ist ganz einfach."

Sebastian hob abwehrend die Handflächen. „Ein Zauberer verrät nie seine Tricks, das solltest du doch wissen."

Andrews Lächeln verschwand kurz, als wäre er erschrocken, dass er das vergessen hatte. Danach setzte er jedoch eine geheimnisvolle Miene auf und nickte. „Stimmt. Ich verrate meine Tricks nicht, tut mir leid." Das sagte er, als hätte Sebastian nach der Lösung gefragt, und der spielte einfach mit.

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Kurze Zeit später saßen die Jungen leise tuschelnd auf der Couch; Dorian hatte Andrew dazu überreden können, ihm den Kartentrick auch beizubringen. Sebastian versuchte unterdessen irgendwie, ein anständiges Mittagessen hinzubekommen, weil die Brüder heute »nur zwei Brötchen und Omelett zum Frühstück« gegessen hatten und jetzt hungrig waren.

„Das riecht verbrannt!", rief Dorian aus dem Wohnzimmer und Sebastian blickte zweifelnd auf die Pfanne, in der er versucht hatte, Bratkartoffeln zu machen. Leider rochen sie nicht nur verbrannt.

Kurz war Sebastian versucht, wieder etwas zu bestellen, aber er wollte sich beweisen, dass er wenigstens etwas mehr konnte als Nudeln kochen und Pizza bestellen. „Was haltet ihr von Auflauf?", fragte er laut. Die Jungen gaben ein mehr oder minder begeistertes Brummen von sich. Da Sebastians Fähigkeiten jedoch eingeschränkt waren, mussten die beiden sich damit abfinden.

Wenig später hatte er die verkohlten Reste der Kartoffeln weggeschmissen und den Auflauf so fertig, dass er ihn in den Ofen stellen konnte. Das war zumindest ein kleines Erfolgserlebnis an diesem Tag, obwohl Sebastian sich ziemlich sicher, dass er etwas aus dem Rezept seiner Großmutter (die leider bereits verstorben war) für den Auflauf vergessen hatte. Aber er glaubte nicht, dass es irgendwen umbringen würde. Das hoffte er zumindest.

Als er wieder ins Wohnzimmer lief, waren Andrew und Dorian gerade in einen Cartoon vertieft. Sebastian hatte nichts dagegen, denn er war noch immer erschöpft, aber er wusste auch nicht, was er mit sich anfangen sollte, wenn die Jungen ihn nicht brauchten, deshalb setzte er sich auf die Lehne der Couch. Eine kurze Weile versuchte er zu entschlüsseln, worum es in dem Cartoon ging, gab jedoch schnell auf.

„Sebastian?", fragte Andrew irgendwann und wandte den Blick vom Bildschirm zu Sebastian. „Magst du eher dunkelhaarige oder blonde Mädchen?"

Diese Frage alarmierte Sebastian. „Wieso?", fragte er misstrauisch und Andrew und Dorian grinsten sich vielsagend an.

„Ach, nur so. Also?" Andrew blinzelte ihn erwartungsvoll an und auch Dorian hatte die Trickserie vergessen.

„Ähm", machte Sebastian. Er wusste wirklich nicht, was hier gerade passierte. Wieso kamen sie jetzt auf eine so seltsame Frage? „Ich finde nicht unbedingt, dass das äußere Erscheinungsbild so wichtig ist..."

„Aber wenn du dich entscheiden müsstest?"

„Wenn ich... mich entscheiden müsste?", wiederholte Sebastian dümmlich. Wieso sollte er sich jetzt plötzlich entscheiden? Dann ging ihm ein Licht auf. „Wartet. Ihr wollt mich doch nicht verkuppeln, oder?"

Fast erwartete er, dass die beiden in Gelächter ausbrachen, weil sie einfach nur eine seltsame Frage gestellt und Sebastian gleich falsche Schlüsse gezogen hatte. Doch Andrew seufzte nur tief und Dorian zog einen Schmollmund und erklärte: „Dottys große Schwester hat letztens erst mit ihrem Freund Schluss gemacht. Und Jims Freundin hat auch keinen Freund. Und du bist allein."

Sebastian wusste nicht, was seltsamer war: dass zwei kleine Jungen ihn verkuppeln wollten und ihm dafür zwei Kandidatinnen gefunden hatten oder dass er zum ersten Mal hörte, dass Jim überhaupt Freunde hatte.

„Das ist echt... nett von euch. Aber ich bin zurzeit wirklich nicht auf der Suche nach jemandem." Sebastian lächelte die zwei an, in der Hoffnung, sie würden es darauf beruhen lassen, weil dieses Thema ihn ziemlich verlegen machte.

„Wieso? Bist du doch wieder in einer Beziehung?" Andrew wirkte enttäuscht.

Sein kleiner Bruder hüpfte hingegen aufgeregt auf dem Sofa herum. „Bist du wieder mit Harper zusammen? Heiratet ihr jetzt doch?"

„Ganz sicher nicht." Sebastian wünschte sich wirklich, Dorian hätte sich Harpers Namen nicht gemerkt. Oder gleich das ganze Gespräch vergessen, welches er wegen Jim hatte führen müssen.

So jedoch stellte ein Erstklässler unangenehme Fragen und erinnerte Sebastian wieder daran, dass er etwas in der letzten Nacht falschgemacht hatte - er hatte auf eine von Harpers Nachrichten geantwortet. Wie es ihm gehe, hatte Harper wissen wollen und weil Sebastian wachgelegen hatte und weil er ein Trottel war, hatte er ein einfaches "Gut" geantwortet. Er hatte nicht einmal irgendwas angehangen, seine Antwort hatte nur aus diesem einen Wort bestanden und dennoch hatte Harper sich berufen gefühlt, ihm sogleich zehn weitere Nachrichten zu schreiben und ihn dann viermal anzurufen. Sebastian gab es zu: Er hatte Panik bekommen. Weil Harper erneut Treffen vorgeschlagen und so erfreut auf Sebastians Antwort reagiert hatte, als hätte er eine erste Schlacht schon gewonnen. Und weil es zwei Uhr morgens gewesen war und Harper trotzdem geantwortet hatte und Sebastian nicht wusste, ob das bedeutete, dass Sebastian Harper wichtig war, oder ob es von Besessenheit sprach.

Jedenfalls hatte er sich die Jacke angezogen und war mit seinem Rucksack losgefahren, weil die Wohnung ihm zu stickig vorgekommen war - sein Handy hatte er zurückgelassen, um Harpers Nummer nicht mehr auf dem Bildschirm lesen zu müssen, die er noch immer auswendig kannte. Die Nachtluft hatte ihm gut getan, genauso wie seine Ablenkung, aber den Schlaf hatte es ihm dennoch geraubt.

„Dotty meinte, ihre Schwester hätte nichts dagegen, dich mal zu treffen." Sebastian hatte nicht bemerkt, dass das Gespräch ohne ihn weiter gegangen war und dass die Brüder über seinen Protest hinweggesehen hatten. „Sie heißt Florence und ist sechzehn oder siebzehn, da ist Dotty sich nicht ganz sicher, und sie ist eigentlich sehr nett, manchmal aber auch ziemlich zickig. Sie hat noch hellere Haare als Dotty und eine lila Strähne und sie ist relativ groß, aber-"

Bevor Andrew ihm noch Florence' Schuhgröße verriet, unterbrach Sebastian ihn: „Danke, aber zur Zeit bin ich wirklich nicht interessiert. Ich bin mir sicher, Florence findet auch jemand anderen." Mittlerweile war sein Lächeln angestrengt und es tat ein wenig weh - nicht mehr lang, und sein Gesicht würde zu zucken anfangen.

Nun sahen sie beide ihn enttäuscht an. „Bist du dir sicher?", fragte Dorian kleinlaut und Sebastian nickte nachdrücklich.

„Hunderprozentig."

In dem Moment ging der Alarm des Ofens los und rettete ihn aus dieser Peinlichkeit. „Ich sehe mal nach dem Auflauf."

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Das Mittagessen war, wenn auch einzig für Sebastian, ziemlich unangenehm. Dorian und Andrew schienen das vorherige Thema bereits vergessen zu haben und mampften zufrieden vor sich hin, während sie sich über das neuste Videospiel unterhielten, das jemand aus Andrews Klasse geschenkt bekommen hatte.

Sebastian hasste es, dass er schon wieder zu viel darüber nachdachte. Hatten sie es versucht, weil Sebastian so einsam wirkte? Weil er samstags immer hier war, anstatt feiern zu gehen oder sich mit Freunden zu treffen? Oder steckte dahinter nichts weiter als kindliche Langeweile und Sebastians Singledasein hatte da plötzlich so gut reingepasst?

„Igitt, hier stinkt's." Sebastian hatte nicht mitbekommen, dass Jim hereingekommen war und zuckte bei seinen Worten dementsprechend zusammen. Jim blickte ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Schon mal was davon gehört, das Fenster aufzumachen, wenn du was abfackelst?"

„Schon mal was davon gehört, nicht ganz so unterträglich zu sein?", erwiderte Sebastian murmelnd.

„Was?"

„Ach, nichts."

„Er hat gesagt, dass du nicht so unterträglich sein sollst", wiederholte Dorian für ihn und beinahe wäre Sebastian mit „Verräter!" herausgeplatzt, konnte sich dann jedoch gerade noch zurückhalten. Das war jetzt offenbar die Rache dafür, dass Sebastian den Verkupplungsversuch abgewehrt hatte.

Zu seinem Erstaunen reagierte Jim gar nicht darauf. Er riss das Fenster mit mehr Schwung als nötig auf und nahm sich dann demonstrativ Essen aus dem Kühlschrank - vielleicht Reste vom gestrigen Abendessen?

Für einen Moment schien es tatsächlich, als überlegte Jim, sich zu ihnen zu setzten, doch schließlich rümpfte er nur die Nase und verschwand aus der Küche.

„Ihr könnt doch Jim verkuppeln", merkte Sebastian, nur halb im Scherz, an. „Der scheint mir, als würde ihm eine Beziehung guttun."

„Das wäre viel zu frustrierend", befand Andrew und fügte dann mit vollem Mund hinzu: „Außerdem glaube ich nicht, dass er auf Mädchen steht."

Dorian schien einen Moment zu überlegen - vielleicht übersetzte er das Gebrabbel seines Bruders genauso wie Sebastian es tun musste - dann nickte er zustimmend. „Ich hab mal gesehen, wie er einen Jungen geküsst hat. Aber ich weiß nicht, wer es war."

Sebastians Augenbrauen wanderten erstaunt in die Höhe. Das konnte er sich nur schwer vorstellen. Aber er kannte Jim ja auch noch nicht lang und nur weil Sebastian es sich schwer vorstellen konnte, hieß das ja nicht, dass Jim nicht vielleicht doch irgendwo einen romantischen Kern hatte und dazu in der Lage war, jemandem nicht nur völlig auf den Geist zu gehen.

Abwesend erklärte Sebastian: „Aber man muss nicht nur auf Jungen oder Mädchen stehen. Beides geht auch."

Andrew winkte ab. „Jaja, ich weiß, das hat Mum uns erklärt. Es gibt ganz viele verschiedene Begriffe, aber die kann man sich gar nicht alle merken."

„Narzissmus", warf Dorian völlig unzusammenhängend und mit vor Stolz geblähter Brust ein - Sebastian glaubte nicht, dass er wirklich wusste, was das Wort bedeutete, sondern, dass es ihn nur freute, dass er so ein schwieriges Wort kannte.

Sebastian grinste amüsiert und danach konnte er sich endlich aufs Essen konzentrieren und nicht nur auf seine Gedanken.

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Sebastian hoffte, dass er es nicht bereuen würde, noch ein Kind ins Haus gelassen zu haben.

„Habt ihr ihn gefragt?", schrie Dotty, sobald sie durch die Haustür ins Wohnzimmer gestürmt war. Sie erblickte Sebastian, der auf der Couch saß und wurde so rot, dass es Sebastian selbst ein wenig peinlich war. „Hi, Sebastian", quiekte sie und Sebastian winkte ihr zur Begrüßung halb zu.

Andrew, der seiner besten Freundin die Tür geöffnet hatte, kam langsamer hinter ihr ins Haus und nickte, wobei er ziemlich geknickt wirkte. „Ja, aber er sagt, er will keine Beziehung."

„Oh." Auch Dotty schien das nicht toll zu finden, wodurch Sebastians Verlegenheit nur wuchs. Zumal sie über ihn sprachen, als wäre er gar nicht da.

„Aber er hat nur gesagt, dass er jetzt gerade keine Beziehung will", warf Dorian ein, der gerade dabei war, Mario Kart anzumachen, weil Sebastian versprochen hatte, dass sie spielen durften. „Also können wir ihn nächste Woche noch einmal fragen."

Da hatte Sebastian genug und stand auf. „Ich rede mal mit Jim." Das hatte er sich sowieso vorgenommen. Weil Jim ihn nervte und er wollte, dass sie wieder so normal miteinander reden konnten, wie bevor Sebastian mal wieder ins Fettnäpfchen getreten war. Und weil er das lieber hatte, als drei Kindern dabei zuzuhören, wie ihre Pläne mit seiner neuen zukünftigen Beziehung aussahen.

„Okay, Sebastian." Dotty strahlte ihn an und Andrew warf ihr einen irritierten Blick zu.

Sebastian floh die Treppen hinauf. Vor Jims Tür kam er dann jedoch abrupt zum Abbremsen und wusste nicht mehr, ob er wirklich mit Jim reden wollte. Sie waren vermutlich beide nicht auf dem Höhepunkt ihrer guten Laune, wenn auch vermutlich aus unterschiedlichen Gründen.

„Du stampfst wie ein Büffel und schnaufen tust du genauso wie einer", ertönte es hinter der Tür. Sebastian fuhr davor zurück, als würde Jim sie gleich aufreißen und ihm an die Kehle springen. Als das nicht geschah, verdrehte er über sich selbst die Augen und näherte sich der Tür wieder.

„Ich wollte reden." Einen Moment lang überlegte er, anzuklopfen, aber das wäre nun wirklich lächerlich gewesen, weil Jim ja bereits bemerkt hatte, dass Sebastian da war und die Tür noch immer geschlossen war, was wohl ein eindeutiges Indiz dafür war, dass Jim ihn nicht hereinlassen wollte.

„Worüber?" Jims Ton war nicht mehr ganz so schneidend wie noch zuvor, ließ ihn jedoch noch immer zögern.

„Ich... weiß nicht. Über dich?"

„Danke, ich habe schon einen Therapeuten."

Sebastian seufzte und rieb sich mit der Handfläche über die Augen. Das war jetzt schon anstrengend. „Nein, so meinte ich das nicht. Ich meinte, dass ich darüber reden will, dass du vor zwei Wochen so... naja, umgänglich gewesen bist und jetzt nicht mehr. Und ich wollte wissen, was ich falschgemacht habe und wie ich das wieder gutmachen kann und wieso du deine Meinung über mich ständig änderst und mich hasst, obwohl ich gar nichts getan habe."

So viel hatte er gar nicht sagen wollen, aber plötzlich war es ihm über die Lippen gekommen und jetzt, wo es raus war, war Sebastian zwar noch immer angespannt, fühlte sich aber ein wenig leichter.

Jim antwortete eine ganze Weile nicht.

Sebastian wusste nicht, ob er überhaupt eine Antwort erwarten durfte, aber er ließ sich langsam an der Wand neben der Tür heruntergleiten und lehnte den Kopf daran.

Vielleicht hasste Jim ihn ganz einfach, weil er konnte. Gab es denn immer Gründe, andere zu hassen? Oder suchte man erst nach diesen, nachdem man erkannt hatte, dass man jemanden hasste? Möglicherweise konnte Jim Sebastian einfach nicht leiden, weil er Sebastian war. So war das manchmal. Möglicherweise besaß Sebastian Eigenschaften, die Jim mochte, weshalb er manchmal unerwartet nett war, aber er konnte Sebastian im Ganzen nicht leiden, weil seine Gesamtheit etwas anderes war als nur der kleine Teil, den Jim mochte und wenn Sebastians Gesamtheit, das vollständige Puzzle seiner Persönlichkeit, ans Licht kam, dann bemerkte Jim, dass es eben nur die linke untere Ecke gewesen war, mit der er vernünftig hatte umgehen können und dass er den Rest nicht ausstehen konnte. Wäre das so, würde Sebastian es akzeptieren. Akzeptieren müssen. Es war nur fair, dass man nicht jeden Menschen mögen musste. Obwohl Sebastian gehofft hatte, dass Jim seine Meinung über ihn ändert, damit es nicht noch eine Person gab, die ihn hasste. Denn es gab einen Unterschied dazwischen, zu akzeptieren, dass man gehasst wurde und es zu akzeptieren, ohne, dass es Auswirkungen auf die gehasste Person hatte. Sebastian würde es vielleicht akzeptieren, aber nicht ignorieren oder vergessen können.

Von unten kam ein empörter Ruf und Sebastian wurde zurück in die Wirklichkeit katapultiert. Die Tür schwieg ihn noch immer eisern an. „Es tut mir leid, wenn ich dich irgendwie... beleidigt oder verletzt habe. Das war wirklich keine Absicht und es tut mir leid. Nur solltest du mir sagen, was es war, dass das verursacht hat, damit ich es nicht wieder tue." Seine Augen brannten und da bemerkte Sebastian erst, dass er, ohne zu blinzeln, auf den Parkettboden mit dem grauen Flusenteppich gestarrt hatte.

„Es ist nur zum Teil deine Schuld." Jims Stimme war so leise hinter dem Holz seiner Tür, dass Sebastian ihn beinahe nicht vernommen hätte. „Du erinnerst mich manchmal an jemanden, obwohl du ganz anders bist, und das gefällt mir nicht."

Mit dieser Antwort konnte Sebastian eigentlich gar nichts anfangen, dennoch murmelte er ein wenig plump: „Achso." Er lehnte den Kopf wieder gegen die Wand und starrte nun die Decke an. „An wen erinnere ich dich?"

Sebastian meinte fast, Jim auf der anderen Seite der Tür tief Luft holen zu hören. Ob Jim auch vor der Tür saß? Oder stand er im Zimmer und blickte die Tür nicht einmal an? Würde es ihn sehr stören, würde Sebastian hereinkommen? Würde er es überhaupt bemerken oder verlor er sich manchmal genauso in Gedanken wie Sebastian?

Keine dieser Fragen konnte er gewissenhaft beantworten. Er blieb im Flur sitzen und lauschte Jims Phantomatemzügen, denn eigentlich konnte er nicht hören, wie Jim atmete, weil die Wände zu dick waren.

„Es ist... Du erinnerst mich..." Jim schien nicht wissen zu sollen, wie er anfangen sollte und Sebastian erlebte es zum ersten Mal, dass Jim Moriarty über seine eigenen Worte stolperte. „Es ist dumm. Du bist kaum wie er. Nur genauso hilfsbereit."

Sebastian wusste nicht, ob er noch einmal nachfragen sollte, von wem Jim sprach, aber schließlich siegte die Neugier: „Wie wer bin ich?"

„Ich bin nicht der Älteste", erwiderte Jim nur kryptisch und irgendwie erstickt. Ehe Sebastian sich erschließen konnte, was diese Antwort überhaupt mit ihrem Gespräch zu tun hatte und welche Bedeutung ihr zugeschrieben werden konnte, ertönte unten erneut ein Schrei, diesmal ein wenig schriller.

Alarmiert drehte Sebastian den Kopf in Richtung Treppen. Ein Klirren und ein Scheppern folgten und Sebastian sprang auf die Füße; Jims Rätsel war vergessen und er wollte gerade ins Erdgeschoss rennen, als er Andrew rufen hörte: „Dorian! Das war Mums Lieblingsvase."

Sebastian seufzte kurz - wenigstens war scheinbar keines der Kinder ermordet worden - und machte sich dann auf dem Weg die Treppen hinunter und ins Wohnzimmer.

Dann würde er jetzt wohl einen Besen suchen müssen. Über Jims Worte konnte er später noch nachdenken.

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Wörter: 4052

Lied: Ode to Sleep ~ Twenty One Pilots

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Hey :)
Leider habe ich am Montag vergessen, zu updaten, dafür kommt dann am Freitag noch ein Kapitel.

Ich habe eine kurze Frage: Mir ist aufgefallen, dass die sogenannte 'Trigger'-Warnung im deutschsprachigen Bereich nicht wirklich vertreten ist. Wenn ihr den Begriff nicht kennt: Das sind quasi Warnungen für Auslösereize, die Menschen, die psychisch und/ oder körperlich viel durchgemacht haben, verstören oder beleidigen oder andere negative Emotionen auslösen können.

Ich weiß nicht, ob so etwas bei einigen Büchern von mir notwendig wäre. Selbst, wenn gewisse Trigger nur erwähnt werden. Was denkt ihr? Mein Hauptgedanke ist eigentlich immer, dass ich niemanden spoilern will, was jedoch nicht so schlimm wäre, wie wenn jemand sich angegriffen, etc. fühlen würde aufgrund von etwas, das ich geschrieben habe.

Naja, falls euch so etwas betrifft, könnt ihr mir das ja vielleicht privat schreiben, sodass ich euch entweder vorwarnen kann oder Triggerwarnungen einfüge.

Ich hoffe, ihr hattet bisher eine gute Woche und dass sie weiterhin nur besser wird. Wir lesen uns!

LG
     Tatze.

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