Hinter den Spiegeln (Auszug)
Mein Puls jagt, und ich hoffe, dass ich diesen Traum irgendwann vergesse. Ich will an etwas anderes denken, doch es gelingt mir nicht. Ich vermeide es, in die Spiegel zu schauen. Niemand kann mich zwingen, in die Spiegel zu schauen. Ich sehe doch hin, und der Anblick meiner tränenverschleierten Augen (oder ist es das Wasser?) entsetzt mich. Ich muss ruhig bleiben, ruhig bleiben! Der Shuttle wird jeden Moment kommen, dann werde ich diese beschissene Stadt hinter mir lassen.
Der Verkehr ist die Hölle in New York, der Dreck, der ohrenbetäubende Lärm!
Als ich auf der Grand Army Plaza zwischen Central Park und der Fifth Avenue am Brunnen sitze, kann ich die schwarzen Rußpartikel auf der Haut meiner Unterarme sehen.
Wie kann man hier leben? Wie kann man hier atmen?
Ich sehe die Leute neben mir am Brunnenrand sitzen, und keinem ist es bewusst. Ein roter Sightseeing-Bus der "New York Apple Tours" fährt vorbei, und ich denke an die lauthals schreienden schwarzen Werber am Times Square. Wenn ich einen Granatwerfer hätte, würde ich den Bus in der rechten Seite treffen, und der Feuerball würde Glasscherben und Knochensplitter zwischen den Wolkenkratzern verteilen.
Den ekelerregenden Schweißgeruch nehme ich wahr, bevor ich aus dem Augenwinkel den fetten Typ im dunkelblauen Anzug sehe. Er geht langsam und schwer atmend in Richtung der Telefone, und sein Anblick ekelt mich so an, dass ich mich abwende. Jenseits der Drehtür am Eingang sehe ich ein Yellow Cab nach dem anderen vorbeifahren. Das Gewimmel der Menschen in der Halle ist Übelkeit erregend. Ich sehe auf die Uhr. Der Shuttle ist seit zehn Minuten überfällig. Das Stimmengewirr in der Halle macht mich nervös, und wenn es ginge, würde ich am liebsten auf dem Zimmer warten.
Wenn ich den marmornen Fußboden, die Weiträumigkeit der Eingangshalle und den riesigen Kristallleuchter betrachte, kann ich kaum glauben, wie schäbig die Zimmer im Vergleich dazu wirken. Im Grunde ja eine clevere Geschäftsidee: Die Lobby mit allem Prunk wie ein Märchenland auszustatten, um geschickt davon abzulenken, was hinter den Spiegeln verborgen ist. David Lynchs Version von "Alice im Wunderland"...
aus: Hinter den Spiegeln
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