59 ☾ ER
Geht doch mal weg. Mensch! Das ist ja kaum zu glauben. Sind wir auf einem Basar? Wenn ich nicht die vielen Bäume sehen könnte, die die Menschen glücklicherweise überragen, würde ich nicht glauben, dass ich wirklich angekommen bin. So überfüllt habe ich diesen Ort in den paar Tagen vorher nicht erlebt.
Aber hätten sie nicht die erste Fuhre schon vom Platz räumen können? Also ich meine ... wegbegleiten können.
Es war – und ist es noch – Wahnsinn. Wie viele wir noch einsammeln konnten. Dank Wilma, wie ich erfahren habe, konnten sich einige weitere auf einem anderen Pfad in Sicherheit bringen und haben auf uns gewartet.
Ein Glück hatten wir noch genügend Mond-Armbänder. Das wäre ja ...
Unwirklich. So fühlt es sich an. In der Nacht sind wir aufgebrochen. Logischerweise. Trotz des ganzen Technik-Schnickschnacks können wir ja nur mit der Hilfe des Monds reisen. Vielleicht können sie das ja irgendwann mal noch ausbauen. Jetzt stehe ich im strahlenden Sonnenschein und schwitze.
Der alte Angstschweiß – an den mag ich gar nicht denken, daher schiebe ich den direkt mal weg – wird überlagert von neuem, ausgelöst von der Wärme.
Sowohl in mir drin als auch außen ist ein Durcheinander. Mit den Augen suche ich immer wieder den Platz ab. Meine Beine bewegen sich aber kein Stück. Kara hat anscheinend weniger ein Problem damit. Eben stand sie noch neben mir, immerhin sind wir Hand in Hand zusammen gereist. Und nun kann ich sie nicht mehr ausmachen. Wo ist sie hin? Immer wieder lasse ich meinen Blick über alle schweifen. Auch Seb und Feran finde ich nicht. Es sind einfach zu viele.
Glückliche Ausrufe, Freudentränen und so viel mehr. Die Luft ist vollgesogen mit allerlei an überschwänglichen Emotionen. Für mich ist das zu viel. Doch ein paar Gesichter würde auch ich gerne sehen.
Wilma. Ich sehe sie. Gott sei Dank! Dann werden auch Waldtraud und Jeu hier irgendwo sein. Ich suche sie. Aber Fehlanzeige. Daher schaue ich wieder zurück. Genau in dem Moment sieht auch Wilma zu mir. Ein ehrliches Lächeln umspielt ihre Lippen. Ich versuche Waldtraud an ihrer Seite auszumachen, doch ohne Erfolg. Ich recke mich, stelle mich auf Zehenspitzen, aber immer noch nicht. Dann sehe ich, wie Wilma leicht mit dem Kopf schüttelt. Hat es das zu bedeuten, was ich vermute? Ein Kloß bildet sich in meinem Hals. Apfelkackiger Mist! Im ernst? Wenn ich Wilmas Blick richtig lese, will sie mir sagen, dass es okay ist. Für mich nicht, noch nicht. Eine Träne hat sich bereits gelöst und kullert an meiner rechten Wange hinunter.
»Jeu! Jeu!«, ruft eine mir bereits vage bekannte weibliche junge Stimme. Ist das Dira? Ich versuche sie zu erblicken.
Anstatt Dira ausfindig zu machen, sehe ich Kara. Sie hat sich schon einige Meter durch diese Masse fortbewegen können. Bald wird mir das auch möglich sein. So langsam kommt Schwung hinein. Viele lösen sich heraus, gehen zu ihnen bekannten Mitmenschen oder werden woanders hingelotst. Ich bleibe stehen. Die Eindrücke sind mir noch immer zu viel und ich bin froh, wenn es langsam ruhiger wird.
Kara scheint sich mit jemanden zu unterhalten. Ihre Lippen bewegen sich gerade, doch die andere Person wird verdeckt. Kurz darauf macht Kara einen Schritt zur Seite und dann sehe ich sie. Meine Beine erwachen nun. Nicht unbedingt auf die schönste Art, es kribbelt auf eine fiese Weise, als würden viele – sehr viele – Insekten in den Muskelsträngen tanzen. Doch das hindert mich jetzt nicht auf den letzten Metern.
Kara zeigt in meine Richtung, woraufhin sich Jeu umdreht. Und mich erblickt. Ihr Gesicht ist erstaunt. Sie wirbelt ihren Kopf noch einmal zu Kara, dann wieder zu mir und läuft dann an ihr vorbei. Auf mich zu.
Irgendwo auf dem Weg dazwischen inmitten der Masse an Menschen treffen wir aufeinander. Ich werde mich höchstwahrscheinlich nicht viel fortbewegt haben. Kara sieht noch beinahe genauso weit entfernt aus wie eben.
»Du hast es geschafft, Frederik.« Sie drückt sich an mich heran. »Ihr seid alle wieder auf Lun-Vale.«
»Ja«, antworte ich, wobei ich versuche, das Zittern, was sich ausbreitet, zu unterdrücken. Ein Zuckerschlecken war es nicht. »Natürlich.«
Sie schaut mich an und muss grinsen. Dann wird ihr Gesicht ernster. »Ich habe mir Sorgen gemacht.«
Bevor ich etwas erwidern kann, geschweige denn darüber nachdenken kann, was ich dazu sagen könnte, höre ich ein jaulen. Fritzi. Ich drehe mich um. Sie steht neben mir und winselt vor Sehnsucht. Wie damals, wenn sie mal alleine in der Hütte bleiben musste. Unruhig bewegt sie sich von den einen Pfötchen auf die anderen, bis sie es nicht mehr aushält und zu mir hochspringt.
»Hey, meine Kleine. Hey. Ich habe dich auch ganz dolle vermisst.« Ich hocke mich gemeinsam mit ihr hin; kraule und umarme sie.
Im Augenwinkel sehe ich, wie Kara, Wilma und Lesuna von weiter weg zu uns kommen. Dicht gefolgt von Dira, die gerade laufend aufschließt.
»Möchtest du nach Hause?«, fragt Jeu.
»Wenn du dem alten Opa hilfst«, versuche ich zu scherzen. Jeu schüttelt nur mit dem Kopf.
»Um mich hinter die Wolken zu bringen, musst du schneller sein.«
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