24 ☾ SIE
Mein Kopf fällt abermals zur Seite, woraufhin ich zum wiederholten Mal hochschrecke. Eilig schaue ich mich um, auch zur Eingangstür, die verschlossen ist. Ist Cil schon da? Habe ich ihn verpasst? Dann gleitet mein Blick zu Fritzi, die ruhig zu meinen Füßen liegt. Da sie nicht einmal den Kopf anhebt, nehme ich an, ich hatte nur einen Sekundenschlaf. Nach einer Weile ist sie von meiner Seite gewichen und hat es sich stattdessen vor mir bequem gemacht. Auch sie wird müde sein. Ihr Körper und Fell spendet mir Wärme und auch eine gewisse Geborgenheit. Zudem einen Hauch von Ruhe, weil sie ein Teil von Frederik ist. Wann kommt Cil endlich nach Hause? Wie lange halte ich es noch aus, bis ich ihn womöglich doch verpasse?
Mein Körper wird immer weiter in den Stoff unter und hinter mir gezogen ... Irgendwann werde ich nicht mehr widerstehen können. Aber ich will standhaft bleiben. Dieses Gefühl ...
»Schätzchen, möchtest du dich wirklich nicht erst einmal hinlegen?« Lesunas sanfte Stimme dringt zu mir. Ich weiß, sie meint es lieb. Und sie macht sich Sorgen, doch ich brauche Gewissheit. Dass ich mir vermutlich nur etwas einbilde. Ich drehe mich zu ihr um, sodass ich sie anblicken kann und schüttle mit dem Kopf.
»Aber du brauchst Schlaf«, versucht sie es weiter.
»Ich benötige Antworten«, beharre ich etwas zu deutlich vielleicht. Lesunas für einen Bruchteil erstarrte Mimik verpasst mir einen Stich im Inneren. »Tut mir leid, ich bin ...«
»Du bist müde, das ist doch klar.« Sie ist viel zu gut, zu herzlich. Wie schafft sie das nur? »Wenn du etwas brauchst, dann ... Du weißt ja, wo ich bin.« Sie lächelt milde, was ich erwidere. Daraufhin geht sie ohne weitere Worte zu ihrem Schlafbereich. Ich bin froh, dass Dira offensichtlich Schlaf findet. Ob ich mich über längere Zeit gegen sie auflehnen könnte? Mit einem Grinsen lehne ich mich nur ein bisschen seitlich an das Polster.
Was war das? Meine Augen aufreißend muss ich mich erst einmal orientieren. Mist. Ich bin doch eingeschlafen. Hastig scanne ich den Raum nach Fritzi ab, denn ich habe gleich gespürt, dass sie nicht mehr bei mir ist, an meinen Füßen ist die Wärme fort. Schwanzwedelnd sitzt sie von innen vor der Tür der Hütte. Wahrscheinlich hat nur sie mich aufgeschreckt. Doch da sie nun dort auf etwas zu warten scheint, kann das ja nur eins bedeuten. Hoffe ich. Ich wünsche es mir.
»Fritzi«, rufe ich sie leise, woraufhin sie ihren Kopf zu mir wendet. Bestimmt vermisst sie Frederik sehr. Sie sind ein eingespieltes Team. Nein, viel mehr als das, fällt mir auf. Sie haben nur noch sich. Ich spüre, wie sich meine Augen mit Tränen füllen. Wie konnte ich nur so egoistisch sein? Ich muss etwas tun! Ich weiß nur nicht, was. Ich muss Papi befreien, aber wie?
Mein Blick verweilt weiterhin auf Fritzi, mit der ich gerade leide. Mein Herz wird ganz schwer und ich weiß nicht mal mehr, welcher Schmerz sich in mir so sehr breitmachen will. Der um Frederik und seine Vergangenheit? Wegen Papis Gefangennahme? Aufgrund unserer Gesellschaft, die in Angst lebt? Oder weil es mich schmerzt, dass ich dafür verantwortlich bin, dass ich diese beiden nun auch noch getrennt habe?
Kurz darauf wird die Tür tatsächlich geöffnet. Fritzis Rute bewegt sich zunächst wilder, wischt auf dem Boden hektischer hin und her, doch dann – als die Person hineinkommt – nimmt die Bewegung ab. Nach einer kurzen Begrüßung lässt sich Fritzi an der Tür nieder. Ich fühle mit ihr.
»Jeu?« Cil ist natürlich verwundert, dass ich noch wach bin.
»Ich habe auf dich gewartet«, antworte ich, nachdem ich tief eingeatmet habe.
Verstehend – so scheint es – nickt er, begibt sich zum Küchenbereich, wobei ich ihn beobachte und holt sich ein Glas. Er hebt es hoch, als möchte er fragen, ob ich ebenso etwas zu trinken brauche. Ich zucke mit den Schultern. Es ist mir gleich. Ich will reden.
Nachdem er einen Krug mit Wasser befüllt und diesen mit zwei Gläsern auf den Küchentisch stellt, macht er eine einladende Geste, sodass ich mich zu ihm begebe. Wir setzen uns gegenüber. Ich spüre, dass er einverstanden ist, mit mir zu reden.
»Worüber möchtest du reden, Jeu?«
»Frederik. Wie geht es ihm?«, platzt es aus mir heraus. Cil lässt sich Zeit mit einer Antwort. Er macht mir damit Angst, wodurch ich mit meinen Händen anfange, an dem Stoff meiner Bekleidung herumzuzupfen.
»Wenn du einmal die Staatsoberhäuptin bist, wäre es von Vorteil, wenn dir nicht jeder anmerken kann, wie es dir geht.« Ich bin verblüfft über diese Antwort. Gleichzeitig reiße ich meine Hände vom Stoff los und verstecke sie hinter meinem Rücken. Er lehnt sich nach hinten und reibt sich über sein Gesicht. »Tut mir leid, Jeu. Das war nicht angebracht. Es sind anstrengende Zeiten.«
»Kann ich irgendwie helfen?«, frage ich, obwohl ich immer noch irritiert bin.
»Vielleicht weißt du etwas über diejenigen, die deinen Vater und die anderen festhalten«, spricht er seine scheinbar gerade aufkommenden Gedanken aus.
»Ich weiß nicht ...« Allein wenn ich an diese schrecklichen Männer denke, die hinter mir her waren oder Hilde, ... da bekomme ich wieder eine Gänsehaut. Hinter meinem Rücken kralle ich mich erneut mit meinen Fingern am Stoff fest.
»Vielleicht kannst du mir ja ein paar Fragen beantworten und einiges bestätigen?« Da ich lediglich nicke, fährt fort, nach dem er einen Schluck trinkt. »Sie waren auf der Erde hinter dir her, das nehme ich an und sie haben dich in ihrer Gewalt gehabt?«
»Ja, erst war ich bei drei Männern. Das ist eine Zeit, an die ich mich nur schwer erinnere. Sie haben wohl etwas mit meinem Gedächtnis gemacht und auch mit dem Mondband.«
»Danke, Jeu. Was heißt erst?«
»Später, als ich dachte, ich wäre endlich in Sicherheit, traf ich auf eine Frau. Sie gehörte zu ihnen ...« Ich muss abbrechen, die Episode mit Hilde setzt mir immer noch zu. Cil spürt das offensichtlich, er schaut auf die Tischplatte vor uns, möchte mich nicht bedrängen. »Ich konnte ihr entkommen, dank Frederik. Ein weiteres Mal dank ihm. Die Männer kamen zu dieser Frau und wollten mich wieder mitnehmen. Stattdessen hat sich Frederik ihnen gestellt und sie nahmen ihn mit. Ich konnte fliehen. Ein paar Mal habe ich zugegebenermaßen aus Versehen das Band benutzt. Dazu muss ich sagen, dass ich zu all der Zeit nicht wusste, wie nach Hause komme, was es für ein Band ist. Es war so gut wie alles verschwommen. An Papi konnte ich mich erinnern und dass dort nicht mein Zuhause ist. Viel später hätten die Männer uns fast wieder geschnappt, wenn nicht ... Na ja, egal. Aber da sagten sie etwas davon, dass sie mir doch nicht nur meine Sprache und Gedächtnis nehmen wollten.«
»Sprache?«
»Ach so, ja. Ich konnte nicht mehr richtig sprechen, denken schon. Sobald Worte meinen Mund verlassen haben, klang das einfach nur komisch und war unverständlich. Sie hatten mir einen Chip ins Band transplantiert, den auch Frederik entfernte.«
»Frederik? Woher wusste er, wie das geht?«, fragt er auf einmal verwirrt nach.
»Nicht, wie du denkst. Er hat die Unterlagen aus dem Labor mitgenommen, indem er festgehalten wurde. Das ist eine viel zu lange Geschichte, Cil. Aber du musst mir glauben, ohne ihn wäre ich nicht hier. Sie haben alles daran gesetzt, mich zu bekommen.«
»Ja, das denken wir uns auch. Wir haben mitbekommen, dass sie zwar diese unsere Technologie benutzen, sogar manipulieren können, aber nicht entschlüsselt haben. Unsere Vermutung ist daher, dass sie dich deswegen so lange festhalten wollten, bis sie gekonnt hätten.«
»Vielleicht.«
»Ich bin froh, dass du da raus und wieder hier bist.«
»Dank Frederik. Kannst du mir jetzt bitte endlich sagen, was mit ihm ist? Du machst mich ganz nervös.«
»Entschuldigung. Ich war noch im Arbeitsmodus.«
»Ist okay, die Informationen sind vermutlich auch wichtig und will auch unbedingt Papi und die anderen da raus holen, aber bitte, nun sag schon.«
»So viel gibt es da eigentlich nicht zu sagen. Es ist eben Training.«
»Das ist alles? Hast du ihm meine Grüße ausgerichtet?«
»Natürlich Jeu. Das scheint ihn gefreut zu haben, das ist aber auch das Einzige. Ansonsten ist er ziemlich fertig und steht eher in der Abschussliste der anderen.«
»Was?«, schreie ich heraus. »Das sagst du erst jetzt?«
Ich springe auf und sprinte zur Tür. Das kann nicht wahr sein. Ich reiße sie auf und renne den Pfad zur Hütte schon los. Was, wenn ich zu spät komme? Nein, das darf ich nicht.
»Jeu. Warte! Es alles ist gut. Wirklich. Denk an dich. Wir brauchen dich.«
Ich drehe mich noch einmal um und sehe, wie Lesuna Cil zurückhält. Mein Blick sagt ihnen, glaube ich, alles. Ich muss jetzt für mich sein. Mir ist es gleich, ob sie sich vorstellen können, welches Ziel für mich gerade das einzig richtige ist.
Ich darf nicht auch noch an so etwas schuld sein. Wie konnte Cil Frederik in so eine Lage bringen, obgleich ich ihm mitgeteilt habe, was er alles für mich getan hat? Ich verstehe es nicht.
Was ist hier nur los? Hier konnte ich doch einst jedem vertrauen, vor allem Cil.
Ohne auf den Untergrund zu achten, laufe ich weiter. Erst nach einer Weile bemerke ich, dass Fritzi mir folgt. Darüber bin ich sehr froh. Niemand anderen möchte ich gerade an meiner Seite haben. Außer Frederik.
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