Keine Toiletten und kein Nachtdienst. Das kann ich echt nicht glauben. Ich reibe mir über die Augen und blicke erneut darauf. Es hat sich nicht verändert. Wäre ja auch genauso merkwürdig.
Es ist nichts derart Schlimmes, was mich um den Verstand bringen könnte oder besser gesagt, womit sie mir das Leben noch mehr zur Hölle machen könnten. Also in der jetzigen Verfassung. Toiletten- und Nachtdienst gehört eben genauso dazu wie alles andere.
Wieso aber werde ich besonders behandelt? Oder läuft das hier anders? Machen sie das hier nicht gerne? Müll aufzusammeln, ist doch nun wirklich nichts Weltbewegendes. Vor allem hier. Abfall habe ich hier kaum herumfliegen sehen. Es scheint mir eher, dass diese Dinge sich aus den dafür vorgesehenen Behältern gelöst haben oder es vielleicht ein Versehen war. Sie sind nicht wie auf der Erde, die eh bereits eine einzige Müllhalde ist und wo der Glaube verloren gegangen ist, noch irgendetwas retten zu können. Hier ist es frisch, bunt – voller Leben. Nicht grau, trist und leblos.
Müll sammeln. Diese Aufgabe werde ich schnell erledigt haben, auch wenn das Gelände, auf dem ich den einzusammeln habe, recht groß ist.
Sobald sie sich auf den Weg zum Trainingsplatz begeben, werde ich loslegen. Das ist das einzig Gute an meiner Sonderstellung. Während die anderen gequält werden, kann ich in Ruhe meinem Dienst nachkommen. Ohne mich umblicken zu müssen oder Gedanken darum, dass eventuell jemand auf mich zukommen könnte.
Hoffentlich ist Cil wirklich ein Guter und schürt hier nicht noch absichtlich die Stimmung gegen mich. Wo ist mein Vertrauen in die Leute hin?
Hattest du das jemals?, verhöhnt mich meine innere Stimme prompt.
Auch wieder wahr. Obwohl! Bei Jeu war es anders, oder nicht?!
Ich hoffe, dass sie und Fritzi ein wenig zur Ruhe kommen können und dass sie nichts auf eigene Faust unternehmen wird. Sie vertraut Cilai und es scheint, dass ihm viel an ihr liegt. Vermutlich sollte ich ihm wirklich trauen.
Mit dem Getrampel, den die anderen Typen verursachen, als sie sich wieder aufmachen, ziehe ich auch los. Nur das ich ihnen von einem sicheren Platz erst einmal nachschaue, wobei ich nach ›Sir‹ mit seinem Flechtzopf Ausschau halte. Und tatsächlich kann ich ihn sehen. Heute scheint er überhaupt kein Monstrum dazustellen. Vielleicht habe ich ihn auf den falschen Fuß erwischt – beziehungsweise hat er mich ja irgendwie erwischt.
Als sie einige Meter von dannen sind, mache ich mich erst einmal in die entgegengesetzte Richtung auf. Tatsächlich gleicht der Mülldienst eher einem Spaziergang. Es ist beruhigend. Lediglich ab und zu muss ich mich hinhocken und etwas aufheben. Das kann ich jedoch an einer Hand abzählen. Die paar Fundstücke bringe ich nach meiner gezogenen Bahn zur Zentrale, an der große Tonnen stehen. Für ganz Blöde – vielleicht auch für Fremdlinge wie mich – sind daran Bildchen angebracht, damit ich auch ja weiß, was wo rein gehört. Eigentlich clever, muss ich mir eingestehen.
Die Route hat einiges an Zeit beansprucht und kurz bin ich versucht, die restliche Zeit, bis es Abendessen gibt, irgendwie hier zu verbringen, entscheide mich aber dagegen. Lieber suche ich nun mein Zelt auf und gönne meinem schlappen alten Körper mal seine Ruhe. Denn ich bin ganz schön geschafft. Der Mangel an Nahrung wird nicht mehr verantwortlich sein, aber der ganze Stress ... Es war schon viel.
Obwohl ich mir nicht sicher bin, ob ich wirklich ein Auge zu tun kann ... Sie werden mich bestimmt schon nicht im Schlaf attackieren! Kann ich mir da so sicher sein? Aber warum sollten sie? Was hätten sie davon? Wenn ich sie doch nur besser einschätzen könnte und wissen würde, was in ihrem Kopf so vorgeht. Hm. Das macht mich irre!
Mein Ziel – mein Schlafplatz – kommt in mein Sichtfeld, woraufhin mein Körper sofort reagiert. Fehlt nur noch, dass mir ein Meter vorher meine Beine den Dienst verweigern und ich nicht einmal in den Genuss des militärischen Komforts kommen kann.
Nach dem ich den Reißverschluss – es sind in der Tat Zelte, wie ich sie kenne – hoch und hinter mir direkt wieder runtergezogen habe, schmeiße ich meinen Kleiderhaufen an den Rand zwischen Matte und Zelt. Dann streife ich Stiefel sowie Hose ab und lasse mich einfach auf die Matte fallen. Meine Lider fallen immer wieder zu, doch etwas blockiert mich, ich kann nicht wirklich einschlafen. Obwohl ich es mehr als nötig hätte.
Ich verliere mich in irgendwelchen Gedanken oder auch luftleerem Raum. Zu fassen bekomme ich zumindest keine richtigen Konstrukte. Ich schwebe einfach so daher.
Plötzlich raschelt es von außen. Etwas, was ich schon lange nicht mehr gespürt habe, überkommt mich. Ehrliche, richtige Angst. Durchs Aufschrecken liege ich jetzt nicht mehr auf dem Rücken, sondern stütze mich mehr oder weniger auf meinen Ellenbogen ab. Selbst gestern habe ich es nicht in dieser Art fühlen müssen. Meine Wangen und Hände beginnen zu kribbeln. In meinem Bauch könnte gerade der Gipfel von der Erde versenkt worden sein. Ich horche weiter hin. Das Geräusch ist weg. Erleichtert atme ich aus. Dabei spüre ich die Anspannung aus meinen Gliedern weichen und dadurch, dass ich mit meiner Hand direkt zum Aufstecher gewandert bin. Überrascht ziehe ich sie weg und wische mir stattdessen den Schweiß von der Stirn. Ich lasse mich wieder auf die Matte fallen.
In dem Moment wird der Reißverschluss mit einem Ruck aufgezogen, was mein Herz wild losschlagen lässt.
»Du bist ein Freund von Jeu, richtig?«, fragt die grauenvolle Stimme.
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