Kapitel 9
Blake
"Er ist mir egal, bringt ihn um. Ich kann es auch selber machen, wenn ihr nicht wollt."
Logan starrte mich sprachlos an, vollkommen fassungslos von meiner gleichgültigen Aussage. Aber eine andere Wahl blieb mir nicht. Ich konnte nur hoffen, dass es reichte, etwas Zeit zu schinden, falls einer der Spartaner noch ein Ass im Ärmel hatte.
"Ich hatte ja mit etwas mehr Mitgefühl von dir gerechnet, Blake", die Frau seufzte und musterte mich misbilligend. "Hat dich die Zeit bei uns doch mehr beeinflusst, als dir lieb ist, nicht wahr? Vielleicht entscheidest du dich um, wenn der Erste tot ist und das Zweite Leben auf dem Spiel steht."
Und das war das Zeichen. Sowohl für ihren Handlanger, der Logan gepackt hielt, als auch für den Spartaner selbst.
Innerhalb einer Milisekunde schaffte Logan es, sich zu befreien und unseren ersten Gegner auszuschalten. Scheinbar hatte er noch ein Taschenmesser dabei gehabt, das er nach einer blitzschnellen Drehung im Bein seines Bewachers versenkt hatte. Dieser hatte nicht mal den Hauch einer Chance gehabt, um rechtzeitig zu reagieren. Die Verletzung würde ihn vermutlich nicht töten, zumindest nicht sofort. Aber es war gut möglich, dass er am Blutverlust sterben würde.
Und dann brach das pure Chaos aus. Ich hörte von Olivers Position die ersten Kampfgeräusche und wandte mich den drei Schnittern vor mir zu.
Logan griff direkt einen von ihnen an und ließ mich so mit zwei weiteren Feinden zurück. Der Anführerin der Gruppe und einem nicht mal zwanzig Jahre alten Jungen. Beide mit je einem Schwert bewaffnet.
Ich besaß immer noch mein Messer, also standen die Chancen momentan recht gut. Ich müsste mich ja auch nur so lange verteidigen, bis Logan siegte und mir einen Gegner abnehmen konnte. Dann würde es leichter für mich werden, selber angreifen zu können, um zu gewinnen.
Das bedeutete also für mich, Zeit zu gewinnen und eine sichere Verteidigung zu haben. Und mein Plan ging auch auf, zumindest für die ersten paar Minuten.
Die Frau war eine Spartanerin mit einem sehr aggressiven, aber gut ausgeführtem Kampfstil. Der Junge hingegen war ein Wikinger. Seine Angriffe wiesen mehrere leichte Fehler auf, aber mit meinem Messer war es durchaus anstrengend der Stärke des Wikingers standzuhalten.
Aber ich hielt stand. Bis ich Oliver sah.
Seinen Gegner hatte er zwar entwaffnet, aber dieser war fast zwei Köpfe größer und doppelt so breit wie Oliver. Durch die schiere Stärke des Mannes hatte Oliver in einem Nahkampf keine Chance.
Und so war es dazu gekommen, dass Oliver halb bewusstlos in der Hand des Mannes hing. Dieser hatte Oliver zurück an eine Wand gedrängt und drückte ihm mit einer Hand die Kehle zu. Die andere umfasste ein Handgelenk, sodass Oliver keine Chance blieb sich zu wehren.
Ich wich in letzter Sekunde einem Schlag des Wikingers aus und fällte eine Entscheidung. Logan konnte Oliver nicht retten, also blieb das wohl an mir hängen. Solange es eine Chance gab, ihn zu retten, war es meine Pflicht diese wahrzunehmen.
Nachdem ich das Schwert der Spartanerin abgewehrt hatte und mich so gut wie möglich aus der Gefahrenzone bewegt hatte, warf ich mein Messer.
Es traf sein Ziel. Auf mehr konnte ich mich nicht weiter konzentrieren, da ich jetzt zwei Gegnern unbewaffnet gegenüberstand.
Beide Schnitter grinsten mich siegessicher an, da ich nun keinen Gegenstand mehr besaß, um ihre Angriffe abzublocken.
Die erste Wunde wurde geschlagen, als ich den Angriff der Spartanerin abwehren konnte, aber somit eine offensichtliche Lücke in meiner Deckung gegenüber dem Wikinger hatte. Das Adrenalin dämpfte den Schmerz, aber mein rechtes Bein knickte trotzdem weg. Wie tief der Schnitt an meinem Oberschenkel war, konnte ich nicht sagen, aber verbluten würde ich schon nicht. Das hoffte ich zumindest mal.
Bevor ich zur Seite ausweichen konnte, hatte ich das Schwert der Spartanerin vor meine Kehle. "Ach, Blake. Die Gerüchte sagten, dass du besser kämpfst", sagte sie und hob mit der Schwertspitze mein Kinn an.
Aus dem Augenwinkel sah ich, dass Logan immer noch mit seinem Gegner beschäftigt war. Oliver ließ sich nicht blicken, vermutlich war er nicht in der Lage gewesen, weiter am Kampf teilzunehmen. Hoffentlich musste er sich nur vom Luftmangel erholen und wäre gleich wieder kampfbereit.
"Scheinbar glaubst du die Gerüchte, wenn du fünf Männer als Rückendeckung mitbringst. Nur für mich", ich zwang mir ein Grinsen auf und probierte die Aufmerksamkeit meiner beiden Gegner auf mich zu lenken. Sie sollten Logan nicht beachten, damit dieser weiterkämpfen konnte.
Ihr Blick verfinsterte sich sichtlich. "Ich durfte es nicht vermasseln. Dich zu kriegen ist die höchste Priorität, da nimmt man lieber ein paar Männer zu viel mit. Was angesichts deiner spartanischen Freunde sehr vernünftig war."
"Sie sind nicht meine Freunde", wiederholte ich mich und blickte die Spartanerin abwartend an.
"Du hast Glück, dass wir dich nicht töten dürfen, Gypsy", fauchte die Frau. Verletzen durften sie mich aber scheinbar, angesichts der schmerzenden Wunde an meinem Bein. Sie nickte dem Wikinger zu, welcher sogleich hinter mich trat. Er packte aggressiv meine beiden Arme und zog mich hoch.
In diesem Moment griff Logan endlich ein. Sein Gegner war besiegt, sodass es ihm ein leichtes war die Spartanerin von hinten zu erstechen.
Ich stieß ein erleichtertes Seufzen aus, da somit das Schlimmste geschafft war.
Meine Erleichterung währte jedoch nicht lange, da sich eine Hand des Wikingers, um meine Kehle schloss und mir die Luft abdrückte.
"Einen Schritt weiter und ich brech' ihr das Genick", grollte der Wikinger hinter mir und ließ Logan still stehen bleiben, welcher allerdings nicht allzu besorgt wirkte.
Einen Moment danach erfuhr ich auch wieso.
Oliver hatte sich aufrappeln können, sich einen Dolch geschnappt und dem Wikinger hinterrücks einen ordentlichen Schlag auf den Schädel verpasst. Augenblicklich erschlaffte der Körper des Wikinger und sackte auf dem Boden zusammen. Ebenso wie ich.
Die Wunde am Oberschenkel nahm mich mehr mit, als ich mir zugestehen wollte. Ich schaffte es mich mühsam auf den Armen abzustützen und in eine sitzende Position zu gelangen. Da sich hinter mir eine der Sitznischen befand, nutze ich diese, um mich dort anzulehnen.
In dieser Zeit schritt der blonde Spartaner um mich herum zu seinem Freund. Die beiden wechselten ein paar Worte, welche ich nicht verstehen konnte, aber das war mir momentan herzlichst egal.
Nach einem knappen Nicken von Oliver ging dieser Richtung Tür.
Währenddessen holte er sein Handy aus der Hosentasche. Also würde er wohl die Zuständigen aus Mythos informieren.
Logan verschwand hinter der Bartheke, kehrte kurz danach mit einem Handtuch zurück und kniete sich neben mich auf den Boden.
"Hat sie dich schlimm verletzt?", fragte er und reichte mir das Tuch, welches ich auf die Wunde an meinem Bein drückte. "Professor Metis wird gleich kommen, dann kann sie dich heilen."
"Geht schon", erwiderte ich wage, da ich vermutete, dass Metis nicht erscheinen würde. Die beiden Spartaner waren gesund und für mich würde sie nicht erscheinen. Nicht, dass ich es überhaupt wollen würde. "Was habt ihr gehört?"
Der Spartaner antwortete nicht sofort, was mir schonmal deutlich machte, dass sie eindeutig Dinge erfahren hatten, die sie nicht wissen sollten.
"Andere Frage", stoppte ich Logan, bevor er etwas sagen konnte. "Was erzählt ihr den Lehrern?"
Logan atmete einmal tief durch, da er scheinbar noch mit seiner Entscheidung haderte. "Oliver und ich haben uns entschieden nichts zu sagen, was dich in Schwierigkeiten bringen könnte. Mehr musst du nicht wissen."
"Danke, denke ich mal", erwiderte ich skeptisch und musterte ihn prüfend. "Aber wieso schützt ihr mich?"
"Der Feind meines Feindes ist mein Freund, oder nicht?", Logan grinste mich tatsächlich an. "Die Schnitter sind hinter dir her, also wirst du wohl oder übel auf der guten Seite stehen. Außerdem hast du Oliver den Arsch gerettet."
Ich nickte und kam danach auf Gwen zu sprechen. "Deine Freundin, sie... sieht Dinge?"
"Ja, das stimmt", bestätigte Logan und wollte noch mehr sagen, als er von Geräuschen aus dem Flur unterbrochen wurde. Augenblicklich ließ ich meine Magie wirken und nahm wieder das Aussehen von Myla an. Meine Haare wurden wieder braun, während meine Gesichtszüge weicher wurden und ich schlussendlich nicht mehr wieder zu erkennen war.
Ich hatte damit gerechnet, dass Trainer Ajax und Nickamedes erscheinen würde, da sie für die Sicherheit der Schüler verantwortlich waren. Aber zudem kamen auch noch Linus Quinn, Logans Vater und Leiter des Protektorats, sowie Olivers Freund und dessen Vater.
Logans Blick verfinsterte sich für einen kurzen Moment, als er die Neuankömmline erblickte. Ohne ein Wort zu mir zu sagen, ging er zu Linus und dem Rest der Erwachsenen. Diese überfielen ihn praktisch, da sie alle wissen wollten, was vorgefallen war.
Oliver und sein Freund Alexei kapselten sich von ihnen ab und kamen währenddessen zu mir rüber. Alexei trug einen Erstehilfekoffer, scheinbar waren sie dafür verantwortlich, sich um mich zu kümmern, während Logan ausführlich Bericht erstattete.
"Danke, dass du Oliver gehlolfen hast", äußerte sich Alexei zuerst, als er sich, ebenso wie Oliver, neben mich kniete. Davon wusste also schon jeder, na super.
"Nicht der Rede wert", sagte ich gelassen und beobachtete skeptisch, wie Alexei den Koffer öffnete und sich darauf vorbereitete, mich zu versorgen. "Keine Berührungsmagie, oder?", fragte ich angespannt nach.
"Nein", antwortete Alexei ruhig und schaute mich abwartend an. "Soll ich dir nun helfen, oder nicht?"
"Meinetwegen", gab ich zögerlich nach und entfernte das Handtuch von der Wunde an meinem Oberschenkel.
Alexei musterte diese kurz und fing dann mit routinierten Bewegungen an, mich zu versorgen. "Professor Metis konnte leider nicht kommen, aber wenn wir zurück auf Mythos sind, wird sie dich sicherlich heilen können", erläuterte Alexei.
"Das wird nicht nötig sein, ich komm schon klar", wehrte ich direkt ab und zwang mir ein Grinsen auf. "So schlimm ist es ja nicht und laufen kann ich bestimmt auch noch."
Sowohl Alexei, als auch Oliver musterten mich skeptisch, widersprachen aber nicht. Das hätte ihnen eh nicht viel gebracht.
Danach schwiegen wir. Alexei machte einen guten Job und hatte nach nicht mal fünf Minuten meine Wunde versorgt und verbunden. Ich wollte gerade aufstehen, als mich jemand davon abhielt.
"Also, Blake", ertönte plötzlich Olivers Stimme rechts neben mir, "du bist also eine Gypsy."
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro