Kapitel 7
Logan Quinn
Mein Plan war aufgegangen. Glücklicherweise hatte ich mich ebenfalls draußen befunden, als Gwen auf Myla traf, um ihr den Anhänger zurückzugeben. Und als die Kunoichi dann den Campus verlassen hatte, war es ja logisch gewesen die Verfolgung aufzunehmen. Doof nur, dass Gwen den gleichen Plan gehabt hatte.
Deswegen hielt ich mich erstmal bedeckt und folgte Gwen unauffällig, welche hoffentlich geschickt genug war Myla im Blick zu behalten.
Und auch wenn sie echt mies darin war, sich unauffällig zu verhalten, hatte sie es scheinbar geschafft, das Ziel zu erreichen ohne aufzufliegen.
Und deswegen standen wir jetzt versteckt in der Nähe des Good Times Internet Cafe. Welch spannende Verfolgungsjagd.
Ich musste lachen, als Gwen aufschrie und ließ sie los.
"Man, Logan! Du Arschloch!", fauchte Gwen mich wütend an und schubste mich leicht zurück.
"Lass gut sein, Gypsymädchen. Das war nur die Konsequenz für deine lausigen Geheimagenten-Künste", sprach ich amüsiert und lehnte mich mit dem Rücken gegen die Hauswand.
"Idiot." Scheinbar hatte die vorherige Beleidigung noch nicht ausgereicht. "Was machst du überhaupt hier?" Gwen schaute mich skeptisch an und verschränkte die Arme vor der Brust.
"Ich hab dich verfolgt, während du Myla verfolgt hast", stellte ich fest. "Aber das ist ja ziemlich offensichtlich. Viel interessanter ist, was du hier machst?"
Ich schaute Gwen auffordernd an, um eine Erklärung zu bekommen, welche sie mir aber scheinbar nicht geben wollte, oder konnte. "Ich wüsste nicht, was dich das angehen sollte."
Ich seufzte und verdrehte die Augen. "Komm schon, Gypsymädchen. Was hat Myla angestellt, dass du sie verfolgst? Ist sie ein Schnitter?"
Gwen sah netterweise ein, dass sie mir einfach die Wahrheit sagen sollte und zuckte mit den Schultern. "Ich weiß es nicht. Der Anhänger - den du außerdem gestohlen hast -", sie funkelte mich wütend an, "hat mir komische Sachen gezeigt."
"Scheinbar waren es keine guten komischen Sachen", schloss ich daraus. "Bist du so nett und gibst mir eine Kurzzusammenfassung dessen, was du gesehen hast?"
Gwen atmete genervt durch, fing dann aber schließlich an. "Ich hab gesehen, wie ein Junge - Michael - Myla verabschiedet hat. Ich vermute, dass das ganze in der Mythos Academy in London passiert ist, kurz bevor Myla hierhin kam. Dabei hab ich gehört, dass Myla eigentlich nicht Myla heißt, sondern den Namen nur als Decknamen verwendet. Ihr richtiger Name ist Blake. Und sie kann irgendwie ihr Aussehen verändern. Eigentlich trägt sie keine Brille und hat kurze, lockige Haare."
Ich schaute Gwen verdutzt an und dachte einen Augenblick nach. "Und wieso bist du dir jetzt nicht sicher, ob sie ein Schnitter ist? Ist doch ziemlich logisch in Anbetracht der Tatsache, dass sie einen falschen Namen benutzt, nicht wahr?"
"Sie wirkt nicht böse auf mich. Außerdem wäre ich doch bestimmt schon tot, wenn sie Loki dienen würde. Schließlich ist es kein großes Geheimnis mehr, dass ich Nikes Champion bin."
"Damit magst du recht haben. Andererseits kann es auch möglich sein, dass sie nur auf den richtigen Moment wartet oder vielleicht Informationen sammelt", überlegte ich.
"Vielleicht sollten wir das ganze woanders klären, Logan. Blake kann jeden Moment wieder aus dem Cafe kommen." Mit diesen Worten setzte Gwen sich in Bewegung, ohne auf mich zu warten.
Ich folgte ihr augenblicklich und griff nach ihrer Hand, um ihre Finger mit meinen zu verschränken. "Du solltest besser auf dich aufpassen, Gwen", sagte ich dann ernster. "Du kannst nicht einfach jemanden verfolgen, der möglicherweise Loki dient. Besonderns nicht jemandem wie Blake. Schließlich habe nicht mal ich eine Chance gegen sie im Schwertkampf."
Ich hasste es das zugeben zu müssen, aber leider war es die Wahrheit. Im Sportunterricht hatten Blake und ich noch zwei Trainingskämpfe gegeneinander durchgeführt. Und sie hatte jeden, ohne wenn und aber, gewonnen. Auch die anderen hatten keine Chance gegen sie. Zumindest im Schwertkampf. Bis jetzt hatte ich sie noch nie im Nahkampf gesehen oder mit einer anderen Waffe. Wer weiß, vielleicht konnte sie mit nem Bogen nicht mal die Mitte der Scheibe treffen.
"Ich hab doch dich. Sobald ich etwas Dämliches mache, bist du doch immer zur Stelle", grinste Gwen. "Wobei wir uns mal darüber unterhalten sollten, dass du mich einfach so verfolgt hast. Hättest mir ruhig Bescheid geben können."
Den Heimweg über sprachen wir nicht mehr über Blake. Das würden wir wahrscheinlich in Mythos machen und dabei vielleicht auch unsere restlichen Freunde einweihen.
Der kurze Spaziergang war... erstaunlich schön. Gwen und ich machten sowas nie, geschweige denn auf ein Date gehen. Aber es war unglaublich entspannend einfach mit ihr durch die Straßen zu gehen, während die Sonne unterging und alles gut zu sein schien. Zumindest für diesen Moment.
Gwen erzählte mir von ihrem neuesten Comic. Es lag nicht mal annähernsweise in meinem Interesse, aber Gwen zuhören zu können bei einem Thema, was sie so mochte, war wundervoll.
Als wir jedoch schließlich den Campus der Mythos Academy betraten, wurde die Stimmung wieder ernster. Wir hatten im Bezug auf Blake noch einiges zu besprechen. "Und, wie willst du jetzt weiter vorgehen?"
"Ich weiß es nicht", antwortete Gwen und seufzte. "Was schlägst du vor? Den anderen Bescheid zu geben? Mit Metis zu reden? Das Protektorat zu informieren?"
Ich musste zugeben, mein erster Gedanke war es tatsächlich gewesen, meinen Vater Linus Quinn zu kontaktieren. Er könnte Blake überprüfen und dann wäre alles geklärt und Gwen wäre in Sicherheit.
Wenn Gwen allerdings Recht hatte und Blake gar nicht böse war, würde die ganze Aktion... ziemlich unangenehm werden. Sowohl für Blake, als auch für meinen Vater, Gwen und mich.
"Ich hatte Alexei heute morgen darauf angesprochen, ob er Blake kannte. Laut ihm wurde sie in London mehrmals angegriffen, von wem ist jedoch unklar. Er hatte keinen engen Kontakt zu ihr, aber wahrscheinlich wird er trotzdem früher oder später bemerken, dass Blake und Myla sich ähnlich sind", erläuterte Gwen nachdenklich. "Vielleicht sollten wir Alexei direkt einweihen, bevor er mit seinen neu errungenen Informationen direkt zu seinem Dad rennt."
Sie hatte Recht. Wenn Alexei bemerkte, dass Myla eigentlich Blake war, würde er höchstwahrscheinlich seinen Vater informieren, was ich vermeiden wollte. "Das können wir morgen noch entscheiden. Viel wichtiger ist, wie wir mehr über Blake rauskriegen sollen."
"Ich werde sie nicht berühren, Logan", sagte Gwen augenblicklich und schaute mich ernst an. "Nicht mit der Absicht ihre Geheimnisse zu erfahren."
"Das habe ich doch auch gar nicht erwartet, Gypsymädchen", beruhigte ich sie und lächelte sanft. "Aber vielleicht könntest du ab und zu mal aus Versehen ihre Sachen berühren. Möglicherweise reicht es ja schon mal ihre Bücher zu berühren. Wir wollen ja nur wissen, ob sie gut oder böse ist."
"Mal sehen. Aber wehe dir, du klaust ihr wieder etwas und legst es in meine Tasche, Spartaner!"
"Ist ja gut, kommt nicht wieder vor", stimmte ich lachend zu. "Aber du musst zugeben, es war sehr hilfreich."
"Vielleicht", Gwen zuckte mit den Schultern und ging nicht weiter darauf ein.
Den restlichen Weg bis zum Styx hüllten wir uns in Schweigen. Scheinbar hingen wir beide unseren Gedanken nach und mussten selber verstehen, was das Ganze bedeutete.
Es bestand die reelle Möglichkeit, dass Blake keine friedlichen Absichten hatte. Auch wenn sie Gwen noch nichts getan hatte, trotz der Tatsache, dass sie höchstwahrscheinlich weiß, wer sie ist, heißt das nicht, dass Gwen in Sicherheit ist. Und Gwens Sicherheit war meine höhste Priorität.
Und so lange Gwen im Bezug auf Blake nichts unternehmen wollte, müsste ich das wohl selber in die Hand nehmen. Ich müsste mir Informationen zu Blake beschaffen - irgendwo würde es schon etwas geben. Notfalls könnte ich Gwens walkürische Freundin Daphne fragen, welche sich ausgezeichnet mit Computern auskannte. Mode-Freak hin oder her, am Computer war sie unschlagbar. Ihr Talent für technische Dinge bewunderte ich ehrlich, obwohl ich ihr das natürlich niemals sagen würde.
Ich begleitete Gwen bis vor die Tür ihres Zimmers. Auch bei der Verabschiedung fielen nicht viele Worte. Ich erkundigte mich kurz noch nach Blakes Zimmernummer, woraufhin ich hoch und heilig versprechen musste, nicht in das Zimmer der Kunoichi einzubrechen und nahm Gwen daraufhin das Versprechen ab, nichts Dämliches zu tun.
Mal schauen wie lange wir beide unsere jeweiligen Versprechen halten könnten. Ich wagte es mal die Vermutung aufzustellen, dass ich länger durchhalten würde. Schließlich kam es recht häufig vor, dass mein Gypsymädchen etwas Dämliches machte - auch, wenn es häufig nicht wirklich ihr Verschulden war.
Auf dem Weg zu meinem Wohnheim Hephaistos hielt ich nach Blake Ausschau, konnte sie aber nirgends entdecken. Entweder war sie also noch unterwegs, oder hatte ihr Wohnheim betreten, während ich mich von Gwen verabschiedet hatte.
Am restlichen Abend passierte nichts außergewöhnlich. Und auch der nächste Tag startete so unspektakulär wie jeder andere Dienstag im Jahr auch.
Gwen verlor beim Training gegen mich, das Frühstück schmeckte so wie immer - Blake ließ sich währenddessen kein einziges Mal blicken - und im Unterricht passte ich so gut auf wie auch sonst. Also eigentlich gar nicht.
Nur, dass ich heute ausnahmsweise eine Ausrede hatte, die ich zwar niemandem erzählen konnte, aber sie würde wenigstens mein Gewissen befriedigen. Der Unterschied heute war allerdings, dass ich nicht nur meine Lehrer ausblendete, sondern auch meine Mitschüler und generell alles andere. So kam es, dass ich es erst bei dritten Mal merkte, dass Oliver mich ansprach.
"Hey, Logan!", der Spartaner stieß mich an der Schulter an und riss mich aus meinen Gedanken. Die Stunde hatte scheinbar schon geendet und die restlichen Schüler erhoben sich von ihren Plätzen, um möglichst schnell nach draußen zu gelangen, da es der letzte Unterricht für den Tag war.
"Ich komm ja schon", sagte ich hastig, schnappte mir meinen Rucksack und reihte mich mit Oliver in den Strom der ganzen Schüler ein, die das Gebäude verlassen wollten.
"Was ist los mit dir?", ertönte Olivers Stimme, während wir gemeinsam zu unserem Wohnheim liefen. "Du kriegst ja gar nichts mehr mit. Was beschäftigt dich?"
"Ich weiß deine Sorge zu schätzen, Oliver, aber mir geht's gut. Mach dir um andere Leute Gedanken", sagte ich mit ironischem Unterton, um Oliver davon abzubringen mich weiter auszufragen.
Aber es klappte nicht.
Und so kam es, dass ich Oliver alles anvertraute, was am vorherigen Abend geschehen war. Ich wusste, dass es die richtige Entscheidung war, auch wenn Gwen das vielleicht anders sehen würde.
Oliver würde Stillschweigen bewahren, da war ich mir sicher. Zudem gab es so noch jemanden, der die Kunoichi im Auge behalten konnte, falls diese wieder abendliche Spaziergänge machte.
Und rein zufällig trat genau das am nächsten Abend wieder ein.
Und wie Fortuna es wollte, waren sowohl Oliver, als auch ich zur Stelle, um die Kunoichi zu verfolgen.
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